Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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HERBERT RÄDLE<br />
Eine Kreuzigungstafel des Meisters von<br />
Meßkirch aus dem Meßkircher Schloß<br />
Die in Abb. 1 gezeigte Kreuzigungstafel befand sich ursprünglich<br />
als Andachtsbild in den Gemächern Graf Gottfried Werners von<br />
Zimmern im Meßkircher Schloß.<br />
Im Dreißigjährigen Krieg wurde sie zur Sicherheit auf die Burg Wildenstein<br />
gebracht, kehrte aber später wieder in die Gemächer der<br />
Meßkircher Schloßherren zurück, bis sie 1818 nach Donaueschingen<br />
kam, wo sie sich heute befindet.<br />
Wie bereits angedeutet, ist die Tafel als Andachtsbild konzipiert.<br />
Sie zeigt - im Vergleich zu den vielfach üblichen figurenreichen,<br />
erzählenden Kreuzigungen (vgl. Abb. 3) - eine einfache Szenerie.<br />
Die wenigen Figuren sind im Vordergrund weitgehend symmetrisch<br />
angeordnet. Die Mittelachse wird vom Kreuz eingenommen,<br />
welches von Maria Magdalena in tradiertem Gestus umarmt wird.<br />
Den Figuren von Maria und Johannes sind oben in einer Zone dunkler<br />
Wolkenzusammenballungen Sonne und Mond kompositorisch<br />
zugeordnet.<br />
Auch in diesem Bild hat der Meister von Meßkirch Anregungen aus<br />
Dürers druckgraphischem Werk übernommen: so etwa die Rückenfigur<br />
des betenden Johannes von einem 1510 datierten Holzschnitt<br />
(Abb. 2), oder die Motive von Sonne und Mond sowie die<br />
eucharistischen Engel, die das Blut Christi auffangen, von einer um<br />
1496 entstandenen vielfigurigen Kreuzigung (Abb. 3).<br />
Abb. 2: Albrecht Dürer. Christus am Kreuz mit Maria und<br />
Johannes, datiert 1510. Bildnachweis: Meder 181<br />
57<br />
Abb. 1: Meister von Meßkirch, Christus am Kreuz (aus Schloß<br />
Meßkirch) um 1538, F. F. Gemäldegalerie Donaueschingen.<br />
Bildnachweis: Beuroner Kunstverlag<br />
Im Unterschied zu den eher erzählenden Blättern Dürers betont<br />
die Kreuzigungstafel des Meisters von Meßkirch entsprechend<br />
ihrem Zweck als Andachtsbild auf sehr eindrückliche Weise symbolhaft<br />
das Erlösungsgeschehen.<br />
In Anlehnung an die Ausführungen Hans Hofstätters (Großer Kunstführer<br />
81, Schnell-Steiner-Verlag München 1980, S. 64) läßt sie sich<br />
etwa folgendermaßen beschreiben: Christus stirbt am Kreuz. Sein<br />
nach der Seite hin geneigtes Haupt wird nicht von einem Heiligenschein<br />
umgeben, sondern ist mit drei Lilien geschmückt, die nach<br />
der christlichen Ikonographie seit alters die Lichtgeburt des Menschen<br />
aus dem Schöße der Erde und der Nacht ankündigen.<br />
Mit Nacht und Finsternis ist auch das Haupt Christi im oberen<br />
Bildteil hinterlegt. Sonne und Mond nehmen trauernd Anteil am<br />
Kreuzigungsgeschehen.<br />
„Die Sonne schämt sich, den Gekreuzigten zu sehen und der Mond<br />
seufzt nach Erlösung", schreibt der heilige Hieronymus. In der theologischen<br />
Auslegung bedeuten Sonne und Mond die Kirche und die<br />
Synagoge. Die Kreuzigung scheidet endgültig das Licht des Neuen<br />
Testamentes von der Nacht des alten.<br />
Darauf sind auch die Engel bezogen, die das ausströmende Blut<br />
Christi in Kelchen auffangen und damit an das Wort erinnern: „Dies<br />
ist das Neue Testament in meinem Blute" (Lukas 22,20). Durch ihr<br />
Tun wird auf die Eucharistie als das zentrale Geheimnis des christlichen<br />
Meßopfers hingewiesen (soweit nach Hofstätter).