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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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„Seekreis" günstig. Die beiden Städte Pfullendorf und Meßkirch votierten<br />

mit 59,6 und 56,8 Prozent für die Länder-Ehe, im Grenzort<br />

Stetten a. k. M. erreichte die Zustimmung gar einen Rekordwert von<br />

82,5 Prozent. Aus nachvollziehbaren Gründen südweststaatsfreundlich<br />

war man mit 89,5 Prozent auch in der von hohenzollerischem<br />

und württembergischem Gebiet umschlossenen badischen Exklave<br />

Wangen bei Ostrach. Insgesamt fällt auf, dass im Meßkircher Raum<br />

der Südweststaat eindeutig mehr Anhänger besaß als im Pfullendorfer<br />

Umland, wo überraschenderweise selbst verschiedene Grenzgemeinden<br />

für die Wiederherstellung des alten Landes Baden und<br />

damit den Fortbestand der Landesgrenze votierten.<br />

Dem allgemeinen Landestrend in Hohenzollern und Württemberg<br />

folgend fällt demgegenüber in den damaligen Kreisen Sigmaringen<br />

und Saulgau die Zustimmung zum Länderzusammenschluss mit 90<br />

Prozent und mehr geradezu überwältigend aus. Die bescheidene Abstimmungsbeteiligung<br />

von gerade einmal 56 Prozent gegenüber 70<br />

und 72 Prozent in den beiden Kreisen Stockach und Überlingen lässt<br />

allerdings erkennen, dass die Südweststaatsdebatte in Württemberg<br />

und Hohenzollern weitaus weniger emotionsgeladen war als bei den<br />

badischen Nachbarn. Zumindest für gewisse Irritationen dürfte bei<br />

den hohenzollerischen Wählern die auf den Stimmzetteln vermerkte<br />

Alternative zum Südweststaat - die „Wiederherstellung des alten Landes<br />

Württemberg einschließlich Hohenzollern" gesorgt haben, denn<br />

württembergisch wollte man im Zollerländchen bekanntlich von jeher<br />

zuallerletzt werden.<br />

„Vorsintflutliche" Grenzverhältnisse<br />

Die Gründe für das vom südbadischen Landestrend auffallend abweichende<br />

Votum des badischen Seekreises für den Südweststaat<br />

werden in einem Südkurier-Artikel zu den „Landesgrenzen im<br />

Bodenseeraum" drei Tage vor der Wahl deutlich. Da ist von „durch<br />

die Entwicklung längst überholten", ja „vorsintflutlichen" Binnengrenzen<br />

im Raum zwischen Donau und Bodensee mit nicht weniger<br />

als 14 Exklaven und Enklaven die Rede. Auch wenn die Grenzpfähle<br />

mittlerweile nur noch für die Verwaltungs-Amtsstuben existierten<br />

und die Bevölkerung des Grenzlandes ihre familiären, geselligen,<br />

kirchlichen und wirtschaftlichen Beziehungen über die Landesgrenzen<br />

hinweg eifrig pflege, beschere die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen<br />

Bundesländern den Menschen doch manche Erschwernis im<br />

Alltag und mitunter geradezu groteske Skurrilitäten. So habe etwa ein<br />

heiratslustiges Paar aus dem zwischen dem badischen Herdwangen<br />

und dem hohenzollerischen Selgetsweiler geteüten Weiler Mühlhausen<br />

in der französischen Besatzungszeit kurz nach Kriegsende für<br />

die Hochzeitsfeier Passierscheine aus den Kreisstädten Überlingen<br />

und Sigmaringen benötigt, obwohl man gerade einmal 30 Meter auseinander<br />

wohnte. Kaum weniger skurril erscheint dem Autor, dass<br />

zur sonntäglichen Verkehrsregelung auf der württembergischen Exklave<br />

Hohentwiel Polizisten aus dem 25 Kilometer entfernten Tuttlingen<br />

anrücken müssten, wo doch das badische Singen so nahe liege.<br />

Vielleicht war den Seekreis-Bewohnern angesichts der kunterbunten<br />

Grenzverhältnisse in ihrer Nachbarschaft aber auch bewusst, dass ihr<br />

Badnerland und die bis 1945 bestehende staatliche Gliederung im<br />

deutschen Südwesten keineswegs so altehrwürdig und organisch<br />

gewachsen waren, wie dies die Badische Landesregierung in Freiburg<br />

oder auch der Landesvorstand der südbadischen CDU in Aufrufen<br />

vor der Abstimmung wahrhaben wollten. Vielmehr waren die<br />

50<br />

vermeintlich „alten" Grenzen und mit ihnen die „gewachsenen" Länder<br />

Baden, Württemberg und Hohenzollern ihrerseits durch eine<br />

radikale Neugliederung der Landkarte zur Zeit Napoleons entstanden,<br />

zu der die Bevölkerung seinerzeit und im Unterschied zu<br />

1951 in keinster Weise nach ihrer Meinung gefragt worden war. An<br />

die Stelle von mehr als einhundert reichsunmittelbaren Territorien<br />

adliger, geistlicher und reichsstädtischer Provenienz, dazu noch<br />

zahlreichen Ritterherrschaften und vorderösterreichischen Gebieten<br />

waren zwischen 1803 und 1810 im deutschen Südwesten schlussendlich<br />

noch fünf Nachfolgestaaten getreten: Die Königreiche Württemberg<br />

und Bayern, das Großherzogtum Baden und schließlich<br />

noch - gegen alle Logik und Wahrscheinlichkeit der Geschichte - die<br />

beiden hohenzollerischen Duodezfürstentümer Hechingen und Sigmaringen.<br />

Diese verdankten ihren Fortbestand als souveräne Staaten<br />

zunächst des Rheinbundes und sodann des Deutschen Bundes weniger<br />

ihren mächtigen Vettern von der preußischen Linie des Hauses<br />

Hohenzollern als den persönlichen Beziehungen der damaligen Sigmaringer<br />

Fürstin Amalie Zephyrine in die Führungsschicht des napoleonischen<br />

Frankreich und in die Familie des französischen Kaisers.<br />

Trauer über die Trennung von Österreich<br />

Dass die Bevölkerung Oberschwabens vor 200 Jahres keineswegs mit<br />

Begeisterung zu neuen Untertanen der Könige von Württemberg und<br />

Bayern und des Großherzogs von Baden wurde, sondern vielmehr<br />

ihren alten Herren und hier zumal dem Haus Österreich vielfach<br />

noch lange nachtrauerte, offenbart ein Zeugnis aus Engelswies: Der<br />

dortige Bürgermeister weiß noch 1865 von seinem längst verstorbenen<br />

Vater zu berichten, dass die alten Engelswieser gut österreichisch<br />

gewesen seien und sie „die Losreißung von Kaiser und Reich"<br />

wie ein „Donnerschlag" überkommen sei. An Württemberg jedenfalls<br />

wollten sie seinerzeit unter keinen Umständen kommen,<br />

„lieber noch wurden sie badisch". „Aber solange mein Vater lebte,<br />

schlug sein Herz östreichisch, war sein Verlangen, wieder dasselbe<br />

zu werden." Nicht wenige Orte wechselten zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

gleich mehrfach ihren Landesherrn. Den Rekord dürfte<br />

wohl das Dorf Ablach halten, das von Österreich 1805 zunächst an<br />

Württemberg, 1810 sodann an Baden und 1812 schließlich im<br />

Tausch gegen Rast an Hohenzollern-Sigmaringen kam.<br />

Die Untertanen des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen erhalten<br />

kaum ein halbes Jahrhundert nach den napoleonischen Umwälzungen,<br />

als Folge der Revolution von 1848/49, abermals einen anderen<br />

Landesherrn, den König von Preußen. Dass man diesen von „oben"<br />

verfügten Herrschaftswechsel, zu dem man unter Bruch der Verfassung<br />

auch jetzt nicht gefragt wurde, offenbar mit durchaus gemischten<br />

Gefühlen betrachtete, enthüllt die bekannte Anekdote von jenem<br />

hohenzollerischen Pfarrer, der in der ihm aufgetragenen Kirchenpredigt<br />

seiner Gemeinde verkündete, er werde heute darüber zu<br />

sprechen haben, „wie sehr wir uns freuen sollen, dass wir preußisch<br />

geworden sind, und darüber, dass wir dies um unserer Sünden willen<br />

auch nicht besser verdient haben".<br />

Nutznießer der Souveränitäts-Übergabe an den König von Preußen<br />

waren vor allem die Fürsten von Hohenzollern, die als Gegenleistung<br />

für die Abtretung ihrer Ländchen die 1803 und 1806 durch die Säkularisation<br />

gewonnenen Kloster- und Kirchengüter als Privatbesitz<br />

garantiert erhielten. Langfristig hatte der Herrschaftswechsel von<br />

1849/50 allerdings auch für die hohenzollerische Bevölkerung seine

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