Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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OTTO H. BECKER Vor dem Abriß: Das "Klösterle" in Sigmaringen Der Charakter der Sigmaringer Innenstadt wird in den kommenden Monaten und Jahren durch den Abriß älterer Bauten und Neubebauung einen tiefgreifenden Wandel erfahren. Es sei hier nur auf den Anbau des Rathauses sowie den genehmigten Abbruch des "Deutschen Hauses" und die Neugestaltung des Anwesens am Leopoldplatz hingewiesen. Starke Veränderung wird auch der Bereich der unteren Josefinenstraße durch die Erweiterung des Alten- und Pflegewohnheims Josefinenstift erfahren. Diesem Bauvorhaben hatte bereits Ende Mai dieses Jahres das markante Gebäude Josefinenstraße 4 mit seinem reizvollen Erker weichen müssen. Geopfert wird ferner auch das bedeutsame Haus Josefinenstraße 2, das sogenannte "Klösterle". Die Geschichte des Gebäudes an der ehemaligen Landstraße nach Krauchenwies ist in der Tat bemerkenswert. Es wurde 1832/33 für rund 9000 Gulden vom Haus Ilohenzollern-Sigmaringen errichtet. Die Kosten bewegten sich somit größenordnungsmäßig im Rahmen der Baukosten, die ein Jahrzehnt zuvor für die Errichtung des "Schlößles", aus dem später der Alte Prinzenbau hervorging, aufgebracht werden mußten. Das Anwesen des Hauses am Josefsberg grenzte im Norden an das Anwesen des Hofkammerrates Bilharz, das Bilharzhaus, im Süden an den Garten des Regierungspräsidenten von Huber und im Westen an das Anwesen des Sonnenwirts Heinrich, das heutige Landeshaus. Als Besonderheit wies das herrschaftliche Haus eine gußeisernen Altane (Balkon) zur Straße hin auf. Das Haus am Josefsberg wurde zunächst dem Grafen Friedrich Wilhelm von Zeppelin als Dienstsitz zugewiesen, der seit Juni 1834 Hofmarschall und damit der Vorstand der Fürstlich Hohenzollernschen Hofverwaltung war. Von dem Angebot der Herrschaft, das Anwesen am Josefsberg käuflich zu erwerben, mußte der Hofmarschall wegen des Kaufpreises schließlich Abstand nehmen. Der Graf schied bereits im August 1836 auf eigenen Wunsch aus dem Fürstlichen Dienst wieder aus und verließ Sigmaringen. Danach residierte die Fürstin Therese Gustavine von Stolberg-Gedern im Haus am Josefsberg. Die Aristokratin, die übrigens eine Cousine der Fürstin Amalie Zephyrine von Flohenzollern-Sigmaringen geb. Prinzessin von Salm-Kyrburg (1760-1841) war, starb am 15. Mai 1837. Die Trauerfeierlichkeiten der ehemaligen Reichsfürstin wurden am folgenden Tag standesgemäß in der Hedinger Kirche begangen. Mit herrschaftlicher Genehmigung vom 5. Juni 1837 wurde das Haus am Josefsberg für 7000 Gulden von dem Geheimen Konferenzrat und Fürstlichen Hofgerichtsdirektor Friedrich Freiherr von Laßberg (1798-1855) käuflich erworben. Der Käufer, Sohn des berühmten Germanisten, Handschriften- und Büchersammlers Josef von Laßberg (1770-1855), hatte sich am 28. Januar 1824 mit Helene Wilhelmine d'Isque von Schatzberg vermählt. Die Braut stand offiziell als Hofdame im Dienst der Fürstin Amalie Zephyrine. Nach den Forschungen von Fritz Kallenberg war Helene von Schatzberg vermutlich deren Tochter aus der Verbindung mit Oberst Karl von Voumard. Das Ehepaar von Laßberg wohnte zuerst auch in der Residenz der Fürstin, dem "Schlößle". Nach dem frühen Tod des Freiherrn von Laßberg 1838 veräußerte dessen Witwe das Anwesen am Josefsberg 1841 sodann für 11000 Gulden an die Fürstin Cecilie Rosalie von Salm-Kyrburg geb. Prevost de Bordeaux. Die Freifrau Helene von Laßberg kehrte 1843 Das »Klösterle« in Sigmaringen aufgenommen 1889 von Baurat Eduard Eulenstein. Das 113 Jahre alte Foto ist mit erstaunlicher Qualität. Reproduktion H. Burkarth 36

Sigmaringen den Rücken und ließ sich in Hertingen im damaligen badischen Amt Lörrach nieder. Das Haus am Josefsberg wurde nunmehr Residenz des Prinzen Ernst von Salm-Kyrburg, der im Fürstlich Hohenzollernschen Bataillon die Charge eines Unterleutnants bekleidete. Auf sein Ersuchen hin wurde der Prinz im Juni 1842 aus dem Militärdienst entlassen und erhielt den Rang und Charakter eines Hauptmanns à la suite. Die Fürstin von Salm-Kyrburg versuchte daraufhin, das Anwesen wiederzuverkaufen. In der Ankündigung der Versteigerung am 15. April 1845 wird das Anwesen folgendermaßen beschrieben: "Ein solid und geschmackvoll gebautes, in den letzten Jahren von Sr. Durchlaucht dem Fürsten zu Salm-Kyrburg bewohntes Haus, aus zwei Stockwerken bestehend. In dem untern, von Stein gebauten Stocke, sind vier Zimmer, zwei kleinere Gelasse und eine helle, geräumige Küche; im zweiten Stocke ist ein schöner Salon mit Altane und zwei Zimmern zur rechten und zwei Zimmer zur linken Seite; in beiden Stockwerken Alles heizbar. Unter Dach befinden sich fünf zum Theil sehr freundliche und auch geräumige Zimmer für die Dienerschaft. Das ganze Haus ist neu und im besten baulichen Zustand, sein Inneres durchgehend nicht nur elegant und bequem, sondern eben so dauerhaft und praktisch, und geeignet sowohl für Herrschaften als für Gewerbetreibende. Dieses Haus, mit einer freundlichen geschlossenen Anfahrt, hegt von allen Seiten frei an einem dazu gehörigen, etwa einen Morgen haltenden Obst-, Blumen- und Gemüse-Garten. Anfahrt und Garten stoßen an eine der frequentesten Straßen der Stadt und behaupten nebenbei einen der schönsten Theile der Stadt..." Mit ihrem Angebot hatte die Fürstin von Salm-Kyrburg kein Glück. Am 9- März 1846 mußte nämlich ein weiterer Versteigerungstermin anberaumt werden. Mit Kaufvertrag vom 15. März des gleichen Jahres erwarb schließlich der Baron von Dietfurt den Komplex am Josefsberg für 9500 Gulden. Der Käufer war der Fürstlich Salm- Kyrburgische Hofrat André Emile Miné, den Fürst Anton Aloys von Hohenzollern-Sigmaringen 1826/27 mit dem Prädikat "Baron Miné von Dietfurt" in den Adelsstand erhoben hatte. Von dem Baron erwarb 1858 sodann die Oberin Pauline von Mallinckrodt aus Paderborn für 11000 Gulden das Haus samt Zubehör für ihren Orden der Schwestern der chrisüichen Liebe, die darin später eine Elementarschule und eine höhere Töchterschule unterbrachten. Infolge des Kulturkampfes mußten die Ordensfrauen jedoch bereits 1879 Sigmaringen wieder verlassen. Sie durften erst 1887 wieder zurückkehren. Nach dem Auszug der Schwestern der christlichen Liebe 1879 wurde die 1875 von der Fürstin Josefine von Hohenzollen (1813- 1900) gegründete Suppenanstalt in dem Gebäude am Josefsberg untergebracht, die von Vinzentinerinnen des Fürst-Carl-Landeskrankenhauses betreut wurde. Am 1. April 1884 erwarb die Fürstin sodann das Anwesen von den Schwestern der chrisüichen Liebe. Anläßlich der Goldenen Hochzeit der Fürstin Josefine und des Fürsten Karl Anton am 21. Oktober des gleichen Jahres errichteten die Kinder und Verwandte des Fürstenpaares eine Stiftung für den Unterhalt der Volksküche, einer Haushaltungsschule, einer Kinderbewahranstalt sowie für die Pflege von Pensionären und übertrugen diese der Fürstin. Diese Stiftung, die übrigens erst 1890 die offizielle Bezeichnung "Josefinenstift" erhielt, war rechtlich ein gebundener Teil des Fürstlich Hohenzollernschen Vermögens. Zur weiteren wirtschaftlichen Ab- 37 sicherung wurden der Anstalt alsbald noch eine Nähschule, ein Wasch- und Bügelbetrieb sowie ein Badebetrieb angegliedert. Die Zunahme an Aufgaben machte alsbald auch bauliche Erweiterungen notwendig. 1884/85 erfolgte ein Anbau auf der Südseite, dessen Untergeschoß einen Schlafraum für Haushaltungsschülerinnen und im Obergeschoß eine Kapelle enthielt. Im gleichen Zeitraum wurde an der westlichen Seite des "Klösterles" ein Waschraum und ein Baderaum angebaut. Dieser Flügel wurde 1887 und 1890 u.a. zur Unterbringung von Badekabinen nochmals erweitert. Zu Ehren der Stifterin erhielt 1902 die damalige Krauchenwieser Straße den Namen Josefinenstraße. Zum 100. Geburtstag der Fürstin stifteten die Angehörigen des Fürstlichen Hauses Hohenzollern die von dem in Sigmaringen geborenen und in München tätigen Bildhauer Prof. Alois Stehle (1854-1932) geschaffene Bronzebüste, die 1913 rechts vor dem "Klösterle" aufgestellt wurde. Pläne zum weiteren Ausbau des Josefinenstifts wurden durch die Inflation 1923 zunichte gemacht. Da das Fürstenhaus nicht willens war, die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen, übertrug Fürst Friedrich von Hohenzollern (1891-1965) mit Vertrag vom 15. August 1931 das noch verbliebene Fundationskapital dem Provinzialmutterhaus der "Barmherzigen Schwestern des Heiligen Vinzenz von Paul" mit Sitz in Heppenheim, von denen das Josefinenstift seit seiner Gründung betreut worden war. 1934 erwarb das Mutterhaus zur Unterbringung von Pfründnern das Haus Josefinenstraße 4, das für die aktuelle Erweiterung bereits abgebrochen worden ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich das Josefinenstift allmählich zu einem reinen Seniorenheim. 1972 wurde der Neubau des Stifts, ein- bis viergeschossiger Komplex, sodann ausdrücklich auch als "Altenheim" eingeweiht. Diesem Bau hatten die 1884/85 an das "Klösterle" angebaute Kapelle sowie die schräg oberhalb gelegene Kinderbewahranstalt, errichtet 1863, weichen müssen. 1999 übernahmen die Schwestern des Heiligen Vinzenz von Paul vom Mutterhaus Untermarchtal das Josefinenstift. Die von den neuen Eigentümerinnen in Angriff genommene Erweiterung des Josefinenstifts wird nun auch das Gebäude des "Klösterles" zum Opfer fallen, dem als herrschaftlicher Sitz, Ordensniederlassung, Schulgebäude und Stätte karitativer und sozialer Einrichtungen ein ganz besonderer Platz in der Geschichte der Stadt Sigmaringen und ihres Umlandes zukommt. Unverzeihlich wäre es deshalb, wenn auch die Bronzebüste der Fürstin Josefine den Baumaßnahmen zum Opfer fiele. Quellennachweis: StA Sigmaringen Ho 80 T 2 C -1 - 2b Nr. 6 (Pak. 157) StA Sigmaringen Ho 199 T 1 Nr. 675, 680 StA Sigmaringen Dep. FAS NVA 15.539, 15-540, 15-444, 16.786, 36.385 StA Sigmaringen Dienerkartei Verordnungs- und Anzeigeblatt für das Fürstenthum Hohenzollern- Sigmaringen Nr. 10 vom 9- März 1845; dass. Nr. 8 vom 22. Februar 1846

OTTO H. BECKER<br />

Vor dem Abriß:<br />

Das "Klösterle" in Sigmaringen<br />

Der Charakter der Sigmaringer Innenstadt wird in den kommenden<br />

Monaten und Jahren durch den Abriß älterer Bauten und<br />

Neubebauung einen tiefgreifenden Wandel erfahren. Es sei hier<br />

nur auf den Anbau des Rathauses sowie den genehmigten Abbruch<br />

des "Deutschen Hauses" und die Neugestaltung des Anwesens am<br />

Leopoldplatz hingewiesen. Starke Veränderung wird auch der<br />

Bereich der unteren Josefinenstraße durch die Erweiterung des Alten-<br />

und Pflegewohnheims Josefinenstift erfahren. Diesem Bauvorhaben<br />

hatte bereits Ende Mai dieses Jahres das markante<br />

Gebäude Josefinenstraße 4 mit seinem reizvollen Erker weichen<br />

müssen. Geopfert wird ferner auch das bedeutsame Haus Josefinenstraße<br />

2, das sogenannte "Klösterle". Die Geschichte des<br />

Gebäudes an der ehemaligen Landstraße nach Krauchenwies ist in<br />

der Tat bemerkenswert. Es wurde 1832/33 für rund 9000 Gulden<br />

vom Haus Ilohenzollern-Sigmaringen errichtet.<br />

Die Kosten bewegten sich somit größenordnungsmäßig im Rahmen<br />

der Baukosten, die ein Jahrzehnt zuvor für die Errichtung des<br />

"Schlößles", aus dem später der Alte Prinzenbau hervorging, aufgebracht<br />

werden mußten. Das Anwesen des Hauses am Josefsberg<br />

grenzte im Norden an das Anwesen des Hofkammerrates Bilharz,<br />

das Bilharzhaus, im Süden an den Garten des Regierungspräsidenten<br />

von Huber und im Westen an das Anwesen des Sonnenwirts<br />

Heinrich, das heutige Landeshaus. Als Besonderheit wies das<br />

herrschaftliche Haus eine gußeisernen Altane (Balkon) zur Straße<br />

hin auf. Das Haus am Josefsberg wurde zunächst dem Grafen<br />

Friedrich Wilhelm von Zeppelin als Dienstsitz zugewiesen, der seit<br />

Juni 1834 Hofmarschall und damit der Vorstand der Fürstlich Hohenzollernschen<br />

Hofverwaltung war. Von dem Angebot der<br />

Herrschaft, das Anwesen am Josefsberg käuflich zu erwerben,<br />

mußte der Hofmarschall wegen des Kaufpreises schließlich Abstand<br />

nehmen.<br />

Der Graf schied bereits im August 1836 auf eigenen Wunsch aus<br />

dem Fürstlichen Dienst wieder aus und verließ Sigmaringen.<br />

Danach residierte die Fürstin Therese Gustavine von Stolberg-Gedern<br />

im Haus am Josefsberg. Die Aristokratin, die übrigens eine<br />

Cousine der Fürstin Amalie Zephyrine von Flohenzollern-Sigmaringen<br />

geb. Prinzessin von Salm-Kyrburg (1760-1841) war, starb am<br />

15. Mai 1837. Die Trauerfeierlichkeiten der ehemaligen Reichsfürstin<br />

wurden am folgenden Tag standesgemäß in der Hedinger<br />

Kirche begangen.<br />

Mit herrschaftlicher Genehmigung vom 5. Juni 1837 wurde das<br />

Haus am Josefsberg für 7000 Gulden von dem Geheimen Konferenzrat<br />

und Fürstlichen Hofgerichtsdirektor Friedrich Freiherr<br />

von Laßberg (1798-1855) käuflich erworben. Der Käufer, Sohn<br />

des berühmten Germanisten, Handschriften- und Büchersammlers<br />

Josef von Laßberg (1770-1855), hatte sich am 28. Januar 1824<br />

mit Helene Wilhelmine d'Isque von Schatzberg vermählt.<br />

Die Braut stand offiziell als Hofdame im Dienst der Fürstin Amalie<br />

Zephyrine. Nach den Forschungen von Fritz Kallenberg war Helene<br />

von Schatzberg vermutlich deren Tochter aus der Verbindung mit<br />

Oberst Karl von Voumard. Das Ehepaar von Laßberg wohnte zuerst<br />

auch in der Residenz der Fürstin, dem "Schlößle".<br />

Nach dem frühen Tod des Freiherrn von Laßberg 1838 veräußerte<br />

dessen Witwe das Anwesen am Josefsberg 1841 sodann für 11000<br />

Gulden an die Fürstin Cecilie Rosalie von Salm-Kyrburg geb. Prevost<br />

de Bordeaux. Die Freifrau Helene von Laßberg kehrte 1843<br />

Das »Klösterle« in Sigmaringen aufgenommen 1889 von Baurat Eduard Eulenstein. Das 113 Jahre alte Foto ist mit erstaunlicher<br />

Qualität. Reproduktion H. Burkarth<br />

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