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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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HERBERT RÄDLE<br />

Zwei Heiligenfiguren aus Stetten am<br />

Kalten Markt - Zuweisung an die Ulmer<br />

Weckmann-Werkstatt<br />

Die Reichsstadt Ulm, im späten Mittelalter eines des wichtigsten Kunstzentren<br />

Süddeutschlands, bot vielen bedeutenden Bildhauern und<br />

Malern Arbeit und Brot. Unter den Büdschnitzern war Nikiaus Weckmann<br />

(Schaffenszeit 1481-1528) der bedeutendste.<br />

Die Weckmann-Werkstatt lieferte in den Jahrzehnten um 1500<br />

Schnitzaltäre auch für das Gebiet des heutigen Landkreises Sigmaringen,<br />

Meisterwerke, die sich teilweise noch am ursprünglichen Standort<br />

befinden, wie die Altarfiguren der Pfarrkirchen Bingen und<br />

Ennetach, zum größeren Teil jedoch abgewandert sind in verschiedene<br />

Museen, wie das Retabel von Roth bei Meßkirch (heute<br />

Reiss-Museum Mannheim) oder der Meßkircher Eligius-Altar (heute<br />

Schnütgen-Museum Köln).<br />

Im Jahre 1993 fand in Stuttgart eine Ausstellung statt, die dem Werk<br />

des genannten Ulmer Bildschnitzers Nikiaus Weckmann und seiner<br />

Werkstatt gewidmet war und die den bezeichnenden Titel Meisterwerke<br />

massenhaft trug. Im Katalog zu dieser Ausstellung sind über 600<br />

noch erhaltene Werke Weckmanns aufgeführt: im zünftischen wie im<br />

künstlerischen Sinne meisterliche Arbeiten, die offenbar massenhaft<br />

(durch Vervielfältigung einmal gefundener Typen!) produziert wurden.<br />

Trotz seines Umfangs von über 500 Seiten konnte der genannte<br />

Katalog jedoch nicht alle Werke der Weckmann-Werkstatt verzeichnen,<br />

einiges blieb (möglicherweise unter dem Zeitdruck der Ausstellung?)<br />

unberücksichtigt -darunter zwei Figuren eines Altars in Stetten<br />

an Kalten Markt, denen wir uns im Folgenden zuwenden wollen. Die<br />

Figuren - außer der in Abb. 1<br />

gezeigten Katharina als Pendant eine<br />

heilige Barbara - stehen in der Stettener<br />

Friedhofskapelle in einem<br />

neugotischen Altar, wobei es unklar<br />

ist, wie sie in die relativ bescheidene<br />

Kapelle gekommen sind. Vielleicht<br />

stammen sie aus Ebingen und wurden<br />

dort aus dem Bildersturm der<br />

Reformationszeit gerettet. Die<br />

genannten Figuren (wie erwähnt<br />

eine Katharina und eine Barbara)<br />

sind an ihrem heutigen Standort in<br />

Stetten bezogen auf eine Mittelfigur,<br />

ein prachtvoll geschnitztes Kreuz.<br />

Ursprünglich ist aber wohl eher eine<br />

(heute verlorene) Madonna als Mittelfigur<br />

vorauszusetzen. Manfred<br />

Hermann, ehemals Pfarrer in<br />

Neufra, der die Figuren in seinem<br />

Abb.l:<br />

Hl. Katharina von Alexandria,<br />

im neugotischen Altar der Friedr<br />

hofskapelle Stetten a.k.M., Lindenholz,<br />

hinten ausgehöhlt, alte<br />

Fassung freigelegt und ergänzt,<br />

H. 115 cm, B. 33 cm, T. 26 cm,<br />

wohl, aus der Ulmer Weckmann-<br />

Werkstatt, um 1515. Bildnachweis:<br />

M. Hermann, 1986, S. 124<br />

45<br />

bekannten Bildband von 1986 bespricht und abbildet, schreibt sie<br />

dort "einem Mitglied der Strüb-Werkstätte Veringenstadt, wohl Jakob<br />

d. J." zu (S. 124). Dennoch kann, wie im Folgenden gezeigt werden<br />

soll, kaum ein Zweifel daran bestehen, daß auch die Stettener Figuren<br />

unter die Produkte der Ulmer Weckmann-Werkstatt einzuordnen<br />

sind. Dies zeigt schon ein oberflächlicher Vergleich unserer Abbildungen<br />

1 und 2, von denen die erste die Stettener Katharina zeigt und<br />

die zweite die zweifelsfrei aus der Weckmann-Werkstatt stammende<br />

Darstellung derselben Heiligen aus dem sogenannten Adelberger<br />

Retabel (vgl. dazu den genannten Ausstellungskatalog, S. 440). Die<br />

Ähnlichkeiten sind evident. Umriß und Haltung der Figuren sind sehr<br />

ähnlich, die Gewandgestaltung ist bei beiden weitgehend identisch:<br />

Ein Mantelzipfel ist jeweils auf der vom Betrachter aus gesehen linken<br />

Seite hochgenommen, so daß das Untergewand sichtbar wird. Ähnlich<br />

ist auch die Gestaltung der Hände in Haltung und Gestik, jedoch<br />

sozusagen seitenverkehrt. Die Stettener Katharina hält den Schwertknauf<br />

mit der rechten, die Adelberger mit der linken Hand, was übrigens<br />

bei der Stettener Figur eine etwas unklare Gewandführung zur<br />

Folge hat. Am verblüffendsten ist jedoch die Übereinstimmung der<br />

Figuren in Gesicht und Haartracht. Die Gesichter weisen eine<br />

ausgesprochene "Familienähnlichkeit" auf (!). Beide Figuren zeigen<br />

eine ovale, nach unten spitz zulaufende Gesichtsform mit schmalem<br />

Mund und leichtem Doppelkinn, beide tragen langes, wellig niederfallendes<br />

Haar. Als Ergebnis kann also wohl ohne weiteres festgestellt<br />

werden, daß an der Herkunft der Stettener Katharina (und ihrer Pendantfigur<br />

Barbara) aus der Ulmer Weckmann-Werkstatt kaum ein<br />

Zweifel bestehen kann. Figuren geschnitzt hätte. Er hat sie nur bemalt<br />

(gefaßt), und er ist es auch, der den Altar geliefert, an Ort und Stelle<br />

aufgestellt und die letzte Hand an ihn gelegt hat. Soweit ich sehe, muß<br />

die Vorstellung, daß es in Veringenstadt Strüb-Bildhauer gegeben<br />

hätte, aufgegeben werden. Die Veringer Strüb-Familie war eine Malerfamilie.<br />

Der hier genannte Hans Strub hat - zusammen mit seinem<br />

Bruder Jakob Strüb - u.a. auch die Tafeln des Inzigkofer Altars gemalt<br />

(= Meister von Sigmaringen). Die Laizer Anna Selbdritt ist aus<br />

mehreren Gründen mit großer Sicherheit der Bildhauerwerkstatt des<br />

Nikiaus Weckmann zuzuweisen: 1.<br />

spricht die hohe künstlerische und<br />

handwerkliche Qualität für eine<br />

Entstehung in einer namhaften Werkstatt,<br />

2. weist die Laizer Gruppe in<br />

mehrfacher Hinsicht Ähnlichkeit mit<br />

anderen, ebenfalls in der Weckmann-<br />

Werkstatt entstandenen Darstellungen<br />

Abb.2:<br />

Hl. Katharina aus dem Adelberger<br />

Retabel, Adelberg, LKr. Göppingen,<br />

ev. Kirchengemeinde, Ulr<br />

richskäpelle, Lindenholz, halbrundgeschnitzt,<br />

hinten ausgehöhlt<br />

(mit Spechtloch). Höhe<br />

(mit Krone) 127 cm, B. 38 cm, T.<br />

19 cm, Krone und Schwertklinge<br />

ergänzt, Gewandfassung aus<br />

dem 19- Jh., Preßbrokat in Anlehnung<br />

an die ursprünglichen<br />

Muster gearbeitet, Inkarnate<br />

weitgehend original Werkstatt<br />

Nikiaus Weckmann in Ulm, datiert<br />

1511. Bildnachweis: Ausstellungskatalog<br />

Wiirtt, Landesmuseum<br />

Stuttgart, 1993, S. 440.<br />

dort auch weitere Literatur

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