Valeo mittendrin | November 2011

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42 Aus den VALEO Häusern Medizinstudent aus Ontario absolvierte Praktikum in der Klinik für Thoraxchirurgie Kanada meets EvKB Bielefeld, 07:15 Uhr Mitteleuropäi- scher Zeit (MEZ): Nach zirka einer Mi- nute Fußweg zur Arbeit öffnen sich für Graham James Cummins die automatischen Eingangstüren vom EvKB-Haus Gilead I in Bethel. Für ihn beginnt ein Tag als Praktikant in der 20 Betten großen Klinik für Thoraxchirurgie. Drei Wochen lang begleitete der kanadische Medizinstudent Chefarzt Dr. med. habil. Detlev Branscheid, den leitenden Arzt Dr. med. Morris Beshay sowie den Oberarzt Andreas Gries und Dr. Dieter Papke. Einige Einblicke konnte der 22-jährige Mediziner schon gewinnen. Denn bevor Graham Cummins nach Bielefeld kam, absolvierte er ein Praktikum in einem Schweizer Herzzentrum am Bodensee. Sein Tag beginnt mit der Visite. In Begleitung von Oberarzt Gries und Dr. Papke besucht er die chirurgischen Patientinnen und Patienten im Lungenzentrum des EvKB und sieht mit ihnen nach dem Rechten. Nach einer Besprechung mit den beiden leitenden Ärzten Dr. Branscheid und Dr. Beshay geht es zur nächsten Visite – dieses Mal auf der Intensivstation. Sein Interesse für das EvKB wurde durch den Besuch einer Bielefelder Freundin bei ihm im kanadischen Kitchener geweckt. Sie erzählte von den Erlebnissen ihres Sozialen Jahrs in Bethel. Das hinterließ Eindruck. Kurze Zeit später bewarb sich Graham beim EvKB und wurde genommen. Ein Sprachproblem hat der Kanadier nicht. Cummins fing während des Studiums mit der Sprache an und lernte diese drei Semester lang. Bielefeld, zirka 08:15 Uhr MEZ: Verbands- wechsel mit Dr. Papke. Cummins unterstützt seine Kolleginnen und Kollegen wo es nur geht. Die Praxiserfahrung ist für seine weitere Berufslaufbahn als Arzt entscheidend: In zwei Jahren muss er sich für einen medizinischen Schwerpunkt entscheiden. Dann wird Valeo mittendrin | November 2011 er Arzt im Praktikum sein. Zu Graham Cummins Favoriten gehört der Bereich Thoraxchirurgie jetzt auf jeden Fall. Graham: „Die Kollegen sind alle so freundlich. Sie behandeln mich, als sei ich schon immer ein Mitglied ihres Teams gewesen. Und die Stimmung hier ist toll. Es gefällt mit super.“ Bielefeld, zirka 09:00 Uhr MEZ: Operation mit Oberarzt Gries. Gemeinsam gehen Gra- ham Cummins und Andreas Gries in den Ope- rationssaal und bereiten sich auf die nächsten Stunden vor. Drei Operationen unter der Leitung von Dr. Branscheid und Dr. Beshay stehen an diesem Tag auf dem OP-Plan. Jährlich führen die Thoraxchirurgen an die 500 Operationen durch. Die Schwerpunkte der Klinik liegen auf der Diagnostik und Therapie von Lungen- und Mittelfelltumoren, Bronchialkarzinomen und Lungenmetastasen. Weitere Spezialisierungen liegen in der Luftröhren- und Atemwegschirurgie sowie in der minimal-invasiven Trichterbrustkorrektur. Heute wird zuerst ein Lungentumor eines starken Rauchers entfernt. Im Gegensatz zu den herzchirurgischen Operationen, die Cummins in der Klinik am Bodensee begleiten durfte, werden die thoraxchirurgischen Eingriffe im EvKB auch minimal-invasiv durchgeführt. Bisher kannte er die Operationsmethode mit den nur wenigen Zentimeter großen Einschnitten nur aus Lehrbüchern. Bielefeld, ca. 12:00 Uhr MEZ: Zeit zum Mit- tagessen ist heute nicht, obwohl Cummins Graham James Cummins • 22 Jahre • wohnhaft in Kitchener (hieß bis 1916 Berlin), Ontario Kanada • geboren in Guelph, Ontario, Kanada • Student der Medizin an der McMasters Universität in Hamilton, Ontario, Kanada • Praktikant in der Klinik für Thoraxchirurgie des EvKB vom 22.07. – 12.08.2011 das deutsche Essen mag. Für ihn unterschei- det es sich kaum von der kanadischen Kü- che. „Aber die Menschen sind anders. Im Gegensatz zu uns Kanadiern, trennen die Deutschen Arbeit und Privatleben strikt. In der Freizeit wird hier kaum über die Arbeit gesprochen. Das ist in Kanada anders“. Bielefeld, zirka 14:00 Uhr MEZ: Nach ver- späteter Mittagspause geht es weiter mit der Verwaltung – wie z. B. den OP- und Entlassungsberichten. Sie gehören neben der Patientenversorgung zur täglichen Arbeit. Bielefeld, zirka 16:30 Uhr MEZ: Jetzt beginnt für Graham der Feierabend. Sein Weg zum Wohnheim führt ihn quer durch Bethel. Die Natur und die Städte in Deutschland sind ihm besonders ans Herz gewachsen: „In Kanada werden die Städte über die Natur gebaut. Hier ist die Natur in den Städten und um sie herum dominanter und vor allem wird auf sie geachtet.“ Die Zeit bis er Arzt ist, wird Graham möglichst vielfältig gestalten. Sein nächstes Praktikum möchte er in Indien machen. Sollte es im Rahmen seines Studiums möglich sein, dann würde er sehr gerne seine Zeit als Arzt im Praktikum im EvKB absolvieren. Auch ein Leben in Deutschland kann er sich gut vorstellen. Nach seinem Aufenthalt im EvKB ist seine Zeit in Deutschland zunächst beendet – jedoch nicht in Europa. Für ihn startet dann sein Urlaub in Kroatien.
Andere Länder, andere Sitten: Im Workshop setzen sich die Teilnehmer mit unterschiedlichen kulturellen Gegebenheiten auseinander. Workshop für interkulturelle Kompetenz Verständnis für das Fremde Hamm. Ein höfliches Lächeln auf den Lippen, im Pulk von einer Sehenswürdigkeit zur anderen wandernd und immer den Finger am Auslöser: „Japaner im Urlaub“, schallt es durch den Tagungsraum des Hammer Amalie-Sieveking-Haus. Blitzschnell war das pantomimisch dargestellte Bilderrätsel gelöst. Auch mit einer „russischen Hochzeit“ und „Amerikanern im Supermarkt“ hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ekf- Workshops zur „Interkulturellen Kompetenz im Krankenhaus – Patienten mit Migrationshintergrund“ wenig Schwierigkeiten. Im Krankenhaus-Alltag jedoch stellen Menschen aus anderen Kulturkreisen in der täglichen Kommunikation und in der medizinisch-pflegerischen Versorgung nicht selten eine große Herausforderung dar. Das berichteten auch die anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den evangelischen Krankenhäusern Hamm und Münster. Doch nicht nur ihre Erfahrungsberichte ähnelten sich. In einem Punkt waren sie sich alle ei- nig: Die sprachlichen Hürden sind im Alltag auf den Stationen eher klein. Im Gegensatz zu den Herausforderungen, die kulturell geprägte Verhaltensweisen mit sich bringen. Fehle es doch immer wieder an Erfahrungswerten und am Wissen über die anderen Kulturen. Missverständnisse und im schlimmsten Fall sogar Unverständnis auf Kosten der Patienten können ebenso die Folge sein wie Stress und Überforderung der Mitarbeiter. Um das zu verhindern und die Mitarbeiter auf solche Situationen gut vorzubereiten, gab Ethnologin Sandra de Vries einen umfangreichen Einblick in das Verständnis von Krankheit und Heilung, von Familienzusammenhalt und Genesung aus Sicht anderer Kulturen. Mit dem umfangreichen Wissen der Referentin klärten sich die Fragen der Teilnehmer schnell und dank der detaillierten Erklärungen wich die Unsicherheit am Ende Verständnis und Mitgefühl. Weiß man nämlich, dass für Menschen aus dem muslimischen Kulturkreis nur das Reinigen an fließendem Wasser den Effekt der Sauberkeit hat, so wunderte es am Ende niemanden mehr, dass die zuvor beschriebene 80-jährige, bettlägerige Türkin sich selbst am vier- Aus den VALEO Häusern 43 ten Tag nicht mit einer Waschschüssel am Bett pflegen lassen wollte und lautstark protestiert hatte. Mindestens genauso klassisch wie spannungsgeladen sind Situationen in der Notaufnahme. Kennt man aber die Kommunikationsstrukturen der Familien, so ergibt es plötzlich einen Sinn, dass bei einer türkischen Familie immer wieder der Onkel und nicht etwa die Mutter das Wort ergreift. „Denn hier gilt das älteste männliche Familienmitglied als Sprecher für alle. Schicken Sie nun also den Onkel vor die Tür und fragen womöglich auch noch die Mutter, so gibt das verständlicherweise Grund zur Unruhe“, wusste Sandra de Vries ein konkretes Beispiel zu bewerten. Auch der Wunsch, so viele Familienmitglieder wie möglich am Krankenbett um sich zu scharren, erschien logisch, als die Expertin die Perspektive anderer Kulturkreise auf die Genesung erläuterte: „Die Überzeugung, dass ein Angehöriger nur durch die Gesellschaft seiner Familie geheilt werden kann, ist zum Beispiel bei den Roma und Sinti verbreitet. Die Anwesenheit der Familie ist für diese Menschen ein ganz wesentlicher Teil ihrer Gesundung. Wird das unterbunden, so ist das vermeintliche ‚Alleinsein‘ für diese Menschen eine echte Katastrophe.“ Wie wäre es denn umgekehrt? Grundsätzlich gelte: „Fragen Sie nach, was ihrem Patienten gut tut oder was Sie für ihn tun können“, betonte Sandra de Vries. Selbstverständlich müssten im Krankenhausalltag auch immer wieder Kompromisse gefunden werden, um andere Patienten nicht zu stören. „Es kann zum Beispiel eine Besuchsregelung getroffen werden, die zwar der einen Familie erlaubt, dauerhaft bei ihrem Angehörigen zu bleiben. Dafür kann man die Personenanzahl eingrenzen. Oberstes Gebot und gleichzeitig beste Möglichkeit, Miss- und Unverständnis auszuräumen, sei, sich Unsicherheiten einzugestehen und sie zu klären. „Stellen Sie sich die Situation einfach umgekehrt vor: Wenn Sie in einem fremden Land krank in einem Hospital liegen würden, wären Sie auch erleichtert, wenn man Sie nach Ihren Wünschen fragt und auf Sie zugeht.“ Valeo mittendrin | November 2011
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