Schweizerdeutsch - Kantonsschule Enge
Schweizerdeutsch - Kantonsschule Enge
Schweizerdeutsch - Kantonsschule Enge
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kenzeichen 03/08<br />
kenzeichen<br />
Aktuell<br />
Creation – Chorkonzert an der KEN<br />
Berichte<br />
Die fiesen Fälle des Deutschen<br />
Fokus<br />
<strong>Schweizerdeutsch</strong> –<br />
zu herzig für Gangster-Rap?<br />
ken Atur<br />
Eine vergessene Weltsprache<br />
Info-Magazin der <strong>Kantonsschule</strong> <strong>Enge</strong> Zürich
2 KEnZEIchEn 03/08<br />
inhAlt<br />
editoriAl<br />
Urs Bigler<br />
rektorAt<br />
> Generationenwechsel<br />
4<br />
Beat Wüthrich, Rektor<br />
Aktuell<br />
> Creation<br />
5<br />
Rebecca Blum (W1c)<br />
Berichte<br />
> Austauschschüler/innen an der KEn – oder die fiesen<br />
Fälle des Deutschen 7<br />
Leonie Hiller (N4d)<br />
Fokus<br />
> Unsere Generation – unsere Sprache<br />
8<br />
Stefan Brader (W3c)<br />
> <strong>Schweizerdeutsch</strong> – zu herzig für Gangster-Rap? 9<br />
Marco Büsch (W3b)<br />
Gesichter<br />
> Jürg Dreifuss 10<br />
hinterGrund<br />
> «Debattieren und missionieren» – ein Interview mit<br />
h. Spuhler und M. Zanoli 11<br />
Fabian Lehner (W3b)<br />
> Politik am Mittag: Jositsch gegen heer 12<br />
Rebecca Blum (W1c)<br />
ken Atur<br />
> Eine vergessene Weltsprache, die das herz höher<br />
bzw. besser schlagen lässt. 13<br />
Andreas Haag<br />
> Paradoxien und Schnittstellen 14<br />
René Bucher<br />
Buchtipp<br />
> Die beiden Besten? 15<br />
Stefan Brader (W3c)<br />
termine 2008<br />
> Juli–Oktober 16<br />
Impressum:<br />
Info-Magazin der<br />
<strong>Kantonsschule</strong> <strong>Enge</strong> Zürich<br />
www.ken.ch/kenzeichen<br />
nr.3, Juli 2008<br />
<strong>Kantonsschule</strong> <strong>Enge</strong><br />
Redaktion kenzeichen<br />
Steinentischstrasse 10, 8002 Zürich<br />
herausgeber: KEn-Media<br />
(kenmedia@ken.ch)<br />
Auflage: 1300 Exemplare<br />
Redaktion: Urs Bigler, Jürg Dreifuss<br />
Bildredaktion: Andreas haag<br />
Layout: Markus Kachel<br />
Druck: Bader+niederöst AG<br />
Titelbild: Urs Bigler<br />
Foto: Urs Bigler
editoriAl<br />
Das kenzeichen hat ein neues Kleid bekommen, das handörgeli-Format hat ausgedient.<br />
Zu diesem Schritt bewogen hat uns vor allem der Wunsch, den starren Rahmen<br />
von acht Seiten aufzubrechen und Berichte und Fotos nicht mehr zuerst mit<br />
der typografischen Presse herzurichten. Und gewiss ein bisschen Eitelkeit. Denn<br />
spätestens nach der Lektüre von Gottfried Kellers novelle Kleider machen Leute wissen<br />
wir, wie wichtig eine angemessene Aufmachung ist.<br />
Dass wir Sie, liebe Leserin und lieber Leser, allerdings an der nase herumführen wie<br />
Wenzel Strapinski, befürchten wir jedoch nicht. Denn Texte – unsere hauptcharaktere<br />
– sind ehrliche naturen. Sie können Unwahrheiten vor einem kritischen Auge<br />
nicht lange verbergen und sie sind schlechte Verstellungskünstler. Immer haftet ihnen<br />
etwas von unseren Gemütszuständen an, in denen sie entstanden sind. Etwas,<br />
das sich mit keinem Werkzeug aus den Worten herausschälen lässt und grundehrlich<br />
ist. haben wir einen starken Mitteilungsdrang, so können die Sätze wie gemästete<br />
Würgeschlangen auf dem Blatt liegen. Stecken wir in einem Tief, so pfeift die Logik<br />
gelegentlich verloren zwischen Verb und Subjekt hervor und stehen die Kommas,<br />
wenn sie nicht ganz vergessen gehen, wie Stolpersteine in der Textlandschaft.<br />
Sprühen wir aber vor Lebensfreude, mögen die Metaphern Purzelbäume schlagen,<br />
dass es dem Leser recht schwindlig werden kann.<br />
Sollten die Auswüchse allerdings grassieren, schreitet der Redaktor ein. Er streicht<br />
an, streicht durch und formuliert neu. Selbstverständlich stets bemüht, einem Text<br />
die natur nicht zu nehmen und ihn als das zu belassen, was er im Grunde ist: ein<br />
Fingerabdruck der Seele in der Zeit. Das, was unter anderem den Reiz eines Textes<br />
ausmacht, sprachlichen Reichtum beschert und uns in einsamen Stunden Gesellschaft<br />
leistet.<br />
Auf dem hintergrund dieser Überlegungen erhält der Begriff «Sprachenvielfalt» –<br />
das Leitthema dieser Ausgabe – eine zusätzliche Dimension. Vielfältig sind nicht<br />
nur die Fremdsprachen, die an einer Schule wie der KEn täglich gebraucht werden,<br />
vielfältig sind auch die unzähligen Produktionen innerhalb der Muttersprache – seien<br />
dies Reden, Vorträge, Aufsätze und andere Äusserungen. Sie alle atmen die Seele<br />
ihrer Schöpfer und sind somit unverwechselbarer Ausdruck von Persönlichkeit.<br />
Ich hoffe, Sie mit diesen Gedanken ein wenig gluschtig auf die «hauptcharaktere»<br />
dieser nummer gemacht zu haben, und wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen.<br />
Urs Bigler<br />
3
4 KEnZEIchEn 03/08<br />
rektorAt<br />
Generationenwechsel<br />
nun ist es da, das neue kenzeichen! Die erste Generation<br />
des Dreimonatejournals hat sich wacker geschlagen und<br />
den Zweck, über Topaktuelles, Laufendes und Interessantes,<br />
manchmal auch Seltsames an der <strong>Kantonsschule</strong> <strong>Enge</strong><br />
zu berichten, ausgezeichnet erfüllt.<br />
Die zweite Generation ist erwachsener, umfangreicher und<br />
wohl noch professioneller geworden. Das neue praktische<br />
A4-Format und die höhere Seitenzahl ermöglichen es,<br />
nicht nur mehr Beiträge in die einzelnen Ausgaben einzubeziehen,<br />
sondern diese auch intensiver zu illustrieren<br />
und zu einzelnen Themen mehr hintergrundinformation<br />
zu liefern. Das weiterentwickelte Layout der Informationsbroschüre<br />
korrespondiert in seiner Ästhetik mit der<br />
Absicht der Schule und den Redaktoren, dem kulturellen<br />
Anspruch der KEn in verstärktem Masse gerecht zu werden.<br />
Ich wünsche unserem neuen Medienkind gutes Gelingen!<br />
Generationenwechsel auch in der Redaktion der hauspostille!<br />
nach Peter Tobler und Jürg Dreifuss, ohne die<br />
der Erfolg der ersten kenzeichen-Generation nicht denkbar<br />
wäre, bilden nun Urs Bigler und Andreas haag die neue<br />
chefredaktion. Den ersteren danke ich ganz herzlich für<br />
die intensive Aufbauarbeit und das herzblut, das sie in das<br />
Unternehmen haben fliessen lassen, den letzteren wünsche<br />
ich für die kommenden Ausgaben im neuen Kleid viel<br />
Erfolg!<br />
Auch andere Generationenwechsel prägen die aktuelle<br />
Schuljahreszeit. Die dritten handelsmittelschul- und Informatikmittelschulklassen<br />
sind mit den Abschlussprüfungen<br />
an der Ziellinie ihrer mittelschulischen Bildungsphase<br />
angelangt. Mit dem erworbenen Diplom treten hMSler<br />
in das Berufsleben ein und wenden sich dem Erwerb der<br />
Berufsmaturität zu. Die IMSler werden nach den Sommerferien<br />
ebenfalls ihre erste berufliche Anstellung antreten<br />
und gleichzeitig das letzte Lehrjahr als Informatiker/innen<br />
in Angriff nehmen.<br />
Die Maturandinnen und Maturanden der vierten Gymnasialklassen<br />
stecken mittendrin in den Reifeprüfungen und<br />
freuen sich auf den erfolgreichen Abschluss ihrer Kantizeit.<br />
Viele haben sich ihren Studienplatz schon gesichert,<br />
andere wenden sich einem Zwischenjahr zu, je nach dem<br />
mit oder ohne Rekrutenschule. Eine weitere Generation,<br />
welche die KEn verlässt. Allen, welche unsere Schule erfolgreich<br />
absolviert haben, gratuliere ich schon jetzt ganz<br />
herzlich zum erreichten Ziel!<br />
Doch die neue Generation ist schon bezeichnet. Um die<br />
300 Jugendliche, verteilt auf 13 erste Klassen, werden<br />
nach den Sommerferien zur Probezeit antreten. Es ist mir<br />
ein Anliegen, ihnen allen viel Kraft und Ausdauer in den<br />
gewiss nicht einfachen Wochen zu wünschen. Und natürlich<br />
eine befriedigende Ausbildungszeit an der <strong>Kantonsschule</strong><br />
<strong>Enge</strong>!<br />
Auch eine Art neue Generation stellt unser Schulprogramm<br />
dar, welches erstmals einen Akzentlehrgang «<strong>Enge</strong> global»<br />
anbietet. Es geht dabei darum, während der ganzen vier<br />
Jahre auf allen Stufen ein besonderes Gewicht auf internationale<br />
Beziehungen und Entwicklungszusammenarbeit<br />
sowie auf nachhaltigkeit zu legen.<br />
Schliesslich kann auch in der Leitung des Gesamtkonvents<br />
der Lehrerschaft von einem Generationenwechsel gesprochen<br />
werden. Ab nächstem Semester wird die Konventsleitung<br />
nicht mehr in den händen des Rektors liegen.<br />
Wie an anderen <strong>Kantonsschule</strong>n üblich, wird das Konventspräsidium<br />
von einem nicht der Schulleitung angehörigen<br />
Mitglied des Konvents ausgeübt werden. Bei uns wurde<br />
Frau nicole Brockhaus ehrenvoll zur Konventspräsidentin<br />
gewählt. Sie wird unterstützt werden vom neuen Konventsvizepräsidenten<br />
herrn Stephan Giess.<br />
Beiden wünsche ich bei der Leitung unseres Gesamtkonvents<br />
eine gute hand!<br />
Beat Wüthrich, Rektor
Aktuell<br />
Creation<br />
Am 16. Mai wurde in der Aula der <strong>Kantonsschule</strong> <strong>Enge</strong> Zürich das Chorkonzert Creation<br />
aufgeführt. Rebecca Blum berichtet von ihren Erfahrungen als Sängerin. (Red.)<br />
Erst kurz vor den Frühlingsferien erfuhren wir Erst- und Zweitklässler/innen, dass auch wir<br />
am Creation-Konzert teilnehmen würden, an einem Konzert, für das die Dritt- und Viertklässler/innen<br />
schon Monate zuvor zu üben begonnen hatten.<br />
Zuerst hatten wir riesigen Respekt vor dieser herausforderung und dachten, dass wir in<br />
der vorgesehenen Zeit nie das erforderliche niveau erreichen würden. Doch herr Jäger<br />
und auch herr castellini versuchten uns immer wieder davon zu überzeugen, dass wir zum<br />
gesteckten Ziel gelangen würden, und übten mit uns über Wochen hinweg unermüdlich.<br />
Zu Beginn wollte es mit einzelnen Liedern nicht klappen, die Melodien schienen uns nicht<br />
in den Kopf zu gehen. Doch je länger wir übten, desto sicherer wurden wir, und Lieder, die<br />
einst nur mühsam zu singen waren, machten auf einmal richtig Spass. So verging die Zeit im<br />
nu, und plötzlich war der 16. Mai gekommen, der Tag des Konzerts. nicht nur Schüler/innen<br />
der KEn standen im chor, sondern auch diverse Sänger/innen, die in den letzten 20 Jahren<br />
schon an einem der Creation-Konzerte mitgewirkt hatten, darunter auch die ehemalige KEn-<br />
Schülerin Maya Boog.<br />
Wir sangen und sangen und wurden bei jedem Lied sattelfester. Am Schluss war nur noch<br />
tosender Applaus zu hören.<br />
5<br />
Rebecca Blum (W1c)
6 KEnZEIchEn 03/08<br />
Die Proben zum Chorkonzert Creation – einige Bilder Fotos: Andreas Haag
B e r i c h t e<br />
Austauschschüler/innen an der KEN<br />
– oder die fiesen Fälle des deutschen<br />
Wir Schweizer sind pünktlich,<br />
verschlossen und haben<br />
ein grosses ÖV-Netz.<br />
Man wird sich am besten<br />
der eigenen Art bewusst, wenn man sich<br />
mit anderen vergleicht. Oder wenn man<br />
auf gewisse Eigenschaften hingewiesen<br />
wird. Das widerfuhr mir in der Deutschstunde<br />
von Frau Soriani. Sie unterrichtet<br />
gegenwärtig vier Austauschschüler aus aller<br />
Welt, und das zweimal in der Woche.<br />
Als ich die Gruppe besuche, erlebe ich eine<br />
unerwartet gesprächsfreudige und lustige<br />
Runde. Rusti, ein Amerikaner aus Boston,<br />
kann nicht mehr aufhören mit Erzählen.<br />
Frau Soriani gibt ihm genau zehn Minuten.<br />
Sonst komme gar niemand mehr<br />
an die Reihe, meint sie lächelnd. Und so<br />
schöpft Rusti seine zehn Minuten voll aus<br />
und erzählt euphorisch von der Europareise,<br />
die er mit dem Rotary-Club erlebt<br />
hat. Dass er dabei munter über die fiesen<br />
Fälle des Deutschen stolpert, stört Rusti<br />
nicht im Geringsten. Man merkt, dass er<br />
schon ein wenig mehr Sprecherfahrung<br />
hat als die anderen drei – immerhin naht<br />
schon bald das Ende seines Austauschjahres<br />
hier in der Schweiz. Es scheint ihm<br />
sehr gut gefallen zu haben. Er meint zwar,<br />
dass sich die Schweizer schon ein bisschen<br />
zurückhaltend und streng verhielten und<br />
im Vergleich mit den Südamerikanerinnen,<br />
die er auf der Europareise kennen<br />
gelernt habe, nicht ganz so «lustig» seien.<br />
Trotz allem hat er eine Menge guter<br />
Freunde gefunden und schätzt es, dass er<br />
sich ihnen schnell und unkompliziert für<br />
den Ausgang anschliessen kann. Was ihn<br />
sehr erstaunt, ist das riesige ÖV-Netz. In<br />
seinem Land sei das ganz und gar nicht<br />
so gut ausgebaut. Dort, wo er herkomme,<br />
gebe es einen Zug, der alle paar Stunden<br />
in die Stadt fahre.<br />
Linda, eine Taiwanesin, findet es auffällig,<br />
dass es in der Schweiz – im Vergleich mit<br />
Taiwan – so wenig Leute mit schwarzen<br />
Haaren gebe. Und Erin, eine Kanadierin<br />
aus British Columbia, mag den Ausgang<br />
in Zürich. Sie findet es toll, dass man in<br />
der Schweiz auch in den Ausgang kann,<br />
wenn man noch nicht 19 ist. Auch diese<br />
beiden unterhalten sich problemlos mit<br />
mir auf Deutsch, obschon sie ihr Jahr hier<br />
noch nicht beendet haben.<br />
Masslos erstaunt mich Martín, ein Paraguayaner,<br />
der sich sehr gewandt auf<br />
Deutsch ausdrückt – und das, obwohl er<br />
erst drei Monate hier in der Schweiz verbracht<br />
hat und ausser einem selbst gekauften<br />
Deutschbuch noch nie etwas mit<br />
unserer Sprache zu tun gehabt hat. Martín<br />
schloss seine Schule in seiner Heimat ab<br />
wie Linda und Rusti. Er hat vor, nach seinem<br />
Zwischenjahr in Zürich wieder in die<br />
Schweiz zu kommen, um zu studieren. In<br />
Paraguay habe er nicht so gute Zukunftsaussichten<br />
wie bei uns. Und das, obschon<br />
er dort eine Privatschule besuchte und<br />
daher bessere Voraussetzungen mit sich<br />
bringt als jene Schüler, die an einer staatlichen<br />
Schule unterrichtet wurden. Auch<br />
in Kanada, so weiss Erin zu berichten,<br />
bestehe ein sehr grosser Unterschied zwischen<br />
staatlichen und privaten Schulen.<br />
Foto: Jürg Dreifuss<br />
In British Columbia herrsche zwar keine<br />
strikte Kleiderordnung, aber T-Shirts, die<br />
zu viel Haut zeigten, seien auch an ihrer<br />
Schule nicht erlaubt. Die für uns eventuell<br />
ein wenig konservative Haltung offenbart<br />
sich des Weiteren darin, dass jeden<br />
Montag morgen die kanadische Nationalhymne<br />
gesungen wird.<br />
Trotz allen kleinen und grossen Unterschieden<br />
scheinen die vier sehr guten<br />
Anschluss gefunden zu haben. Verteilt<br />
auf dritte Klassen der KEN, besuchen sie<br />
ganz normal den Unterricht und bleiben<br />
nur den Fremdsprachenlektionen fern.<br />
Wie man hört, hat der intensive Kontakt<br />
mit den Schweizern auch Einfluss auf<br />
das Deutsch der Austauschschüler/innen.<br />
Rusti zum Beispiel spricht schon fast<br />
<strong>Schweizerdeutsch</strong>, und auch Martín versteht<br />
nach seinen drei Monaten Schweiz<br />
ein wenig «Züridütsch».<br />
Es ist erstaunlicherweise für alle vier keine<br />
Frage gewesen, Deutsch in der Schweiz<br />
und nicht in Deutschland zu lernen. Nebst<br />
der EM spielten der Bekanntheitsgrad und<br />
die Schönheit des Landes eine Rolle für<br />
ihren Entscheid.<br />
Diese vier aufgestellten und interessanten<br />
jungen Menschen werden in der Schweiz<br />
mit Sicherheit noch eine Menge neuer<br />
Dinge kennen lernen. Und so, wie sie von<br />
uns und unserer Andersartigkeit profitieren,<br />
werden auch wir dazulernen. Von<br />
ihnen. Und ihrer Mentalität.<br />
7<br />
Leonie Hiller (N4d)
8 KEnZEIchEn 03/08<br />
Fokus<br />
Unsere Generation<br />
– unsere Sprache<br />
«Heb mal d’Fressi, du dumme Siech!»<br />
Jede Generation versucht sich abzugrenzen. Dies geschieht mit verschiedensten Mitteln.<br />
Doch meist ist das Instrument die Sprache der Jugend. Wie aber entsteht diese? Was für<br />
Auswirkungen hat sie? Eine Bestandesaufnahme.<br />
Es ist Freitagmittag. Die grosse halle in der <strong>Kantonsschule</strong> ist voll, an einem Tisch haben<br />
sich zwei Schüler und eine Schülerin niedergelassen. Sie diskutieren ihre Abendplanung.<br />
Da kann es auch einmal so tönen:<br />
«I de Scheissclub gat kein Sack meh, döt sind nume ungfickti Losers!»<br />
«Alte, los doch mal, de Sebi het gseit, d’Bitches sind andersch spitz!»<br />
Die anwesende Dame mischt sich vorsichtig ein:<br />
«hey, das Züg stimmt im Fall gar nöd, wo de Sebi usegschisse het, d’Marina isch au debi gsi<br />
und hets arschlangwiilig gfunde.»<br />
«Ah, chumm, d’Marina het kei Ahnig»<br />
«heb mal d’Fressi, du dumme Siech! »<br />
«Jungs, nehmeds isi, wo ane gömer jez?»<br />
«Mir ischs scheissegal…msn nachher?»<br />
«Ok, cu!»<br />
Marco Büsch, Stefan Brader und<br />
Jürg Dreifuss bei der Arbeit<br />
In solchen Situationen wird man gezwungenermassen mit der Jugend und somit auch mit<br />
ihrer Sprache konfrontiert. nun kann man sich entweder hinter einer Mauer der Ignoranz, der<br />
Verurteilung oder gar der Abscheu verstecken, was sicherlich die einfachere Variante ist.<br />
Oder man kann zuhören und sich Gedanken über die Beweggründe der Jugendlichen für die<br />
Formung einer eigenen Sprache machen.<br />
halten wir fest, wodurch sich dieser kurze Dialog auszeichnet: 1. Derbe Sexualisierung («ungfickti<br />
Losers», «d’Bitches»), 2. Fäkalausdrücke («Scheissclub», «usegschisse», «scheissegal»),<br />
3. Aggressivierung («heb mal d‘ Fressi, du dumme Siech!»).<br />
Gewiss könnte man in Anbetracht dieses Sprachgebrauchs ratlos werden, wenn man ihn<br />
isoliert betrachtet, ohne den Kontext. Und dieser ist wichtig. Denn im Grunde meinen es die<br />
Jugendlichen nicht wirklich ernst, sie nehmen keinen Anstoss, wenn sie derb oder aggressiv<br />
angesprochen werden. Der Reiz dieser Art von Sprache, so vermute ich, besteht darin, nicht<br />
so miteinander zu verkehren, wie dies die braven Erwachsenen tun. Darüber hinaus darin,<br />
«cool» zu sein. Und vielleicht den Kitzel zu spüren, bei diesem Sprachgebrauch erwischt und<br />
von diesen so braven Erwachsenen gar zurechtgewiesen zu werden.<br />
Jede Generation möchte wohl nicht so werden wie die vorhergehende. Und dafür muss sie<br />
Mittel und Wege finden.<br />
Stefan Brader (W3c)<br />
Fotos: Andreas Haag
<strong>Schweizerdeutsch</strong><br />
– zu herzig für<br />
Gangster-Rap?<br />
Der Schweizer Rap hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt.<br />
Er hinkt zwar immer noch seinem grossen Bruder, dem deutschen<br />
Rap, hinterher, geniesst aber immer mehr Aufmerksamkeit in den<br />
hiesigen Medien. Thematisch schlägt er meist einen ganz anderen<br />
Weg ein als der deutsche Rap. In der Schweiz hat der Rap-Stil<br />
Erfolg, der überall als Studenten-Rap verschrien ist. Sein Markenzeichen:<br />
Selbstironie. In Deutschland hingegen wird das Rap-<br />
Business zurzeit noch von Gangster-Rappern aus dem Ghetto und<br />
unantastbaren Supermännern regiert.<br />
20 Minuten schreibt, dass sich der deutsche Gangster-Rapper Bushido<br />
mit seinem Album «7» auf Platz 2 der Schweizer Musikcharts<br />
habe platzieren können. Die Frage drängt sich auf, ob sein Stil auch<br />
in der Schweiz Erfolg haben könnte. Dafür spricht, dass dies auch<br />
ohne typischen Ghetto-hintergrund möglich wäre, schliesslich sind<br />
Ghettos in Deutschland auch nur in den Grossstädten zu finden und<br />
auch dort sind sie in keiner Weise mit denen in den USA zu vergleichen.<br />
Dagegen spricht: der Sprachunterschied.<br />
Der Laie wird hier wohl denken, dass es gar keinen grossen Unterschied<br />
gebe zwischen dem Texten auf hochdeutsch und jenem auf<br />
<strong>Schweizerdeutsch</strong>, aber aus eigener Erfahrung als Rapper kann ich<br />
sagen, dass dieser Unterschied frappant ist. Der Klang des hochdeutschen<br />
ist natürlich ganz anders, es gibt auch viel mehr Wörter<br />
im deutschen Sprachgebrauch als im schweizerdeutschen. Als Rapper<br />
fällt einem auch schnell mal auf, dass das <strong>Schweizerdeutsch</strong>e<br />
mit seinen vielen «äs», «ös» und «üs» reimtechnisch viel geringeren<br />
Variantenreichtum bietet . Auch werden die Wörter weicher ausgesprochen,<br />
mit weniger Ecken und Kanten. In diesem Fall kommt das<br />
Zürichdeutsche dem hochdeutschen noch am nächsten, die Berner<br />
hingegen haben eine sehr weiche Sprache sowie auch die Bündner.<br />
Diese weiche Sprache könnte man auch als «herzig» auffassen - und<br />
welcher Gangster-Rapper will schon «herzig» oder süss sein. Dies<br />
wirkt dann schnell einmal lächerlich, was auch nicht das Ziel eines<br />
Gangster-Rappers sein kann. So beginnen sich die meisten Schweizer<br />
Rapper mit einer gewissen Selbstironie darzustellen, um darüber<br />
hinwegzutäuschen , dass man mit einer weichen Sprache schwer<br />
über harte Dinge sprechen kann. Es verwundert daher nicht, dass die<br />
Schweiz nur wenige Künstler kennt, die sich im Gangster-Rap einen<br />
9
10 KEnZEIchEn 03/08<br />
Rap auch an der KEN - Stephan Schönholzer (W4a)<br />
während der Präsentation seiner Maturitätsarbeit<br />
namen gemacht haben. Zu ihnen gehört der Basler Rapper Griot,<br />
der schon früh auffiel mit seinen harten Texten, in denen er völ-<br />
lig frei von Ironie von seinem Dealer-Leben erzählt. Ein anderer<br />
Rapper, der sich auch etwas gangstermässig gibt, ist Dezmond<br />
Dez. Dieser bewegt sich aber stets auf schmalem Grad zwischen<br />
Ironie und schonungslos hartem Realismus.<br />
Schliesslich kann man sagen, dass sich der Gangster-Rap in der<br />
Schweiz aus den erwähnten Gründen wahrscheinlich nicht durchsetzen<br />
wird. Das wird viele freuen, da doch die restlichen Sparten<br />
im Rap viel mehr zu bieten haben als der sich ewig selbstinszenierende<br />
Gangster-Rap.<br />
Bushido: www.kingbushido.de<br />
Griot: www.myspace.com/griotbrewzbana<br />
Dezmond Dez: www.myspace.com/zoeboydez/<br />
www.optikschweiz.ch<br />
Marco Büsch (W3b)<br />
www.myspace.com/voedijohnrecords<br />
Foto: Urs Bigler<br />
Gesichter<br />
Jürg Dreifuss<br />
«…ob ich der rektor sei?»<br />
Jürg Dreifuss verlässt die Redaktion des kenzeichens per<br />
Ende Semester. Ein Abschiedsinterview.<br />
24 Ausgaben unserer Schulzeitung hast du massgeblich<br />
mitgestaltet. Kannst du dich an zwei besondere bzw.<br />
lustige Erlebnisse erinnern?<br />
Zwei Erlebnisse kommen mir spontan in den Sinn: Da<br />
ich jeweils die Leitartikel zum kenzeichen schrieb, erschien<br />
auf der Frontseite immer auch mein Konterfei.<br />
So kam es, dass eine Austauschschülerin mich eines Tages<br />
fragte, ob ich der Rektor der Schule sei. Ich sorgte<br />
umgehend dafür, dass in den folgenden Ausgaben<br />
das Bild eines anderen Redaktors auf der ersten Seite<br />
prangte...<br />
Ein zweites Erlebnis liegt noch nicht so lange zurück,<br />
ziemlich genau ein Jahr. Und zwar las ich den Abschiedsartikel<br />
von Peter Tobler, mit welchem zusammen<br />
ich das Schulblatt vor sechs Jahren gegründet<br />
hatte. Darin erklärte er ausführlich, warum er den Namen<br />
kenzeichen gewählt und was er damit beabsichtigt<br />
habe. Ich las den Text nochmals. Nicht ohne Staunen.<br />
Denn ich glaube mich noch recht genau daran zu erinnern,<br />
dass ich es war, der vor sechs Jahren eine Liste<br />
mit möglichen Namen für die Zeitung angefertigt und<br />
den Gründungsmitgliedern zur Auswahl unterbreitet<br />
hatte. So rangierten auch die Bezeichnungen KENtauer<br />
und ErKENtnis auf der der Liste. Besonders der Name<br />
KENtower bot die Möglichkeit, sowohl auf die Architektur<br />
als auch auf die Mythologie anzuspielen. Wessen<br />
Gedächtnis auch immer sich täuschen mag: Die trügerische<br />
Erinnerung ist der beste Beweis dafür, dass sich<br />
der Name kenzeichen bewährt hat – nomen est omen<br />
– und die Schulzeitung heute wirklich zu einem der<br />
Kennzeichen der Schule geworden ist.<br />
Foto: Andreas Haag
Mit deinem Abschied von der Redaktion fällt der Wechsel des Formats<br />
zusammen. Findest du es schade, dass das alte Kleid ausgedient hat?<br />
Eine gewisse Ironie des Schicksals ist, dass sich das Acht-Seiten-Format<br />
ebenso lange gehalten hat wie meine Mitarbeit am kenzeichen. Dies<br />
besonders deshalb, weil ich nie ein Freund der unhandlichen und fixen<br />
Umfangrösse gewesen bin. Für jede Ausgabe ist mir entweder zu<br />
viel oder zu wenig Material zur Verfügung gestanden. Immer bin ich<br />
gezwungen gewesen, die Artikel dem Umfang künstlich anzupassen.<br />
Aber dies wird ja nun endlich besser. Neu ist nicht nur der Umfang veränderbar.<br />
Auch die Druckqualität ist mit vier Farben deutlich besser.<br />
Apropos Farben und Gestaltung. Was war für dich der Reiz beim<br />
Gestalten des kenzeichens?<br />
Eine gewisse Herausforderung bestand darin, eine für alle Leser interessante<br />
Zeitung zu kreieren. Diese musste sowohl der Schülerschaft,<br />
den Eltern, den Lehrern/Lehrerinnen, aber auch den Ehemaligen entsprechen.<br />
Mit dem vierteljährlichen Erscheinen ist es auch nicht immer<br />
ganz einfach, aktuell zu bleiben (die Tageszeitungen haben es da viel<br />
einfacher...).<br />
Höhen und Tiefen gibt es in jeder Tätigkeit. Was empfandest du als<br />
bemühend?<br />
Gewünscht hätte ich mir, dass sowohl die Lehrer/innen als auch die<br />
Schüler/innen fleissiger Beiträge geliefert hätten. Und erst noch termingerecht.<br />
Aber in Anbetracht aller Aktivitäten, Prüfungen und<br />
Pflichten höherer Priorität hat die Schulzeitung eben häufig das Nachsehen...<br />
Dazu kommt noch, dass die Beiträge nicht entschädigt werden.<br />
Mit Aussicht auf Bezahlung hätten wohl manche etwas motivierter und<br />
zuverlässiger gearbeitet.<br />
Was waren deine Anliegen als Redaktor der Schulzeitung?<br />
Die Wichtigkeit der Zeitung besteht wohl vor allem darin, dass sie zur<br />
Identitätsbildung beiträgt. Entscheidend scheint mir in diesem Zusammenhang,<br />
dass sich möglichst viele in der Zeitung wiederfinden, sei es<br />
in persönlichen Fotos oder Erwähnungen. Ich bemühte mich auch darum,<br />
Schüler/innen als Redaktoren und Redaktorinnen zu gewinnen.<br />
Die Schwierigkeit dabei war nur, dass die sprachlichen Fertigkeiten<br />
meistens auf die Matura hin das nötige Niveau erreichten. Und gerade<br />
dann verliessen sie – zu meiner nicht eben grossen Freude – die Schule<br />
wieder. Stets gab es aber zuverlässige, begabte und schreibbegeisterte<br />
Schüler/innen, denen ich bei dieser Gelegenheit ganz besonders danken<br />
möchte.<br />
Das klingt nun so, als wäre das kenzeichen nur innerhalb der KEN von<br />
Bedeutung…<br />
Das ist natürlich nicht der Fall. Die Zeitung wirkt nicht nur nach innen,<br />
sondern auch auf eine Öffentlichkeit, deren Konturen sich aber nicht<br />
genau umreissen lassen. Dies wurde mir jeweils bewusst, wenn mich<br />
Redaktoren ausserhalb des Kantons anfragten, ob sie gewisse Artikel<br />
übernehmen dürften. Die Wirkung der Zeitung lässt sich nur schwer<br />
abschätzen.<br />
Das kenzeichen ist auch ein Organ, das es ermöglicht, gewisse schulische<br />
Neuerungen und Entwicklungen klar und korrekt zu kommunizieren.<br />
Ich hoffe, dass die Ausgaben auch ohne mich noch lange weitergeführt<br />
werden und wünsche meinen Nachfolgern Urs Bigler und Andreas<br />
Haag viel Erfolg, Geduld und Durchhaltewille.<br />
hinterGrund<br />
«Debattieren und<br />
missionieren»<br />
– ein Gespräch mit hans spuhler<br />
und marco Zanoli<br />
Fabian Lehner (W3b) befragte Hans Spuhler und Marco<br />
Zanoli zu ihrem Engagement für Politik am Mittag.<br />
Erklären Sie uns doch ganz kurz, was Politik am Mittag<br />
genau ist.<br />
11<br />
Sp: Ein offenes Forum, das Schüler und Lehrer dazu<br />
bringen soll, in einer lockeren Atmosphäre Freude und<br />
Interesse an der Politik zu entwickeln.<br />
Z: Das Ziel ist vor allem, den Leuten die Angst vor politischen<br />
Themen zu nehmen.<br />
Wie lange existiert dieses Projekt und seit wann sind<br />
Sie dabei?<br />
Sp: (Schaut kurz nach.) Es existiert seit dem FS 2005.<br />
Z: Ich betreue es erst seit dem HS 2006.<br />
Was ist Ihre Motivation, sich immer wieder für dieses<br />
Projekt einzusetzen?<br />
(Beide überlegen.) Z: Ich sehe mich als Missionar (Sp.<br />
schmunzelt), der das Interesse für etwas weckt, das ungezwungen<br />
und freiwilig ist. Klar ist man enttäuscht,<br />
wenn das Thema die Schüler nicht anspricht, aber falls<br />
nur schon vier bis fünf kommen und eben dieses Interesse<br />
zeigen, bin ich zufrieden.<br />
«Das Ziel ist vor allem, den Leuten<br />
die Angst vor politischen Themen<br />
zu nehmen.<br />
Wenn wir schon bei der Anzahl Schüler sind, welches<br />
ist die durchschnittliche Teilnehmerzahl?<br />
Sp: Ca. 10-12, aber es kann auch Spitzenzahlen geben<br />
wie bei der Veranstaltung mit Jositsch und Heer, da waren<br />
es 60. Was meine Motivation betrifft: Das Ganze<br />
entstand aus dem Freifach Weltpolitik. Mein Bedürfnis<br />
war es, das aktuelle Weltgeschehen zu vermitteln und<br />
auch mal einen offenen Meinungsaustausch zu fördern.<br />
In der Diskussionsrunde erscheinen immer wieder<br />
politische Schwergewichte. Wie leicht kriegt man diese<br />
und inwiefern hilft das politische Beziehungsnetz?<br />
Sp: Das Herankommen an die Politiker ist nicht so<br />
schwer. Wir könnten viel häufiger welche einladen,<br />
aber es muss dann auch ein genügend grosses Publikum<br />
da sein, sonst kommen diese nicht mehr zu uns.
12 KEnZEIchEn 03/08<br />
Ein Beispiel für einen Flop war Filippo Leutenegger (ca.<br />
ein Dutzend Besucher). Der war ziemlich enttäuscht.<br />
Z: Ein anderes Beispiel war Elisabeth Kopp. Diese Veranstaltung<br />
war zwar interessant, aber wahrscheinlich<br />
für die Schülerschaft nicht mehr so aktuell. Meine Enttäuschung<br />
war aber grösser als jene von Frau Kopp.<br />
Sp: Wegen solcher Fälle wollen wir die Promis nur sehr<br />
dosiert einsetzen. Bei Christoph Mörgeli weiss man<br />
zwar, dass Publikum anwesend ist, aber wir möchten ja<br />
auch nicht wie Tele Züri nur immer die gleichen Köpfe<br />
Woche für Woche zeigen.<br />
Was war Ihr persönliches Highlight?<br />
(Beide überlegen lange) Sp: Ein Highlight war für mich,<br />
als Herr Heinzelmann (SVP) zum Regierungsratskandidaten<br />
nominiert wurde und bei uns wenige Tage später<br />
sein Debut hatte. An dieser Veranstaltung merkte<br />
man, dass der Auftritt vor Publikum noch ziemlich ungewohnt<br />
für ihn war. Ein Highlight ist für mich auch,<br />
wenn sich ein Schüler über längere Zeit für dieses Forum<br />
einsetzt, wie dies Davide Loss tat.<br />
Z: Eine optimale Veranstaltung war das Duell zwischen<br />
Jositsch und Heer. Das war ausgewogen, es gab interessante<br />
Schülerfragen und ein grosses Publikum war<br />
zugegen. Persönlich freue ich mich am meisten, wenn<br />
sich 10-15 Schüler beteiligen und eine interessante Diskussion<br />
entsteht.<br />
Was sind denn die kommenden Highlights?<br />
Sp: Das Ziel ist es, das Programm laufend zusammen<br />
mit den Schülern und Kollegen aus der Fachgruppe zu<br />
bestimmen. Was aber schon feststeht, ist, dass Adolf<br />
Ogi zum Thema Politik und Sport zu uns kommt, und<br />
auch die US-Präsidentschaftswahlen sind traktandiert.<br />
Z: Zu diesem Thema wird es dann sicher mehrere Veranstaltungen<br />
geben. Die Planung ist fliessend, damit<br />
man auf Aktualitäten eingehen kann. Sonst wäre Politik<br />
am Mittag mehr wie eine Vorlesung, in der man<br />
Krisenherde anschauen würde, und das entspricht nicht<br />
unseren Vorstellungen. Ich würde mir wünschen, dass<br />
die Schülerschaft häufiger ihre Bedürfnisse anmelden<br />
würde. Zum Beispiel, ob sie lieber über China oder die<br />
EM sprechen möchte.<br />
Damit sind wir auch bei meiner letzten Frage<br />
angekommen: Wenn Sie einen Wunsch von einer guten<br />
Fee für das Forum freihätten: Welcher wäre das?<br />
Z: In meiner Traumvorstellung gibt es 10-15 Schüler,<br />
die regelmässig kommen, alle paar Wochen einen Vorschlag<br />
fürs Programm machen oder sogar selbst mal<br />
jemanden einladen. Dann gäbe es wahrscheinlich auch<br />
seltener Veranstaltungen, die wenig besucht werden.<br />
Sp: Meine Traumvorstellung wäre ein Debattierclub<br />
nach angelsächsischem Vorbild. Dies bedarf einer<br />
Gruppe von ein bis zwei Dutzend Schülern, die Freude<br />
am Diskutieren haben.<br />
Vielen Dank für das Gespräch.<br />
Beide: Wir danken Ihnen.<br />
Politik am Mittag:<br />
Jositsch gegen Heer<br />
Gespannt wartete ich auf den Beginn der Diskussion über die Bürgerrechtsinitiative.<br />
Eingeladen waren die Nationalräte Daniel Jositsch<br />
und Alfred Heer. Dass die Initiative, mit der die SVP die<br />
Lösung der Ausländerkriminalität anpries, die Gemüter bewegte,<br />
war am Ansturm der Zuhörer/innen zu erkennen, denn von Minute<br />
zu Minute wurde das Zimmer voller. Nicht nur zahlreiche Schüler/<br />
innen, sondern auch etliche Lehrer/innen wollten sich die Diskussion<br />
nicht entgehen lassen.<br />
Erst stellten die beiden<br />
nationalräte ihre Position<br />
zu dem Thema dar,<br />
und dann begann das<br />
Duell. Alfred heer war,<br />
wie das seine Parteizugehörigkeit<br />
erwarten liess, sehr angriffslustig, wobei Daniel Jositsch<br />
mit viel Witz konterte. Beispielsweise als er auf das Argument,<br />
dass das Wissen um die Anzahl der Bundesräte nicht mehr in den<br />
Bildungsrucksack eines Einbürgerungswilligen gehöre, antwortete,<br />
dass dies gar nicht verlangt werden könne, in Anbetracht dessen,<br />
dass sich nach der Meinung der SVP gelegentlich nur halbe Bundesräte<br />
in der Regierung befänden.<br />
Solche Bemerkungen machten Daniel Jositsch auf Anhieb sympathisch,<br />
doch auch Alfred heer überzeugte durch seine direkte, unverblümte<br />
Art. Wirklich interessant und unterhaltsam wurde die<br />
Veranstaltung, als die beiden Politiker anfingen, auf die Fragen des<br />
Publikums einzugehen. Alfred heer geriet dabei ziemlich unter Beschuss,<br />
vor allem von denjenigen, welche der Ansicht waren, diese<br />
Initiative verletze die Menschenrechte und verstosse auch gegen die<br />
Verfassung.<br />
Alfred heer wehrte jeweils ab, indem er betonte, dass es kein Menschenrecht<br />
sei, das Schweizer Bürgerrecht zu erhalten. Jositsch<br />
wurde ebenfalls nicht verschont, wenn er auch nicht so sehr im Kreuzfeuer<br />
der Kritik stand.<br />
Da und dort fiel zwar ein kritisches Wort gegen die SP, es wurde aber<br />
deutlich, dass die Stimmung im Raum eher gegen die Bürgerrechtsinitiative<br />
war, weshalb mich dann auch das Abstimmungsergebnis<br />
wenig überraschte.<br />
Text und Bild: Rebecca Blum (W1c)
Fotos: Andreas Haag<br />
ken Atur<br />
Eine vergessene Weltsprache,<br />
die das Herz höher bzw. besser schlagen lässt.<br />
Wenn an der KEN von Sprachenvielfalt<br />
die Rede ist,<br />
so denken wir meist an<br />
Deutsch, Französisch,<br />
Englisch, Spanisch, Italienisch, Russisch,<br />
Lateinisch und Japanisch. Vielleicht auch<br />
an die Fächer Arabisch und Chinesisch,<br />
die bald unterrichtet werden. Doch eine<br />
Weltsprache fehlt in dieser Liste noch.<br />
Jene nämlich, die für die Annehmlichkeiten<br />
unseres Lebens unverzichtbar ist.<br />
Die Immersionsklasse W3i hat in der<br />
Sternwoche Ende Mai 2008 dank dieser<br />
Sprache die Fächergrenzen besser überwinden<br />
und die Gemeinsamkeit von Glet-<br />
schern, Strom und Blut erkennen können.<br />
Schülerinnen und Schüler, die sich auf die<br />
Formelsprache der Naturwissenschaften<br />
und Mathematik einlassen, können nicht<br />
nur gut nachvollziehen, wie die unter-<br />
13<br />
schiedliche Dicke der rechten und linken<br />
Kammerwand eines sezierten Schweineherzens<br />
zustandekommt und welche konkreten<br />
Folgen beispielsweise ein ungesunder<br />
Lebenswandel auf unser Herz hat,<br />
sondern sie blicken auch hinter die Kulissen<br />
all derjenigen Errungenschaften, die<br />
unser Leben so viel angenehmer und auch<br />
länger machen. Zudem lassen sich die gewonnenen<br />
Erkenntnisse weltweit mit wenigen<br />
Symbolen kommunizieren.<br />
Als Höhepunkt der interdisziplinären Unterrichtseinheit<br />
von Physik und Biologie<br />
besuchte die Klasse W3i die Firma Biotronik<br />
in Bülach, welche medizinische Instru
14 KEnZEIchEn 03/08<br />
mente zum Aufdehnen und Stabilisieren verstopfter<br />
Blutgefässe – Ballonkatheter und Stents – herstellt.<br />
Von insgesamt sieben Mitarbeitern betreut, lernten<br />
wir, wie sich ein kleineres Unternehmen durch stetes<br />
Weiterentwickeln seiner Produkte gegen grosse<br />
amerikanische Firmen behaupten kann. Dass diese<br />
Innovationsfreudigkeit ein interdisziplinäres Team<br />
von gut ausgebildeten und motivierten Ärzten, Maschineningenieuren,<br />
Materialwissenschafterinnen,<br />
Juristen und Ökonomen erfordert, liessen interessante<br />
Präsentationen und Diskussionen erkennen.<br />
Ohne Schmuck und Schminke und in einen speziellen<br />
Anzug gesteckt, erhielten wir über eine Schleuse<br />
Zugang zur Industriehalle, die frei von Staubpartikeln<br />
ist. Erstaunt hat uns, durch wie viele mit Präzision<br />
und Sorgfalt arbeitende Hände die bei Herzoperationen<br />
eingesetzten Produkte während ihrer<br />
Herstellung gehen müssen.<br />
Alles in allem: ein eindrückliches Erlebnis für die<br />
Schüler/innen der W3i. Vielleicht wurde die eine<br />
oder der andere dazu angeregt, sich einmal auch<br />
mit weniger bekannten und formelsprachintensiveren<br />
Studiengängen und Berufsfeldern zu befassen.<br />
Wenn Schüler/innen der KEN wie jene der Klasse<br />
W3i während Firmenbesichtigungen den Zeitplan<br />
mit ihren vielen intelligenten Fragen durcheinanderbringen,<br />
fragen wir naturwissenschaftlichen<br />
Lehrkräfte uns schon, ob wir ihren Interessen in<br />
der knappen zur Verfügung stehenden Unterrichtszeit<br />
gerecht werden können.<br />
Andreas Haag<br />
Paradoxien und<br />
Schnittstellen<br />
Anlass zu irritationen in der organisation ‹schule›<br />
Fotos: Andreas Haag<br />
«Sei spontan!» Bei dieser Aufforderung gerät der Fluss<br />
unserer Gedanken sogleich ins Stocken. Denn eine paradoxe<br />
Situation ist entstanden: Die Bedingung der Möglichkeit<br />
dieser Handlung ist zugleich die Bedingung ihrer<br />
Unmöglichkeit.<br />
Ähnliche Situationen treten auch im Schulalltag auf, beispielsweise<br />
wenn einerseits mit guter Absicht unterstützend und fördernd unterrichtet<br />
wird, andererseits aufgrund der gesellschaftlichen Anforderung<br />
die gleichen Schülerinnen und Schüler selektioniert werden. Oder wenn<br />
die Lehrperson auf eine spontaneitätsfördernde Lernatmosphäre wert<br />
legt, Störungen aber sanktionieren muss. Wer möchte die Jugendlichen<br />
nicht individuell fördern, kommt aber dabei in den Konflikt mit dem Anspruch,<br />
alle gerecht zu behandeln? Und wer mag den Schüler/innen nicht<br />
ihren eigenen Lernrhythmus gönnen, obwohl er stets die Lernziele im<br />
Auge behalten muss?<br />
Die wichtige Aufgabe der Erziehung könnte widersprüchlicher nicht sein:<br />
Freiheit wird beschränkt, damit Freiheit und Selbstständigkeit erlangt<br />
werden.<br />
Wie die Schule mit diesen und anderen Irritationen umgehen könnte<br />
– damit befasse ich mich ausführlich in einem Artikel, der als pdf-File<br />
unter www.ken.ch/kenzeichen heruntergeladen werden kann.<br />
René Bucher
B u c h t i p p<br />
Die beiden Besten?<br />
Wieso verkaufen sie sich derart gut? ein Vergleich<br />
Die Orell-Füssli-Bestsellerliste<br />
der Sparte Belletristik vom<br />
3.Juni führt Charlotte Roches<br />
Feuchtgebiete an erster Stelle<br />
an, dann folgt Martin Suters Der letzte<br />
Weynfeldt.<br />
Die Unterschiede offenbaren sich schon<br />
bei den Autoren. Charlotte Roche, geboren<br />
1978, bisher Fernsehmoderatorin,<br />
verheiratet, ein Kind, lebt in Köln. Martin<br />
Suter, geboren 1948, verheiratet, mehrfacher<br />
Vater, lebt in Spanien und Guatemala.<br />
Feuchtgebiete ist Roches erster Roman,<br />
Suter verfasst seit Jahren Bücher und Kolumnen.<br />
Ihre Bücher sind grundverschieden.<br />
Die 18-jährige Helen Memel liegt wegen<br />
einer Verletzung aufgrund einer Intimrasur<br />
im Krankenhaus, wobei der Leser bis<br />
zum Schluss den Verdacht nicht loswird,<br />
dass es sich hierbei nicht um einen Unfall<br />
handelt. Sie versucht verzweifelt, ihre geschiedenen<br />
Eltern wieder zusammenzubringen.<br />
Adrian Weynfeldt, Mitte fünfzig, Kunstexperte<br />
bei einem Auktionshaus hat mit<br />
dem Leben und der Liebe abgeschlossen.<br />
Da tritt eine suizidgefährdete Frau in sein<br />
geordnetes Leben, welche ihr Überleben<br />
von Weynfeldt abhängig macht und dafür<br />
sorgt, dass sein Leben aus den Fugen<br />
gerät.<br />
Nun stellt sich die Frage, weshalb sich genau<br />
diese beiden Bücher derart gut verkaufen.<br />
In der Sparte Belletristik ist ein<br />
Grund für den Kaufentscheid wohl unter<br />
anderem der Unterhaltungswert. Dieser<br />
ist bei beiden Büchern gegeben. Roche fesselt<br />
durch ihre direkte und unverblümte<br />
Sprache und provoziert durch das absichtliche<br />
Überschreiten von gesellschaftlichen<br />
Grenzen. Suter ist ein geübter Spannungserzeuger,<br />
welcher das Sprachhandwerk<br />
perfekt beherrscht.<br />
Doch für einen Spitzenplatz auf der Bestsellerliste<br />
genügt wohl der Unterhaltungs-<br />
wert einer Lektüre alleine nicht. Massgeblich<br />
in diesem Zusammenhang ist wohl<br />
auch die Vermarktung. Die funktioniert<br />
für beide Bücher. Roche tritt in allen<br />
möglichen Fernsehsendungen auf, wodurch<br />
sie ein breites Publikum anspricht,<br />
oft Gelegenheitsleser, welche sich leicht<br />
für ein derart provokatives Buch begeistern<br />
lassen. In Deutschland ist es sehr<br />
wahrscheinlich, dass man beim Smalltalk<br />
irgendwann auf Roches Buch zu sprechen<br />
kommt, und dann will man den Roman<br />
gelesen oder zumindest gekauft haben.<br />
Suter hingegen setzt auf eine bewährte<br />
Methode: Die Lesereise. Er wendet sich<br />
damit an ein bereits interessiertes Publikum,<br />
welches durch die direkte Begegnung<br />
mit dem Autor seine Beziehung zu<br />
den Büchern verstärken will. Bei dieser<br />
Gelegenheit wird der neue Roman erstanden<br />
und am besten noch signiert. Nun beginnt<br />
die Mund-zu-Mund-Propaganda zu<br />
laufen, denn man will ja erzählen, wie gut<br />
das Buch des Autors ist, an dessen Lesung<br />
man war, wodurch die Bekannten wiederum<br />
zur Käuferschaft werden.<br />
Es mag gewiss weitere Gründe für den Erfolg<br />
geben – gönnen wir ihn der Autorin<br />
und dem Autor – ein gutes Marketing ist<br />
gewiss keine Schmälerung ihrer schriftstellerischen<br />
Leistung.<br />
Stefan Brader (W3c)<br />
15
KEnZEIchEn 03/08<br />
termine 2008<br />
Juli–Oktober<br />
Juli<br />
Fr. 4.7. Notenkonvent (Unterricht eingestellt)<br />
Mo. 7.–Fr. 11.7. Schriftliche Maturitätsprüfungen<br />
(Das Sekretariat bleibt jeweils am Nachmittag (Montag bis Mittwoch) geschlossen.)<br />
Do. 10.7. Abschlussfeier (Abschlussfeiern der Klassen H3a, H3b, I3a und der Berufsmaturanden IMS 15.30 Uhr)<br />
Mo. 14.7.–Fr. 15.8. Sommerferien<br />
AuGust<br />
Mo. 18.8. Schulbeginn nach den Sommerferien (1. Klassen Spezialprogramm)<br />
Mo. 25.–Fr. 29.8. Mündliche Maturitätsprüfungen<br />
Montag und Freitag Unterricht für alle nach Stundenplan<br />
Programm Dienstag bis Donnerstag:<br />
> 1. Klassen: Dienstag «Arbeitstechnik», Mittwoch «Erstklässlertag», Donnerstag frei<br />
> 2. Klassen: Dienstag «Soziale Beziehungen im Alltag», Mittwoch «Musischer Tag», Donnerstag frei<br />
> 3. Klassen: Dienstag «Sporttag», Mittwoch frei, Donnerstag «Schulreise»<br />
> 4. Klassen: Dienstag frei, Mittwoch «Studien- und Berufstag»,<br />
Donnerstag Kolloquien zur Maturitätsarbeit<br />
septemBer<br />
Do. 4.9. 16.00 Uhr Maturitätsfeier mit anschliessendem Abendprogramm<br />
Mo. 15.9. Knabenschiessen (Unterricht ab 12.25 Uhr eingestellt)<br />
Mi. 17.9. 07.50 Uhr Tag der offenen Tür IMS<br />
Mi. 24.–Fr. 26.9. 175 Jahre Mittelschule<br />
Mittwoch, 13.15 bis ca. 22.00 Uhr «Spiegle deine Welt». Die KEN feiert das Jubiläum.<br />
Mittwoch bis Freitag: Bildungsmeile in der Stadt Zürich (Limmatquai und Bürkliplatz),<br />
11.00 bis 19.00 Uhr: Die Mittelschulfächer präsentieren sich und regen zum Mitmachen an.<br />
Bildungstram mit Unterrichtsstunden.<br />
Freitag ab 16.00 Uhr: Openair Konzert für Schüler/innen und Lehrer/innen mit Schulbands und<br />
einem Überraschungsgast<br />
Di. 30.9. Gesamtkonvent, Unterricht am Nachmittag eingestellt<br />
oktoBer<br />
Mo. 6.–Fr. 17.10. Herbstferien<br />
Mo. 20.10. Schulbeginn nach den Herbstferien<br />
Achtung: Termine können im Laufe des Semesters ändern. Massgebend ist der Terminkalender auf der KEN-Homepage: www.ken.ch<br />
Foto: Andreas Haag