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Stagione #2 - Theater an der Wien

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Das Neue operNhaus<br />

<strong>Stagione</strong> <strong>#2</strong><br />

November/Dezember 2012<br />

Ein Unternehmen <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> Holding<br />

<strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>-magazin<br />

In Kooperation mit<br />

2. ausgabe 2012/13


INhaLT<br />

4 Iphigénie en Aulide<br />

gluck und die premiere in paris<br />

5 Torsten Fischer inszeniert den<br />

mythos <strong>der</strong> Iphigénie en Aulide<br />

6 aless<strong>an</strong>dro De marchi im gespräch<br />

über glucks reformoper<br />

8 Mathis <strong>der</strong> Maler<br />

paul hindemiths bekenntnis<br />

10 bühnenbildner Joh<strong>an</strong> engels zur<br />

ausstattung von Mathis <strong>der</strong> Maler<br />

13 Joyce DiDonato als Drama Queen<br />

15 Leonardo vincis Artaserse<br />

16 pugn<strong>an</strong>is melodram Werther<br />

17 Musik <strong>der</strong> Tiere im Konzert<br />

19 silvester in <strong>Theater</strong> und oper<br />

20 von bose-uraufführung in <strong>der</strong><br />

Kammeroper: Verkehr mit Gespenstern<br />

22 <strong>an</strong>na maria sarra im portrait<br />

23 alle Künstlerinnen und Künstler<br />

im November und Dezember<br />

Sta|gio|ne, [sta’dʒo’nə] die, -, -n: „Jahreszeit“<br />

1. spielzeit eines operntheaters 2. ensemble<br />

eines operntheaters. Kennzeichnend für den<br />

stagionebetrieb ist, dass ein stück über eine längere<br />

zeit gespielt wird. Je eine Inszenierung wird über<br />

mehrere abende o<strong>der</strong> Wochen hinterein<strong>an</strong><strong>der</strong><br />

<strong>an</strong>gesetzt, es kommen nur frisch geprobte<br />

Inszenierungen zur aufführung.<br />

Wir freuen uns auf Ihre Anregungen:<br />

magazin@theater-wien.at<br />

eDITorIaL<br />

Liebe Leserin, lieber Leser!<br />

Die premiere von Iphigénie en Aulide 1774 war eine sensation, glucks oper<br />

wurde bis 1824 in paris 428 mal aufgeführt. <strong>an</strong>gesichts dieses erfolges verwun<strong>der</strong>t<br />

es, dass Iphigénie en Aulide im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t gegenüber <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />

gluck-opern <strong>an</strong> bedeutung verloren hat. gluck versuchte mit <strong>der</strong> aulidischen<br />

Iphigenie „eine musik zu erschaffen, die allen Nationen eignet und<br />

die die lächerlichen unterschiede nach nationaler musik verschwinden lässt.“<br />

Nach <strong>der</strong> dichten Inszenierung von Iphigénie en Tauride zum auftakt seines<br />

erfolgreichen gluck-zyklus erzählt regisseur Torsten Fischer in <strong>der</strong> kommenden<br />

premiere gemeinsam mit dem Dirigenten aless<strong>an</strong>dro De marchi den<br />

ersten Teil von glucks Iphigenie-Dilogie.<br />

mit dem streben eines kreativen geistes nach unabhängigkeit in einer politischen<br />

phase <strong>der</strong> unterdrückung beschäftigt sich paul hindemith in Mathis<br />

<strong>der</strong> Maler. Der bedeutende Komponist <strong>der</strong> zwischenkriegszeit wollte unabhängig<br />

seiner kompositorischen arbeit nachgehen und sah sich zunehmend<br />

politischen erwartungen ausgesetzt. In seiner oper lässt er die hauptfigur<br />

matthias grünewald zur erkenntnis gel<strong>an</strong>gen, dass sich ein Künstler nicht<br />

in politischen machtkämpfen vergeuden darf, son<strong>der</strong>n allein seiner schöpferischen<br />

Kunst dienen müsse. Dirigent bertr<strong>an</strong>d de billy und regisseur Keith<br />

Warner, beide eng mit dem <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> verbunden, werden dieses<br />

künstlerische bekenntnis gemeinsam für die bühne realisieren.<br />

Nach <strong>der</strong> erfolgreichen eröffnung <strong>der</strong> Kammeroper steht in unserer neuen<br />

spielstätte die erste uraufführung <strong>an</strong>. h<strong>an</strong>s-Jürgen von bose hat sich zwei<br />

Jahrzehnte l<strong>an</strong>g mit den Werken von Fr<strong>an</strong>z Kafka beschäftigt und diese im<br />

Kammer-musiktheater Verkehr mit Gespenstern kompositorisch verarbeitet.<br />

Wir sind stolz darauf, Ihnen diese wichtigen Werke in vortrefflichen besetzungen<br />

präsentieren zu können und ich wünsche Ihnen unvergessliche stunden<br />

im <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> ebenso wie in <strong>der</strong> Kammeroper.<br />

herzlichst Ihr<br />

Intend<strong>an</strong>t rol<strong>an</strong>d geyer<br />

Wo Kristalle und<br />

nicht Bretter<br />

die Welt bedeuten.<br />

Hauptsponsor des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>.<br />

sTagIoNe <strong>#2</strong> | 3<br />

zu09057_AZ_Kultur_127x60ssp.indd 4 03.03.2010 10:31:52 Uhr


4<br />

oper Im November<br />

edel, empfindsam und natürlich<br />

In allen Köpfen herrschte gärung: Iphigénie en Aulide sorgte für aufregung in paris<br />

am 19. april 1774 f<strong>an</strong>d die erste vorstellung von Iphigénie<br />

en Aulide statt. glucks einstige <strong>Wien</strong>er ges<strong>an</strong>gs-<br />

schülerin marie <strong>an</strong>toinette, die einen monat später den<br />

Thron von Fr<strong>an</strong>kreich besteigen sollte, schil<strong>der</strong>t, dass<br />

m<strong>an</strong> nicht mehr von etwas <strong>an</strong><strong>der</strong>em reden könne: „In<br />

allen Köpfen herrscht infolge dieses ereignisses eine<br />

gärung, so außerordentlich als m<strong>an</strong> sich nur vorstellen<br />

k<strong>an</strong>n: es ist unglaublich, m<strong>an</strong> entzweit, m<strong>an</strong> bekämpft<br />

sich, als ob es sich um eine religiöse <strong>an</strong>gelegenheit<br />

IphIGéNIe eN AULIDe<br />

Tragédie in drei akten (1774/75)<br />

Musik von Christoph Willibald Gluck<br />

Libretto von Marie Fr<strong>an</strong>çois Louis G<strong>an</strong>d Bailli du Roullet<br />

nach <strong>der</strong> Tragödie Iphigénie von Je<strong>an</strong> Baptiste Racine<br />

In fr<strong>an</strong>zösischer sprache mit deutschen Übertiteln<br />

Musikalische Leitung aless<strong>an</strong>dro De marchi<br />

Inszenierung Torsten Fischer<br />

Ausstattung vasilis Tri<strong>an</strong>tafillopoulos<br />

herbert schäfer<br />

Dramaturgie herbert schäfer<br />

Video David h<strong>an</strong>eke<br />

Agamemnon bo skovhus<br />

Clytemnestre michelle breedt<br />

Iphigénie myrtò papat<strong>an</strong>asiu<br />

Achille paul groves<br />

Calchas pavel Kudinov<br />

Patrocle zoltán Nagy<br />

Arcas edward grint<br />

Première grecque viktorija bak<strong>an</strong><br />

Deuxième grecque Natalia Kawalek-plewniak<br />

Troisième grecque Joh<strong>an</strong>na Krokovay<br />

<strong>Wien</strong>er symphoniker<br />

arnold schoenberg Chor (Ltg. erwin ortner)<br />

Neuproduktion des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong><br />

premIere:<br />

Donnerstag, 8. November 2012, 19.00 Uhr<br />

auFFÜhruNgeN:<br />

10. / 13. / 16. / 18. / 22. November 2012, 19.00 Uhr<br />

eINFÜhruNgsmaTINee:<br />

Sonntag, 28. Oktober 2012, 11.00 Uhr<br />

h<strong>an</strong>delt. es gibt am hofe, obgleich ich mich öffentlich<br />

zugunsten dieses genialen Werkes ausgesprochen habe,<br />

parteiungen und ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzungen von beson<strong>der</strong>er<br />

Lebhaftigkeit, und in <strong>der</strong> stadt scheint es noch ärger<br />

zuzugehen.“<br />

mit 60 Jahren war gluck <strong>der</strong> österreichischen erzherzogin<br />

nach paris gefolgt, wo er seine Iphigenie herausbringen<br />

wollte. gemeinsam mit dem von gluck verehrten<br />

„berühmten genfer monsieur rousseau“, <strong>der</strong> wi<strong>der</strong><br />

die höfische eitelkeit für die stimme <strong>der</strong> Natur plädierte,<br />

wollte gluck „eine edle, empfindsame und natürliche<br />

melodie suchen“, um „die lächerlichen unterschiede<br />

nach nationaler musik verschwinden“ zu lassen. marie<br />

Fr<strong>an</strong>çois Louis g<strong>an</strong>d bailli Du roullet schrieb für gluck<br />

das Libretto, <strong>der</strong> attaché <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>er fr<strong>an</strong>zösischen ges<strong>an</strong>dtschaft<br />

k<strong>an</strong>nte glucks reformbestrebungen und unterstützte<br />

sie. gemeinsam wählten sie die geschichte<br />

<strong>der</strong> Iphigenie in aulis und griffen dabei auf ein sujet zurück,<br />

das d<strong>an</strong>k Je<strong>an</strong> racines fr<strong>an</strong>zösischen stücks dem<br />

pariser publikum vertraut und <strong>an</strong>s herz gewachsen war.<br />

glucks <strong>an</strong>sinnen war allumfassend und überfor<strong>der</strong>te das<br />

höfische ensemble. seine <strong>an</strong>for<strong>der</strong>ungen erzürnten sänger<br />

und musiker. ein vermittler zwischen ensemble und<br />

gluck war notwendig, um ihn „in den von <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischen<br />

höflichkeit gefor<strong>der</strong>ten schr<strong>an</strong>ken zurückzuhalten<br />

und die <strong>an</strong>imosität des orchesters und vor allem <strong>der</strong><br />

sänger gegen ihn zu mil<strong>der</strong>n.“ gluck ließ sich nicht von<br />

seinen zielen abbringen. „um größere arien zu singen,<br />

muss m<strong>an</strong> erst singen können“, erklärte er l<strong>an</strong>gjährigen,<br />

berühmten sängern <strong>der</strong> oper. „Daher habe ich eine ihnen<br />

und ihren Kräften entsprechende musik geschrieben.<br />

versuchen sie gut zu sprechen, mehr verl<strong>an</strong>ge ich<br />

von ihnen nicht, und denken sie vor allem dar<strong>an</strong>, dass<br />

schreien nicht singen heißt.“<br />

glucks erfolg war umfassend. Iphigénie en Aulide wurde<br />

in den kommenden Jahrzehnten mehr als 400 mal aufgeführt.<br />

Der fr<strong>an</strong>zösische hof setzte dem Komponisten<br />

für jedes Jahr, in dem er ein Werk verfassen würde, eine<br />

hohe pension aus. gluck sollte sich dazu um die ausbildung<br />

einer neuen sängergeneration kümmern. Der<br />

<strong>Wien</strong>er hof reagierte und machte gluck ebenfalls ein<br />

<strong>an</strong>gebot und bot ihm ohne jede verpflichtende aufgabe<br />

die ernennung zum „wirklichen kaiserlich-königlichen<br />

hofkompositeur“ <strong>an</strong>. Was gluck vielleicht zeitlebens erträumt<br />

hatte, nach dem erfolg <strong>der</strong> aulidischen Iphigenie<br />

hatte er es nicht mehr notwendig. er war selbst zum gegenst<strong>an</strong>d<br />

<strong>der</strong> Kunst geworden, wurde in büsten und gemälden<br />

verewigt und war auf den <strong>Wien</strong>er hof nicht mehr<br />

<strong>an</strong>gewiesen. erst nach zwei schlag<strong>an</strong>fällen kehrte er 1781<br />

nach perchtoldsdorf zurück und verstarb 1787 in seinem<br />

<strong>Wien</strong>er stadthaus in <strong>der</strong> Wiedener hauptstraße 32. #


oper Im November<br />

Spiegelbil<strong>der</strong><br />

ein mädchen lernt zivilcourage: Torsten Fischer inszeniert Iphigénie en Aulide<br />

Die streitmacht <strong>der</strong> griechen liegt auf aulis fest. Wegen<br />

einer Flaute können die griechischen schiffe die Insel<br />

nicht verlassen. Dem heerführer agamemnon wird prophezeit,<br />

er müsse seine Tochter Iphigenie opfern, um<br />

die göttin Di<strong>an</strong>a wohlwollend zu stimmen. regisseur<br />

Torsten Fischer deutet nach Iphigénie en Tauride den<br />

abgrundtiefen <strong>an</strong>tiken mythos <strong>der</strong> vielgeprüften Iphigenie<br />

in <strong>der</strong> historisch vor <strong>der</strong> tauridischen Iphigenie <strong>an</strong>-<br />

gesiedelten reformoper Iphigénie en Aulide.<br />

aischylos und sophokles, beide einer möglichen historischen<br />

begebenheit verpflichtet, schil<strong>der</strong>n die opferung<br />

<strong>der</strong> Iphigenie. agamemnon tötet seine vierzehnjährige<br />

Tochter und wird dafür später von seiner Frau hingerichtet.<br />

euripides hat für Torsten Fischer als jüngster <strong>der</strong><br />

drei großen griechischen Tragiker erstmals klar darüber<br />

nachgedacht, was diese mythologische geschichte impliziert<br />

und die h<strong>an</strong>dlung abgeän<strong>der</strong>t. euripides beschreibe<br />

genau, sagt Fischer, wie die hinrichtung nicht stattfindet.<br />

„Das stück endet mit dem g<strong>an</strong>g <strong>der</strong> Iphigenie in<br />

den Tempel, wo die hinrichtung stattfinden soll. aber<br />

ohne die rettung <strong>der</strong> Iphigenie wäre die zweite oper<br />

Iphigénie en Tauride nicht möglich.“ Der Wind stehe dabei<br />

für die stimmung im L<strong>an</strong>d: „Krieg o<strong>der</strong> kein Krieg.“<br />

Torsten Fischer<br />

Wenn agamemnon auf den Troj<strong>an</strong>ischen Krieg verzichten<br />

würde, d<strong>an</strong>n müsste Iphigenie nicht sterben. „er muss<br />

nur sagen: ‚Nein D<strong>an</strong>ke, kein Krieg‘.“<br />

Der missversteht die himmlischen<br />

„Ich versuche“, sagt Torsten Fischer, „Iphigenie als mädchen<br />

und Tochter eines Königs zu zeigen, die auf dem<br />

Weg ist, zivilcourage zu erlernen. sie muss erkennen,<br />

dass die Welt, in <strong>der</strong> sie lebt, aus Lug und Trug besteht.<br />

sie lernt aber auch zu verstehen, dass keine <strong>der</strong> in die<br />

Tragödie verwickelten personen <strong>an</strong><strong>der</strong>s h<strong>an</strong>deln könnte.“<br />

Das orakel, das in <strong>der</strong> mythologischen vorgeschichte<br />

Iphigenies Tod for<strong>der</strong>t, wird für Fischer von einem<br />

priester benutzt, <strong>der</strong> sich in das amt eingekauft hat.<br />

„Je mehr geld m<strong>an</strong> geboten hat, umso mächtiger wurde<br />

m<strong>an</strong>. Der priester konnte bestimmen, wer getötet<br />

werden soll. er hat d<strong>an</strong>n behauptet, er habe es von<br />

einer gottheit aufgetragen bekommen.“ Iphigenie soll<br />

getötet werden, weil die Feldherren des L<strong>an</strong>des den<br />

potentiellen oberfeldherren testen, wie sehr er eine<br />

privatperson o<strong>der</strong> wie sehr er ein staatsm<strong>an</strong>n sei.<br />

„Wenn er ein staatsm<strong>an</strong>n ist, d<strong>an</strong>n muss er ein zeichen<br />

setzen und den orakelspruch des priesters erfüllen.<br />

er tötet seine Tochter, damit alle wissen, wie brutal<br />

das L<strong>an</strong>d vertreten werden muss, um <strong>an</strong> geld o<strong>der</strong> <strong>an</strong><br />

erdöl zu kommen.“<br />

„Der missversteht die himmlischen, <strong>der</strong> sie blutgierig<br />

wähnt“, schrieb goethe: „er dichtet ihnen nur die eigenen<br />

grausamen begierden <strong>an</strong>.“ Für Fischer gibt es<br />

keine griechischen götter, es habe sie nie gegeben: „sie<br />

sind spiegelbil<strong>der</strong> von uns.“ Der Frevel des agamemnon<br />

stehe für die gier eines m<strong>an</strong>nes, <strong>der</strong> für macht alles unternehmen<br />

würde. „Diese männer gibt es moment<strong>an</strong> in<br />

<strong>der</strong> Welt mehr als genug.“<br />

Das menschenopfer, das Iphigenie drohe, sei ohne vergleich,<br />

sagt Fischer. „opfern heißt aber auch verzichten.“<br />

menschen werden auch auf <strong>an</strong><strong>der</strong>e art und Weise geopfert,<br />

ohne dass sie zu Tode kommen müssen. „Ich weiß,<br />

wie schlecht es den menschen gegenwärtig in griechenl<strong>an</strong>d<br />

in <strong>der</strong> viel zitierten europäischen Fin<strong>an</strong>zkrise geht.<br />

es wird viel über gel<strong>der</strong>, Kürzungen und Faulheit berichtet.<br />

Der hum<strong>an</strong>e aspekt <strong>der</strong> geschichte, und dass ein<br />

volk dem bürgerkrieg ausgeliefert wird, ist dabei aber<br />

kein mediales Thema.“ Iphigénie en Aulide zeige, wie ein<br />

mensch durch seine entwicklung eine aufgeklärte, hum<strong>an</strong>e<br />

haltung einnehmen k<strong>an</strong>n. In Iphigenie sieht Fischer<br />

keine Kriegsheldin, son<strong>der</strong>n dass sie am ende ein<br />

aufklärerisches bewusstsein erreicht, macht sie zur moralischen<br />

Inst<strong>an</strong>z. „Die geschichte war revolutionär.“ zu<br />

glucks zeit war diese position in einem absolutistisch<br />

regierten europa eine politisch gefährliche haltung. #<br />

Das Neue operNhaus<br />

sTagIoNe <strong>#2</strong> | 5


6<br />

aLessaNDro De marChI Im gespräCh<br />

Fedeltà allo spirito<br />

Iphigénie en Aulide war für den italienischen Dirigenten eine musikalische revolution.<br />

Der radikalen haltung glucks möchte De marchi seine Treue erweisen<br />

Glucks Stellung als Reformer <strong>der</strong> Oper ist in <strong>der</strong> Musikgeschichte<br />

fest ver<strong>an</strong>kert. Was war sein Antrieb, um mit 60<br />

Jahren nach Paris zu gehen und dort Iphigénie en aulide<br />

aufzuführen?<br />

gluck versuchte in seinen opern, dramaturgische und<br />

musikalische Traditionen, die nicht mehr akzeptabel waren,<br />

zu än<strong>der</strong>n. Die reformoper war in diesem sinn<br />

mehr eine reaktion als ein unabhängiges projekt. Wir<br />

wissen aus briefen und aufzeichnungen glucks, dass<br />

Iphigénie en Aulide <strong>der</strong> versuch war, eine universelle oper<br />

zu komponieren und eine musikalische sprache zu finden,<br />

die die zwei großen Nationalstile überwindet. gluck<br />

schreibt, dass er die lächerlichen unterschiede nationaler<br />

musik verschwinden lassen will.<br />

Was bedeutet, dass Gluck auf das „Musizieren nach italienischer<br />

Art“ verzichtet hat?<br />

In <strong>der</strong> italienischen oper verlor die Dramaturgie zunehmend<br />

<strong>an</strong> bedeutung und die reine virtuosität <strong>der</strong> sänger<br />

st<strong>an</strong>d im vor<strong>der</strong>grund. selbst die bezüge und zusammenhänge<br />

innerhalb <strong>der</strong> Libretti wurden immer unwichtiger.<br />

Wir wissen aus parodien dieser zeit, dass Komponisten<br />

und Librettisten einfach arien aus <strong>an</strong><strong>der</strong>en Werken<br />

genommen und neue Texte dazu gedichtet haben. Texte<br />

und arien wurden nach belieben ausgetauscht, aus stürmischen<br />

arien wurden plötzlich Liebesbriefe und umgekehrt,<br />

das ging einfach zu weit.<br />

Welchen <strong>an</strong><strong>der</strong>en nationalen Stil wollte Gluck überwinden?<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>erseits war die fr<strong>an</strong>zösische musik von Lully bis<br />

rameau höchst stilisiert. Die gefühle waren musikalisch<br />

streng geordnet. Ich empfinde den <strong>an</strong>satz von gluck bereits<br />

als protorom<strong>an</strong>tisch und ich will nicht zu weit gehen,<br />

aber vielleicht können wir sogar einen protoveristischen<br />

<strong>an</strong>satz erkennen. Wir haben beschreibungen <strong>der</strong><br />

frühen aufführungen von Iphigénie en Aulide. m<strong>an</strong>che zuschauer<br />

loben, wie die sänger aufgetreten sind und m<strong>an</strong>che<br />

loben, wie die sänger gesungen haben. aber m<strong>an</strong>che<br />

zuschauer loben, wie die sänger gesprochen haben.<br />

Ich k<strong>an</strong>n es aus heutiger sicht natürlich nicht genau<br />

wissen, vielleicht war dies auch nur eine art, die sänger<br />

des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts zu beschreiben. vielleicht haben<br />

diese sänger aber auch bereits in richtung sprachges<strong>an</strong>g<br />

deklamiert.<br />

Wie stark hat Gluck die Hörgewohnheiten seiner Zeitgenossen<br />

mit Iphigénie en aulide gefor<strong>der</strong>t?<br />

viele zeitgenossen glucks haben diese musik als barbarisch<br />

beschrieben. gluck blieb so nah <strong>an</strong> <strong>der</strong> Natürlichkeit<br />

<strong>der</strong> sprache wie es ihm kompositorisch möglich war.<br />

Für das publikum, das die stilisierte musik rameaus ge-<br />

wohnt war, muss es wirklich barbarisch geklungen haben.<br />

Sie sind mit <strong>der</strong> historischen Aufführungspraxis bestens vertraut.<br />

Welche Möglichkeiten bietet Ihnen diese Oper und<br />

welchen Zug<strong>an</strong>g haben Sie gewählt?<br />

es wäre natürlich eine möglichkeit, die uraufführung<br />

o<strong>der</strong> eine <strong>der</strong> späteren vorstellungen zu rekonstruieren.<br />

Das könnte ich mir für ein reines alte musik-Festival<br />

vorstellen. Für diese aufführung haben wir uns dafür<br />

entschieden, einen runden und lebendigen abend zu<br />

gestalten. Wir wollen ein musiktheater präsentieren, das<br />

so mo<strong>der</strong>n wie möglich ist. Ich unterscheide gerne zwei<br />

arten <strong>der</strong> Werktreue, fedeltà alla lettera, die buchstäbliche<br />

Treue zum aufgeschriebenen, o<strong>der</strong> fedeltà allo spirito,<br />

die sich mehr nach dem schöpferischen geist richtet.<br />

Iphigénie en Aulide zeichnet sich durch eine erstaunliche<br />

radikalität aus. Wir sind natürlich <strong>der</strong> historischen<br />

aufführungspraxis verpflichtet, aber es ist fast wichtiger,<br />

dass wir <strong>der</strong> radikalität nachspüren, die das publikum<br />

im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t empfunden haben muss. Die oper<br />

war eine revolution. Noch nie zuvor hat jem<strong>an</strong>d diese<br />

art von musik gehört. mich erinnert das auch <strong>an</strong> die premiere<br />

von Le sacre du printemps.<br />

Paris war in <strong>der</strong> <strong>Theater</strong>geschichte kontinuierlich Schauplatz<br />

extremer Unterschiede. Welchen Einfluss hatte <strong>der</strong> Ort auf<br />

Glucks Möglichkeiten?<br />

gluck musste mit dem ensemble und dem orchester<br />

ebenso kämpfen wie mit <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischen Tradition.<br />

Der Tradition musste er sich m<strong>an</strong>chmal beugen, den<br />

dramatischen Fluss unterbrechen und ein ballett einfügen,<br />

um die zuschauer nicht im Übermaß zu schockieren.<br />

aber paris war <strong>der</strong> richtige ort, und gluck hat<br />

alles unternommen, um Iphigénie en Aulide dort auf-<br />

führen zu können. seine arbeitsweise war neu und ungewöhnlich.<br />

er hatte das g<strong>an</strong>ze stück im Kopf bereits<br />

vollendet und konnte es privat vorspielen, noch bevor<br />

er die partitur geschrieben hat und bevor klar war, ob<br />

die oper überhaupt aufgeführt wird. es war seine freie<br />

entscheidung, diese oper zu schreiben, egal ob sie gespielt<br />

werden würde o<strong>der</strong> nicht. er wollte diese reform<br />

auf alle Fälle durchsetzen.<br />

Im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t wurde die aulidische Iphigenie im<br />

deutschsprachigen Raum in <strong>der</strong> Bearbeitung von Richard<br />

Wagner gespielt, <strong>der</strong> selbst dem Musiktheater neue Impulse<br />

versetzt hat. Was hat Wagner <strong>an</strong> dieser Oper gereizt?<br />

Ich denke, Iphigénie en Aulide ist ihrer zeit hun<strong>der</strong>t Jahre<br />

voraus und hat daher viele Komponisten <strong>an</strong>gezogen.<br />

sie wollten von gluck lernen, und sie mussten sich aber<br />

auch <strong>an</strong> gluck messen.


Aless<strong>an</strong>dro De Marchi probt im <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong><br />

„Um größere Arien zu singen, muss m<strong>an</strong> erst singen können“,<br />

erklärte Gluck seinem Ensemble. Was for<strong>der</strong>te Gluck<br />

von seinen Sängern?<br />

Die schwierigkeit liegt darin zu erkennen, was gluck<br />

erreichen wollte und was er realistischerweise kriegen<br />

konnte. sein Wunsch war, dass die gesamte musik und<br />

insbeson<strong>der</strong>e die arien so gespielt und gesungen werden,<br />

wie er sie notiert hatte. Die üblichen verzierungen,<br />

die je<strong>der</strong> gute sänger damals machen wollte, waren<br />

Teil <strong>der</strong> aufführungspraxis. gluck aber dachte, dass<br />

auch nur ein vorhalt o<strong>der</strong> ein Triller zuviel seine musik<br />

ruiniert hätte. mir ist dieser <strong>an</strong>satz ein bisschen zu extrem.<br />

es gibt natürlich beispiele, in denen aufgrund <strong>der</strong><br />

vielen verzierungen die originale melodie nicht mehr zu<br />

erkennen ist. Denken wir auch <strong>an</strong> die Da capo-verzierungen<br />

und Kadenzen <strong>der</strong> Kastraten wie Farinelli o<strong>der</strong> senesino.<br />

es war normal, dass die notierte musik als skizze<br />

diente und <strong>der</strong> Interpret nicht nur Dynamik, artikulation<br />

und Farbe bestimmte, son<strong>der</strong>n auch die Töne selbst. In<br />

diesem riesigen Chaos, in dem ein Komponist oft selbst<br />

nicht mehr erkennen konnte, was er eigentlich geschrieben<br />

hat, kommt gluck <strong>an</strong> einen punkt, <strong>an</strong> dem er sagt:<br />

„schluss damit.“<br />

Denken Sie, Gluck konnte sich gegenüber einem eingeschworenen<br />

Orchester und Ensemble in allen Punkten<br />

durchsetzen?<br />

Ich bin mir sicher, dass gluck selbst nach sechs monaten<br />

probezeit nicht die komplette art zu singen und zu<br />

spielen än<strong>der</strong>n konnte. es war nicht möglich, in einem<br />

halben Jahr eine in zweihun<strong>der</strong>t Jahren entst<strong>an</strong>dene Tradition<br />

zu verän<strong>der</strong>n. Ich habe daher für diese produktion<br />

versucht, gluck zu dienen, so weit es nur geht. aber<br />

ich habe auch zu berücksichtigen versucht, dass er sich<br />

nicht in allem durchsetzen konnte, um in summe einer<br />

historischen Wahrheit nahe zu kommen.<br />

Die Iphigenie <strong>der</strong> Uraufführung hat sich bei Gluck beschwert,<br />

keine große Arie singen zu dürfen. Wie erklären Sie<br />

Myrtò Papat<strong>an</strong>asiu ihre Rolle als Iphigenie?<br />

unsere Dramaturgie und <strong>der</strong> subtext sind mehrschichtig.<br />

In diesem punkt hilft uns die musik, und in den<br />

einzelnen arien <strong>der</strong> Iphigenie lässt sich ihre entwicklung<br />

erkennen. musikalisch versuchen wir, mit wenigen verzierungen<br />

zu arbeiten. Ich habe das glück, dass myrtò<br />

harmonie und Kontrapunkt studiert hat und daher fähig<br />

ist, verzierungen vorzubereiten o<strong>der</strong> zu improvisieren.<br />

Was für ein Orchester st<strong>an</strong>d Gluck zur Verfügung?<br />

Das orchester ging noch auf rameau zurück, mit einer<br />

großen streichergruppe und posaunen. Wahrscheinlich<br />

hatten sie auch noch ein Continuo mit einem<br />

Cembalo und zupfinstrumenten. Ich werde ein Cembalo<br />

einsetzen und zwei Colascioni, die klassische vari<strong>an</strong>te<br />

<strong>der</strong> Theorbe. es gibt viele l<strong>an</strong>ge Töne in den ac-<br />

compagnati und natürlich k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> diese stellen auch<br />

mittels Dynamik plastisch gestalten. aber meine erfahrung<br />

mit alter musik hat meinen geschmack geprägt.<br />

Diese akkorde ohne Cembalo und zupfinstrumente wirken<br />

für mich zu leer.<br />

Iphigénie en aulide hat zwar inhaltlich ein glückliches Ende,<br />

nur klingt die Musik dazu auch glücklich?<br />

Das schlussstück unserer Fassung, die sich nach <strong>der</strong> uraufführung<br />

richtet, ist ein Kriegschor, <strong>der</strong> fast alla turca<br />

klingt. alle Instrumente und sänger sind unisono gesetzt<br />

und werden durchgehend von einer präzis geschlagenen,<br />

großen Trommel begleitet. Das ist eindeutig militärmusik<br />

und ein aufruf in die schlacht, kein lieto fine.<br />

sTagIoNe <strong>#2</strong> | 7


Matthias Grünewald:<br />

Die Peinigung des Heiligen Antonius,<br />

Isenheimer Altar, dritte Schauseite,<br />

circa 1506 -1515


oper Im Dezember<br />

Leicht will ich die<br />

Schwelle übertreten<br />

paul hindemith verarbeitet in Mathis <strong>der</strong> Maler den Konflikt eines Künstlers<br />

zwischen gesellschaftlichen <strong>an</strong>for<strong>der</strong>ungen und schöpferischem auftrag<br />

paul hindemith blieb nach <strong>der</strong> machtergreifung<br />

durch die Nationalsozialisten seinem bedürfnis, <strong>der</strong><br />

eigenen inneren stimme und seiner künstlerischen<br />

Überzeugung zu folgen, treu und sah sich einem<br />

wachsenden gewissenskonflikt ausgesetzt. Das nationalsozialistische<br />

Terrorregime erwartete von hindemith,<br />

dass er sich als Künstler in die Dienste des<br />

von goebbels gefor<strong>der</strong>ten „wahren Deutschtums“<br />

stellte, <strong>an</strong> propag<strong>an</strong>dakonzerten teilnahm und seine<br />

Tonsprache totalitären <strong>an</strong>for<strong>der</strong>ungen <strong>an</strong>passte. als<br />

renommiertem vertreter <strong>der</strong> neuen deutschen musik<br />

überfor<strong>der</strong>te ihn aber auch die auffor<strong>der</strong>ung, gegen<br />

die Nationalsozialisten öffentlich stellung zu beziehen<br />

und auf die verheerenden menschenrechtsverletzungen<br />

in seiner heimat hinzuweisen.<br />

äußerste zurückhaltung von persönlichen und politischen<br />

bekenntnissen im öffentlichen Leben blieb<br />

für hindemith zeitlebens charakteristisch, ebenso<br />

ungern lieferte er <strong>an</strong>alysen seiner Werke. er wisse<br />

nicht, meinte hindemith, wie er in wenigen Worten<br />

ein musikstück erklären solle: „Ich schreibe lieber<br />

ein neues in <strong>der</strong> zeit.“ hindemith glaubte <strong>an</strong> die<br />

Trennung von ästhetik und politik. er hoffte auf entsp<strong>an</strong>nung,<br />

dachte, dass <strong>der</strong> braune spuk bald sein<br />

ende finden würde, und irrte sich. seine Werke wurden<br />

als kulturbolschewistisch eingestuft und großteils<br />

verboten, Konzerte und engagements abgesagt.<br />

In künstlerischer hinsicht konnte hindemith aber<br />

keine Kompromisse machen. er ließ sich nicht zum<br />

bittsteller degradieren und sah seine aufgabe einzig<br />

darin, „möglichst gute musik zu komponieren“.<br />

seine oper Mathis <strong>der</strong> Maler wurde zu hindemiths<br />

hauptwerk dieser zeit und spiegelt seinen zentralen<br />

Konflikt wi<strong>der</strong>. Die Frage nach <strong>der</strong> politischen<br />

ver<strong>an</strong>twortung des Künstlers in einer gesellschaft,<br />

die immer auch unfreie züge enthält, hat hindemith<br />

tief bewegt und nachhaltig beschäftigt. Die<br />

ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> musik <strong>der</strong> renaiss<strong>an</strong>ce<br />

und des barock hatte großen einfluss auf seinen<br />

kompositorischen Werdeg<strong>an</strong>g. als früher pionier<br />

forcierte hindemith die historische aufführungspraxis.<br />

In <strong>der</strong> epoche <strong>der</strong> renaiss<strong>an</strong>ce f<strong>an</strong>d <strong>der</strong> Komponist<br />

auch seine hauptfigur für Mathis <strong>der</strong> Maler,<br />

in dem in <strong>der</strong> gegenwart als matthias grünewald<br />

bezeichneten schöpfer des Isenheimer altars für<br />

die Klosterkirche <strong>der</strong> <strong>an</strong>toniter in Isenheim im elsaß,<br />

Das Neue operNhaus<br />

<strong>der</strong> heute in Colmar ausgestellt „Tod und Jammer müssen<br />

ist. Die Lebensdaten des „ma- die Ärmsten leiden, damit<br />

thys grune von Isenach bildesnit- die Reichen reicher werden.“<br />

zer“ sind nur spärlich überliefert. Mathis <strong>der</strong> Maler<br />

hindemith hat sich mit dem<br />

schöpfer eines <strong>der</strong> hauptwerke <strong>der</strong> deutschen malerei<br />

intensiv beschäftigt. In größtenteils fiktiven,<br />

von hindemith selbst erdachten Lebensepisoden<br />

des malers mathis verh<strong>an</strong>delt er die Frage nach<br />

<strong>der</strong> position von Künstlern in <strong>der</strong> gesellschaft.<br />

mathis arbeitet in den zeiten <strong>der</strong> bauernkriege für<br />

den scheinbar toler<strong>an</strong>ten bischof von mainz, während<br />

seine Freunde auf seiten <strong>der</strong> reformation gegen<br />

den katholischen L<strong>an</strong>desherren kämpfen. mathis<br />

entsagt sich <strong>der</strong> Kunst, stellt sich auf die seite <strong>der</strong><br />

Freiheitskämpfer und muss erkennen, dass er seinen<br />

schöpferischen Dr<strong>an</strong>g nicht unterdrücken k<strong>an</strong>n.<br />

Im sechsten von sieben bil<strong>der</strong>n <strong>der</strong> oper verw<strong>an</strong>delt<br />

sich mathis in einer qualvollen Traumvision<br />

in den heiligen <strong>an</strong>tonius, ein motiv des Isenheimer<br />

altars, und wird von allegorischen Figuren in<br />

versuchung geführt. mathis besinnt sich seiner eigentlichen,<br />

schöpferischen aufgabe und erschafft die<br />

bil<strong>der</strong> seines meisterwerkes. sein altar wird ewig<br />

von ihm zeugen und mathis bricht befreit auf zu<br />

seinem letzten Weg: „Leicht will ich die schwelle<br />

übertreten.“<br />

Im Frühjahr 1934 wurden drei vorweg entst<strong>an</strong>dene<br />

symphonische sätze von Wilhelm Furtwängler<br />

und den berliner philharmonikern als Mathis-Symphonie<br />

mit großem erfolg uraufgeführt. Im selben<br />

Jahr diffamierte ihn Joseph goebbels als „atonalen<br />

geräuschmacher“ und 1938 verließ hindemith sein<br />

heimatl<strong>an</strong>d. am 18. april 1938 wurde Mathis <strong>der</strong><br />

Maler in zürich uraufgeführt. Der finale abschied von<br />

mathis, <strong>der</strong> sein Leben hinter sich lässt, war von<br />

<strong>der</strong> zeitgeschichte eingeholt worden, die oper wurde<br />

zu einem zeitpunkt gespielt, <strong>an</strong> dem die Kultur vor<br />

einer übermächtigen, gewalttätigen gegenwart kapitulieren<br />

musste. 1940 übersiedelte hindemith in die<br />

vereinigten staaten und unterrichtete ab 1941 <strong>an</strong><br />

<strong>der</strong> universität von Yale. ein Jahr nach dem Krieg<br />

erhielt <strong>der</strong> vertriebene deutsche Komponist die usamerik<strong>an</strong>ische<br />

staatsbürgerschaft, ehe er sich 1953<br />

endgültig in blonay in <strong>der</strong> fr<strong>an</strong>zösischsprachigen<br />

schweiz bis zu seinem Tod 1963 nie<strong>der</strong>ließ. #<br />

sTagIoNe <strong>#2</strong> | 9


10<br />

oper Im Dezember<br />

Je<strong>der</strong> kleine Beitrag<br />

bühnenbildner Joh<strong>an</strong> engels im gespräch über visuelle<br />

gestaltung und politische ver<strong>an</strong>twortung<br />

„ohnmächtig starre ich dem unterg<strong>an</strong>g entgegen“,<br />

reflektiert <strong>der</strong> maler matthias grünewald, ehe er<br />

sich seiner eigentlichen aufgabe besinnt und frei<br />

von allen zwängen die bil<strong>der</strong> des Isenheimer altars<br />

erschafft: „Keine stunde meines W<strong>an</strong>dels vergeudete<br />

ich.“ sein Werk wird ewig von ihm zeugen und<br />

mathis bricht befreit auf zu seinem letzten Weg.<br />

paul hindemith reflektiert in seiner in <strong>der</strong> zeit <strong>der</strong><br />

reformation und <strong>der</strong> bauernkriege <strong>an</strong>gesiedelten<br />

oper Mathis <strong>der</strong> Maler die position des Künstlers<br />

in <strong>der</strong> gesellschaft und dass die suche nach Wahrheit<br />

eine aufgabe schöpferischer Kraft ist. bedroht<br />

und verboten von <strong>der</strong> kriminellen Kulturpolitik seiner<br />

heimat schil<strong>der</strong>t hindemith die existenziellen Nöte<br />

eines Künstlers, <strong>der</strong> zwischen seinen auftraggebern<br />

und den erwartungen seines privaten umfeldes zerrissen<br />

ist. Die visuelle umsetzung <strong>der</strong> kräftigen bil<strong>der</strong><br />

von hindemiths oper realisiert <strong>der</strong> aus südafrika<br />

stammende bühnenbildner Joh<strong>an</strong> engels.<br />

In Opern sind wie in allen darstellenden Kunstformen<br />

natürlich in <strong>der</strong> Regel Figuren die h<strong>an</strong>delnden Charaktere,<br />

seien es Menschen, Götter, Tiere o<strong>der</strong> mystische<br />

und f<strong>an</strong>tastische Wesen. Ist in mathis <strong>der</strong> maler<br />

nicht ein Bild o<strong>der</strong> allgemein formuliert ein Kunstwerk<br />

von gleicher Bedeutung, und welchen Einfluss hat diese<br />

außergewöhnliche Situation auf Ihre Arbeit als bilden<strong>der</strong><br />

Künstler?<br />

Wir haben uns dafür entschieden, dass das gesamte<br />

Leben von matthias grünewald eine <strong>an</strong>sammlung<br />

von erfahrungen darstellt, die es ihm letztlich ermöglicht,<br />

ein Kunstwerk wie den Isenheimer altar zu<br />

erschaffen. es ist eine schwierige aufgabe, sich mit<br />

einem zweidimensionalen gemälde auf einer bühne<br />

zu beschäftigen, und wir haben daher entschieden,<br />

eine dreidimensionale statue des gemalten Christus<br />

auf <strong>der</strong> bühne zu platzieren, um den sich das gesamte<br />

Leben das matthias dreht.<br />

Wir können uns heute den ursprünglichen Aufstellungsort<br />

des Isenheimer Altars nur mehr vorstellen, das<br />

Antoniterkloster in Isenheim im Elsaß existiert nicht<br />

mehr. Sie entwerfen den Raum auf <strong>der</strong> Bühne für mathis<br />

<strong>der</strong> maler, was hat Ihre Vorstellungskraft inspiriert?<br />

eine <strong>an</strong>näherung <strong>an</strong> den ursprünglichen raum in<br />

Isenheim wurde zwar von historikern virtuell rekonstruiert,<br />

aber für uns war <strong>der</strong> entscheidende raum,<br />

in dem matthias seine erfahrungen sammelt und<br />

schöpferisch tätig ist, seine eigene künstlerische<br />

Werkstatt, <strong>an</strong>gefüllt mit objekten, die seine Kunst<br />

inspirieren und seine erinnerungen wecken. Das ist<br />

die Welt, die auch unser bühnenbild inspiriert hat.<br />

In den drei Sätzen <strong>der</strong> mathis-symphonie verarbeitet<br />

Hindemith drei Motive des Isenheimer Altars,<br />

Engelskonzert, Grablegung und Versuchung des Heiligen<br />

Antonius. Haben diese drei Bil<strong>der</strong> einen Einfluss<br />

auf Ihre visuelle Annäherung <strong>an</strong> die Oper<br />

geübt?<br />

alle diese drei motive beh<strong>an</strong>delt hindemith beson<strong>der</strong>s<br />

im vorletzten und sechsten bild <strong>der</strong> oper. In<br />

diesen szenen arbeiten wir mit <strong>der</strong> Christus-Figur<br />

und nähern uns beinahe einem hieronymus boschgemälde.<br />

Die einzelnen Teile sollen die alptraum-<br />

haften bil<strong>der</strong> erzeugen, die wir für dieses unglaubliche<br />

und traumartige bild benötigen.<br />

Der Isenheimer Altar ist ein W<strong>an</strong>delaltar, <strong>der</strong> mit zwei<br />

Flügeln drei Schauseiten ermöglicht. Je nach entsprechen<strong>der</strong><br />

Liturgie des Kirchenjahres zeigt o<strong>der</strong> verbirgt<br />

er seine Bil<strong>der</strong> und Geheimnisse. Eignet sich diese<br />

w<strong>an</strong>delbare Konfiguration auch für die Bühne?<br />

Nein, wir haben von einer zu wörtlichen Interpretation<br />

des altars lieber abst<strong>an</strong>d genommen. seine<br />

vielen bil<strong>der</strong> und Facetten waren zwar eine große<br />

Inspiration für unsere bildsprache, m<strong>an</strong>chmal weisen<br />

wir darauf hin und m<strong>an</strong>chmal zitieren wir sie<br />

auch direkter, aber wir haben uns um einen theatralischeren<br />

Weg bemüht.<br />

Die visuelle Gestaltung einer Opernaufführung liegt<br />

in den Händen des Regisseurs und <strong>der</strong> Ausstattung.<br />

Wie würden Sie den gemeinsamen Ansatz von Ihnen<br />

und Regisseur Keith Warner für die darstellende Umsetzung<br />

von mathis <strong>der</strong> maler beschreiben?<br />

Die arbeit reift l<strong>an</strong>gsam in uns her<strong>an</strong>, bis wir bemerken,<br />

dass sie uns mitten ins gesicht getroffen<br />

hat. Keith Warner, Kostümbildnerin emma ryott<br />

und ich haben bei unserem ersten Treffen die jeweiligen<br />

<strong>an</strong>sätze auf den Tisch gelegt und irgendwie<br />

ist daraus d<strong>an</strong>n ein gemeinsames Konzept


entst<strong>an</strong>den, das im weiteren verlauf vorgeschrieben<br />

hat, wie wir die geschichte auf <strong>der</strong> bühne erzählen<br />

wollen. Ich mag diesen prozess, bei dem m<strong>an</strong> am<br />

ende nicht mehr sagen k<strong>an</strong>n, w<strong>an</strong>n eine Idee verworfen<br />

und w<strong>an</strong>n eine <strong>an</strong><strong>der</strong>e Idee geboren wurde.<br />

Der Isenheimer Altar ist ein Kunstwerk <strong>der</strong> Renaiss<strong>an</strong>ce,<br />

aber als vom Nazi-Regime verbotener<br />

Komponist hat Hindemith in mathis <strong>der</strong> maler<br />

auch seine eigenen Erfahrungen mit künstlerischem<br />

Kampf und gesellschaftlicher Zerrissenheit verarbeitet.<br />

Wie viel politische Ver<strong>an</strong>twortung tragen Künstler<br />

Ihrer Meinung nach?<br />

Ich bin als weißer südafrik<strong>an</strong>er in einem apartheidregime<br />

aufgewachsen. Das ist meine eigene herkunft.<br />

In südafrika war es das Dilemma für jeden<br />

weißen einwohner, sich selbst zu hinterfragen, was<br />

m<strong>an</strong> get<strong>an</strong> hat. ob m<strong>an</strong> dieses teuflische system<br />

entwe<strong>der</strong> unterstützt hat o<strong>der</strong> ob m<strong>an</strong> sich wi<strong>der</strong>setzen<br />

konnte. Jahrel<strong>an</strong>g wurde ich, wie alle weißen<br />

Kin<strong>der</strong> meines L<strong>an</strong>des, von unserer art zu leben<br />

einer hirnwäsche unterzogen. als meine Fragen<br />

und zweifel aber nicht mehr länger befriedigend<br />

be<strong>an</strong>twortet werden konnten, bin ich dem multikulturellen<br />

market Theatre in Joh<strong>an</strong>nesburg beigetreten,<br />

um für mich selbst <strong>an</strong>tworten zu finden. Ich<br />

bin kein politischer aktivist, aber ich habe hoffentlich<br />

wie mathis <strong>der</strong> maler verst<strong>an</strong>den, dass auch<br />

mein kleiner beitrag als artist against apartheid<br />

und unsere gemeinsamen <strong>an</strong>strengungen diesen<br />

Tsunami erzeugen würden, <strong>der</strong> schließlich die<br />

apartheid wegschwemmen konnte.<br />

Matthias Grünewald: Der Gekreuzigte.<br />

Isenheimer Altar, erste Schauseite,<br />

Kreuzigungstafel, circa 1506 -1515<br />

MAThIS DeR MALeR<br />

oper in sieben bil<strong>der</strong>n (1938)<br />

Musik und Libretto von paul hindemith<br />

In deutscher sprache mit deutschen Übertiteln<br />

Musikalische Leitung bertr<strong>an</strong>d de billy<br />

Inszenierung Keith Warner<br />

Bühne Joh<strong>an</strong> engels<br />

Kostüme emma ryott<br />

Licht mark Jonath<strong>an</strong><br />

Albrecht von Br<strong>an</strong>denburg Kurt streit<br />

Mathis Wolfg<strong>an</strong>g Koch<br />

Lorenz von Pommersfelden martin snell<br />

Wolfg<strong>an</strong>g Capito Charles reid<br />

Riedinger Fr<strong>an</strong>z grundheber<br />

H<strong>an</strong>s Schwalb raymond very<br />

Sylvester von Schaumberg oliver ringelhahn<br />

Ursula heidi brunner<br />

Regina Katerina Tretyakova<br />

Gräfin Helfenstein magdalena <strong>an</strong>na hofm<strong>an</strong>n<br />

Der Pfeifer des Grafen <strong>an</strong>drew owens<br />

Truchseß von Waldburg ben Connor<br />

<strong>Wien</strong>er symphoniker<br />

slowakischer philharmonischer Chor<br />

(Ltg. bl<strong>an</strong>ka Juhaňáková)<br />

Neuproduktion des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong><br />

premIere:<br />

Mittwoch, 12. Dezember 2012, 19.00 Uhr<br />

auFFÜhruNgeN:<br />

16. / 19. / 23. / 28. Dezember 2012, 19.00 Uhr<br />

eINFÜhruNgsmaTINee:<br />

Sonntag, 9. Dezember 2012, 11.00 Uhr<br />

sTagIoNe <strong>#2</strong> | 11


Mein Vater war<br />

Schrebergärtner.<br />

So einer, <strong>der</strong> alles im rechten Winkel<br />

<strong>an</strong>pfl<strong>an</strong>zte, die Blumensamen alphabetisch<br />

ordnete und dauernd auf Gärtnerei-Messen<br />

ging. Ein richtiger Nerd. Das f<strong>an</strong>d ich immer<br />

wahnsinnig <strong>an</strong>strengend. Und ich? Ich<br />

bin leidenschaftlicher Fotograf geworden.<br />

Ich gebe meinen Kameras Kosenamen.<br />

Muss ich mehr sagen?<br />

Um zu verstehen, muss m<strong>an</strong> zuhören.<br />

Lebenssituationen sind vielfältig, unsere Lösungen auch.<br />

Unter den Flügeln des Löwen.<br />

www.generali.at/menschen


oper KoNzerTaNT<br />

Furchterregend und wun<strong>der</strong>voll<br />

Joyce DiDonato singt königliche arien aus barocken opern<br />

einer <strong>der</strong> hauptgründe, warum Joyce DiDonato oper<br />

liebe, sei, dass das genre den größten gefühlen und<br />

tiefsten empfindungen ein podium biete. „Die Charaktere<br />

in <strong>der</strong> oper sind größer als das alltägliche Leben.“<br />

In <strong>der</strong> barocken oper seien die Themen kunstvoll stilisiert<br />

und die geschichten beson<strong>der</strong>s ausgefallen. „In<br />

dieser dramatischen Welt sind die Frauen mächtig und<br />

stark, sinnlich, verletzlich und zerbrechlich. sie sind<br />

alles, was eine gleichzeitig furchterregende und wun<strong>der</strong>volle<br />

Frau ausmacht.“<br />

Die us-amerik<strong>an</strong>ische mezzosopr<strong>an</strong>istin hat für ihr aktuelles<br />

album Drama Queens unter <strong>der</strong> musikalischen Leitung<br />

von al<strong>an</strong> Curtis und seinem ensemble Il complesso<br />

barocco eine reise in die Welt barocker Frauenfiguren<br />

unternommen. DiDonato war von den starken Frauen<br />

begeistert, die sie in den Werken <strong>der</strong> barocken Kom-<br />

Joyce DiDonato<br />

ponisten finden konnte. Ihr wurde klar, dass sie die partien<br />

<strong>der</strong> Königinnen singen möchte, vor allem wegen des<br />

faszinierenden zwiespalts zwischen <strong>der</strong> stärke und <strong>der</strong><br />

verwundbarkeit dieser Frauen, denn im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

waren weibliche Figuren in ernsten opern keine demütigen<br />

opfer, son<strong>der</strong>n kämpften machtbewusst und klug<br />

um Thron sowie Liebe und durchlebten von tiefer Trauer<br />

bis zu höchstem glück alle spielformen <strong>der</strong> gefühle.<br />

psychogramm <strong>der</strong> persönlichkeit<br />

Keine Königin <strong>der</strong> Weltgeschichte ist legendenumwobener<br />

als die historische gestalt <strong>der</strong> Kleopatra, die mit 18<br />

Jahren zur Königin von ägypten ern<strong>an</strong>nt wurde. Kaum<br />

ein stück <strong>der</strong> operngeschichte verströmt in gleichem<br />

maße des gefühl <strong>der</strong> Trauer wie die arie <strong>der</strong> Cleopatra<br />

„pi<strong>an</strong>gerò la sorte mia“ aus Giulio Cesare in Egitto von<br />

georg Friedrich händel, bis heute eines <strong>der</strong> meistgespielten<br />

Dramen <strong>der</strong> operngeschichte. Cleopatra befindet<br />

sich in einer ausweglosen situation. sie glaubt ihren geliebten<br />

und unterstützer Cäsar tot, und ihr bru<strong>der</strong> und<br />

gegenspieler Tolomeo hat sie in den Kerker geworfen.<br />

We<strong>der</strong> Liebe noch <strong>der</strong> Thron ägyptens scheinen für<br />

Cleopatra realistisch, die verzweifelt ausruft: „Ich werde<br />

mein schicksal beweinen, sol<strong>an</strong>ge ich Leben in<br />

mir verspüre.“ Das psychogramm einer persönlichkeit,<br />

die in den Worten <strong>der</strong> händelforscherin silke Leopold<br />

in verzweiflung unterzugehen droht, bezeichnete <strong>der</strong><br />

händelforscher Winton De<strong>an</strong> schlicht als „stroke of a<br />

genius“. Joyce DiDonato hat diese arie <strong>der</strong> Traumfrau<br />

<strong>der</strong> <strong>an</strong>tike, die von ihren zeitgenossen als göttin verehrt<br />

und als hure verschmäht wurde, neben <strong>an</strong><strong>der</strong>en in<br />

ihrer sammlung von affekten barocker Drama Queens<br />

verewigt. Für Cleopatra endet das Drama bei händel<br />

gut. Der lästige bru<strong>der</strong> wird erstochen, und Cäsar überreicht<br />

ihr zepter und Krone ägyptens. #<br />

DRAMA QUeeNS<br />

Mezzosopr<strong>an</strong> Joyce DiDonato<br />

Musikalische Leitung & Konzertmeister<br />

Il complesso barocco<br />

Dmitry sinkovsky<br />

Sonntag, 11. November 2012, 19.00 Uhr<br />

iMPReSSUM:<br />

<strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> – Intend<strong>an</strong>t DI rol<strong>an</strong>d geyer | medieninhaber/herausgeber: vereinigte bühnen <strong>Wien</strong> ges.m.b.h. | generaldirektor mag. Thomas Drozda<br />

ein unternehmen <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> holding | <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>, Linke <strong>Wien</strong>zeile 6, 1060 <strong>Wien</strong> | Tel. (+43/1) 588 30-660 | oper@theater-wien.at | www.theater-wien.at<br />

Für den Inhalt ver<strong>an</strong>twortlich: Intend<strong>an</strong>t DI rol<strong>an</strong>d geyer | redaktion: Joh<strong>an</strong>nes penninger | gastautor: h<strong>an</strong>s-Jürgen von bose<br />

<strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>-Team: Karin bohnert, <strong>an</strong>drea br<strong>an</strong>dner, sylvia hödl, sabine seisenbacher, Claudia stobrawa, philipp Wagner, Ksenija zadravec | marketing & produktion: Tina osterauer | grafik/art Direction: <strong>an</strong>na graf<br />

redaktionsschluss: 25. oktober 2012 | herstellung: Nie<strong>der</strong>österreichisches pressehaus, Druck- und verlagsgesellschaft m.b.h., 3100 st. pölten, gutenbergstraße 12 | än<strong>der</strong>ungen und Irrtümer vorbehalten | Dvr 0518751<br />

Das Neue operNhaus<br />

BiLdnachweiS:<br />

Coversujet © beyond / michael huber . thomas riegler (grafik: thomas riegler) // s. 5 Torsten Fischer © barbara braun // s. 7 aless<strong>an</strong>dro De marchi © hastenteufel // s. 8 matthias grünewald: Die peinigung des heiligen <strong>an</strong>tonius. Isenheimer altar,<br />

dritte schauseite, rechter Flügel (ca. 1506-1515). musée d’unterlinden, Colmar. // s. 10-11 matthias grünewald: Die Kreuzigung. Isenheimer altar, erste schauseite, Kreuzigungstafel (ca. 1506-1515). musée d’unterlinden, Colmar. //<br />

s. 13 Joyce DiDonato © Josef Fischnaller // s. 15 philippe Jaroussky © simon Fowler // s. 17 Fr<strong>an</strong>z marc: Die Wölfe // s. 19 Kammeroper © Werner Kmetitsch // s. 21 h<strong>an</strong>s-Jürgen von bose © privat // s. 22 <strong>an</strong>na maria sarra © Lukas beck//<br />

s. 26 Çi˘gdem soyarsl<strong>an</strong> © Tom benz-hauke / rupert enticknap © Jack bev<strong>an</strong> / Igor bak<strong>an</strong> © Wilfried hösl / ben Connor © sonia <strong>an</strong>filoff / <strong>an</strong>drew owens © Wilfried hösl //<br />

sTagIoNe <strong>#2</strong> | 13


14<br />

www.sbausparkasse.at<br />

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Nähere Informationen erhalten Sie bei Ihrem Ich-Du-Er-Sie-Es Berater sowie in je<strong>der</strong> Erste B<strong>an</strong>k, Sparkasse und<br />

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Weil Sicherheit<br />

<strong>der</strong> größte Gewinn ist.


oper KoNzerTaNT<br />

<strong>der</strong> dichtung<br />

ein Freund<br />

philippe Jaroussky singt die Titelrolle in<br />

Leonardo vincis letzter oper Artaserse<br />

Der junge artaserse, nach <strong>der</strong> historischen Figur des<br />

persischen großkönigs artaxerxes I., <strong>der</strong> im 5. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

vor Christus gelebt hat, ist seit <strong>der</strong> ermordung seines<br />

vaters serse auf sich allein gestellt. Die Intrigen artab<strong>an</strong>os,<br />

des einstigen beraters seines vaters, stürzen<br />

den jungen herrscher in eine regierungskrise. artab<strong>an</strong>o<br />

gesteht seinem sohn arbace, König serse getötet zu haben.<br />

Der Thronfolger artaserse soll gestürzt werden, um<br />

arbace <strong>an</strong> die macht zu bringen. Doch arbace ist seit<br />

seiner Kindheit mit artaserse befreundet und in dessen<br />

schwester m<strong>an</strong>d<strong>an</strong>e verliebt. In all den wi<strong>der</strong>sprüchlichen<br />

emotionen und listenreichen Intrigen verhilft die<br />

güte schließlich, artaserse die obersten Tugenden eines<br />

absolutistisch regierenden, aber aufgeklärten herrschers<br />

g<strong>an</strong>z im sinn des höfisch regierten europas zu erreichen.<br />

pietro metastasio n<strong>an</strong>nte das Libretto zu Artaserse „das<br />

glücklichste seiner Kin<strong>der</strong>“. sein Textbuch wurde im<br />

18. Jahrhun<strong>der</strong>t mehr als 40 mal vertont, schätzungen<br />

sprechen sogar von bis zu 100 vertonungen und<br />

adaptionen. Artaserse ist eines <strong>der</strong> erfolgreichsten Libretti<br />

<strong>der</strong> operngeschichte und heute nahezu unbek<strong>an</strong>nt.<br />

Der in Neapel und rom wirkende Leonardo vinci war<br />

<strong>der</strong> von metastasio bevorzugte Komponist, <strong>der</strong> zumindest<br />

sechs von dessen Dramen vertonte. Der englische<br />

musikreisende Charles burney schrieb über vinci, er<br />

habe als erster opernkomponist „durch seine musik <strong>der</strong><br />

Dichtung als Freund seine reverenz“ erwiesen, indem<br />

er die melodie vereinfacht und den vokalpart von übertriebenen<br />

spitzfindigkeiten befreit habe.<br />

Gebot des papstes<br />

Die premiere am 4. Februar 1730 im Teatro delle Dame<br />

in rom st<strong>an</strong>d unter dem kirchlichen verbot, <strong>der</strong> Frauen<br />

den auftritt auf <strong>der</strong> bühne untersagte. vinci komponierte<br />

alle partien für männerstimmen und sämtliche<br />

Frauenrollen wurden von Kastraten gesungen. Artaserse<br />

blieb vincis letzte oper. er verstarb noch im Frühling im<br />

Jahr <strong>der</strong> uraufführung und soll einer Überlieferung nach<br />

vergiftet worden sein. Noch im selben Jahr wurde die<br />

erfolgreiche vertonung des beliebten stoffes in <strong>Wien</strong>,<br />

Florenz und Neapel aufgeführt.<br />

unter <strong>der</strong> musikalischen Leitung von Diego Fasolis wird<br />

die vom rigiden gesetz roms vorgeschriebene besetzung<br />

beibehalten. Die partien sind mit fünf Countertenören<br />

ARTASeRSe<br />

Dramma per musica (1730)<br />

Musik von Leonardo Vinci (1690-1730)<br />

Libretto von pietro Metastasio<br />

Konzert<strong>an</strong>te aufführung in italienischer sprache<br />

Musikalische Leitung Diego Fasolis<br />

Artaserse philippe Jaroussky<br />

M<strong>an</strong>d<strong>an</strong>e max em<strong>an</strong>uel Cenčić<br />

Artab<strong>an</strong>o D<strong>an</strong>iel behle<br />

Arbace Fr<strong>an</strong>co Fagioli<br />

Semira valer barna-sabadus<br />

Megabise Yuriy mynenko<br />

Concerto Köln<br />

Dienstag, 20. November 2012, 19.00 Uhr<br />

Philippe Jaroussky<br />

und dem Tenor D<strong>an</strong>iel behle für die rolle des intrig<strong>an</strong>ten<br />

artab<strong>an</strong>o besetzt, um das Kl<strong>an</strong>gbild vincis zu bewahren.<br />

philippe Jaroussky singt die Titelrolle. max em<strong>an</strong>uel<br />

Cenčić, <strong>der</strong> mit dem schweizer Dirigenten Fasolis Ideengeber<br />

für die Wie<strong>der</strong>entdeckung und die historisch korrekte<br />

Interpretation war, singt die rolle <strong>der</strong> Königstochter<br />

m<strong>an</strong>d<strong>an</strong>e. #<br />

Das Neue operNhaus<br />

sTagIoNe <strong>#2</strong> | 15


16<br />

oper KoNzerTaNT<br />

was ist das herz des Menschen<br />

gaet<strong>an</strong>o pugn<strong>an</strong>is vertonung von Die Leiden des jungen Werthers<br />

„Was ist <strong>der</strong> mensch, <strong>der</strong> gepriesene halbgott!“, fragt<br />

sich <strong>der</strong> junge rechtspraktik<strong>an</strong>t Werther <strong>an</strong>gesichts seiner<br />

unglücklichen Liebe zur schönen Lotte. „erm<strong>an</strong>geln<br />

ihm nicht eben da die Kräfte, wo er sie am nötigsten<br />

braucht?“ um Lottes ehre nicht zu kompromittieren und<br />

ihre ehe nicht zu zerstören, entschließt sich <strong>der</strong> verzweifelte<br />

zum finalen schritt: „es ist beschlossen, Lotte, ich<br />

will sterben.“ ein „medikus“ findet Werther. Über dem<br />

rechten auge hatte er sich durch den Kopf geschossen,<br />

das gehirn war herausgetrieben. Nächtens wird Werther<br />

begraben. Kein geistlicher hat den selbstmör<strong>der</strong> begleitet.<br />

Der briefrom<strong>an</strong> des jungen Joh<strong>an</strong>n Wolfg<strong>an</strong>g von goethe,<br />

ein hauptwerk des sturm und Dr<strong>an</strong>g, entzündete<br />

einen literarischen Flächenbr<strong>an</strong>d und machte den autor<br />

in g<strong>an</strong>z europa bek<strong>an</strong>nt. In Italien vertonte gaet<strong>an</strong>o<br />

pugn<strong>an</strong>i, berühmter Komponist und violinist in seiner<br />

epoche, den rom<strong>an</strong> als melodram auf Italienisch. goethe,<br />

zur zeit <strong>der</strong> Komposition auf reisen in Italien, ist<br />

pugn<strong>an</strong>i nie begegnet und hat auch später nichts von<br />

dieser vertonung erfahren. pugn<strong>an</strong>is musik entwickelt sich<br />

unmittelbar aus den im brieftext geschil<strong>der</strong>ten emotionen.<br />

In <strong>der</strong> aufführung durch die Camerata salzburg<br />

unter <strong>der</strong> musikalischen Leitung von michael hofstetter<br />

wird ulrich reinthaller die entsprechenden passagen des<br />

deutschen Textes von goethe rezitieren. #<br />

WeRTheR<br />

melodram (1796)<br />

Musik und Libretto von Gaet<strong>an</strong>o pugn<strong>an</strong>i (1731-1798)<br />

nach Die Leiden des jungen Werthers<br />

von Joh<strong>an</strong>n Wolfg<strong>an</strong>g von Goethe<br />

Musikalische Leitung michael hofstetter<br />

Rezitation<br />

Camerata salzburg<br />

ulrich reinthaller<br />

Samstag, 15. Dezember 2012, 19.30 Uhr<br />

Schenken Sie<br />

doppelte Freude<br />

zu Weihnachten!<br />

1 GUTSCheIN für<br />

2 OpeRNhäUSeR<br />

mit den Gutscheinen des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> schenken sie Familie und<br />

Freunden musiktheater-vielfalt auf höchstem künstlerischen Niveau.<br />

Die gutscheine sind für alle eigenproduktionen des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong><br />

sowie alle vorstellungen des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> in <strong>der</strong> Kammeroper gültig!<br />

erhältlich in unserem Webshop unter www.theater-wien.at,<br />

telefonisch unter 01/58885<br />

o<strong>der</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> Tageskasse des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>,<br />

Linke <strong>Wien</strong>zeile 6, 1060 <strong>Wien</strong> (mo-sa 10-19 uhr).


KoNzerT<br />

Musica zoologica<br />

schildkröten t<strong>an</strong>zen, enten quaken und ein Wolf bittet um gnade in <strong>der</strong> Musik <strong>der</strong> Tiere<br />

ungebrochen und uralt sind Faszination und Furcht des<br />

menschen vor dem Wolf. In sagen und märchen sorgt<br />

er für <strong>an</strong>gst und schau<strong>der</strong>n, in mythologie und religion<br />

wird er als Totem verehrt o<strong>der</strong> als grausamer räuber<br />

verteufelt. Dabei sind Wölfe hochintelligente rudeltiere<br />

mit ausgeprägtem sozialen verhalten. In Lessings geschichte<br />

in sieben Fabeln über Toler<strong>an</strong>z und vergebung<br />

fasst ein „böser Wolf“, <strong>der</strong> in die Jahre gekommen ist,<br />

„den entschluss, mit den schäfern auf einem gütlichen<br />

Fuß zu leben“. Die schäfer lehnen den vorschlag des<br />

Wolfes ab, <strong>der</strong> voll zorn entscheidet, d<strong>an</strong>n als Feind <strong>der</strong><br />

schäfer zu sterben. „er lief, brach in die Wohnungen <strong>der</strong><br />

schäfer ein, riss ihre Kin<strong>der</strong> nie<strong>der</strong> und ward nicht ohne<br />

große mühe von den schäfern erschlagen.“ Nur <strong>der</strong><br />

weiseste <strong>der</strong> schäfer erkennt, dass gnade <strong>der</strong> bessere<br />

Weg gewesen wäre: „Wir taten doch wohl unrecht, dass<br />

wir den alten räuber auf das äußerste brachten und<br />

ihm alle mittel zur besserung, so spät und erzwungen<br />

sie auch war, benahmen!“<br />

Im berühmten musikalischen märchen Peter und <strong>der</strong><br />

Wolf von sergej prokofjew wird <strong>der</strong> Wolf zwar nicht erschlagen,<br />

son<strong>der</strong>n von peter vor den Jägern gerettet,<br />

aber im abschließenden Triumphzug sicherheitshalber<br />

doch lieber in den zoo geführt. es entst<strong>an</strong>d 1936, <strong>an</strong>geregt<br />

von <strong>der</strong> künstlerischen Leiterin des moskauer<br />

zentralen Kin<strong>der</strong>theaters, um Kin<strong>der</strong> mit den Instrumenten<br />

des sinfonieorchesters vertraut zu machen.<br />

Die s<strong>an</strong>fte geige verkörpert peter, pauke und Trommel<br />

geben gewehrschüsse ab und drei hörner spielen den<br />

großen, grauen Wolf.<br />

einen kleinen zoo vertonte Camille saint-saëns während<br />

eines Österreich-aufenthaltes in <strong>der</strong> suite für zwei<br />

Klaviere und kleines orchester Karneval <strong>der</strong> Tiere, die<br />

<strong>der</strong> Komponist für ein Faschingsfest unter Freunden<br />

komponiert hat. gleich zu beginn marschiert <strong>der</strong><br />

eitle Löwe, eine schildkröte versucht den C<strong>an</strong>-C<strong>an</strong> von<br />

offenbach zu t<strong>an</strong>zen und ein elef<strong>an</strong>t zertrampelt<br />

hector berlioz’ melodien. Die geigen brüllen wie die<br />

esel „I-aaah“, das Xylophon klappert als versteinerte<br />

Fossilien eine rossini-arie und unter den zoobewohnern<br />

findet sich auch die seltsame gattung „pi<strong>an</strong>isten“.<br />

saint-saëns wollte mit seinem musikalischen Faschingsscherz<br />

Freunden eine Freude bereiten und niem<strong>an</strong>den<br />

verärgern. Dazu fürchtete er um seinen guten ruf und<br />

hat deshalb die suite nach rein privaten, aber außer-<br />

ordentlich erfolgreichen vorstellungen mit einem aufführungsverbot<br />

belegt und zu seinem posthumen oeuvre<br />

erklärt. sein heute bek<strong>an</strong>ntestes Werk wurde zu seinen<br />

Lebzeiten nie öffentlich aufgeführt. #<br />

MUSIK DeR TIeRe<br />

Rezitation birgit minichmayr<br />

Klavier magda amara, stef<strong>an</strong> vladar<br />

<strong>Wien</strong>er virtuosen<br />

Gotthold ephraim Lessing (1729-1781)<br />

Die Geschichte des alten Wolfs<br />

Sergej prokofjew (1891-1953)<br />

Peter und <strong>der</strong> Wolf<br />

Richard Strauss (1864-1949)<br />

Fr<strong>an</strong>z hasenöhrl (1885-1970)<br />

Till Eulenspiegel einmal <strong>an</strong><strong>der</strong>s !<br />

Camille Saint-Saëns (1835-1921)<br />

Karneval <strong>der</strong> Tiere<br />

Dienstag, 18. Dezember 2012, 19.30 Uhr<br />

sTagIoNe <strong>#2</strong> | 17


Bild Fazil Say © Marco Borggreve, Bild Simone Young © Bertold Fabricius<br />

21. 12.<br />

FREITAG, 19.30 UHR<br />

MUSIKVEREIN WIEN<br />

GROSSER SAAL<br />

SIMONE YOUNG<br />

„Weihnachtskonzert“<br />

Wolfg<strong>an</strong>g Amadeus Mozart: Klavierkonzert A-Dur KV 488<br />

Anton Bruckner: Symphonie Nr. 3 d-moll „Wagner-Symphonie“<br />

(1. Fassung 1873)<br />

JETZT<br />

TICKETS<br />

BUCHEN!<br />

T +43 (0)1/58979-51 W wienersymphoniker.at/tickets


sILvesTer<br />

Silber und gold<br />

zwei Konzerte zum Jahreswechsel feiern die silberne und goldene operettenära<br />

Der hutmachersohn erich oswald stroheim aus<br />

<strong>Wien</strong>-Neubau w<strong>an</strong><strong>der</strong>te nach einer gescheiterten<br />

militärlaufbahn nach hollywood aus und drehte<br />

zwischen 1918 und 1929 einige <strong>der</strong> bahnbrechenden<br />

meisterwerke des Kinos. als schauspieler<br />

wurde er in seinen schurkenrollen zum sprichwörtlichen<br />

„m<strong>an</strong>n, den m<strong>an</strong> zu hassen liebt“. als<br />

regisseur fürchteten die produzenten seinen naturalistischen<br />

blick, seine Detailbesessenheit und seinen<br />

sarkasmus. regelmäßig sprengte er Drehpläne<br />

wie budgets. Die studios mussten seine Filme kürzen,<br />

die trotz großer erfolge selten ihre Kosten <strong>an</strong><br />

den Kassen einspielen konnten. Das bild des gestrengen<br />

offiziers kultivierte stroheim, fügte seinem<br />

Namen kurzerh<strong>an</strong>d ein „von“ hinzu, erf<strong>an</strong>d<br />

eine Karriere als militäroffizier und behauptete, aus<br />

einer preussischen adelsfamilie zu stammen. von<br />

1932 bis zu seinem Tod im Jahre 1957 wurde <strong>der</strong><br />

pionier <strong>der</strong> filmischen Inszenierung, den spätere<br />

regisseure von buñuel bis renoir, von eisenstein<br />

bis Wil<strong>der</strong> verehrten, mit keiner weiteren regiearbeit<br />

betraut.<br />

mit <strong>der</strong> operette Die lustige Witwe, zu silvester<br />

1905 im <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> uraufgeführt, komponierte<br />

Fr<strong>an</strong>z Lehár ein bedeutendes Werk <strong>der</strong> silbernen<br />

operettenära, die vom Jahrhun<strong>der</strong>twechsel bis<br />

zum aufkommen <strong>der</strong> Kinos in den 1920ern dauerte.<br />

mit <strong>der</strong> einwilligung Lehárs verfilmte stroheim<br />

1925 die operette in hollywood als stummfilm.<br />

obwohl stroheim das starsystem <strong>der</strong> studios ablehnte,<br />

musste er mit <strong>der</strong> damaligen berühmtheit<br />

mae murray arbeiten. er zerstritt sich mit <strong>der</strong><br />

schauspielerin, wurde von <strong>der</strong> produktion abgezogen<br />

und erst nach protest <strong>der</strong> restlichen Crew<br />

konnte er seine gesellschaftssatirische Deutung <strong>der</strong><br />

Lehár-operette beenden. Teile des adels in europa<br />

LUSTIGe WITWe –<br />

ODYSSee<br />

stummfilm von erich von stroheim (1925)<br />

musik von maud Nelissen nach Fr<strong>an</strong>z Lehár<br />

Komposition, Klavier maud Nelissen<br />

Junges ensemble des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong><br />

<strong>Wien</strong>er Kammerorchester<br />

Montag, 31. Dezember 2012, 19.00 Uhr<br />

Das Neue operNhaus<br />

fühlten sich von stroheim entwürdigend dargestellt<br />

und Die lustige Witwe wurde in Deutschl<strong>an</strong>d, Italien<br />

und Jugoslawien verboten. Der Film wurde dennoch<br />

<strong>der</strong> größte kommerzielle erfolg erich von stroheims<br />

als regisseur, er selbst hielt das bahnbrechende<br />

Werk später schlicht und voller Koketterie für einen<br />

„schlechten Film“, den er nur gedreht hätte, weil er<br />

seine Familie ernähren müsse.<br />

Tatsächlich kreisen stroheims Werke immer wie<strong>der</strong><br />

um seine altösterreichische herkunft und zeigen<br />

eine prunksüchtige, scheinheilige Welt, die er mit<br />

bösem spott darstellt und nach <strong>der</strong> er sich doch<br />

auch leidenschaftlich zu sehnen scheint. Die originalpartitur<br />

<strong>der</strong> operettenverfilmung gilt als verschollen.<br />

Die nie<strong>der</strong>ländische Komponistin maud<br />

Nelissen hat eine neue musik für den stummfilm<br />

komponiert, die sich <strong>an</strong> die berühmten Themen<br />

von Fr<strong>an</strong>z Lehár <strong>an</strong>lehnt, aber mit rhythmen <strong>der</strong><br />

roaring Twenties die atmosphäre <strong>der</strong> entstehungszeit<br />

einfängt.<br />

Auf den Spuren von Ivica Strauß<br />

mit <strong>der</strong> uraufführung <strong>der</strong> operette Die Fle<strong>der</strong>maus<br />

von Joh<strong>an</strong>n strauß 1874 im <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong><br />

erlebte die goldene operettenära ihren höhepunkt.<br />

In einem „Neujahrskonzert <strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>en art“ stellen<br />

georg breinschmid, Tommaso huber und sebasti<strong>an</strong><br />

gürtler „die sp<strong>an</strong>nendsten Details aus dem l<strong>an</strong>gweiligen<br />

Leben“ eines bisl<strong>an</strong>g vergessenen strauß-bru<strong>der</strong>s<br />

vor. Die drei selbst ern<strong>an</strong>nten Ivica strauß-<br />

Forscher „begeben sich auf eine skurril-abenteuerliche<br />

reise durch das Leben dieses zu recht vergessenen<br />

Durchschnittsmusikers“, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> blüte seines<br />

schaffens nach montenegro verb<strong>an</strong>nt worden<br />

sei, um eine tristes Leben zwischen <strong>Wien</strong>erlied und<br />

Cevapčići zu führen. #<br />

WeR IST<br />

IVICA STRAUSS?<br />

Georg Breinschmid Kontrabass<br />

Tommaso Huber akkordeon<br />

Sebasti<strong>an</strong> Gürtler violine<br />

Montag, 31. Dezember 2012, 22.30 Uhr<br />

Das Neue operNhaus<br />

sTagIoNe <strong>#2</strong> | 19


20<br />

urauFFÜhruNg IN Der Kammeroper<br />

Bil<strong>der</strong>bogen<br />

Komponist h<strong>an</strong>s-Jürgen von bose gibt einblick in die entstehung von Verkehr mit Gespenstern<br />

seit mehr als zw<strong>an</strong>zig Jahren haben mich Texte von Fr<strong>an</strong>z<br />

Kafka nun kompositorisch beschäftigt, von plänen für eine<br />

abendfüllende, großdimensionierte oper über diverse<br />

einzelvertonungen, bis hin nun zu diesem Werk, Verkehr<br />

mit Gespenstern. ein Titel übrigens, <strong>der</strong> ein Kafkazitat,<br />

und zwar aus den briefen <strong>an</strong> Felice bauer, ist. Der<br />

untertitel des stückes lautet: „Kammer-musiktheater für<br />

vier musiker und zuspielungen“, zuspielungen, die aber<br />

– von wenigen ausgiebig sich die elektro-akustischen<br />

möglichkeiten zunutze machenden passagen beziehungsweise<br />

Nummern abgesehen – eher keine zeitumfänglich<br />

allzu große rolle spielen.<br />

entst<strong>an</strong>den ist Verkehr mit Gespenstern im Wesentlichen<br />

in <strong>der</strong> zeit von ende 2010 bis etwa mitte 2011. Da <strong>der</strong><br />

Dichter – wie er selber nie müde wurde, zu betonen –<br />

sich (außer allenfalls im Prozess) immer wie<strong>der</strong> mit dem<br />

problem <strong>der</strong> großen (rom<strong>an</strong>-)Form und ihren literarischen<br />

grundgegebenheiten auf zwar wun<strong>der</strong>bar produktive,<br />

aber letztlich doch für ihn sehr mühsame Weise herumschlug,<br />

insbeson<strong>der</strong>e mit dem problem <strong>der</strong> abschließbarkeit,<br />

endgültigkeit, also den Notwendigkeiten <strong>der</strong> klassischen<br />

gattungsgegebenheiten des rom<strong>an</strong>s <strong>an</strong> sich, habe<br />

ich persönlich immer den stärksten zug<strong>an</strong>g zu seinen<br />

weniger umf<strong>an</strong>greichen Texten, betrachtungen, fast wie<br />

Kurzszenen <strong>an</strong>gelegten skizzen gefunden, so, wie sie hier<br />

in diesem Kafka’schen „bil<strong>der</strong>bogen“ für mich gestaltbar<br />

waren. <strong>an</strong>gesichts <strong>der</strong> offensichtlich phänomenalen<br />

peTer paWLIK Im gespräCh<br />

Klarheit und Komik<br />

Der regisseur über seine Inszenierung und das Kafkaeske<br />

Kafka ging als einer von g<strong>an</strong>z wenigen Autoren als Adjektiv<br />

in die Umg<strong>an</strong>gssprache ein. Was beschreibt für Sie heute<br />

denn „kafkaesk“?<br />

Kafka schil<strong>der</strong>t situationen, die uns <strong>an</strong>dauernd passieren,<br />

die wir aber nicht wahrnehmen. Wenn wir diese situationen<br />

bei Kafka lesen, sind wir erschüttert. Wir wollen<br />

nicht wahrhaben, dass wir sie selbst unentwegt erleben.<br />

Dass wir das etikett kafkaesk gebrauchen, dient letztlich<br />

sowohl einem gewissen selbstschutz als auch <strong>der</strong> individuellen<br />

Denk- und Formulierungsfaulheit. es gibt keinen<br />

größeren meister <strong>der</strong> präzisen und knappen Formulierung<br />

als Kafka. Die scheinbar einfache Wortwahl einerseits und<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>erseits die abgründe, die er damit beschreibt, erzeugen<br />

einen unnachahmlichen sp<strong>an</strong>nungsbogen.<br />

begabung des Dichters für <strong>der</strong>lei prägn<strong>an</strong>t-szenisches,<br />

finde ich es sehr bedauerlich, dass auf uns in dramatischer<br />

hinsicht so sehr Weniges von ihm gekommen ist.<br />

meine Kammeroper ist übrigens ein Teil eines insgesamt<br />

viel größer dimensionierten musiktheaterprojekts,<br />

das ich im verlauf <strong>der</strong> vielen zurückliegenden Jahre<br />

ähnlich einem „mobilen objekt“ zu gestalten versuchte;<br />

insgesamt besteht es auch bisher wohl aus um die 60<br />

szenen, von weniger sekunden Dauer bis hin zu viertelstündigen<br />

szenen. Die sänger/Instrumentalbesetzung<br />

reicht von einem sänger mit einem Instrument bis zu<br />

zwölf sängern, sprecher(n) und mittelgroßem Kammerorchester.<br />

Die Idee ist nun, dass, da die jeweilige literarisch-dramatische<br />

Inhaltlichkeit <strong>der</strong> vertonten Texte<br />

sich auf g<strong>an</strong>z bestimmte grundtopoi (biographisches,<br />

allgemeine beobachtungen und reflexionen, h<strong>an</strong>dlungs-<br />

mäßig-Dramatisches et cetera) zurückführen lässt, sozusagen<br />

je<strong>der</strong> musiktheater-regisseur sich aus diesem und<br />

innerhalb dieses „steinbruchs“ von szenen und Fragmenten<br />

gegebenen materials je seinen g<strong>an</strong>z eigenen abend<br />

gestalten k<strong>an</strong>n.<br />

außerdem verfolge ich damit noch die Idee, in zeiten<br />

größerer einsparnotwendigkeiten <strong>der</strong> <strong>Theater</strong>, hiermit<br />

doch einen vielleicht praktikablen und aber auch<br />

abwechslungsreichen beitrag zur gattung leisten zu<br />

können.Verkehr mit Gespenstern entst<strong>an</strong>d in dieser Form<br />

als auftragswerk des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>. #<br />

Was ist das Kafkaeske unserer Zeit?<br />

Wir leben heute in einer gesellschaft, in <strong>der</strong> m<strong>an</strong> die<br />

einzelnen Klänge und Frequenzen kaum hören k<strong>an</strong>n, weil<br />

alles von einem Weißen rauschen <strong>der</strong> Überkommunikation<br />

überlagert wird. Wir müllen uns unentwegt mit einem<br />

brei <strong>an</strong> Informationen zu. Wir werden getrieben, statt<br />

bewusst wahr zu nehmen. Die ruhe und die Klarheit,<br />

in <strong>der</strong> Kafka schrieb und beschrieb, gibt es nicht mehr.<br />

vielleicht müsste m<strong>an</strong> sogar sagen: Wir sollten heute<br />

eine sehnsucht nach dem Kafkaesken haben.<br />

Das Absurde enthält häufig komische Elemente. Wie komisch<br />

k<strong>an</strong>n Kafka sein?<br />

Kafka ist k<strong>an</strong>onisiert, und in <strong>der</strong> üblichen ehrfurchts-


H<strong>an</strong>s-Jürgen von Bose<br />

erstarrung glauben wir, dass Kafka nicht lustig sein k<strong>an</strong>n.<br />

Dabei ist Kafka auch zutiefst komisch. h<strong>an</strong>s-Jürgen von<br />

bose sieht in Verkehr mit Gespenstern ebenfalls das Komische<br />

bei Kafka. er hat viel gelacht, als er mir das<br />

stück erklärt hat, und ich hoffe, dass unsere produktion<br />

tatsächlich ein ungewohnter zug<strong>an</strong>g zu Kafka wird: Nicht<br />

respektlos, aber auch nicht ehrfürchtig, und mit einem<br />

sinn für das absurde. Ich glaube, selbstironie war Kafka<br />

nicht g<strong>an</strong>z uneigen. In Kafkas Werken können wir erkennen,<br />

dass er gelitten hat. er hatte seine verwundungen.<br />

Na und, wer in unserer gesellschaft hat die nicht? Im<br />

unterschied zu uns konnte Kafka diese alltäglichen verletzungen<br />

literarisch geradezu monströs vergrößern und<br />

von dieser verstärkung lebt Verkehr mit Gespenstern. aber<br />

selbst wenn Kafka das Lächerliche zeigt, marginalisiert er<br />

es nicht. er sieht die Komik im Tragischen und möchte<br />

deswegen aber noch l<strong>an</strong>ge kein humorist sein.<br />

Warum fühlt sich ein Komponist von einem Autor <strong>an</strong>gesprochen,<br />

<strong>der</strong> kein Dramatiker war und we<strong>der</strong> gelesen noch<br />

aufgeführt werden wollte?<br />

von bose ist sicher auch irgendwie ein verfolgter und<br />

gehetzter, ein außenstehen<strong>der</strong>. Daher fühlt er sich Kafka<br />

möglicherweise wesensverw<strong>an</strong>dt. er folgt nicht <strong>der</strong> stromlinie<br />

und ist kein Netzwerker, son<strong>der</strong>n im positiven sinn<br />

ein einzelkämpfer. er weiß genau, was er komponieren<br />

will und nimmt auch in Kauf, dass seine Werke nicht<br />

gespielt werden. allerdings scheint er auch <strong>an</strong> seiner zuneigung<br />

zu Kafka zu leiden. Im scherz hat er einmal<br />

geäußert, dass Kafka noch aus dem Jenseits versucht,<br />

eine oper über ihn zu boykottieren. es gibt den alten<br />

aberglauben, dass m<strong>an</strong> den Titel Macbeth nicht in einem<br />

<strong>Theater</strong> aussprechen darf, weil es unglück bringt,<br />

son<strong>der</strong>n vom „schottischen stück“ spricht. bei von bose<br />

müsste m<strong>an</strong> <strong>an</strong>alog dazu vielleicht auch besser von seiner<br />

„prager oper“ sprechen.<br />

VeRKehR MIT<br />

GeSpeNSTeRN<br />

Kammer-musiktheater (2012)<br />

Musik von h<strong>an</strong>s-Jürgen von Bose<br />

Mit Texten von Fr<strong>an</strong>z Kafka<br />

In deutscher sprache<br />

Musikalische Leitung <strong>an</strong>na sushon<br />

Inszenierung & Ausstattung peter pawlik<br />

Countertenor Tim severloh<br />

Bariton Falko hönisch<br />

Violoncello sebasti<strong>an</strong> hess<br />

Akkordeon martin veszelovicz<br />

ein auftragswerk des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong><br />

Neuproduktion des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> in <strong>der</strong> Kammeroper<br />

urauFFÜhruNg:<br />

Mittwoch, 5. Dezember 2012, 19.30 Uhr<br />

auFFÜhruNgeN:<br />

7. / 9. Dezember 2012, 19.30 Uhr<br />

eINFÜhruNgsmaTINee:<br />

Sonntag, 2. Dezember 2012, 11.00 Uhr<br />

Wie ist von Boses „Prager Oper“ aufgebaut?<br />

Das stück besteht aus mehr als zw<strong>an</strong>zig einzelnen<br />

Nummern, die mitein<strong>an</strong><strong>der</strong> verwoben und thematisch<br />

bestimmten gruppen zugeordnet sind. eine art prolog,<br />

liturgisch-gebethafte Teile, liedhafte Teile, instrumentale<br />

zwischenspiele, persönliche bekenntnisse und ein abges<strong>an</strong>g<br />

bilden eine Klammer. Verkehr mit Gespenstern ist<br />

aber keine durchlaufende geschichte, son<strong>der</strong>n eine subjektive<br />

und atmosphärische <strong>an</strong>näherung <strong>an</strong> Kafka. Wir<br />

wollten keine Kunst um <strong>der</strong> Kunst willen erzwingen, son<strong>der</strong>n<br />

eine verbindung zwischen dem publikum und den<br />

Charakteren erreichen.<br />

Sie haben in <strong>der</strong> Kammeroper Reim<strong>an</strong>ns gespenstersonate<br />

und in <strong>der</strong> Hölle Maxwell Davies’ Das medium inszeniert,<br />

jetzt folgt verkehr mit gespenstern. Was reizt Sie <strong>an</strong> diesen<br />

mo<strong>der</strong>nen, vielschichtigen Opern?<br />

Verkehr mit Gespenstern ist wohl das schwierigste stück,<br />

das ich bis jetzt inszeniert habe. mir machen diese Werke<br />

einen beinahe masochistischen spaß. aber jedes stück<br />

erfor<strong>der</strong>t natürlich letztlich die immer gleiche ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung<br />

mit dem inneren schweinehund: Inszeniere<br />

ich eine vorlage, die alles offen lässt, auf eine persönliche<br />

art o<strong>der</strong> versuche ich, historisch ver<strong>an</strong>kert zu arbeiten,<br />

um Kafka und von bose zu folgen? In diesem<br />

Fall scheint mir Werktreue wichtig zu sein. als opernregisseur<br />

hat m<strong>an</strong> selten die Ch<strong>an</strong>ce mit dem Komponisten<br />

zu arbeiten und in den verg<strong>an</strong>genen zwei Jahren<br />

war ich in regelmäßigem Kontakt mit von bose. Daher<br />

weiß ich über diese oper viel mehr aus sicht des Komponisten<br />

als ich klarerweise je über verdi wissen k<strong>an</strong>n.<br />

meine persönliche zuneigung zu Verkehr mit Gespenstern<br />

ist größer als bei den meisten stücken, die ich bisl<strong>an</strong>g<br />

inszeniert habe. Dass diese emotionale bindung aber in<br />

<strong>der</strong> fehlenden Dist<strong>an</strong>z auch eine gefahr darstellt, ist eine<br />

Tatsache, <strong>der</strong> ich mich in <strong>der</strong> Inszenierung stellen muss.<br />

Das Neue operNhaus<br />

sTagIoNe <strong>#2</strong> | 21


Çi˘gdem Soyarsl<strong>an</strong>, Sopr<strong>an</strong><br />

Gaia Petrone, Mezzosopr<strong>an</strong><br />

Rupert Enticknap, Countertenor<br />

Andrew Owens, Tenor<br />

Ben Connor, Bariton<br />

Igor Bak<strong>an</strong>, Bassbariton<br />

JuNges eNsembLe Des TheaTer aN Der WIeN<br />

Kuchen und Blumen<br />

Im portrait: <strong>an</strong>na maria sarra, sopr<strong>an</strong>istin.<br />

„am meisten vermisse ich meine Familie, meine<br />

Freunde, meinen Freund, das Wetter und<br />

natürlich das essen – einfach alles“, sagt die<br />

23-jährige italienische sängerin <strong>an</strong>na maria<br />

sarra. erst seit einem monat lebt sie in <strong>Wien</strong>.<br />

pünktlich zum probenstart <strong>der</strong> rossini oper<br />

La cambiale di matrimonio ist sie hier <strong>an</strong>gekommen,<br />

um als mitglied des Jungen ensemble<br />

des <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> ihr repertoire<br />

zu vergrößern und erfahrungen außerhalb<br />

Italiens zu sammeln. Das Wegsein von zu<br />

hause fällt ihr schwer, immerhin ist es für sie<br />

das erste mal, dass sie für längere zeit im<br />

ausl<strong>an</strong>d leben wird.<br />

Die in matera geborene sopr<strong>an</strong>istin studierte<br />

seit ihrem 14. Lebensjahr in rom, pesaro<br />

und bologna. sie s<strong>an</strong>g die berenice in rossinis<br />

L’occasione fa il ladro in Lissabon, bizets<br />

Frasquita <strong>der</strong> Carmen in Tokio und die<br />

elena in rotas Il cappello di paglia di Firenze<br />

ebendort. sarra gew<strong>an</strong>n den Fr<strong>an</strong>co alf<strong>an</strong>o<br />

Wettbewerb in s<strong>an</strong> remo und den atle<br />

vestersjo Young Talent award beim Internationalen<br />

ges<strong>an</strong>gswettbewerb für barockoper <strong>an</strong>-<br />

tonio Cesti. Ihre persönlichen musikalischen<br />

vorlieben sieht sie pragmatisch: „Ich mag alles,<br />

was ich singen k<strong>an</strong>n. Ich möchte mich<br />

stimmlich nicht einschränken.“ Fragt m<strong>an</strong> sie,<br />

ob sie in La bohème im Jänner in <strong>der</strong> Kammeroper<br />

nicht lieber mimí als musetta singen<br />

würde, feuert sie scherzend zurück: „Ich liebe<br />

diese oper, wenn ich könnte, würde ich auch<br />

Colline singen!“<br />

großen gefallen findet sie auch am schauspielerischen<br />

einsatz, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> szenischen Inter-<br />

Das Neue operNhaus<br />

pretation einer oper gefor<strong>der</strong>t ist: „Wenn ich<br />

auf <strong>der</strong> bühne bin, d<strong>an</strong>n schlüpfe ich in eine<br />

rolle, die nichts mit mir als privatperson<br />

zu tun hat. D<strong>an</strong>n k<strong>an</strong>n ich aus mir herausgehen.<br />

Ich liebe die scheinwerfer, das make-up<br />

und die Kostüme.“ privat ist sie ein ruhiger<br />

mensch, mit dem m<strong>an</strong> nicht gut streiten<br />

k<strong>an</strong>n. Das sei laut ihren bisherigen erfahrungen<br />

auch nicht nötig gewesen und schon<br />

gar nicht im Jungen ensemble. „Wir verbringen<br />

viel zeit mitein<strong>an</strong><strong>der</strong>, auch außerhalb <strong>der</strong><br />

proben und vorstellungen.“<br />

möglicherweise ist es sarra auch mit ihren<br />

Kochkünsten gelungen, gute stimmung zu verbreiten.<br />

Frei nach oscar Wilde k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> nach<br />

einer guten mahlzeit bek<strong>an</strong>ntlich allen verzeihen.<br />

Nach den proben in <strong>der</strong> Kammeroper<br />

kocht <strong>an</strong>na maria sarra gerne für die Kollegen<br />

in ihrer Wohnung. Dabei bereitet sie<br />

alles zu, außer Fisch und Fleisch, denn die<br />

Tierliebhaberin ist vegetarierin. ein Jahr l<strong>an</strong>g<br />

hat sie veterinärmedizin studiert, sich d<strong>an</strong>n<br />

allerdings <strong>an</strong><strong>der</strong>s entschieden, denn die musik<br />

ist ihr Leben. Das schließt aber <strong>an</strong><strong>der</strong>e Interessen<br />

nicht aus, wie ihre vielseitigen Leidenschaften<br />

zeigen. Wenn sie nicht sängerin<br />

wäre, würde sie ihre eigene boul<strong>an</strong>gerie eröffnen<br />

mit einem blumenladen neben<strong>an</strong>, erzählt<br />

sie. Natürlich in Italien, denn dort will sie auf<br />

jeden Fall wie<strong>der</strong> leben. Kuchen und blumen<br />

klingen allerdings auch nach einem guten mittel<br />

gegen akutes heimweh. #<br />

portraitkonzert Anna Maria Sarra<br />

Donnerstag, 6. Dezember 2012, 19.30 Uhr


eNsembLe November /Dezember<br />

IphIgéNIe eN auLIDe<br />

aless<strong>an</strong>dro De<br />

marchi (Dirigent)<br />

pavel Kudinov<br />

(Calchas)<br />

maThIs Der maLer<br />

bertr<strong>an</strong>d de billy<br />

(Dirigent)<br />

raymond very<br />

(h<strong>an</strong>s schwalb)<br />

Torsten Fischer<br />

(regie)<br />

zoltán Nagy<br />

(patrocle)<br />

Keith Warner<br />

(regie)<br />

oliver ringelhahn<br />

(sylvester von<br />

schaumberg)<br />

bo skovhus<br />

(agamemnon)<br />

edward grint<br />

(arcas)<br />

Kurt streit<br />

(albrecht von<br />

br<strong>an</strong>denburg)<br />

heidi brunner<br />

(ursula)<br />

verKehr mIT gespeNsTerN<br />

<strong>an</strong>na sushon<br />

(musikalische<br />

Leitung)<br />

arTaserse<br />

Diego Fasolis<br />

(Dirigent)<br />

musIK Der TIere<br />

birgit minichmayr<br />

(rezitation)<br />

peter pawlik<br />

(regie)<br />

philippe Jaroussky<br />

(artaserse)<br />

magda amara<br />

(Klavier)<br />

Tim severloh<br />

(Countertenor)<br />

max em<strong>an</strong>uel<br />

Cenčić<br />

(m<strong>an</strong>d<strong>an</strong>e)<br />

stef<strong>an</strong> vladar<br />

(Klavier)<br />

michelle breedt<br />

(Clytemnestre)<br />

viktorija bak<strong>an</strong><br />

(1. grecque)<br />

Wolfg<strong>an</strong>g Koch<br />

(mathis)<br />

Katerina Tretyakova<br />

(regina)<br />

Falko hönisch<br />

(bariton)<br />

D<strong>an</strong>iel behle<br />

(artab<strong>an</strong>o)<br />

myrtò papat<strong>an</strong>asiu<br />

(Iphigénie)<br />

Natalia Kawalekplewniak<br />

(2. grecque)<br />

martin snell<br />

(Lorenz von<br />

pommersfelden)<br />

magdalena <strong>an</strong>na<br />

hofm<strong>an</strong>n (gräfin<br />

helfenstein)<br />

sebasti<strong>an</strong> hess<br />

(violoncello)<br />

Fr<strong>an</strong>co Fagioli<br />

(arbace)<br />

maud Nelissen<br />

(Komposition,<br />

musikalische<br />

Leitung, Klavier)<br />

paul groves<br />

(achille)<br />

Joh<strong>an</strong>na Krokovay<br />

(3. grecque)<br />

Charles reid<br />

(Wolfg<strong>an</strong>g Capito)<br />

<strong>an</strong>drew owens<br />

(Der pfeifer<br />

des grafen)<br />

martin veszelovicz<br />

(akkordeon)<br />

valer barnasabadus<br />

(semira)<br />

LusTIge WITWe –<br />

oDYssee<br />

Fr<strong>an</strong>z grundheber<br />

(riedinger)<br />

ben Connor<br />

(Truchseß<br />

von Waldburg)<br />

Yuriy mynenko<br />

(megabise)<br />

Drama QueeNs<br />

Joyce DiDonato<br />

(mezzosopr<strong>an</strong>)<br />

Wer IsT IvICa sTrauss?<br />

georg breinschmid<br />

(Kontrabass)<br />

Tommaso huber<br />

(akkordeon)<br />

Dmitry sinkovsky<br />

(musikalische<br />

Leitung)<br />

WerTher<br />

michael<br />

hofstetter<br />

(Dirigent)<br />

sebasti<strong>an</strong> gürtler<br />

(violine)<br />

ulrich reinthaller<br />

(rezitation)<br />

Das Neue operNhaus<br />

sTagIoNe <strong>#2</strong> | 23


3. NOVeMBeR BIS 31. DezeMBeR<br />

La CambIaLe DI maTrImoNIo<br />

oper von gioachino rossini | Dirigent: Konst<strong>an</strong>tin Chudovsky | regie: Jacopo spirei | ausstattung: Nikolaus Webern | <strong>Wien</strong>er Kammerorchester<br />

3. / 5. / 7. / 9. November, 19.30 Uhr | Spielort: Kammeroper | Tickets ¤ 48 | 38 | 28 | 18<br />

IphIgéNIe eN auLIDe<br />

oper von Chr. W. gluck | Dirigent: aless<strong>an</strong>dro De marchi | regie: Torsten Fischer | ausstattung: vasilis Tri<strong>an</strong>tafillopoulos & herbert schäfer | <strong>Wien</strong>er symphoniker | arnold schoenberg Chor<br />

8. November, 19.00 Uhr (premiere) | 10., 13., 16., 18. & 22. November, 19.00 Uhr | einführungsmatinee: 28. Oktober, 11.00 Uhr | Tickets ¤ 140 | 120 | 90 | 75 | 55 | 38 | 20<br />

Drama QueeNs<br />

arien von Joh<strong>an</strong>n adolf hasse, georg Friedrich händel & Claudio monteverdi | Joyce DiDonato | Dmitry sinkovsky | Il complesso barocco<br />

11. November, 19.00 Uhr | Tickets ¤ 70 | 58 | 45 | 35 | 26 | 18 | 11<br />

buChpräseNTaTIoN mIChaeL heLTau<br />

12. November, 19.30 Uhr | freier eintritt mit zählkarte<br />

arTaserse<br />

oper von Leonardo vinci (konzert<strong>an</strong>te aufführung) | Dirigent: Diego Fasolis | Concerto Köln<br />

20. November, 19.00 Uhr | Tickets ¤ 70 | 58 | 45 | 35 | 26 | 18 | 11<br />

verKehr mIT gespeNsTerN<br />

Kammer-musiktheater von h<strong>an</strong>s-Jürgen von bose | musikalische Leitung: <strong>an</strong>na sushon | regie & ausstattung: peter pawlik<br />

5. Dezember, 19.30 Uhr (Uraufführung) | 7. / 9. Dezember, 19.30 Uhr | einführungsmatinee: 2. Dezember, 11.00 Uhr | Spielort: Kammeroper | Tickets ¤ 48 | 38 | 28 | 18<br />

porTraITKoNzerT aNNa marIa sarra<br />

6. Dezember, 19.30 Uhr | Klavier: Christi<strong>an</strong> Koch | Spielort: Kammeroper | Tickets ¤ 10<br />

maThIs Der maLer<br />

oper von paul hindemith | Dirigent: bertr<strong>an</strong>d de billy | regie: Keith Warner | bühne: Joh<strong>an</strong> engels | <strong>Wien</strong>er symphoniker | slowakischer philharmonischer Chor<br />

12. Dezember, 19.00 Uhr (premiere) | 16. / 19. / 23. / 28. Dezember, 19.00 Uhr | einführungsmatinee: 9. Dezember, 11.00 Uhr | Tickets ¤ 140 | 120 | 90 | 75 | 55 | 38 | 20<br />

WerTher<br />

oper von gaet<strong>an</strong>o pugn<strong>an</strong>i (konzert<strong>an</strong>te aufführung) | Dirigent: michael hofstetter | rezitation: ulrich reinthaller | Camerata salzburg<br />

15. Dezember, 19.30 Uhr | Tickets ¤ 70 | 58 | 45 | 35 | 26 | 18 | 11<br />

musIK Der TIere<br />

rezitation: birgit minichmayr | Klavier: magda amara & stef<strong>an</strong> vladar | <strong>Wien</strong>er virtuosen<br />

18. Dezember, 19.30 Uhr | Tickets ¤ 55 | 48 | 40 | 32 | 24 | 17 | 11<br />

LusTIge WITWe – oDYssee<br />

stummfilm mit Live-musik | Komposition, musikalische Leitung & Klavier: maud Nelissen | <strong>Wien</strong>er Kammerorchester<br />

31. Dezember, 19.00 Uhr | Tickets ¤ 95 | 84 | 72 | 59 | 46 | 28 | 12<br />

Wer IsT IvICa sTrauss?<br />

georg breinschmid | sebasti<strong>an</strong> gürtler | Tommaso huber<br />

31. Dezember, 22.30 Uhr | Spielort: Kammeroper | Tickets ¤ 58 | 44 | 32 | 18<br />

KarTeN<br />

Freier Vorverkauf <strong>an</strong> <strong>der</strong> Tageskasse im <strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong><br />

und am <strong>Wien</strong>-Ticket pavillon sowie per Telefon und Internet.<br />

vorverkaufsbeginn für die vorstellungen ab 29. Dezember 2012 am 1. september 2012.<br />

Schriftliche Bestellungen:<br />

<strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>, Linke <strong>Wien</strong>zeile 6, 1060 <strong>Wien</strong><br />

Tageskassen:<br />

<strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>: Linke <strong>Wien</strong>zeile 6, 1060 <strong>Wien</strong> | mo-sa 10-19 uhr<br />

<strong>Wien</strong>-Ticket pavillon: Karaj<strong>an</strong>-platz (neben <strong>der</strong> staatsoper) | tägl. 10-19 uhr<br />

Internet: www.theater-wien.at (online-bestellungen nur mit Kreditkarte)<br />

Ö1 Clubmitglie<strong>der</strong> erhalten für hauseigene<br />

produktionen auf maximal zwei Karten pro<br />

vorstellung eine ermäßigung von 10 %.<br />

Abonnement: Das abonnementprogramm senden<br />

wir Ihnen auf bestellung gerne kostenlos zu.<br />

än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> vorstellungszeiten, preise, preiskategorien,<br />

Öffnungszeiten sowie besetzungen vorbehalten.<br />

Kartentelefon:<br />

täglich von 8 bis 20 Uhr<br />

<strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong>-magazin<br />

2. ausgabe 2012/13<br />

<strong>Theater</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> <strong>Wien</strong> | Linke <strong>Wien</strong>zeile 6 | 1060 <strong>Wien</strong><br />

www.theater-wien.at<br />

FÜhruNgeN<br />

9. & 21. 11., 14. & 27. 12., jeweils 16.00 Uhr | Dauer: 1 stunde<br />

preis: ¤ 7.-/5.-(ermäßigt) | schulklassen: ¤ 3.- | Kin<strong>der</strong> unter 6 Jahren frei<br />

Information: +43-1-58830 664 o<strong>der</strong> philipp.wagner@theater-wien.at<br />

hauptsponsor<br />

Kl<strong>an</strong>gblatt 8/2012 | sponsoring post | verlagspostamt 1060 <strong>Wien</strong> | Dvr 0518751 | gz 03z034773 s

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