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Mitteilungen DMG 01 / 2011 - Deutsche Meteorologische ...

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Überhitzung: Wissenschaft als "Kampfsport"<br />

Diese Strategien führen zu einer Überhitzung der<br />

Diskussion, die sich darin niederschlägt, dass es weder<br />

sachlich um Lösungen der Klimapolitik noch um<br />

Aussagen der Klimaforschung geht, sondern dass diese<br />

Diskussionen als eine Art Kampfsport zwischen Klimaforschern<br />

ausgetragen werden, bei der die Medien<br />

und die Öffentlichkeit die Kampfrichter darstellen[14].<br />

Aus Mangel an wissenschaftlichen Alternativen zielen<br />

die heutigen "Händler des Zweifels" nicht auf einzelne<br />

inhaltliche Aussagen der IPCC-Berichte, sondern<br />

greifen in erster Linie Standards der wissenschaftlichen<br />

Beweisführung an oder führen regelrechte Kampagnen<br />

gegen einzelne IPCC-Autoren wie Phil Jones, Ben Santer<br />

oder Michael Mann, die von Beobachtern mit Formen<br />

der politischen Verfolgung in der McCarthy-Ära<br />

verglichen werden.[15]<br />

Aber auch Vertreter des IPCC lassen sich auf diese<br />

Strategie ein und versuchen den Nachweis anzutreten,<br />

dass einzelne, wissenschaftlich zweitrangige Forscher<br />

im Verbund mit den Medien Fehler des IPCC skandalisieren<br />

und die Öffentlichkeit damit ungerechtfertigt<br />

alarmieren[16]. Im Eifer des Gefechts versuchen alle<br />

beteiligten "Parteien", ihre Gegner wissenschaftlich<br />

zu diskreditieren oder ihnen entweder wissenschaftlich<br />

nicht gesicherte Übertreibungen oder politische<br />

Motive nachzuweisen. So hat zum Beispiel der IPCC-<br />

Vorsitzende Pachauri den begründeten Zweifel an<br />

dem "Himalaya-Zahlendreher" zunächst als "Voodoo-<br />

Wissenschaft" abgetan[17]. Auch in anderen Fällen hat<br />

Pachauri Kritik einfach beiseite gewischt, um keine<br />

Zweifel aufkommen zu lassen und den Anschein der<br />

Unantastbarkeit zu wahren. Als erste Rücktrittsforderungen<br />

laut wurden, erklärte er sich zur "unsinkbaren<br />

Molly Brown" − eine Anspielung auf die amerikanische<br />

Frauenrechtsaktivistin Margaret ("Molly") Tobin<br />

Brown, die als Überlebende des Untergangs der<br />

"Titanic" berühmt wurde. Auch er werde nicht sinken,<br />

sagte Pachauri, sondern im Gegenteil noch "viel höher"<br />

steigen.[18]<br />

Alle Versuche, ausschließlich Sündenböcke zu suchen,<br />

werden die öffentliche Vertrauenskrise nicht<br />

lösen. Sie sind Symptome der Überhitzung, tangieren<br />

aber nicht die Ursachen des Problems. Der Weltklimarat<br />

läuft mit dieser Strategie Gefahr, wissenschaftlich<br />

berechtigte Einwände zu ignorieren, und riskiert, das<br />

große Vertrauen zu verspielen, das er den unsachlich<br />

argumentierenden "Klimaskeptikern" noch immer<br />

voraus hat. Das bedeutet auch, dass der IPCC seinen<br />

Führungsstil und seine Strategie der öffentlichen Kommunikation<br />

überdenken sollte, da diese maßgeblich zur<br />

Verschärfung der Situation beigetragen haben.<br />

Eine neue Dimension der Diskussion besteht darin,<br />

dass sie nicht mehr nur in innerwissenschaftlichen<br />

Kreisen und in der Blogosphäre, sondern auch in der<br />

deutschen Öffentlichkeit ausgetragen wird und nun in<br />

einen Kampf um die öffentliche Wahrnehmung mündet.<br />

In den angelsächsischen Ländern verläuft die Debatte<br />

um die Affären wesentlich hitziger und kontro-<br />

diskutabel<br />

verser als hierzulande. Immer wieder werden von den<br />

Medien Meinungsumfragen zu Rate gezogen, um die<br />

Folgen der vermeintlichen "Skandale" zu beleuchten<br />

und den Grad des Vertrauens in den IPCC anzuzeigen.<br />

Zahlreiche Medienberichte legen nahe, dass sich ein<br />

"dramatischer Meinungsumschwung" in kurzer Zeit<br />

gegenüber der These des anthropogenen Klimawandels<br />

abzeichne, dass sich dieser noch verstärken werde und<br />

dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Klimaforschung<br />

erheblich erschüttert worden sei[19]. Neuere<br />

Untersuchungen hingegen belegen das Gegenteil: Die<br />

sogenannten Skandale haben die öffentliche Meinung<br />

kaum beeinflusst, und die Umfragewerte zum anthropogenen<br />

Klimawandel bleiben seit Jahren relativ konstant.<br />

[20]<br />

Allerdings bleibt unklar, was der Mehrwert all dieser<br />

Umfragen ist bzw. was sie wirklich aussagen: Gehen sie<br />

tatsächlich über reinen Populismus hinaus oder eröffnen<br />

sie nicht nur einen neuen Schauplatz für eine Stellvertreterdiskussion?<br />

Anstatt den Informationsbedarf<br />

und die Anliegen der Öffentlichkeit ernst zu nehmen,<br />

wird die "öffentliche Meinung" hier oftmals als passive<br />

Ressource der nachträglichen Akzeptanzbeschaffung<br />

von Wissenschaft verwendet.<br />

Abkühlung: "Kernaussagen nicht beeinträchtigt"<br />

Statt an den Symptomen herumzukurieren, wäre es sinnvoller,<br />

die Diskussion auf die Ursachen und Folgen der<br />

Angriffe auf den Weltklimarat zu lenken. Wofür stehen<br />

die IPCC-Pannen tatsächlich? Wie repräsentativ sind<br />

die einzelnen Fälle? Handelt es sich um Eintagsfliegen,<br />

um persönliches Versagen, oder haben sie systemische<br />

Ursachen? Treten die Probleme zufällig auf oder sind<br />

sie "hausgemacht"? Führen diese Fehler wirklich zu<br />

wissenschaftlichen Fehleinschätzungen? Wurden Daten<br />

vorsätzlich missbraucht oder der Öffentlichkeit vorenthalten,<br />

um die öffentliche Meinung zu manipulieren?<br />

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Klimapolitik,<br />

die auf dieses Pferd, den Weltklimarat, gesetzt<br />

hat?<br />

Sowohl in den USA als auch in Großbritannien wurden<br />

hochkarätige Kommissionen eingesetzt, um die<br />

verschiedenen "Skandale" zu untersuchen[21]. Phil<br />

Jones, der im Mittelpunkt der Hacker-Affäre steht, ist<br />

inzwischen von Vorwürfen der Datenmanipulation<br />

oder dem Ausschluss abweichender wissenschaftlicher<br />

Meinungen entlastet worden. Gleichzeitig wurden die<br />

wissenschaftlichen Resultate bestätigt. Darüber hinaus<br />

haben mehrere Wissenschaftler und Forschungsorganisationen<br />

(wie das Nationale Komitee für Global-Change-Forschung<br />

und das <strong>Deutsche</strong> Klima-Konsortium) in<br />

Briefen Stellung genommen: Die Forscher aus den Niederlanden,<br />

USA und Deutschland kommen zum Schluss,<br />

dass die Tatsache, dass die IPCC-Qualitätssicherung<br />

nicht zu hundert Prozent funktioniert habe, nicht bedeute,<br />

dass die Grundaussagen nicht mehr gültig seien bzw.<br />

die Klimaforschung im Ganzen versagt habe. Trotz einzelner<br />

Kritikpunkte blieben, so die Schlussfolgerung,<br />

die Grundaussagen des vierten Sachstandberichts beste-<br />

<strong>Mitteilungen</strong> <strong>DMG</strong> <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>1<br />

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