Valeo mittendrin | November 2011
Valeo mittendrin | November 2011
Valeo mittendrin | November 2011
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32 Aus den VALEO Häusern<br />
Der Lippstädter Chirurg Volker Dreimann berichtet aus einem der ärmsten Länder<br />
Das Lachen der Kinder<br />
Lippstadt. Im Mai dieses Jahres reisten<br />
Dr. med. Tillmann Gresing, Chefarzt<br />
der Kinderklinik und ich, Dr. med. Volker<br />
Dreimann, Leiter der Plastischen<br />
Chirurgie aus dem Evangelischen<br />
Krankenhaus in Lippstadt, zusammen<br />
mit unseren Kasseler Kollegen Dr.<br />
med. Ibrahim Al-Naieb, Kinderchirurg<br />
und Dr. med. Morley Wright, Kinderarzt<br />
zu einem Kinder-/Plastisch chirurgischen<br />
Hilfseinsatz nach Freetown,<br />
der Hauptstadt Sierra Leones.<br />
Unterstützt durch die Bintumani D-SL German-Sierra<br />
Leone Society E.V., mit Sitz in Berlin,<br />
einem von Sierraleonern und Deutschen<br />
gegründeten gemeinnützigen Verein und<br />
dem Evangelischen Krankenhaus Lippstadt,<br />
wurde nun schon im zweiten Jahr der Kinderchirurgische<br />
Hilfseinsatz durchgeführt; in<br />
diesem Jahr erstmals mit Unterstützung auch<br />
der Plastischen Chirurgie.<br />
Nach einem unglaublich großen Engagement<br />
von Kindern in verschiedenen Schulen,<br />
Gemeindemitgliedern von Kirchen aber auch<br />
von Behörden wie Staatsanwaltschaft und<br />
Amtsgericht in Kassel sowie von vielen ärztlichen<br />
Kolleginnen und Kollegen und anderen<br />
hilfreichen Spendern, konnten Medikamente,<br />
Verbandsmaterialien und Hilfsmittel für den<br />
geplanten medizinischen Einsatz gekauft<br />
werden. Unser Ziel war nicht nur die operative<br />
Versorgung von Kindern mit OP-Indikationen,<br />
welche mangels finanzieller Mittel und<br />
chirurgischer Erfahrung nicht versorgt werden<br />
können. Gleichzeitig wollten wir interessierte<br />
Kollegen in Sierra Leone ausbilden und<br />
für einen lehrreichen Erfahrungsaustausch<br />
zwischen den Kontinenten sorgen.<br />
Weit jenseits des Erwarteten<br />
„Welch eine bedrückende vollkommen neue<br />
Situation, weit jenseits des Erwarteten“, so lassen<br />
sich meine ersten Eindrücke und Gefühle<br />
von der Stadt Freetown und den Lebens-<br />
<strong>Valeo</strong> <strong>mittendrin</strong> | <strong>November</strong> <strong>2011</strong><br />
bedingungen ihrer Bewohner am besten beschreiben.<br />
Schnell wurde mir klar, dass jeder<br />
Vergleich mit unseren deutschen Lebensbedingungen<br />
in eine innere Bestürzung mündet.<br />
Um die eigene Handlungsfähigkeit im<br />
Hilfseinsatz herzustellen, musste ich schnell<br />
die Bedingungen in Freetown als gegeben<br />
akzeptieren.<br />
Hygiene auf unterstem Niveau<br />
Im Connaucht Hospital, unserer Wirkungsstätte,<br />
fanden wir eine schwer beschreibbare<br />
Situation vor. Haustechnik noch aus der Kolonialzeit,<br />
nicht verlässlich Wasser und Strom,<br />
seit Jahrzehnten scheinbar keine Instandhaltung<br />
der Gebäude mehr, hygienische Bedingungen<br />
auf unterstem Niveau, Toiletten<br />
ohne Wasser – wie ungepflegte Plumpsklos.<br />
Das gesamte Krankenhaus gefüllt mit Patienten<br />
und Angehörigen auf den Gängen und in<br />
den etwa 20 bis 30 Betten umfassenden Patientenzimmern,<br />
auf den Betten größtenteils<br />
nur die nackte Matratze mit Gummiüberzug,<br />
schlafende Angehörige teilweise auch unter<br />
den Betten, schon lange dunkelgefärbte<br />
ehemals weiße Mosquitonetze über den Betten.<br />
Patienten mit unter anderem offenen<br />
Geschwüren oder Verbrennungen und trotz<br />
Patientenversorgung nach Sierra-Leone-Art.<br />
großer Wundflächen mit schmutzigen oder<br />
keinen Verbänden. Zudem ein ständig präsenter<br />
Brandgeruch der vielen sich an kleinen<br />
Lagerfeuern auch innerhalb und außerhalb<br />
des Krankenhauses selber verpflegenden<br />
Patienten und ihrer Angehörigen. Über<br />
all den Gerüchen 30°C im Schatten bei einer<br />
Luftfeuchte von über 70%.<br />
Diese nachhaltigen Eindrücke gepaart mit<br />
der über die ganze Einsatzzeit vorhandenen<br />
eigenen Magen-Darm-Problematik durch<br />
Malaria-Prophylaxe oder stark belastete Nahrungsmittel<br />
durch nicht lückenlos vorhandene<br />
Kühlketten, kosteten jedem Einzelnen von<br />
uns viel Kraft.<br />
„German Doctors“ wie kleine Stars<br />
Trotz dieser sehr schwierigen Lebensbedingungen<br />
konnten wir bei den Bewohnern<br />
Freetowns viel Freundlichkeit und Fröhlichkeit<br />
beobachten und hatten auch insgesamt<br />
ein sicheres Lebensgefühl. Große Dankbarkeit<br />
erwiesen uns nicht nur die Angehörigen<br />
der von uns operierten Patienten, sondern<br />
nach wenigen Tagen waren wir bei den Besuchern<br />
und Patienten des Krankenhauses als<br />
„German Doctors“ bekannt und wurden wie<br />
kleine Stars durch Gestik und Mimik geehrt.