Gerd-E. Famulla/ Universität Flensburg „Berufsorientierung im ...

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4 1. Problemdruck und Handlungsbedarf im Bereich der Berufsorientierung 1.1 Berufsorientierung in Deutschland: die große Vielfalt oder die große „Unübersichtlichkeit“? Seit den „Empfehlungen des Deutschen Ausschusses für das Erziehungsund Bildungswesen zum Aufbau der Hauptschule“ im Jahre 1964 und dessen nachdrücklichem Vorschlag zur Einführung der Arbeitslehre ist die „bildungswirksame Hinführung zur modernen Arbeitswelt“ als eine schulische Aufgabe erkannt und anerkannt. Seither drückt sich diese Anerkennung in einer stundenmäßigen Zuweisung in speziell dafür vorgesehenen Fächern, in der verpflichtenden Einführung von Schülerbetriebspraktika sowie in Vereinbarungen zwischen KMK und Bundesanstalt für Arbeit (1971) in einer gewissen Kontinuität der schulischen Berufswahlvorbereitung aus. Allerdings werden diese Aufgaben in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich wahrgenommen. Kontroversen bestehen vor allem darüber, in welcher Form und ab welchem Schuljahr diese Aufgabe in den verschiedenen Schulformen von der Elementarbildung bis zum Gymnasium zu organisieren sei und ob die Arbeits- und Berufsorientierung als ein selbstständiges Schulfach, als Kombinationsfach oder auch als allgemeines Unterrichtsprinzip praktiziert werden soll. Je nach Bundesland erwerben die Jugendlichen auch sehr unterschiedliche Kompetenzen beim Übergang an der „ersten Schwelle“. Die Kultusministerkonferenz hat den vier Gegenstandsbereichen der Arbeits- und Berufsorientierung „Technik, Wirtschaft, Haushalt und Beruf“ bislang keine weiterführenden Impulse („Empfehlungen“) zur Konsolidierung und Vereinheitlichung als Schulfach an allen allgemeinbildenden Schulen zu geben vermocht, was ich persönlich sehr bedauere. Es wurden statt dessen die Ergebnisse einer ursprünglich für die Erarbeitung von „Empfehlungen“ eingesetzten Kommission als unverbindliche „Materialien“ veröffentlicht (vgl. KMK 1988). Immerhin wurde hier aber „Arbeit“ als zentrale didaktische Kategorie ausgewiesen und den Ländern die Ausgestaltung dieses Lernsegments überantwortet. Alles in allem scheint es, als ob es eines neuerlichen entscheidenden Anstoßes zur Erreichung eines bildungspolitischen Konsenses im Bereich arbeitsund berufsorientierter Bildung bedarf, um die weithin geforderte Aufwertung und Konsolidierung dieses Aufgabenbereichs in den allgemeinbildenden Schulen herbeizuführen. Jedenfalls klaffen die Ansprüche an Schule hinsichtlich einer besseren Arbeits- und Berufsvorbereitung der Jugendlichen und der bestehenden schulischen Voraussetzungen bezüglich fachbezogener und

5 fachübergreifender Verantwortung, Rahmenlehrplan, Stundentafel und Lehrerausbildung zur Erfüllung dieser Aufgabe noch immer weit auseinander (vgl. die noch immer aktuellen und detaillierten Untersuchungsergebnisse von Ziefuss/ Hendricks/ Reuel 1984; zur Lehrerausbildung und den Kategorien Arbeit und Ökonomie vgl. Famulla 1996). 1.2 Bildungspolitisch Verantwortliche und Akteursgruppen sehen akuten Handlungsbedarf Von gewerkschaftlicher Seite werden eine intensivere Auseinandersetzung mit Bildung und Bildungszielen, ein Schritthalten mit den Entwicklungen in Arbeitswelt und Gesellschaft, verstärkt lebensnahes, anschauliches Lernen, projekt- und handlungsorientierter Unterricht und Freiräume für pädagogisches Arbeiten in der Berufsorientierungsphase gefordert (vgl. BMBF 1999, Minderheitsvotum Arbeitnehmer, S. 27). Von Seiten der Unternehmen wird besonders die Qualität der Schulbildung für Mängel in der Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen verantwortlich gemacht. Neben einer Verbesserung der Kenntnisse in Deutsch und Rechnen wird die Vermittlung von „Schlüsselqualifikationen“ (z.B. Teamfähigkeit) wie auch Zusatzqualifikationen (PC-Kenntnisse, Fremdsprachen) gefordert (vgl. iwd 1999, iwd 2000). Pädagogen mit integrativem Anspruch bei der Arbeits- und Berufsorientierung beklagen nicht nur die Vernachlässigung von Verbindungslinien zwischen den beteiligten Fächern im Schulcurriculum („die Wirklichkeit wird dem Fachprinzip geopfert“), sondern auch, dass die wachsende Stofffülle in eklatantem Widerspruch zu Vorgaben der Stundentafel steht. Versuche einzelner Fächer, ihren Stundenanteil auf Kosten anderer im Lernfeld zu erhöhen - das Beispiel Ökonomie und die Forderung des Deutschen Aktieninstituts nach „Ökonomie als Schulfach“ sind ja derzeit aktuell (vgl. zur näheren Einschätzung Famulla/Deeken 2001) - ständen einer gezielten Verbesserung der fachlichen und überfachlichen Aufgabenwahrnehmung sowie einer Konsolidierung des Lernbereichs in Verbindung mit einer höheren Stundenzahl für das gesamte Lernfeld entgegen (vgl. Reuel 1995, S. 88f). Nicht zuletzt zeigen die Studien über die Wünsche der Jugendlichen, dass diese sich ausgeprägt mit Problemen der Arbeit und der Berufswelt beschäftigen, gleich welchen Geschlechts und unabhängig von ihrer regionalen Herkunft in Ost oder West. Zugleich wurde festgestellt, dass sie Mängel in der schulischen Vorbereitung reklamieren. Auf die Frage danach, was für sie bei der Berufswahl wichtig sei, antworten sie: „Die Arbeit soll interessant sein und Spaß machen, die Arbeit soll Sicherheit bieten vor Arbeitslosigkeit und die

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fachübergreifender Verantwortung, Rahmenlehrplan, Stundentafel und Lehrerausbildung<br />

zur Erfüllung dieser Aufgabe noch <strong>im</strong>mer weit auseinander (vgl.<br />

die noch <strong>im</strong>mer aktuellen und detaillierten Untersuchungsergebnisse von Ziefuss/ Hendricks/<br />

Reuel 1984; zur Lehrerausbildung und den Kategorien Arbeit und Ökonomie vgl. <strong>Famulla</strong><br />

1996).<br />

1.2 Bildungspolitisch Verantwortliche und Akteursgruppen sehen akuten<br />

Handlungsbedarf<br />

Von gewerkschaftlicher Seite werden eine intensivere Auseinandersetzung<br />

mit Bildung und Bildungszielen, ein Schritthalten mit den Entwicklungen in<br />

Arbeitswelt und Gesellschaft, verstärkt lebensnahes, anschauliches Lernen,<br />

projekt- und handlungsorientierter Unterricht und Freiräume für pädagogisches<br />

Arbeiten in der Berufsorientierungsphase gefordert (vgl. BMBF 1999, Minderheitsvotum<br />

Arbeitnehmer, S. 27).<br />

Von Seiten der Unternehmen wird besonders die Qualität der Schulbildung<br />

für Mängel in der Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen verantwortlich<br />

gemacht. Neben einer Verbesserung der Kenntnisse in Deutsch und Rechnen<br />

wird die Vermittlung von „Schlüsselqualifikationen“ (z.B. Teamfähigkeit)<br />

wie auch Zusatzqualifikationen (PC-Kenntnisse, Fremdsprachen) gefordert<br />

(vgl. iwd 1999, iwd 2000).<br />

Pädagogen mit integrativem Anspruch bei der Arbeits- und Berufsorientierung<br />

beklagen nicht nur die Vernachlässigung von Verbindungslinien zwischen<br />

den beteiligten Fächern <strong>im</strong> Schulcurriculum („die Wirklichkeit wird dem<br />

Fachprinzip geopfert“), sondern auch, dass die wachsende Stofffülle in eklatantem<br />

Widerspruch zu Vorgaben der Stundentafel steht. Versuche einzelner<br />

Fächer, ihren Stundenanteil auf Kosten anderer <strong>im</strong> Lernfeld zu erhöhen - das<br />

Beispiel Ökonomie und die Forderung des Deutschen Aktieninstituts nach<br />

„Ökonomie als Schulfach“ sind ja derzeit aktuell (vgl. zur näheren Einschätzung<br />

<strong>Famulla</strong>/Deeken 2001) - ständen einer gezielten Verbesserung der<br />

fachlichen und überfachlichen Aufgabenwahrnehmung sowie einer Konsolidierung<br />

des Lernbereichs in Verbindung mit einer höheren Stundenzahl für<br />

das gesamte Lernfeld entgegen (vgl. Reuel 1995, S. 88f).<br />

Nicht zuletzt zeigen die Studien über die Wünsche der Jugendlichen, dass<br />

diese sich ausgeprägt mit Problemen der Arbeit und der Berufswelt beschäftigen,<br />

gleich welchen Geschlechts und unabhängig von ihrer regionalen Herkunft<br />

in Ost oder West. Zugleich wurde festgestellt, dass sie Mängel in der<br />

schulischen Vorbereitung reklamieren. Auf die Frage danach, was für sie bei<br />

der Berufswahl wichtig sei, antworten sie: „Die Arbeit soll interessant sein und<br />

Spaß machen, die Arbeit soll Sicherheit bieten vor Arbeitslosigkeit und die

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