zekazin 1/2012 - zeka, Zentren körperbehinderte Aargau

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10.01.2013 Aufrufe

10 Integration ins berufsleben – ein beispiel aus der Praxis Die firma r + b engineering beschäftigt seit 18 Jahren Menschen mit behinderungen. Sie hat dafür bereits mehrere Auszeichnungen erhalten. Was war die ursprüngliche Motivation? Wie gestaltet sich der Arbeitsalltag? Welche Herausforderungen gilt es zu bewältigen? Am Interview nahmen der Niederlassungsleiter Mario Mlikota, der langjährige Mitarbeiter Steven Jacob sowie der Auszubildende etienne bélat teil. Die Normalität im Alltag und im Umgang miteinander ist verblüffend! Herr Mlikota, die R + B engineering ag setzt sich seit Jahren für die Integration von Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt ein. Wie kam es dazu? M. Mlikota: Steven Jacob war vor 18 Jahren der erste Mitarbeiter mit einer Körperbehinderung, den R + B einstellte. Er meldete sich aufgrund einer ganz gewöhnlichen Liste mit offenen Lehrstellen, die im Schweizerischen Paraplegikerzentrum (SPZ) in Nottwil vorhanden war. Damals gab es von R + B erst die Niederlassung Brugg. Mit dem Wachstum der Firma sind auch die Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen mehr geworden. Wie viele Personen mit Handicap arbeiten aktuell bei Ihnen? M. Mlikota: Aktuell hat R + B insgesamt 90 Mitarbeitende, davon haben 5 eine Behinderung. Diese arbeiten alle in Brugg. Das ist aber reiner Zufall. Auch die andere Niederlassungen haben schon Menschen mit Behinderungen beschäftigt und sind sehr offen für entsprechende Arbeitsverhältnisse. Mussten Sie Massnahmen ergreifen, um die Arbeitsplätze und Räumlichkeiten den speziellen Bedürfnissen anzupassen? M. Mlikota: Nein, eigentlich nicht. Es waren höchstens Kleinigkeiten wie ein grösserer Bildschirm für eine Mitarbeiterin mit Sehbehinderung, eine etwas erhöhte Tischplatte am Arbeitsplatz für Etienne Bélat oder eine spezielle Computermaus für Steven Jacob. E. Bélat: Unser Gebäude hat eine Tiefgarage und einen Lift. Das ist für mich sehr hilfreich, da ich mit dem Auto zu Arbeit fahre und so direkt von der Garage in den Lift rollen kann, ohne dass ich dem Wetter ausgesetzt bin. Zudem ist es je nach Behinderung und Bedürfnis nützlich, wenn die Toilette im Betrieb rollstuhlgängig ist. Inwiefern unterscheiden sich Mitarbeitende mit Behinderungen von Mitarbeitenden ohne Behinderungen? M. Mlikota: Für mich gibt es überhaupt keinen Unterschied. Die Qualität der Arbeit muss stimmen und Termine sind einzuhalten – und das funktioniert bestens. Es gibt höchstens Unterschiede bei den Arbeitspensen, den Arbeitszeiten und allenfalls der Anzahl Projekte, die übernommen werden. E. Bélat: Ich stosse ab und zu an Grenzen, wenn ich eine Baustelle besichtige. Da kann ich beispielsweise nicht auf den Kran steigen. Aber ansonsten gibt es tatsächlich keine Unterschiede. S. Jacob: Genau. Niemand im Betrieb hat einen Sonderstatus oder sogar einen Behindertenbonus. Haben Sie je Unterstützung von aussenstehenden Stellen wie der IV etc. erhalten, wenn es beispielsweise um die Rekrutierung oder die Einarbeitungsphase von neuen Mitarbeitenden mit Handicap ging? M. Mlikota: Nein. Die Mitarbeitenden mit Behinderung bewerben sich genauso wie solche ohne Behinderung. Sie müssen wie alle anderen ein gutes Vorstellungsvermögen haben sowie gut in Mathematik und Physik sein. Inzwischen hat es sich herumgesprochen, dass bei uns Menschen mit Behinderungen arbeiten. Darum nimmt das Bewerbungs- und Einstellungsverfahren immer einen ganz normalen Ablauf. Herr bélat, Sie schliessen diesen Sommer Ihre Lehre ab. Was machen Sie nach Ihrem Lehrabschluss? E. Bélat: Ich darf bei R + B bleiben, was mich sehr freut! Die Arbeit gefällt mir sehr gut und ich arbeite wirklich gerne hier. Wie gestaltete sich die Lehrstellensuche? E. Bélat: Erste Unterstützung bekam ich im SPZ in Nottwil während der Arbeitsabklärung. Anschliessend verbrachte ich 6 Monate im Zentrum für berufliche Abklärung (ZBA) in Luzern. Dort standen zuerst das KV und die Ausbildung zum Uhrenmacher zur Diskus-

sion. Das KV hat mich nicht angesprochen. Beim Uhrenmacher war das Problem die Lupe, die diese Berufsleute stundenlang am Kopf tragen. Wegen des Schädel-Hirn-Traumas war dies für mich nicht möglich. Schliesslich ergab sich durch Kontakte des SPZ ein dreimonatiges Probearbeiten bei der R + B. Es stellte sich vorerst die Frage, ob das Arbeiten am Bildschirm über längere Zeit möglich ist. Zudem verbrachte ich einen Probetag in der Berufsschule in Aarau, um die Infrastruktur zu testen und zu erfahren, ob ich 8 Stunden Schule schaffe. Auch wenn meine Konzentration durch das Schädel-Hirn-Trauma schneller nachlässt als bei anderen und ich für die Verarbeitung des Schulstoffes sowie zur Erholung viel mehr Zeit benötige, habe ich die Lehre zum Elektroplaner in Angriff genommen und stehe nun vor dem Abschluss. Gibt es aufgrund Ihrer Behinderung Schwierigkeiten oder Hindernisse im Beruf bzw. in der Berufsschule? Nein. Im Büro gibt es stets offene Ohren. Auch in der Berufsschule in Aarau klappt alles bestens. Das Gebäude ist sehr gut ausgestattet. Ich darf den Lift benützen, die Toilette ist rollstuhlgängig und im Notfall gibt es sogar ein Pflegebett. Auch meine Schulkolleginnen und -kollegen haben von Anfang an positiv reagiert und sind sehr hilfsbereit. Ursprünglich hatte ich wegen des Altersunterschieds etwas Bedenken. Doch diese erwiesen sich als unnötig. Herr Jacob, Sie arbeiten bereits seit 18 Jahren bzw. seit der Zeit nach Ihrem Unfall bei der R + B enginee- ring ag. Welche Voraussetzungen erfüllt R + B, damit Sie sich hier so wohl fühlen? S. Jacob: Es fing von Anfang an gut an. Schon beim Vorstellungsgespräch spürte ich die Motivation der beiden Firmeninhaber. Herr Rütsche und Herr Blaser waren zu jener Zeit mit 31 bzw. 26 Jahren selber noch sehr jung . Doch sie waren unglaublich motiviert, mich ins Berufsleben zu integrieren. Sie waren sogar zuversichtlicher als ich, dass es funktionieren würde. Ich befand mich zu diesem Zeitpunkt in der Rehabilitation und kannte das Leben als Querschnittgelähmter ausserhalb des Spitals noch nicht. Ich konnte das Ausmass meiner Behinderung noch nicht abschätzen und wusste nicht, ob ich die Ausbildung zum Elektrozeichner und das tägliche Arbeiten schaffen würde. Es stellte sich aber schnell heraus, dass ich geeignete Aufgaben bekam und sie mithilfe von CAD gut erledigen konnte. Auch die Arbeitszeit von sechs Stunden pro Tag war nicht zu viel und füllte meinen Tag aus. In der Berufsschule in Aarau kam ich gut mit. Meine Mitschüler waren unkompliziert und hilfsbereit, die Lehrkräfte engagiert und flexibel. Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus? S. Jacob: Am Morgen beanspruche ich Zeit für die Pflege, die ich im zeka Wohnhaus Aargau erhalte. Da diese zeitlich nicht immer genau planbar ist, arbeite ich anschliessend bis zum Mittag zu Hause in meinem Studio. Aufgrund der heutigen Technik funktioniert das bestens. Um 13.30 Uhr bringt mich das Taxi nach Brugg ins Büro. 1/2012 Kompetenz für Menschen mit Körperbehinderung 11

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Schliesslich ergab sich durch Kontakte des SPZ ein<br />

dreimonatiges Probearbeiten bei der R + B. Es stellte<br />

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Schule schaffe. Auch wenn meine Konzentration<br />

durch das Schädel-Hirn-Trauma schneller nachlässt als<br />

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habe ich die Lehre zum Elektroplaner in Angriff genommen<br />

und stehe nun vor dem Abschluss.<br />

Gibt es aufgrund Ihrer Behinderung Schwierigkeiten<br />

oder Hindernisse im Beruf bzw. in der Berufsschule?<br />

Nein. Im Büro gibt es stets offene Ohren. Auch in der<br />

Berufsschule in Aarau klappt alles bestens. Das Gebäude<br />

ist sehr gut ausgestattet. Ich darf den Lift benützen,<br />

die Toilette ist rollstuhlgängig und im Notfall<br />

gibt es sogar ein Pflegebett. Auch meine Schulkolleginnen<br />

und -kollegen haben von Anfang an positiv reagiert<br />

und sind sehr hilfsbereit. Ursprünglich hatte ich<br />

wegen des Altersunterschieds etwas Bedenken. Doch<br />

diese erwiesen sich als unnötig.<br />

Herr Jacob, Sie arbeiten bereits seit 18 Jahren bzw.<br />

seit der Zeit nach Ihrem Unfall bei der R + B enginee-<br />

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Sie sich hier so wohl fühlen?<br />

S. Jacob: Es fing von Anfang an gut an. Schon beim<br />

Vorstellungsgespräch spürte ich die Motivation der<br />

beiden Firmeninhaber. Herr Rütsche und Herr Blaser<br />

waren zu jener Zeit mit 31 bzw. 26 Jahren selber noch<br />

sehr jung . Doch sie waren unglaublich motiviert, mich<br />

ins Berufsleben zu integrieren. Sie waren sogar zuversichtlicher<br />

als ich, dass es funktionieren würde. Ich befand<br />

mich zu diesem Zeitpunkt in der Rehabilitation<br />

und kannte das Leben als Querschnittgelähmter ausserhalb<br />

des Spitals noch nicht. Ich konnte das Ausmass<br />

meiner Behinderung noch nicht abschätzen und<br />

wusste nicht, ob ich die Ausbildung zum Elektrozeichner<br />

und das tägliche Arbeiten schaffen würde. Es stellte<br />

sich aber schnell heraus, dass ich geeignete Aufgaben<br />

bekam und sie mithilfe von CAD gut erledigen<br />

konnte. Auch die Arbeitszeit von sechs Stunden pro<br />

Tag war nicht zu viel und füllte meinen Tag aus. In der<br />

Berufsschule in Aarau kam ich gut mit. Meine Mitschüler<br />

waren unkompliziert und hilfsbereit, die Lehrkräfte<br />

engagiert und flexibel.<br />

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?<br />

S. Jacob: Am Morgen beanspruche ich Zeit für die Pflege,<br />

die ich im <strong>zeka</strong> Wohnhaus <strong>Aargau</strong> erhalte. Da diese<br />

zeitlich nicht immer genau planbar ist, arbeite ich anschliessend<br />

bis zum Mittag zu Hause in meinem Studio.<br />

Aufgrund der heutigen Technik funktioniert das bestens.<br />

Um 13.30 Uhr bringt mich das Taxi nach Brugg ins<br />

Büro.<br />

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