SBB - Sächsischer Bergsteigerbund
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Klettersteigtour im Dachsteingebiet<br />
Blick auf den Hohen Dachstein<br />
sehr unterhaltsam erweist. 13 Uhr lasse ich<br />
mich zur Gipfelrast nieder und genieße das<br />
tolle Wechselspiel der Bilder, die von sonnendurchleuchteten<br />
Wolkenlöchern und blassen<br />
Nebelfetzen in die Landschaft projiziert<br />
werden. Der Abstieg über den Westgrat läuft<br />
ohne Probleme, ebenso wie die anschließende<br />
Wanderung zur Adamekhütte, mittlerweile<br />
in netter Gesellschaft eines weiteren Alleingängers.<br />
Viel zu lange will der lästig weiche<br />
Schnee kein Ende nehmen. Aber der Ärger<br />
wird aufgewogen vom Erlebnis, den Großen<br />
Gosaugletscher kennen zu lernen und dessen<br />
früheres Wirken als imposanten Gletscherschliff<br />
bewundern zu dürfen. Am Abend<br />
lerne ich „Dreierl“ spielen (eine ganz lustige<br />
Rommé-Variante), insgesamt also ein äußerst<br />
ergiebiger Tag.<br />
Der Linzer Steig zur Hofpürglhütte wird als<br />
reizvolle Fünf-Stunden-Wanderung beschrieben.<br />
Ich kann ihn jedem weiterempfehlen, der<br />
sich weder von langen Anstiegen noch von<br />
Geröll in allen verfügbaren Körnungen die<br />
Laune verderben lässt. Für mich ist das heute<br />
die absolut passende Abschiedsroute. Das<br />
Glitzern des Gletschers im Morgenlicht, das<br />
tiefe Dunkelblau der Seen, das Leuchten der<br />
Blumen in sämtlichen Farben, darüber die<br />
markante Gestalt der Bischofsmütze, einem<br />
der schönsten mir bekannten Felstürme,<br />
mit all dem saugen sich die Augen<br />
richtig voll. Die anderen Sinne kommen<br />
ebenfalls auf ihre Kosten bei Kiefernduft<br />
und Almgebimmel, leckerem<br />
Hüttenessen und dem Handkuss einer<br />
Milchkuh. Weitere ganz kurze tierische<br />
Begegnungen erfreuen noch lange das<br />
Herz (eine Höllennatter, ein Haselhuhn<br />
und ein Murmelkind), während sich der<br />
Körper mühsam durch die Glut der<br />
Nachmittagssonne quält. Der großartige<br />
Bergpfad führt mich über mehrere<br />
Almen um die Bischofsmütze herum bis<br />
zur Theodor-Körner-Hütte. Sofort nach<br />
der Ankunft darf ich Duschen gehen -<br />
auch das zählt zu den großen Urlaubsgenüssen.<br />
Überhaupt habe ich den Eindruck,<br />
die Gemütlichkeit dieser Unterkunft<br />
und ihr Preis-Leistungs-Verhältnis sind<br />
kaum zu überbieten.<br />
Und hier gehen die Gedanken besonders<br />
intensiv zu meiner lieben Frau nach Hause.<br />
Die Strapazen dieser Tage hätte ich ihr nicht<br />
zumuten wollen, aber an dem liebevoll gepflegten<br />
kleinen Pflanzengarten hätte sie ihre<br />
helle Freude! So schön es hier auch ist, jetzt<br />
freue ich mich sehr auf das Wiedersehen zu<br />
Hause und bin erleichtert, als ich nach dem<br />
Abstieg im ersten Tageslicht gute Anschlüsse<br />
für die Heimreise bekomme. Ich mag es,<br />
wenn an Bussen und Zügen klar und deutlich<br />
zu lesen ist, wohin mich dieses Transportmittel<br />
zu bringen gedenkt.<br />
Die Bergschuhe, in denen ich seit Jahren<br />
wandere, tragen die Aufschrift „Dachstein“.<br />
Es hat ein wenig gedauert, bis sie diese<br />
Ankündigung wahr gemacht haben, aber sie<br />
hielten ihr Versprechen. Nun liegen sie still<br />
im Rucksack, und ich sitze im bequemen<br />
D-Zug-Sessel, wo ich wieder vor mir hin<br />
dämmern darf. Am Fenster ziehen wechselnde<br />
Landschaften vorüber, in den Gedanken<br />
aber sortiere ich eine Fülle von Erlebnissen<br />
und Bildern, glücklich und überaus dankbar<br />
für diese wundervollen Tage.<br />
Matthias Spindler<br />
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