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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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Sigmaringen den Rücken und ließ sich in Hertingen im damaligen<br />

badischen Amt Lörrach nieder. Das Haus am Josefsberg wurde<br />

nunmehr Residenz des Prinzen Ernst von Salm-Kyrburg, der im<br />

Fürstlich Hohenzollernschen Bataillon die Charge eines Unterleutnants<br />

bekleidete. Auf sein Ersuchen hin wurde der Prinz im Juni<br />

1842 aus dem Militärdienst entlassen und erhielt den Rang und<br />

Charakter eines Hauptmanns à la suite.<br />

Die Fürstin von Salm-Kyrburg versuchte daraufhin, das Anwesen<br />

wiederzuverkaufen. In der Ankündigung der Versteigerung am 15.<br />

April 1845 wird das Anwesen folgendermaßen beschrieben:<br />

"Ein solid und geschmackvoll gebautes, in den letzten Jahren von<br />

Sr. Durchlaucht dem Fürsten zu Salm-Kyrburg bewohntes Haus,<br />

aus zwei Stockwerken bestehend. In dem untern, von Stein<br />

gebauten Stocke, sind vier Zimmer, zwei kleinere Gelasse und eine<br />

helle, geräumige Küche; im zweiten Stocke ist ein schöner Salon<br />

mit Altane und zwei Zimmern zur rechten und zwei Zimmer zur<br />

linken Seite; in beiden Stockwerken Alles heizbar. Unter Dach<br />

befinden sich fünf zum Theil sehr freundliche und auch geräumige<br />

Zimmer für die Dienerschaft.<br />

Das ganze Haus ist neu und im besten baulichen Zustand, sein Inneres<br />

durchgehend nicht nur elegant und bequem, sondern eben<br />

so dauerhaft und praktisch, und geeignet sowohl für Herrschaften<br />

als für Gewerbetreibende.<br />

Dieses Haus, mit einer freundlichen geschlossenen Anfahrt, hegt<br />

von allen Seiten frei an einem dazu gehörigen, etwa einen Morgen<br />

haltenden Obst-, Blumen- und Gemüse-Garten. Anfahrt und Garten<br />

stoßen an eine der frequentesten Straßen der Stadt und behaupten<br />

nebenbei einen der schönsten Theile der Stadt..." Mit ihrem Angebot<br />

hatte die Fürstin von Salm-Kyrburg kein Glück.<br />

Am 9- März 1846 mußte nämlich ein weiterer Versteigerungstermin<br />

anberaumt werden. Mit Kaufvertrag vom 15. März des gleichen<br />

Jahres erwarb schließlich der Baron von Dietfurt den Komplex am<br />

Josefsberg für 9500 Gulden. Der Käufer war der Fürstlich Salm-<br />

Kyrburgische Hofrat André Emile Miné, den Fürst Anton Aloys von<br />

Hohenzollern-Sigmaringen 1826/27 mit dem Prädikat "Baron<br />

Miné von Dietfurt" in den Adelsstand erhoben hatte. Von dem<br />

Baron erwarb 1858 sodann die Oberin Pauline von Mallinckrodt<br />

aus Paderborn für 11000 Gulden das Haus samt Zubehör für ihren<br />

Orden der Schwestern der chrisüichen Liebe, die darin später eine<br />

Elementarschule und eine höhere Töchterschule unterbrachten.<br />

Infolge des Kulturkampfes mußten die Ordensfrauen jedoch bereits<br />

1879 Sigmaringen wieder verlassen. Sie durften erst 1887<br />

wieder zurückkehren. Nach dem Auszug der Schwestern der<br />

christlichen Liebe 1879 wurde die 1875 von der Fürstin Josefine<br />

von Hohenzollen (1813- 1900) gegründete Suppenanstalt in dem<br />

Gebäude am Josefsberg untergebracht, die von Vinzentinerinnen<br />

des Fürst-Carl-Landeskrankenhauses betreut wurde.<br />

Am 1. April 1884 erwarb die Fürstin sodann das Anwesen von den<br />

Schwestern der chrisüichen Liebe. Anläßlich der Goldenen Hochzeit<br />

der Fürstin Josefine und des Fürsten Karl Anton am 21. Oktober<br />

des gleichen Jahres errichteten die Kinder und Verwandte des<br />

Fürstenpaares eine Stiftung für den Unterhalt der Volksküche,<br />

einer Haushaltungsschule, einer Kinderbewahranstalt sowie für die<br />

Pflege von Pensionären und übertrugen diese der Fürstin. Diese<br />

Stiftung, die übrigens erst 1890 die offizielle Bezeichnung "Josefinenstift"<br />

erhielt, war rechtlich ein gebundener Teil des Fürstlich<br />

Hohenzollernschen Vermögens. Zur weiteren wirtschaftlichen Ab-<br />

37<br />

sicherung wurden der Anstalt alsbald noch eine Nähschule, ein<br />

Wasch- und Bügelbetrieb sowie ein Badebetrieb angegliedert.<br />

Die Zunahme an Aufgaben machte alsbald auch bauliche Erweiterungen<br />

notwendig. 1884/85 erfolgte ein Anbau auf der Südseite,<br />

dessen Untergeschoß einen Schlafraum für Haushaltungsschülerinnen<br />

und im Obergeschoß eine Kapelle enthielt. Im gleichen<br />

Zeitraum wurde an der westlichen Seite des "Klösterles" ein<br />

Waschraum und ein Baderaum angebaut. Dieser Flügel wurde<br />

1887 und 1890 u.a. zur Unterbringung von Badekabinen nochmals<br />

erweitert.<br />

Zu Ehren der Stifterin erhielt 1902 die damalige Krauchenwieser<br />

Straße den Namen Josefinenstraße. Zum 100. Geburtstag der Fürstin<br />

stifteten die Angehörigen des Fürstlichen Hauses Hohenzollern<br />

die von dem in Sigmaringen geborenen und in München tätigen<br />

Bildhauer Prof. Alois Stehle (1854-1932) geschaffene Bronzebüste,<br />

die 1913 rechts vor dem "Klösterle" aufgestellt wurde.<br />

Pläne zum weiteren Ausbau des Josefinenstifts wurden durch die<br />

Inflation 1923 zunichte gemacht. Da das Fürstenhaus nicht willens<br />

war, die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen, übertrug<br />

Fürst Friedrich von Hohenzollern (1891-1965) mit Vertrag vom<br />

15. August 1931 das noch verbliebene Fundationskapital dem<br />

Provinzialmutterhaus der "Barmherzigen Schwestern des Heiligen<br />

Vinzenz von Paul" mit Sitz in Heppenheim, von denen das Josefinenstift<br />

seit seiner Gründung betreut worden war. 1934 erwarb<br />

das Mutterhaus zur Unterbringung von Pfründnern das Haus Josefinenstraße<br />

4, das für die aktuelle Erweiterung bereits abgebrochen<br />

worden ist.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich das Josefinenstift<br />

allmählich zu einem reinen Seniorenheim. 1972 wurde der Neubau<br />

des Stifts, ein- bis viergeschossiger Komplex, sodann ausdrücklich<br />

auch als "Altenheim" eingeweiht. Diesem Bau hatten die<br />

1884/85 an das "Klösterle" angebaute Kapelle sowie die schräg<br />

oberhalb gelegene Kinderbewahranstalt, errichtet 1863, weichen<br />

müssen.<br />

1999 übernahmen die Schwestern des Heiligen Vinzenz von Paul<br />

vom Mutterhaus Untermarchtal das Josefinenstift. Die von den<br />

neuen Eigentümerinnen in Angriff genommene Erweiterung des<br />

Josefinenstifts wird nun auch das Gebäude des "Klösterles" zum<br />

Opfer fallen, dem als herrschaftlicher Sitz, Ordensniederlassung,<br />

Schulgebäude und Stätte karitativer und sozialer Einrichtungen ein<br />

ganz besonderer Platz in der Geschichte der Stadt Sigmaringen und<br />

ihres Umlandes zukommt. Unverzeihlich wäre es deshalb, wenn<br />

auch die Bronzebüste der Fürstin Josefine den Baumaßnahmen<br />

zum Opfer fiele.<br />

Quellennachweis:<br />

StA Sigmaringen Ho 80 T 2 C -1 - 2b Nr. 6 (Pak. 157)<br />

StA Sigmaringen Ho 199 T 1 Nr. 675, 680<br />

StA Sigmaringen Dep. FAS NVA 15.539, 15-540, 15-444, 16.786,<br />

36.385<br />

StA Sigmaringen Dienerkartei<br />

Verordnungs- und Anzeigeblatt für das Fürstenthum Hohenzollern-<br />

Sigmaringen<br />

Nr. 10 vom 9- März 1845; dass. Nr. 8 vom 22. Februar 1846

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