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HOCHBEGABUNG UND SCHULE<br />

bezeichnet (manchmal auch „Besserleister“ genannt; korrekt wäre es, die Bezeichnung<br />

„Schülerin bzw. Schüler mit erwartungswidrig guter [Schul-]Leistung“ zu verwenden). Da<br />

„Overachiever“ – anders als „Underachiever“ – weder von ihren Lehrkräften noch von ihren<br />

Eltern als „Sorgenkinder“ angesehen werden, sind sie bislang nur selten Gegenstand der<br />

pädagogisch-psychologischen Forschung gewesen. Auf Overachiever wird nachfolgend<br />

nicht weiter eingegangen.<br />

Wie häufig kommen „Underachiever“ vor?<br />

Die in der einschlägigen pädagogisch-psychologischen Literatur genannten Auftretenshäufigkeiten<br />

von „Underachievern“ schwanken beträchtlich. In Ratgeberbüchern und auch<br />

in pädagogischen Arbeiten zur Hochbegabung trifft man nicht selten „Schätzungen“ an,<br />

welche „bis zu 50% der Hochbegabten“ als „Underachiever“ annehmen. Manchmal wird<br />

über noch höhere Prozentzahlen spekuliert (so früher die „Deutsche Gesellschaft für das<br />

hochbegabte Kind“, die in der Nullnummer ihrer Vereinszeitschrift „Das Labyrinth“ von 70 %<br />

ausgegangen war). Solche Angaben sind jedoch abstrus hoch; sie zeugen bestenfalls von<br />

Unkenntnis über diejenigen Faktoren, welche die Auftretenshäufigkeit von „Underachievement“<br />

determinieren (und schlechtestenfalls von Panikmache): Kennt man die Verteilungsformen<br />

von Intelligenz und Schulleistung (jeweils Normalverteilung) und die Höhe der Korrelation<br />

dieser beiden Variablen (z. B. r = 0.45 bis r = 0.50), dann lässt sich bei gegebener<br />

Diskrepanzdefinition (Festlegung des Kriteriums „Mindestleistung im Intelligenztest“; Festlegung<br />

des Kriteriums „höchstens zulässige Schulleistung“) der Anteil der zu erwartenden<br />

(hochbegabten) „Underachiever“ statistisch genau berechnen. Er bewegt sich in jedem Fall<br />

sehr weit unterhalb des oftmals genannten 50 %-Wertes. Ein Beispiel: Definiert man hochbegabte<br />

„Underachiever“ als Schülerinnen oder Schüler mit einem Intelligenzquotienten<br />

von IQ ≥ 130 (entspricht etwa einem Prozentrang von PR ≥ 98) und höchstens durchschnittlicher<br />

Schulleistung (entspricht einem Prozentrang von PR ≤ 50), dann sind rund 12 %<br />

bis 13 % der Hochbegabten „Underachiever“.<br />

Weil also „Underachievement“ bei Hochbegabten relativ selten vorkommt, beziehen sich<br />

empirische Studien zum Thema fast immer auf kleine Stichroben. Eine einfache Beispielsrechnung<br />

soll das verdeutlichen: Für eine aussagekräftige Studie mit z. B. 100 hochbegabten<br />

„Underachievern“ bräuchte man bei der oben angegebenen Definition (IQ ≥ 130, höchstens<br />

durchschnittliche Schulleistungen; Korrelation zwischen Intelligenz und Schulleistung<br />

r = 0.45 bis r = 0.50) rund 830 Hochbegabte. Um 830 Hochbegabte mit einem Mindetst-<br />

IQ von 130 zu finden, müsste man mehr als 36.000 Schülerinnen und Schüler diagnostisch<br />

untersuchen. Es leuchtet ein, dass derartig umfangreiche Studien in der Regel nicht durchgeführt<br />

werden können, da die erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen<br />

fehlen.<br />

Und noch ein Punkt dürfte deutlich geworden sein: Je nach Definition (beispielsweise<br />

Grenzsetzungen in Intelligenz und Schulleistung) ergeben sich unterschiedlich viele „Underachiever“.<br />

Die Auftretenshäufigkeit von „Underachievement“ ist nämlich kein Rätsel; sie zu<br />

bestimmen bedarf, wie schon angedeutet, nur einiger Grundkenntnisse in Statistik. Variierende<br />

Angaben in der Literatur sind prinzipiell und stets durch jeweils variierende Erfassungsmethoden<br />

der beiden zur Definition herangezogenen Variablen, durch unterschiedliche<br />

Grenzsetzungen und durch nicht-repräsentative Stichprobenziehungen aufklärbar. Das<br />

gleiche Argument trifft übrigens auch für die Auftretenshäufigkeit von „Legasthenie“ zu, legt<br />

man die „klassische“ Diskrepanzdefinition zu Grunde: Danach ist Legastheniker, wer bei

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