Dirigentin / Dirigent - Schweizer Blasmusikverband

Dirigentin / Dirigent - Schweizer Blasmusikverband Dirigentin / Dirigent - Schweizer Blasmusikverband

10.01.2013 Aufrufe

26 Thomas Ludescher, Sie sind studierter Trompeter. Louis Armstrong sagte von sich selber, dass er ohne die Trompete sein Leben im Gefängnis verbracht hätte. Hat Ihr Leben der Dirigentenstab gerettet? Ich war Gott sei Dank nie in Lebensnot! Mir bedeutet Musik sehr viel. In meiner Kindheits- und Jugendzeit hat sie mir oft über schwierige Zeiten geholfen. Mein Leben will ich aber nicht ausschliesslich dem Dirigieren verschreiben. Es gibt viele interessante Bereiche in der Sparte Musik: Komponieren, Instrumentieren, Unterrichten, Musik hören, Analysieren, Musik als Schwingungen erforschen … Meisterschüler, Magister artium, Professor, Landeskapellmeister … Spannend, interessant, abwechslungsreich; ich möchte nichts missen. Österreich ist das Mutterland allergrösster Komponisten. Wie steht es mit zeitgenössischen Tonschöpfern sinfonischer Blasmusik von Weltruf? Wenn ich ehrlich bin: Nicht gut! Ich frage mich schon längere Zeit, warum sich in einem Land wie Österreich mit dieser einzigartigen Musiktradition der sinfonische Bereich nicht auf die Blasorchesterszene übertragen hat. Welche Komponisten haben Ihnen persönlich auf den Leib geschrieben? Sehr viele. Zu den Favoriten zählen Richard Strauss, Bruckner, Mahler, Schostakowitsch, Bach und Albinoni. Das hängt ganz von meiner momentanen Gefühlslage ab. Mit dem Sinfonischen Blasorchester Vorarlberg (SBV) – etwas vom Feinsten im alemannischen Raum – haben Sie kürzlich an den Weltmeisterschaften in der allerhöchsten Klasse die Bronze-Medaille geholt … Eine unserer grossen Visionen bei der Gründung des Orchesters im Jahre 1997 war das Konkurrieren in der Konzertabteilung des World Music Contest WMC. Nicht einmal zehn Jahre später – nach den Teilnahmen 2001 und 2005 – ist dieser Traum in Kerkrade, Holland, in Erfüllung gegangen: Wir Maestro Nr. 3/2006 Gefragte Musiker – kurz befragt Thomas Ludescher, Bürs (A), Dirigent haben den sensationellen dritten Schlussrang in dieser Königsklasse erreicht. Ist es ausschliesslich Ihnen zu verdanken, dass die sinfonischen Blasorchestersamen ausgerechnet in Vorarlberg auf fruchtbaren Boden gefallen sind? Ich hatte das Glück, durch das Studium in Augsburg eine «andere» Blasorchesterwelt erfahren und «lernen» zu dürfen. Zudem ist der Vorarlberger Blasmusikverband ein kleiner Verband und daher sehr flexibel, was von Vorteil ist. Darüber hinaus bin ich in der vorteilhaften Lage, mit einem tollen, gleich denkenden Team zusammenarbeiten zu können. Wie gross ist Ihr dortiger Mitarbeiterstab? Es gibt ein geschäftsführendes Präsidium von sieben Personen. Die Musikkommission besteht aus sechs Bezirkskapellmeistern mit ihren Stellvertretern sowie zwei Landeskapellmeisterstellvertretern. Welch ein Wort! – Wie sieht der kommende Vierjahresplan «Ihres» SBV aus? Ich warte, bis ich zeitlichen Spielraum bekomme, um das Konzept niederschreiben zu können. Im Kopf sind viele Gedanken, Ideen und Ziele. Neugierig? Ja, natürlich! Momentan läuft die Planung von Konzerttourneen in Australien und im asiatischen Raum sowie die Produktion einer einzigartigen DVD. Als grosses Ziel steht der WMC im Jahr 2009 fest. Wovon träumen Sie zu Beginn des dritten Jahrtausends? Von der künstlerischen Akzeptanz der Blasorchesterszene mit all ihren Bereichen gegenüber den anderen, bereits anerkannten Musizierformen. Wie bemessen Sie die musikalischen, menschlichen, künstlerischen, gesellschaftlichen und erzieherischen Werte? Musikerziehung ist für mich die Erziehung der ganzen Persönlichkeit eines Menschen und reicht deshalb weit über das «nur» Musizieren hinaus. Ich wünsche mir, dass man die Wirkung von Musik endlich erkennt und dementsprechend fördert. Ebendieses aktive Musizieren, beispielsweise in unseren Schulsystemen, verschwindet immer mehr. Das wird in den nächsten Jahren noch seine negative Wirkung zeigen. Erste Anzeichen sind schon deutlich sichtbar. Was sollten Ihre Instrumentalisten zur musikalischen Weiterbildung ausserhalb ihrer gemeinsamen Auftritte Ausserordentliches tun? Dirigentisch denken! Sie unterrichten angehende Maestri auf allen Stufen. Wie viele Hochschulstudenten – sowohl in Augsburg/Nürnberg als auch in Feldkirch – geben die Ausbildung vorzeitig auf? Das dürfte in etwa knapp ein Fünftel sein, also weit weniger als in anderen Studienrichtungen. Dies werte ich positiv. Trotzdem, es gibt viel zu tun: Auf uns wartet ein goldenes Blasorchester-Zeitalter! Wie meinen Sie das? Betrachtet man die arbeitstechnische Seite der Dirigentenbranche, so beginnt im mitteleuropäischen Raum erst ein Berufsprofil zu wachsen. Zum einen wird der Dirigentenjob immer mehr Mangelware, zum andern kommt ein unglaublicher Druck (Ausbildung der Jugend, Erwartungshaltung der Vereine und steigender Perfektionismus…) auf die Blasorchesterszene zu. Die Dirigenten müssen in jeder Hinsicht, vor allem aber fachlich und psychologisch, über dem Orchester stehen. Wenn einige Musiker mehr wissen als der «Chef», kann das auf lange Sicht nicht gut gehen. Hier sind Ausbildungsstrukturen gefordert, die bis jetzt nur vereinzelt bestehen. Wie sah es in Ihrer Laufbahn mit finanzieller Unterstützung von Seiten des Staates aus? Ich bin in ländlichen Verhältnissen auf einem Bauernhof aufgewachsen und habe zunächst einen handwerklichen Beruf erlernt. Arbeiten, nein, «die Sache selbst erarbeiten» war Grundlage meiner Erziehung nach dem Motto «Fordern statt verwöhnen». All dies hat meine bisherige Laufbahn stark geprägt. Während meiner ganzen Ausbildungszeit unterrichtete beziehungsweise arbeitete ich und finanzierte so alles selber. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass ich, wenn ich meine nebenberufliche Tätigkeit an den Nagel gehängt, einige Vorteile vom Staat gehabt hätte. Manch einer würde sagen: «Selber schuld!» Ich hingegen bin stolz darauf. Dieses Kämpfen um etwas ist heute eine meiner grössten Stärken. Sehen Sie noch weitere? Durchhaltevermögen, Dickköpfigkeit, emotionale Körpersprache. Haben Sie ein Arbeits- und Lebensmotto? Nicht eines, sondern gleich deren drei: - «Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner!»

- «Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden.» - «Wer immer nur macht, was er sich zutraut, kann nicht über sich hinauswachsen.» Wenn Sie auswählen könnten, wo wollten Sie leben? Ich bin überall immer wieder gerne; aber zu Hause ist meine Heimat. Ein Wunsch wäre, mal eine gewisse Zeit in einem Kloster zu verbringen. Weisenblasen? Sehr wichtig! Wenn ich mit Orchestern arbeite, fehlt mir oft etwas vom Schwierigsten, nämlich, eine einfache Melodie schön (sinfonisch) zu spielen. Ich bewundere da manche Musikanten – sehr viele von ihnen übrigens ohne Ausbildung (Studium)! Haben Sie auch schon mitgemacht? Ja sicher. Ich habe viele Weisen auf dem Flügelhorn geblasen. Ich spiele immer wieder gerne Volksmusik. Bei uns gibt es nebst den Bläserweisen beispielsweise die Stücke von Gottlieb Weissbacher: fantastische und schwierige Volksmusik! Ich habe auch selber Böhmische Musik gespielt und über Jahre geleitet. Hier steckt so viel Musik und Gefühl drin; das sind Stationen, die jeder Dirigent erleben müsste, durchmachen sollte! Sie sind der Verantwortliche von «Windmaker 2006» und haben den imposanten internationalen Dirigentenwettbewerb ins Leben gerufen. Wie ist es Ihnen gelungen, «Vienna» mit allem Drum und Dran finanzieren zu können? Ich habe diesen Contest nicht ins Leben gerufen, das war der Österreichische Blasmusikverband. Ich bin nur Hauptverantwortlicher, habe das Konzept erstellt und führe alles von A bis Z durch. Dieser Dirigentenwettbewerb ist ein tolles internationales Ereignis. Unser Blasmusikverband hat erkannt, dass die Zukunft zum allergrössten Teil bei den Dirigenten liegt und diese eine Plattform brauchen. Ein Wettbewerb ist ein Entwicklungsinstrument, man bekommt von Fachleuten eine konstruktive Kritik. Darüber hinaus können die Teilnehmer zielorientiert arbeiten, ihre Grenzen suchen und unter Druck arbeiten Maestro Nr. 3/2006 lernen. Ich bin froh, dass mein Wunsch, den Wettbewerb in der Weltmusikstadt Wien durchführen zu können, in Erfüllung gegangen ist. Auch müssen wir beginnen, Brücken zur sinfonischen Welt zu bauen. Was die Finanzierung betrifft, so hat dieser Anlass viel Geld gekostet. Dank dem tollen Sponsoring, dem ÖBV und der Stadt Wien wurde die Finanzierung gesichert. Um die achtzig Bewerbungen aus siebzehn Nationen waren eingegangen. Nach einem speziellen Selektionsverfahren wurden 21 Teilnehmer eingeladen. Davon kamen acht in die zweite Runde und drei bestritten das Finale, welches am 9. Juni 2006 im Radiokulturhaus Wien stattfand. Welche Verbindungen blasmusikalischer Konvenienz haben Sie in die Schweiz? «Mein» Haustonstudio befindet sich im appenzellischen Grub. Aufgrund dieser Verbindung lerne ich immer wieder Schweizer Kollegen aus der Szene kennen. Zunehmend häufiger kommen Interessenten aus der Schweiz nach Feldkirch und wollen bei mir Blasorchesterleitung studieren. «K»? Das beste Tonstudio, welches ich kenne: Ich meine die Ohren des Chefs, Ruedi Kaufmann. Dies bestätigen immer wieder Dirigenten, die auf professioneller Ebene arbeiten. Sie besitzen ebenfalls ein ausgezeichnetes Musikgehör, reagieren auf kleinste Unreinheiten. Wie halten Sie es mit der Kritik an Ihnen? Können Sie diese ohne Verstimmung akzeptieren? Ich glaube, wenn man Dirigent, Trainer oder Manager wird, setzt das ein bestimmtes Menschenprofil voraus. Ansonsten hätte man in diesen Positionen keinen Erfolg. Oft tun sich die genannten Exponenten von Grund auf schwer mit Kritik an ihrer Person. Mir ist es gleich ergangen. Ich konnte jedoch lernen, bin aber noch immer damit beschäftigt. Ihr absoluter musikalischer Wunschtraum? Ich möchte einerseits Kompositionen schreiben, die irgendwann zu den «Klassikern» in der Musikszene gehören. Andrerseits ist es mein Wunsch, ein Werk wirklich fertig geprobt zu haben, bei dem dann einfach alles stimmt. Was fasziniert Sie besonders an Ihrer Arbeit? Die Schwingung, die ein Komponist erfunden hat, auf die Musiker und das Publikum zu übertragen und damit Emotionen auszulösen. Haben Sie während eines Konzertes auch schon geweint? Ja, oft! Zweifelsohne zeichnen Sie sich durch pädagogisches Feeling aus. Sie können Ihre musikalischen Gedankengänge sehr plastisch «an den Mann bringen». Wann verlässt Sie das «träfe», das markige Vokabular? Früher sehr oft. Auch das musste ich lernen. Wenn ich aber merke, dass bei «meinen Leuten» das Interesse völlig fehlt und kein Bemühen da ist, kann ich schon sehr unangenehm werden. Darüber hinaus regen mich hochnäsige Musiker auf, die eigentlich keinen geraden Ton spielen können! Und wann werden Sie ganz leise? Wenn jemand wunderbar spielt. Singen oder pfeifen Sie oft einfach so zum Spass? Nein! Stille ist mir wichtig. Ich suche sie immer und immer wieder. «Sag zum Abschied leise servus ...» Sehr herzlich möchte ich Ihnen, Thomas Ludescher, für dieses Gespräch danken und für Ihre Zukunft nur das Allerbeste wünschen. Zur Person Thomas Ludescher Geboren am 3. Februar 1969, Feldkirch René Messmer Berufe Elektriker, Musikpädagoge, Dirigent Wohnort Bürs, Vorarlberg, Österreich Zivilstand Verheiratet mit Christine, 2 Söhne: Lukas (6) und Michael (1) Hobbys Lesen, Wein Lieblingsinstrument Blasorchester Lehraufträge Vorarlberger Landeskonservatorium (A) Tiroler Landeskonservatorium (A) Musikhochschule Augsburg/Nürnberg (D) Weitere Infos www.thewindandme.at 27

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Thomas Ludescher, Sie sind studierter<br />

Trompeter. Louis Armstrong sagte von sich<br />

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Leben im Gefängnis verbracht hätte. Hat<br />

Ihr Leben der <strong>Dirigent</strong>enstab gerettet?<br />

Ich war Gott sei Dank nie in Lebensnot! Mir<br />

bedeutet Musik sehr viel. In meiner Kindheits-<br />

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schwierige Zeiten geholfen.<br />

Mein Leben will ich aber nicht ausschliesslich<br />

dem Dirigieren verschreiben. Es gibt viele<br />

interessante Bereiche in der Sparte Musik:<br />

Komponieren, Instrumentieren, Unterrichten,<br />

Musik hören, Analysieren, Musik als<br />

Schwingungen erforschen …<br />

Meisterschüler, Magister artium, Professor,<br />

Landeskapellmeister …<br />

Spannend, interessant, abwechslungsreich;<br />

ich möchte nichts missen.<br />

Österreich ist das Mutterland allergrösster<br />

Komponisten. Wie steht es mit zeitgenössischen<br />

Tonschöpfern sinfonischer Blasmusik<br />

von Weltruf?<br />

Wenn ich ehrlich bin: Nicht gut! Ich frage<br />

mich schon längere Zeit, warum sich in einem<br />

Land wie Österreich mit dieser einzigartigen<br />

Musiktradition der sinfonische Bereich<br />

nicht auf die Blasorchesterszene übertragen<br />

hat.<br />

Welche Komponisten haben Ihnen persönlich<br />

auf den Leib geschrieben?<br />

Sehr viele. Zu den Favoriten zählen Richard<br />

Strauss, Bruckner, Mahler, Schostakowitsch,<br />

Bach und Albinoni. Das hängt ganz von<br />

meiner momentanen Gefühlslage ab.<br />

Mit dem Sinfonischen Blasorchester Vorarlberg<br />

(SBV) – etwas vom Feinsten im alemannischen<br />

Raum – haben Sie kürzlich an<br />

den Weltmeisterschaften in der allerhöchsten<br />

Klasse die Bronze-Medaille geholt …<br />

Eine unserer grossen Visionen bei der Gründung<br />

des Orchesters im Jahre 1997 war das<br />

Konkurrieren in der Konzertabteilung des<br />

World Music Contest WMC. Nicht einmal<br />

zehn Jahre später – nach den Teilnahmen<br />

2001 und 2005 – ist dieser Traum in Kerkrade,<br />

Holland, in Erfüllung gegangen: Wir<br />

Maestro Nr. 3/2006<br />

Gefragte Musiker – kurz befragt Thomas Ludescher, Bürs (A), <strong>Dirigent</strong><br />

haben den sensationellen dritten Schlussrang<br />

in dieser Königsklasse erreicht.<br />

Ist es ausschliesslich Ihnen zu verdanken,<br />

dass die sinfonischen Blasorchestersamen<br />

ausgerechnet in Vorarlberg auf fruchtbaren<br />

Boden gefallen sind?<br />

Ich hatte das Glück, durch das Studium in<br />

Augsburg eine «andere» Blasorchesterwelt<br />

erfahren und «lernen» zu dürfen.<br />

Zudem ist der Vorarlberger <strong>Blasmusikverband</strong><br />

ein kleiner Verband und daher sehr<br />

flexibel, was von Vorteil ist. Darüber hinaus<br />

bin ich in der vorteilhaften Lage, mit einem<br />

tollen, gleich denkenden Team zusammenarbeiten<br />

zu können.<br />

Wie gross ist Ihr dortiger Mitarbeiterstab?<br />

Es gibt ein geschäftsführendes Präsidium von<br />

sieben Personen. Die Musikkommission besteht<br />

aus sechs Bezirkskapellmeistern mit<br />

ihren Stellvertretern sowie zwei Landeskapellmeisterstellvertretern.<br />

Welch ein Wort! – Wie sieht der kommende<br />

Vierjahresplan «Ihres» SBV aus?<br />

Ich warte, bis ich zeitlichen Spielraum bekomme,<br />

um das Konzept niederschreiben zu<br />

können. Im Kopf sind viele Gedanken, Ideen<br />

und Ziele. Neugierig?<br />

Ja, natürlich!<br />

Momentan läuft die Planung von Konzerttourneen<br />

in Australien und im asiatischen<br />

Raum sowie die Produktion einer einzigartigen<br />

DVD. Als grosses Ziel steht der WMC<br />

im Jahr 2009 fest.<br />

Wovon träumen Sie zu Beginn des dritten<br />

Jahrtausends?<br />

Von der künstlerischen Akzeptanz der Blasorchesterszene<br />

mit all ihren Bereichen gegenüber<br />

den anderen, bereits anerkannten<br />

Musizierformen.<br />

Wie bemessen Sie die musikalischen,<br />

menschlichen, künstlerischen, gesellschaftlichen<br />

und erzieherischen Werte?<br />

Musikerziehung ist für mich die Erziehung<br />

der ganzen Persönlichkeit eines Menschen<br />

und reicht deshalb weit über das «nur»<br />

Musizieren hinaus. Ich wünsche mir, dass<br />

man die Wirkung von Musik endlich erkennt<br />

und dementsprechend fördert. Ebendieses<br />

aktive Musizieren, beispielsweise in unseren<br />

Schulsystemen, verschwindet immer mehr.<br />

Das wird in den nächsten Jahren noch seine<br />

negative Wirkung zeigen. Erste Anzeichen<br />

sind schon deutlich sichtbar.<br />

Was sollten Ihre Instrumentalisten zur musikalischen<br />

Weiterbildung ausserhalb ihrer<br />

gemeinsamen Auftritte Ausserordentliches<br />

tun?<br />

<strong>Dirigent</strong>isch denken!<br />

Sie unterrichten angehende Maestri auf<br />

allen Stufen. Wie viele Hochschulstudenten<br />

– sowohl in Augsburg/Nürnberg als auch<br />

in Feldkirch – geben die Ausbildung vorzeitig<br />

auf?<br />

Das dürfte in etwa knapp ein Fünftel sein,<br />

also weit weniger als in anderen Studienrichtungen.<br />

Dies werte ich positiv. Trotzdem,<br />

es gibt viel zu tun: Auf uns wartet ein goldenes<br />

Blasorchester-Zeitalter!<br />

Wie meinen Sie das?<br />

Betrachtet man die arbeitstechnische Seite<br />

der <strong>Dirigent</strong>enbranche, so beginnt im mitteleuropäischen<br />

Raum erst ein Berufsprofil zu<br />

wachsen. Zum einen wird der <strong>Dirigent</strong>enjob<br />

immer mehr Mangelware, zum andern<br />

kommt ein unglaublicher Druck (Ausbildung<br />

der Jugend, Erwartungshaltung der Vereine<br />

und steigender Perfektionismus…) auf die<br />

Blasorchesterszene zu. Die <strong>Dirigent</strong>en müssen<br />

in jeder Hinsicht, vor allem aber fachlich<br />

und psychologisch, über dem Orchester stehen.<br />

Wenn einige Musiker mehr wissen als<br />

der «Chef», kann das auf lange Sicht nicht<br />

gut gehen. Hier sind Ausbildungsstrukturen<br />

gefordert, die bis jetzt nur vereinzelt bestehen.<br />

Wie sah es in Ihrer Laufbahn mit finanzieller<br />

Unterstützung von Seiten des Staates<br />

aus?<br />

Ich bin in ländlichen Verhältnissen auf einem<br />

Bauernhof aufgewachsen und habe zunächst<br />

einen handwerklichen Beruf erlernt.<br />

Arbeiten, nein, «die Sache selbst erarbeiten»<br />

war Grundlage meiner Erziehung nach<br />

dem Motto «Fordern statt verwöhnen». All<br />

dies hat meine bisherige Laufbahn stark geprägt.<br />

Während meiner ganzen Ausbildungszeit<br />

unterrichtete beziehungsweise arbeitete<br />

ich und finanzierte so alles selber. Im<br />

Nachhinein stellte sich heraus, dass ich,<br />

wenn ich meine nebenberufliche Tätigkeit an<br />

den Nagel gehängt, einige Vorteile vom<br />

Staat gehabt hätte. Manch einer würde sagen:<br />

«Selber schuld!» Ich hingegen bin stolz<br />

darauf. Dieses Kämpfen um etwas ist heute<br />

eine meiner grössten Stärken.<br />

Sehen Sie noch weitere?<br />

Durchhaltevermögen, Dickköpfigkeit, emotionale<br />

Körpersprache.<br />

Haben Sie ein Arbeits- und Lebensmotto?<br />

Nicht eines, sondern gleich deren drei:<br />

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