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Neue Loisachbrücke in Eschenlohe verbindet Holz und Stahl in ...

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2<br />

BMW Welt München, die K<strong>und</strong>enlounge, das<br />

zentrale Element im statischen Gesamtsystem<br />

Von der Planung bis zur Realisierung<br />

Über die 4.000-Tonnen-Wolke, der außergewöhnlichen Dachkon<br />

struktion der BMW Welt, dem neuen Hightech- <strong>und</strong> Auslieferungs<br />

center für die Nobelkarossen von BMW, wurde schon<br />

des Öfteren berichtet.<br />

So wurde <strong>in</strong> der Juli-Ausgabe 2005 der Zeitschrift <strong>Stahl</strong>bau ausführlich<br />

über die schwebende <strong>Stahl</strong>konstruktion des Regeldaches<br />

<strong>und</strong> über den Doppelkegel referiert.<br />

Der nun folgende Artikel soll auf das Kernstück der wenigen aussteifenden<br />

Elemente, die zentrale K<strong>und</strong>enlounge, e<strong>in</strong>gehen.<br />

Wir er<strong>in</strong>nern, die r<strong>und</strong> 25.000 m 2 große, nahezu freitragende<br />

Dachkonstruktion der BMW Welt wird über 3 Kerne (Bild 1) ausgesteift:<br />

den Doppelkegel, als <strong>in</strong>tegraler Bestandteil der <strong>Stahl</strong>konstruktion,<br />

den Gastrokern, e<strong>in</strong>er vorgespannten <strong>Stahl</strong>betonkonstruktion<br />

<strong>und</strong> der K<strong>und</strong>enlounge, e<strong>in</strong>er räumlich tragenden<br />

<strong>Stahl</strong>skelett-Verb<strong>und</strong>konstruktion.<br />

Lounge<br />

Gastrokomplex<br />

Doppelkegel<br />

Bild 1: Gesamtübersicht BMW Welt<br />

1. Räumliche <strong>Stahl</strong>skelett-Verb<strong>und</strong>konstruktion<br />

Die Lounge ist nicht nur e<strong>in</strong> zentraler Kern, sondern e<strong>in</strong> für sich<br />

alle<strong>in</strong> überaus anspruchsvolles Bauteil. Die r<strong>und</strong> 80 x 35 m<br />

messende <strong>Stahl</strong>beton-Verb<strong>und</strong>konstruktion ist architektonisch<br />

geschickt <strong>in</strong> die Wolke <strong>in</strong>tegriert. Sie schwebt ebenfalls von den<br />

F<strong>in</strong>geraufl agern an den Aufzügen P5/P6 <strong>und</strong> P7 bis zu den beiden<br />

E<strong>in</strong>zelstützen auf der Nordseite. Der zentrale Treppenhausschacht<br />

dient als torsionssteifes Horizontalaufl ager. (Bild 2)<br />

E<strong>in</strong> freitragender Trägerrost aus <strong>Stahl</strong>fachwerkträgern mit säbelförmig<br />

gekrümmten Untergurten bildet die sogenannte Fischbauchebene<br />

E2. Die freigeformte Untersicht ist gleichzeitig der<br />

untere Abschluss der Wolke.<br />

Der Trägerrost hängt sich <strong>in</strong> die dachhohen Seitenfachwerke. Die<br />

Seitenfachwerke s<strong>in</strong>d durch die Betondeckenscheiben E2, E3 <strong>und</strong><br />

E4 (Dachebene) ausgesteift. Das Nordfachwerk ist im Gr<strong>und</strong>riss<br />

gekrümmt <strong>und</strong> vertikal unterbrochen.<br />

In der Deckenebene E3 verspr<strong>in</strong>gt das Fachwerk horizontal um<br />

ca. 3 m <strong>und</strong> kragt mit der Ebene 4 über die unteren Ebenen aus.<br />

Der so gebildete, auf der Nordseite gekrümmte <strong>und</strong> abgestufte<br />

„Schuhkarton“ stützt sich auf die beiden schrägen F<strong>in</strong>geraufl ager<br />

auf der Südseite <strong>und</strong> die beiden geneigten E<strong>in</strong>zelstützen auf der<br />

Nordseite. Der Scheibenanschluss der <strong>Stahl</strong>betondecken scheiben<br />

an den zentralen Treppenhauskern gibt die erforderliche horizontale<br />

Aussteifung.<br />

Bild 2: Lounge Tragwerk Modell<br />

Von Dipl.-Ing. Rüdiger Schidzig, SZG-Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g; Dipl.-Ing. Stefan Wagner (Projektleitung BMW Welt, Maurer Söhne GmbH & Co. KG)<br />

Dipl.-Ing.(FH) Jochen Peters; Dipl.-Ing.(FH) Harald Päßler (Peters Schüßler Sperr Ingenieurbüro für Bauwesen GmbH)<br />

Bild 2a, 2b: F<strong>in</strong>gerauflager P5/P7<br />

2. Herstellverfahren<br />

Die technische Herausforderung liegt <strong>in</strong> der Herstellung. Ke<strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>zelbauteil ist für sich alle<strong>in</strong>e standsicher. Die geneigten E<strong>in</strong>zelstützen<br />

<strong>und</strong> die schrägen seitlichen F<strong>in</strong>geraufl ager (Bild 2a,<br />

2b) an den Aufzügen können die Lasten während der Montage<br />

nicht aufnehmen. Durch die Schrägstellung von ca. 30° resultieren<br />

aus den Vertikallasten r<strong>und</strong> 8 MN horizontale Abtriebskräfte.<br />

Die Wirkungsl<strong>in</strong>ie der Abtriebskräfte hat e<strong>in</strong>en Hebelarm zum<br />

aussteifenden Treppenhauskern von 40 m <strong>und</strong> erzeugt damit<br />

Torsionsmomente von r<strong>und</strong> 320 MNm. Der Kraftschluss erfolgt<br />

durch die schubsteif ausgebildeten Scheiben der Betondecken.<br />

Auch die umlaufenden vertikalen Fachwerke s<strong>in</strong>d erst mit wirksamer<br />

Scheibensteifi gkeit der Dachdecke (E4) tragfähig. Das<br />

gekrümmte <strong>und</strong> abgestufte Seitenfachwerk auf der Nordseite<br />

kann se<strong>in</strong>e Tragfähigkeit erst im Verb<strong>und</strong> mit den Deckenscheiben<br />

entwickeln. Die <strong>in</strong>sgesamt auftretenden Scheibenbeanspruchungen<br />

lassen die Deckenlasten aus Eigengewicht, Ausbau <strong>und</strong><br />

Nutzlast <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> treten.<br />

Neben lotrechten Verformungen s<strong>in</strong>d Horizontal- <strong>und</strong> Rotationsbewegungen<br />

<strong>in</strong> gleicher Größenordnung zu beherrschen.<br />

Das Montagekonzept <strong>und</strong> die unterschiedlichen Bauzustände<br />

wurden wegen der komplexen Struktur bemessungsrelevant für<br />

die komplette Konstruktion.<br />

Nochmals erschwert wurde die Herstellung durch die baubetriebliche<br />

Vorgabe, <strong>in</strong> den Untergeschossen ungeh<strong>in</strong>dert den Ausbau<br />

beg<strong>in</strong>nen zu wollen. E<strong>in</strong> Durchstützen der Lounge bis zur tragfähigen<br />

Herstellung schied dadurch aus.<br />

Dennoch wurde die Montage auf Rüsttürmen vorgesehen. Die<br />

Rüsttürme standen ohne Durchsteifungen auf der Kellerdecke,<br />

Decke über U0, <strong>und</strong> durften nur so viel Lasten abtragen, wie von<br />

der Kellerdecke aufgenommen werden konnten. (Bild 3)<br />

Bild 3: Rüstturmkonzept – Ablastung auf Decke über U0 ohne Durchsteifung, Rüstturmauslegung<br />

Das Rüstschema hat bis zu se<strong>in</strong>er endgültig ausgeführten Aufstellung<br />

e<strong>in</strong>e Vielzahl von Varianten durchlaufen. In iterativen<br />

Schritten wurden Rüstturmstellungen so lange verschoben <strong>und</strong><br />

die Lastermittlungen jeweils aus dem Tragwerk heraus <strong>in</strong> enger<br />

Abstimmung mit dem Massivbauplaner abgeglichen, bis die<br />

Deckenbelastungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em verträglichen Maß waren.<br />

Auf den Rüsttürmen wurde der Trägerrost der Fischbauchebene<br />

montiert. Die Fischbauchträger durften dabei am Treppenhauskern<br />

nur gelenkig aufgelegt werden um ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>spannung zu<br />

erzeugen.<br />

Im zweiten Schritt wurden die Seitenfachwerke bis zur Ebene E3<br />

<strong>und</strong> das <strong>Stahl</strong>skelett der Verb<strong>und</strong>träger dieser Decke E3 aufgestellt<br />

<strong>und</strong> durch <strong>Stahl</strong>verbände horizontal ausgesteift.<br />

Erst dann durfte die Betondecke auf der Fischbauchebene betoniert<br />

werden. Die Betondecke selber ist als Holoribblechverb<strong>und</strong>decke<br />

ausgeführt. Der hohe Bewehrungsgrad dient hauptsächlich<br />

der Scheibenbeanspruchung.<br />

Die Rüsttürme s<strong>in</strong>d durch diese Lasten nahezu ausgelastet.<br />

Um e<strong>in</strong> Durchstanzen durch die Kellerdecke zu vermeiden, übernimmt<br />

nun die Decke auf der Fischbauchebene bereits die horizontale<br />

Aussteifung <strong>und</strong> Abtragung der W<strong>in</strong>dlasten.<br />

Hierdurch war es möglich, das <strong>Stahl</strong>skelett bis e<strong>in</strong>schließlich<br />

Dachdecke zu komplettieren. Die Betondecken E3 <strong>und</strong> E4 konnten<br />

jedoch <strong>in</strong> diesem Bauzustand noch nicht komplett hergestellt<br />

werden. Hier wurden nur die <strong>Stahl</strong>verb<strong>und</strong>träger <strong>und</strong> Horizontalverbände<br />

montiert. Das Betongewicht hätte die Durchstanzlast<br />

der Rüsttürme auf der Decke über U0 überschritten.<br />

3. Umlasten I – planmäßiger Systemwechsel (vertikal)<br />

E<strong>in</strong> Systemwechsel auf die endgültigen Aufl ager sollte Abhilfe<br />

schaffen. Die endgültigen Aufl ager waren jedoch erst bei vollständig<br />

wirksamem Gesamtsystem tragfähig. Insbesondere die<br />

schrägen Aufl agerfi nger mussten daher unterstützt werden um<br />

nicht abzuknicken. Hier kamen massive <strong>Stahl</strong>stützen zum E<strong>in</strong>satz,<br />

die über e<strong>in</strong> vorher im Premiereteller e<strong>in</strong>betoniertes Zugband<br />

zusammen e<strong>in</strong> stabiles Dreieck bildeten <strong>und</strong> auf Wandscheiben<br />

<strong>in</strong> den Untergeschossen abgestützt wurden.<br />

Ebenso wurde die Scheibentragwirkung der Deckenscheiben E3<br />

<strong>und</strong> E4 durch <strong>Stahl</strong>verbände ersetzt.<br />

Um die Verformungen aus dem Absenkprozess des halb fertigen<br />

Systems von den Rüsttürmen kle<strong>in</strong> zu halten, wurden die Verbände<br />

<strong>in</strong> Ebene E4 (Dachebene) planmäßig vorgespannt <strong>und</strong> an<br />

den Treppenhauskern mit Vorspannung angeschlossen <strong>und</strong> auch<br />

die Gelenkaufl agerung der Fischbauchträger am Treppenkern <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>spannung überführt.<br />

Nun konnten der Ablastvorgang von den Rüsttürmen <strong>und</strong> der<br />

erste Systemwechsel beg<strong>in</strong>nen. (Bild 4)<br />

Bild 4: Rüstturmkonzept – Umlasten, schrittweises Entfernen von Rüstturmgruppen<br />

Die Rüsttürme waren bereits mit Pressenstühlen vorgerüstet. Die<br />

Ablastreihenfolge wurde so gewählt, dass ke<strong>in</strong>e Lastumlagerungen<br />

auf die verbleibenden Rüsttürme zu Überlastungen führten.<br />

Zuerst wurde daher der über die Aufl ager P5/P6 <strong>und</strong> Stütze<br />

LoS1 westlich auskragende Teil entlastet. Hierbei waren die Pressen<br />

von drei Rüsttürmen gleichzeitig zu steuern.<br />

Als Zweites wurden die Rüsttürme beidseitig der Achse D-D am<br />

starr unterstützten F<strong>in</strong>geraufl ager P7 <strong>und</strong> der Stütze LoS2 entlastet.<br />

Danach analog der östlich auskragende Teil. Durch die nun<br />

frei auskragenden Ost- <strong>und</strong> Westfl ügel waren die <strong>in</strong>neren Rüsttürme<br />

bereits teilentlastet. Es wurden zuerst die Türme auf der<br />

Nordseite spannungsfrei gestellt <strong>und</strong> zum Schluss die Südseite<br />

freigesetzt.<br />

Bis zu 4 Pressen wurden dabei gleichzeitig <strong>und</strong> synchron bedient.<br />

Für jede Presse wurden die Kraft- <strong>und</strong> Wegmessungen mit vorher<br />

berechneten Daten abgeglichen. (Bild 5, 5a)<br />

Nach erfolgreichem Systemwechsel wurden die Rüsttürme ausgebaut<br />

<strong>und</strong> das Betonieren der Decke E3 vorbereitet. Ordentliches<br />

Heizen, angewärmte Zuschlagsstoffe <strong>und</strong> die richtige Zementwahl<br />

machten das Betonieren auch bei niedrigen Temperaturen<br />

bis unter m<strong>in</strong>us 10°C möglich. Das E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen des Betons wurde<br />

zeitlich genau so e<strong>in</strong>getaktet, dass der beg<strong>in</strong>nende Hydratationsprozess<br />

genügend Eigenwärme entwickelte um den frischen<br />

Beton auch während der tiefen Nachttemperaturen ausreichend<br />

warm zu halten. Die Betontemperaturen wurden über Messsonden<br />

sowohl an der Ober- wie auch an der Unterseite ständig kontrolliert<br />

<strong>und</strong> aufgezeichnet. (Bild 6)<br />

Die Decke über E4 (Dachdecke) wurde als unterstützungsfreie<br />

Filigrandecke ausgeführt.<br />

Durch die vielen vorgespanntenVerbandsauskreuzungen<br />

wäre<br />

jede Zwischenunterstützung<br />

sehr aufwändig<br />

geworden.<br />

Bild 6: W<strong>in</strong>terbau - Maßnahmen zum Betonieren

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