Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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kehrte Eisele nunmehr als Medizinalpraktikant an das hohenzollerische<br />
Stiftungskrankenhaus zurück, wo zu dieser Zeit mit Anstaltsleiter<br />
Dr. End, dem Psychiatriearzt Dr. Hüetlin und dem Chirurgen<br />
Dr. Lieb ganze drei Ärzte fest angestellt waren. Hinzu kamen noch<br />
zwei Medizinalpraktikanten und ein oder zwei sog. Volontärärzte.<br />
Letztere Funktion erlangt Rudolf Eisele Ende 1938, am 1. April 1939<br />
wird er sodann zum Assistenzarzt befördert und verfügt damit erstmals<br />
über ein nennenswertes Einkommen von monatlich 305<br />
Reichsmark. Der junge Arzt ist zunächst als Schüler und in der Folge<br />
als Assistent dem Chirurgie-Chefarzt Dr. Lieb zugeordnet, von dessen<br />
Persönlichkeit und fachlicher Kompetenz Eisele auch noch Jahrzehnte<br />
nach dessen Tod eine hohe Meinung hatte.<br />
Die feste Anstellung auf einer im Frühjahr 1939 neu geschaffenen<br />
Assistenzarztstelle bildet zugleich die materielle Grundlage für die<br />
Heirat Eiseies mit der medizinisch-technischen Assistentin Helma<br />
Keller, der Tochter des Sigmaringer Landwirtschaftsrats Franz Keller,<br />
am 22. April 1940. Dem Ehepaar, das zunächst in der Konviktstraße<br />
und seit 1951 in der Schützenstraße wohnt, werden vier Kinder<br />
geschenkt: Lothar (1941), Brigitte (1944), Gerold (1947) und<br />
Ortrud (1952).<br />
Der gläubige und praktizierende Katholik Dr. Rudolf Eisele hält eine<br />
gewisse Distanz zum Nationalsozialismus und verweigert sich einem<br />
Beitritt zur braunen Partei. Allerdings stellt er sich der Hiüerjugend<br />
seit 1938 als sog. „Bannarzt" zur Verfügung, in der Nationalsozialistischen<br />
Volkswohlfahrt ist er Stellenleiter für Jugendhilfe, und auch<br />
dem NS-Ärztebund gehört er als Anwärter an. Für diese Betätigung<br />
in nachgeordneten NS-Gliederungen wird er in der Entnazifizierung<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer Geldbuße belegt.<br />
Unmittelbar bei Kriegsbeginn 1939 wird Eisele zur Wehrmacht<br />
eingezogen, kann indessen bis März 1941 weiter am Sigmaringer<br />
Krankenhaus verbleiben, wo ein Reservelazarett eingerichtet wird.<br />
Ende 1940 wird er Augenzeuge des Abtransports von mehr als 70<br />
Behinderten aus der Psychiatrie-Abteilung des Fürst-Carl-Landeskrankenhauses,<br />
die anschließend als „lebensunwert" in der Tötungsanstalt<br />
Grafeneck grausam ermordet werden. Weitere 19 Patienten<br />
werden im März 1941 abgeholt und anschheßend in der Tötungsanstalt<br />
Hadamar bei Limburg umgebracht. Rudolf Eisele hat<br />
dieses unsägliche Verbrechen an behinderten Menschen sein Leben<br />
lang nicht mehr aus dem Gedächtnis verloren.<br />
Nachdem er bereits zuvor in Prag eine militärische Ausbildung erhalten<br />
hat, wird Eisele im März 1941 zu einer Sanitäts-Ersatzabteilung<br />
nach Ulm kommandiert, seit April 1941 ist er sodann in verschiedenen<br />
Reservelazaretten in Polen und zum Kriegsende hin in<br />
Thüringen tätig und behandelt als Arzt die verwundeten und verkrüppelten<br />
Soldaten und Opfer der nationalsozialistischen Eroberungs-<br />
und Vernichtungskriege. Zum Ende des Kriegs gerät er in<br />
amerikanische Gefangenschaft und ist in der Folge wiederum als<br />
Arzt in einem Lazarett im hessischen Arolsen beschäftigt. Nach<br />
seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft und der Rückkehr<br />
nach Sigmaringen nimmt er am f5- März 1946 wieder seinen<br />
ärztlichen Dienst am Fürst-Carl-Landeskrankenhaus auf, wo man<br />
angesichts eines akuten Mangels an qualifizierten Ärzten auf den<br />
Rückkehrer bereits dringend gewartet hatte.<br />
Im Juli 1948 wird Dr. Rudolf Eisele zum Oberarzt der Chirurgischen<br />
Abteilung bestellt, und im August 1963 tritt er durch einstimmige<br />
55<br />
Wahl des Kreistags gegen sechs Mitbewerber die Nachfolge von Prof.<br />
Lieb als Chefarzt der Chirurgie an. Von 1965 bis zu seinem Eintritt in<br />
den Ruhestand Ende März 1976 hat der behebte und angesehene<br />
Mediziner überdies auch noch die Funktion des Ärztlichen Direktors<br />
am Landeskrankenhaus inne.<br />
Dr. Rudolf Eisele (1910 - >2002) in einer<br />
Aufnahme von 1990. Vorlage: Kreisarchiv<br />
Sigmaringen.<br />
In dieser Führungsposition ist Eisele eine treibende Kraft beim weiteren<br />
Ausbau Sigmaringens als regionaler Krankenhausstandort:<br />
Wichtige Entscheidungen in seiner Amtszeit sind vor allem die Schaffung<br />
einer urologischen Abteilung im Oktober 1967, die Einrichtung<br />
einer eigenständigen gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung im<br />
Januar 1969 und schließlich die Bildung einer Abteilung für Anästhesie<br />
und Intensivpflege.<br />
Maßgeblichen Anteil hat Rudolf Eisele weiterhin an den Planungen<br />
und Entscheidungen zur Errichtung eines neuen Kreiskrankenhauses<br />
auf dem Dettinger Berg in Sigmaringen. Der Baubeschluss<br />
des Kreistags im Juli 1965, der Baubeginn im Februar 1974 und der<br />
Bezug des neuen Hauses unter der Trägerschaft des Landkreises Anfang<br />
1979 beenden gleichzeitig die jahrzehntelange Agonie des alten<br />
gesamthohenzollerischen Stiftungskrankenhauses, dessen Erweiterung<br />
zum Leidwesen gerade auch des medizinischen Personals zuvor<br />
mehrfach an den Interessengegensätzen des Landeskommunalverbandes<br />
und der beiden Landkreise Hechingen und Sigmaringen<br />
gescheitert war. Die Einweihung des neuen Kreiskrankenhauses,<br />
die gleichzeitig die Aufgabe der in ihren ältesten Teilen auf das Jahr<br />
1847 zurückgehenden Krankenanstalt am Mühlberg bedeutet, erlebt<br />
Dr. Rudolf Eisele bereits als Pensionär, der sich freilich nach<br />
seinem Eintritt in den Ruhestand zum 1. April 1976 auf Bitten von<br />
Landrat Dietmar Schlee dem Landkreis nochmals ein halbes Jahr<br />
lang als Chefarzt-Stellvertreter im damaligen Kreiskrankenhaus<br />
Meßkirch zur Verfügung stellt.<br />
In der Erinnerung seiner Kollegen, Mitarbeiter und Patienten ist<br />
Rudolf Eisele in erster Linie als „ein mitfühlender, menschlicher<br />
Arzt" geblieben, der sich neben seinem hohen fachlichen Können<br />
und seinem bis zur völligen Erschöpfung gehenden Einsatz nicht<br />
zuletzt auch durch hohe soziale Kompetenz, Mitgefühl, Bescheidenheit<br />
und auch Rückgrat auszeichnete, wie Landrat Schlee im Sep-