information as PDF download [655 KB] - Knippers Helbig
information as PDF download [655 KB] - Knippers Helbig
information as PDF download [655 KB] - Knippers Helbig
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Computer generierte Evolution<br />
Beim zweitplatzierten Entwurf des<br />
Teams rund um soma Architekten und<br />
Bollinger Grohmann Schneider stand<br />
die Natur Pate: Die Füße, auf denen der<br />
330 Meter hohe Aussichtsturm steht,<br />
sowie die Verbindungen dazwischen<br />
bestehen aus einzelnen, zu Bündeln<br />
zusammengef<strong>as</strong>sten Röhren, analog zu<br />
der Struktur von Pflanzenf<strong>as</strong>ern.<br />
Machbarkeit<br />
neu definieren<br />
Die taiwanesische Millionenstadt Taichung will mit<br />
dem Taiwan Tower 73835 ein Zeichen setzen.<br />
Texte von Markus Münch-Pauli<br />
„Zeig mir d<strong>as</strong> Gebäude des nächsten Jahrhunderts!“ – so<br />
f<strong>as</strong>ste ein Mitbewerber die ambitionierte Ausschreibung<br />
für den Taiwan Tower in einem Satz zusammen. Auf dem<br />
Gelände eines stillgelegten Flughafens in Taichung soll<br />
nicht nur ein Eyecatcher entstehen, es soll ein Bauwerk<br />
werden, d<strong>as</strong> Architektur und Ingenieurkunst neu definiert.<br />
Entsprechend offen war der Wettbewerb angelegt:<br />
Grundfläche, Bauhöhe und Budget waren f<strong>as</strong>t die einzigen<br />
starren Grenzen, in allen anderen Bereichen war<br />
schlichtweg Höchstleistung gefordert. Die bestplatzierten<br />
Entwürfe zeigen auf den ersten Blick, d<strong>as</strong>s die Wettbewerbsteilnehmer<br />
sich für diesen Auftrag begeistern konnten.<br />
Schaut man etw<strong>as</strong> genauer hin, wird außerdem klar:<br />
Nur eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit führt zu<br />
solchen Meilensteinen der Baukunst.<br />
competition | Ausgabe 1 | April 2012 | 49
Wettbewerbe und Ergebnisse<br />
Bild rechts und S. 51 links: Der Gewinnerentwurf von Sou Fujimoto Architects,<br />
die „21st Century O<strong>as</strong>is“, ist ein halboffenes, scheinbar schwebendes Geflecht<br />
aus Stahlrohren, d<strong>as</strong> dem taiwanesischen Banyan Baum nachempfunden ist.<br />
Gespräch<br />
„Alle müssen ihr Bestes geben!“<br />
Die Ingenieure Florian Scheible von <strong>Knippers</strong> <strong>Helbig</strong> 13899 , Arne Hofmann von Bollinger Grohmann Schneider 14417 sowie<br />
der Architekt Stefan Rutzinger von soma Architekten 22159 gehören zum Team, d<strong>as</strong> im Wettbewerb für den Taiwan Tower<br />
den zweiten Platz belegte. Sie sprechen über die Herausforderungen des Projekts und die Bedeutung von interdisziplinären<br />
Wettbewerben.<br />
W<strong>as</strong> hat Sie am Wettbewerb zum Taiwan Tower gereizt?<br />
Rutzinger: So ein vertikales „landmarkbuilding“ hatten wir<br />
noch nicht im Portfolio, es hat uns aber schon lange interessiert,<br />
wie sich unsere parametrischen Entwurfsmethoden für<br />
ein vertikales Gebäude einsetzen l<strong>as</strong>sen. Außerdem war die<br />
Aufgabenstellung komplex: Es sollte nicht nur ein 330 Meter<br />
hoher Aussichtsturm, sondern es mussten auch ein Museum<br />
mit 12.000 Quadratmetern und eine über vier Hektar große<br />
Parklandschaft entwickelt werden.<br />
Scheible: Bei diesem Projekt ging es um Visionen. Gefordert<br />
war ein sehr plakativ informatives Bauwerk, d<strong>as</strong> zeigt, w<strong>as</strong> man<br />
im innovativen nachhaltigen Bereich des Bauens leisten kann.<br />
Die Architekten von soma haben d<strong>as</strong> auch so aufgef<strong>as</strong>st und<br />
Einzel<strong>as</strong>pekte auf die Spitze getrieben. Der Grundgedanke war:<br />
Wir wollen alles an der Grenze der möglichen Technologie<br />
betrachten, also selbst den nächsten Schritt als Erste wagen.<br />
Daher war auch schnell klar, d<strong>as</strong>s wir Fachplaner einen großen<br />
Beitrag leisten müssen.<br />
Hofmann: Der Taiwan Tower ist ein sehr gutes Beispiel für einen<br />
interdisziplinären Wettbewerb. Die Geometrie-Entwicklung<br />
ist in sehr enger Zusammenarbeit erfolgt. Da gab es nie eine<br />
scharfe Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche, in der auf der<br />
einen Seite ein Architekt etw<strong>as</strong> b<strong>as</strong>telt und der Tragwerksplaner<br />
dann schauen muss, ob d<strong>as</strong> auch funktioniert. D<strong>as</strong> war wirklich<br />
ein integrativer Prozess.<br />
D<strong>as</strong> heißt, d<strong>as</strong> interdisziplinäre Team stand schon recht früh?<br />
Rutzinger: Als die ersten Studien und die architektonische<br />
Idee vorlagen, haben wir unser Fachplaner-Team zusammengestellt:<br />
Bollinger Grohmann Schneider als Tragwerksplaner<br />
und Transsolar 18564 für nachhaltiges Design bildeten schon<br />
von Beginn der ersten Ph<strong>as</strong>e an den Kern des Teams. In der<br />
zweiten Ph<strong>as</strong>e kamen dann auch <strong>Knippers</strong> <strong>Helbig</strong> für die kinematischen<br />
Bauteile sowie ag Licht 12886 , realgrün 10473 ,<br />
Emmer Pfenninger 32602 und Jappsen 25852 dazu. Neben den<br />
europäischen Ingenieuren gab es auch noch eine ganze Reihe<br />
von taiwanesischen Spezialisten.<br />
50 | competition | Ausgabe 1 | April 2012<br />
Hofmann: D<strong>as</strong> besondere an unserem Wettbewerbsbeitrag ist<br />
ja, d<strong>as</strong>s die gesamte Struktur des Turms mit evolutionären Methoden<br />
im Computer generiert und optimiert wurde und so ein<br />
unregelmäßiges und trotzdem hocheffizientes Tragwerk entsteht.<br />
Nicht nur die Füße, auf denen der Tower steht, sondern<br />
auch die Verbindungen dazwischen bestehen aus einzelnen,<br />
zu Bündeln zusammengef<strong>as</strong>sten Röhren, analog zu der Struktur<br />
von Pflanzenf<strong>as</strong>ern. D<strong>as</strong> ist ein einzigartiges Prinzip, d<strong>as</strong> bislang<br />
noch nirgendwo eingesetzt wurde.<br />
Läuft es denn reibungslos, wenn von Anfang an verschiedene<br />
Disziplinen mitmischen?<br />
Rutzinger: Dem Architekten fällt hier eine Doppelrolle zu: zum<br />
einen die des kreativen Vordenkers und zum anderen die Führung<br />
eines internationalen Planerteams, in dem auch immer<br />
wieder pragmatische Entscheidungen gefällt werden müssen.<br />
Es ist gut, d<strong>as</strong>s hier jeder seine Kernkompetenzen hat. An den<br />
Schnittstellen wird es dann besonders spannend, denn hier<br />
werden die Konzepte für Innovationen verhandelt!<br />
Hofmann: Da steckt ja auch seitens der Ingenieure eine große<br />
kreative Leistung drin. Es geht darum, den gemeinsam initiierten<br />
Prozess zu steuern. Und natürlich muss man d<strong>as</strong> sinnvoll<br />
machen, damit nicht ein unsinniges Computerprodukt herauskommt,<br />
sondern etw<strong>as</strong>, d<strong>as</strong> der Intention der Architekten<br />
entspricht.<br />
Die gemeinsame Linie ist sicherlich dennoch wichtig.<br />
Rutzinger: Ja, da ist unsere Arbeit mit Bollinger Grohmann<br />
Schneider ein gutes Beispiel. Sie sind genau wie wir an Forschung<br />
in ihrer Disziplin interessiert und immer auf der Suche<br />
nach Möglichkeiten diese auszutesten. In einem Fall wie dem<br />
Taiwan Tower sind alle bereit, viel Energie in ein Projekt fließen<br />
zu l<strong>as</strong>sen – egal ob es sich sofort rechnet.<br />
Hofmann: Es gibt Architekten, die nicht so eine starke Affinität<br />
zu computergestütztem Entwerfen und algorithmisch generierten<br />
Tragsystemen haben. Aber die Architekten von soma<br />
verstehen, wie d<strong>as</strong> funktioniert. Für den Taiwan Tower war
14417<br />
D<strong>as</strong> Büro<br />
Bollinger Grohmann<br />
Schneider, Wien<br />
Partner: Klaus Bollinger, Arne Hofmann, Reinhard Schneider<br />
Umsatz: Ca. 2 Millionen Euro<br />
Spezialisierung: We do everything!<br />
73835<br />
Der Wettbewerb<br />
Taiwan Tower in Taichung City,<br />
Taiwan<br />
Wettbewerbe und Ergebnisse<br />
Gebäudetyp: Wohn- und Geschäftstürme, Hochhäuser<br />
Programmfläche: 3.000 m2<br />
Auslober/Bauherr: Taichung City Government (TCG)<br />
Architekten: Sou Fujimoto Architects (JP) 16301 ,<br />
FEI & CHENG ASSOCIATES (TW) 24814<br />
Tragwerksplaner: Ove Arup Japan Pty. Ltd. (JP) 28931<br />
Lichtplaner: Sirius Lighting Office (JP) 37648<br />
Landschaftsarchitekten: dA VISION Design (JP) 37649<br />
Verfahren: Offener Wettbewerb (zweistufig)<br />
Preisgelder: 50.000 US-Dollar pro Teilnehmer der 2. Stufe<br />
Zeitraum Wettbewerb: Mai bis November 2011<br />
Website: www.twtower.com.tw<br />
Vorbilder: Die Natur<br />
Größter Erfolg: Der Bau des Vienna DC Towers 45036<br />
Bitterste Niederlage: Taiwan Tower<br />
Bild oben: Der dritte Preis ging an d<strong>as</strong> Team um den<br />
rumänischen Architekten Dorin Stefan. Er imitiert<br />
einen in die Höhe schießenden, aufblühenden<br />
Pflanzenspross.<br />
competition | Ausgabe 1 | April 2012 | 51
Wettbewerbe und Ergebnisse<br />
d<strong>as</strong> essenziell, denn da musste man in Sachen Forschung und<br />
Technik ganz vorne mit dabei sein.<br />
Um welche Summen geht es in Ihren Büros bei der Beteiligung<br />
an einem Wettbewerb?<br />
Rutzinger: Beim Taiwan Tower waren es zwei Ph<strong>as</strong>en, wir haben<br />
Flugkosten gehabt, mussten Modelle bauen – da sind gut<br />
40.000 Euro zusammengekommen. Und da ist die Arbeitskraft<br />
von Praktikanten noch nicht mit eingerechnet.<br />
Scheible: Einen Durchschnittswert für Wettbewerbe gibt es<br />
nicht, d<strong>as</strong> geht bei einer einfachen Beratung mit einigen Skizzen<br />
los und liegt bei einer umfangreichen Ausarbeitung dann<br />
schnell im zweistelligen Tausenderbereich.<br />
Lohnt sich diese Investition denn?<br />
Rutzinger: Es lohnt sich, wenn wir gewinnen! Dann haben wir<br />
ein Projekt, d<strong>as</strong> wir gemeinsam umsetzen können. Und bis jetzt<br />
ist es uns immer gelungen, d<strong>as</strong> Wettbewerbsteam im Falle einer<br />
Realisierung zu beauftragen.<br />
Scheible: Im Erfolgsfall bekommt der Architekt häufig eine höhere<br />
Gewichtung bei der Auswahl und hat damit gute Chancen,<br />
den Auftrag zu erhalten. D<strong>as</strong> gilt nicht immer auch für die<br />
Fachdisziplinen. Dabei leisten die im Team oft einen Beitrag,<br />
den man nicht einfach aus der Gesamtleistung herausrechnen<br />
sollte.<br />
13899<br />
D<strong>as</strong> Büro<br />
<strong>Knippers</strong> <strong>Helbig</strong>,<br />
Stuttgart / New York<br />
Partner: Prof. Jan <strong>Knippers</strong>, Thorsten <strong>Helbig</strong><br />
Umsatz: 2,5 Millionen Euro<br />
Spezialisierung: Tragkonstruktion, F<strong>as</strong>sadenberatung<br />
Philosophie: D<strong>as</strong> Komplexe einfach machen.<br />
Stärken: Wir wollen in jedem Projekt d<strong>as</strong> Rad neu erfinden.<br />
Schwächen: Wir wollen in jedem Projekt d<strong>as</strong> Rad neu erfinden.<br />
Größter Erfolg: Wettbewerbsgewinn und erfolgreiche Realisierung<br />
des Flughafens Shenzhen, China 47758 , mit M<strong>as</strong>similiano<br />
and Doriana Fuks<strong>as</strong> Architects 11317 .<br />
Bitterste Niederlage: Zweiter Preis beim Wettbewerb zum<br />
Anbau des Flughafens Frankfurt / Main, Terminal 3 1730 mit<br />
Foster and Partners 10227 .<br />
52 | competition | Ausgabe 1 | April 2012<br />
Sollte ein Wettbewerb von Anfang an interdisziplinär angelegt<br />
sein?<br />
Rutzinger: D<strong>as</strong> lässt sich nicht generell beantworten und kommt<br />
ganz auf den Wettbewerb an. Ich plädiere für die Eigenverantwortung<br />
des Architekten. Entwürfe und Ideen werden grundsätzlich<br />
nicht besser, nur weil ein großes Konsulenten-Team<br />
beteiligt ist. Wir freuen uns aber immer, wenn wir erfolgreich<br />
mit Ingenieuren zusammenarbeiten können. Wenn der Ingenieur<br />
durch die gemeinsame Arbeit an Prestige gewinnt, fällt<br />
d<strong>as</strong> ja auch auf uns zurück. Und umgekehrt!<br />
Scheible: Alle Auslober wollen, d<strong>as</strong>s auch die Fachdisziplinen<br />
ihr Bestes geben. Sie müssen ohnehin einen immer größeren<br />
Beitrag leisten, weil Gebäude immer komplexer werden. Architektur,<br />
Klimatechnik und Tragwerksplanung – d<strong>as</strong> alles greift<br />
eng und untrennbar ineinander.<br />
Und dennoch: Als Erste werden immer die Architekten genannt.<br />
Kommen die Ingenieure zu kurz?<br />
Hofmann: In unserem Selbstverständnis steht die Zusammenarbeit<br />
mit Architekten im Vordergrund. Gerade bei dem Wettbewerb<br />
Taiwan Tower, der natürlich als Turm sehr ingenieurl<strong>as</strong>tig<br />
ist, kam die initiale Idee von den Architekten. D<strong>as</strong> kann<br />
natürlich nur funktionieren, wenn bei den Architekten ein<br />
großes Verständnis für Tragwerke und von den Möglichkeiten,<br />
die wir im Tragwerksentwurf bieten können, vorhanden ist.<br />
Dementsprechend haben wir nicht d<strong>as</strong> Gefühl zu kurz zu<br />
kommen.<br />
Scheible: Grundsätzlich müssen wir uns aber eines klar machen:<br />
Deutschland ist d<strong>as</strong> Land der Ingenieure. D<strong>as</strong> hochentwickelte<br />
integrative Bauen ist eine besondere kreative, interdisziplinäre<br />
Teamleistung. Daher wäre es wünschenswert, d<strong>as</strong>s<br />
Wettbewerbsbeiträge auch stärker als Teamleistung gesehen<br />
und honoriert werden.<br />
Weitere Ingenieur-Wettbewerbe auf<br />
competitionline.com<br />
85298 Würzburg (DE), 02/2012<br />
CAMPUSBRÜCKE – Verbindung des Universitätscampus<br />
Hubland Süd und Hubland Nord<br />
1. Preis: Kolb Ripke Architekten, DR. SCHUETZ INGENI-<br />
EURE, POLA<br />
55455 Lausanne (CH), 02/2012<br />
Metamorphosis – Près de Vidy<br />
1. Preis: gmp Architekten - von Gerkan, Marg und Partner,<br />
Jean-Baptiste Ferrari SA, Hager Partner AG<br />
60242 München (DE), 06/2011<br />
Entwurf einer Straßenbrücke nach ganzheitlichen<br />
Wertungskriterien<br />
1. Preis: INGENIEURGRUPPE BAUEN, GJL Architekten<br />
Grube Jakel Löffler<br />
65207 Hannover (DE), 06/2011<br />
Zentraler Omnibusbahnhof ZOB Hannover<br />
1. Preis: Werner Sobek<br />
Randnotizen<br />
Aufwand für den Wettbewerb: Ca.500 Stunden<br />
Der Soundtrack des Wettbewerbs: Pixies – Alec Eiffel<br />
Spruch: L<strong>as</strong>st mich doch erst mal rechnen!<br />
Held: Dieter Hauer (weil er die Idee mit den Bündeln hatte)<br />
Panne: Der 2. Platz<br />
Der Tag danach: Entspannen in Taipei