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HOCHBEGABUNG UND SCHULE<br />
Interdependenzmodell“ geworden. Der Fairness halber sei hinzugefügt, dass dieses Problem<br />
praktisch alle „Multi-Variablen-Modelle“ betrifft, aber von den „Modell“-Erfindern so<br />
gut wie nie angesprochen wird.<br />
Sind die „multiplen“ „Modelle“ wissenschaftlich gut brauchbar?<br />
Für beide „Modelle“ (und für viele andere ähnlicher Art) gilt, dass ihre empirische und auch<br />
theoretische Basis ausgesprochen schwach ist oder sich in Einzelfallbelletristik erschöpft.<br />
Bestenfalls handelt es sich hierbei um „implizite Theorien“, welche die persönlichen Sichtweisen<br />
und Anschauungen der Urheber zum Ausdruck bringen, aber keine empirisch überprüften<br />
und überprüfbaren Theorien im wissenschaftlichen Sinne darstellen. Diesen und<br />
manchen anderen „Modellen“ ist gemeinsam, dass sie durch die fast beliebige Öffnung des<br />
Hochbegabungsbegriffs für fast jedes Konzept, das die (Pädagogische) Psychologie zu bieten<br />
hat, zur Leerformel entarten und aufgrund dessen schließlich weder für die Theorie noch<br />
für die Praxis sonderlich nützlich sind. Und die Tatsache, dass etwas von einem Professor<br />
vorgeschlagen wird, muss nicht in jedem Fall auch bereits ein Qualitätsmerkmal sein.<br />
Wie steht es mit dem „Münchner Hochbegabungsmodell“?<br />
In abgeschwächter Art gilt die eben geäußerte Kritik auch für das sogenannte Münchner<br />
Hochbegabungsmodell, welches in vielen Ratgeberbüchern vorgestellt wird. Es besteht in<br />
der graphischen Darstellung aus fünf nicht-kognitiven Persönlichkeitsmerkmalen (plus sieben<br />
in der Legende), fünf Begabungsbereichen (in der Legende ebenfalls weiter ausdifferenziert)<br />
und drei Umweltmerkmalen (plus neun in der Legende); diese sollen auf acht Leistungsbereiche<br />
direkt oder indirekt einwirken. Neben seiner mehr oder weniger großen<br />
Alltagsplausibilität (alles hat vielleicht irgendwie auch mit „Begabung“, „Hochbegabung“<br />
und „Leistung“ zu tun) informiert dieses „Multi-Multi-Modell“ nicht darüber, wie und auf welche<br />
Weise diese Bereiche zu erfassen sind, wie sie miteinander und untereinander zusammenhängen,<br />
was jeweils in welchem Ausmaß auf was einwirkt – sieht man von den wenig<br />
aussagefähigen bloßen Verbindungspfeilen in der Zeichnung ab. Damit ist die Beschreibungs-<br />
und Erklärungskraft des Münchner Modells nicht sonderlich gut.<br />
Sind denn „Multi-Variablen-Modelle“ überhaupt verwendbar?<br />
Kaum. Es stellt sich die Frage, was konkret mit solchen und ähnlichen „Modellen“, die in der<br />
pädagogisch orientierten Hochbegabungsliteratur inflationär vorkommen, überhaupt<br />
beschrieben werden soll. Eine Erklärung des Phänomens „Hochbegabung“ leisten sie<br />
jedenfalls nicht, und für die Praxis der Identifikation und Förderung Hochbegabter liefern<br />
sie keine spezifizierten Anregungen (es sei denn, man gibt sich mit Allgemeinplätzen wie<br />
„alle aufgeführten Variablen können für Hochbegabung bedeutsam sein oder auch nicht“<br />
zufrieden). Deshalb bezeichnen Kritiker solche Modelle naheliegenderweise als Modelle<br />
„nullter Ordnung“. Spötter werten „Modelle“ mit vielen kleinen Kästchen und Strichen und<br />
mit fehlenden Spezifizierungen als „boxologische Modelle“ ab. Samt und sonders stehen<br />
empirische Bewährungsstudien noch aus, und es zeichnet sich nicht ab, dass diese Lücke in<br />
absehbarer Zeit geschlossen wird.