Schweizerdeutsch - Kantonsschule Enge
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8 KEnZEIchEn 03/08<br />
Fokus<br />
Unsere Generation<br />
– unsere Sprache<br />
«Heb mal d’Fressi, du dumme Siech!»<br />
Jede Generation versucht sich abzugrenzen. Dies geschieht mit verschiedensten Mitteln.<br />
Doch meist ist das Instrument die Sprache der Jugend. Wie aber entsteht diese? Was für<br />
Auswirkungen hat sie? Eine Bestandesaufnahme.<br />
Es ist Freitagmittag. Die grosse halle in der <strong>Kantonsschule</strong> ist voll, an einem Tisch haben<br />
sich zwei Schüler und eine Schülerin niedergelassen. Sie diskutieren ihre Abendplanung.<br />
Da kann es auch einmal so tönen:<br />
«I de Scheissclub gat kein Sack meh, döt sind nume ungfickti Losers!»<br />
«Alte, los doch mal, de Sebi het gseit, d’Bitches sind andersch spitz!»<br />
Die anwesende Dame mischt sich vorsichtig ein:<br />
«hey, das Züg stimmt im Fall gar nöd, wo de Sebi usegschisse het, d’Marina isch au debi gsi<br />
und hets arschlangwiilig gfunde.»<br />
«Ah, chumm, d’Marina het kei Ahnig»<br />
«heb mal d’Fressi, du dumme Siech! »<br />
«Jungs, nehmeds isi, wo ane gömer jez?»<br />
«Mir ischs scheissegal…msn nachher?»<br />
«Ok, cu!»<br />
Marco Büsch, Stefan Brader und<br />
Jürg Dreifuss bei der Arbeit<br />
In solchen Situationen wird man gezwungenermassen mit der Jugend und somit auch mit<br />
ihrer Sprache konfrontiert. nun kann man sich entweder hinter einer Mauer der Ignoranz, der<br />
Verurteilung oder gar der Abscheu verstecken, was sicherlich die einfachere Variante ist.<br />
Oder man kann zuhören und sich Gedanken über die Beweggründe der Jugendlichen für die<br />
Formung einer eigenen Sprache machen.<br />
halten wir fest, wodurch sich dieser kurze Dialog auszeichnet: 1. Derbe Sexualisierung («ungfickti<br />
Losers», «d’Bitches»), 2. Fäkalausdrücke («Scheissclub», «usegschisse», «scheissegal»),<br />
3. Aggressivierung («heb mal d‘ Fressi, du dumme Siech!»).<br />
Gewiss könnte man in Anbetracht dieses Sprachgebrauchs ratlos werden, wenn man ihn<br />
isoliert betrachtet, ohne den Kontext. Und dieser ist wichtig. Denn im Grunde meinen es die<br />
Jugendlichen nicht wirklich ernst, sie nehmen keinen Anstoss, wenn sie derb oder aggressiv<br />
angesprochen werden. Der Reiz dieser Art von Sprache, so vermute ich, besteht darin, nicht<br />
so miteinander zu verkehren, wie dies die braven Erwachsenen tun. Darüber hinaus darin,<br />
«cool» zu sein. Und vielleicht den Kitzel zu spüren, bei diesem Sprachgebrauch erwischt und<br />
von diesen so braven Erwachsenen gar zurechtgewiesen zu werden.<br />
Jede Generation möchte wohl nicht so werden wie die vorhergehende. Und dafür muss sie<br />
Mittel und Wege finden.<br />
Stefan Brader (W3c)<br />
Fotos: Andreas Haag