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HOCHBEGABUNG UND SCHULE 79<br />
Fördermaßnahmen: Segregation oder Integration?<br />
Empirische Studien zur Akzeptanz von Fördermaßnahmen für intellektuell besonders<br />
begabte Kinder und Jugendliche sind sehr selten. Die Einstellungen und Meinungen von<br />
hochbegabten Schülerinnen und Schülern sowie von Eltern und Lehrkräften wurden bislang<br />
kaum zur Kenntnis genommen. Lediglich im Marburger Hochbegabtenprojekt hat man<br />
Eltern und Lehrkräfte von hoch- und durchschnittlich begabten Grundschulkindern zu verschiedenen<br />
Förderangeboten befragt. Übereinstimmend wurden Maßnahmen der außerschulischen<br />
Anreicherung (z. B. Freizeitaktivitäten) positiver eingeschätzt als Maßnahmen<br />
der inneren Differenzierung in der Schule, und diese wiederum wurden mehr geschätzt als<br />
segregierende Ansätze (z. B. Spezialklassen und Spezialschulen). Dabei unterscheiden sich<br />
die Bewertungen der Eltern besonders Begabter kaum von denen, welche die Eltern durchschnittlich<br />
Begabter abgeben. Interessant ist, dass Klassenlehrkräfte alle Maßnahmen „im<br />
Allgemeinen“ eher etwas günstiger ansahen, als wenn sich diese Maßnahmen auf eine konkrete<br />
Schülerin oder einen konkreten Schüler, d. h. auf ein Kind ihrer Klasse, bezogen. Einem<br />
Überspringen standen sie jedoch bei „ihrem“ Schüler oder „ihrer“ Schülerin deutlich skeptischer<br />
gegenüber. Sehr ähnliche Befunde ergaben sich im Jugendalter: Angebote und<br />
Maßnahmen der außerschulischen Anreicherung und der inneren Differenzierung wurden<br />
sowohl von den hochbegabten und den durchschnittlich begabten Jugendlichen als auch<br />
von deren Eltern und Lehrkräften positiver eingeschätzt als segregierende Maßnahmen<br />
(äußere Differenzierung).<br />
Was bleibt?<br />
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, hochbegabte Kinder und Jugendliche zu fördern.<br />
Weil jede Schülerin und jeder Schüler, auch besonders Begabte, eine optimale Förderung<br />
und Unterstützung ihrer bzw. seiner persönlichen Entwicklung verdient, ist individuelle Förderung<br />
– angepasst an den jeweiligen Entwicklungsstand und das jeweilige Begabungsniveau<br />
– der Königsweg jedweder pädagogischer Förderung – nicht nur, aber besonders auch<br />
der Hochbegabten.<br />
In diesem Zusammenhang ist neben einer Förderung von Stärken auch ein Ausgleich von<br />
Schwächen angezeigt. Im Rahmen des normalen Unterrichts eignen sich Individualisierung<br />
und Enrichment, um dieses Ziel zu erreichen. Bei einschneidenden Maßnahmen (wie z. B.<br />
Überspringen, vorzeitige Einschulung) sind zur Entscheidungsfindung – neben der intellektuellen<br />
Begabung – weitere Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Zusätzlich ist dann<br />
eine psychologische Fachdiagnostik zu empfehlen. Durch eine angemessene Planung,<br />
Beratung und Unterstützung bei der Umsetzung, können die Erfolgsaussichten der jeweiligen<br />
Fördermaßnahme gesteigert werden.<br />
Prinzipiell gilt: Ein flexibler, individualisierender und experimenteller Unterricht, eine am<br />
Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler interessierte und eine bekräftigende Lehrkraft,<br />
die den Lernverlauf durch gezielte Hinweise und Rückmeldungen steuert und die sich für<br />
die Entwicklung „ihrer“ Schülerinnen und Schüler verantwortlich fühlt, sowie eine gute<br />
Kooperation zwischen Schule und Elternhaus, all das hat noch niemandem geschadet, auch<br />
nicht den Hochbegabten.