09.01.2013 Aufrufe

brain

brain

brain

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

12<br />

HOCHBEGABUNG UND SCHULE<br />

Weiterhin wird kritisiert, dass mit „Kreativität“ ein butterweiches, im Verlauf der kindlichen<br />

Entwicklung notorisch instabiles Konzept einbezogen wird, das bislang weder hinreichend<br />

klar umschrieben noch brauchbar operationalisiert worden ist. Von vielen Kritikern des Kreativitätskonzepts<br />

wird bemängelt, dass von den zahlreichen als „Kreativitätstests“ bezeichneten<br />

Verfahren keines auch nur annäherungsweise das erfasst, was im eigentlichen Sinn<br />

produktiv-schöpferische Leistungen ausmacht. Zudem wird immer wieder darauf verwiesen,<br />

dass die bislang vorliegenden Kreativitätstests kaum etwas Eigenständiges messen:<br />

Verschiedene Kreativitätstest korrelieren untereinander nicht höher (manchmal sogar geringer)<br />

als mit herkömmlichen Intelligenztests. Die Psychologie sagt dazu: Es fehlt am Nachweis<br />

der konvergent-divergenten Validität. Wenn diese gegeben wäre, sollte das Beziehungsgeflecht<br />

wie folgt aussehen: Kreativitätstests müssten hoch untereinander korrelieren<br />

(weil sie alle etwas Ähnliches zu messen vorgeben), und ihre Korrelationen zu Intelligenztest<br />

müssten sehr viel geringer ausfallen (weil behauptet wird, Intelligenz und Kreativität<br />

seien verschiedene Konstrukte). Auch die Messung des „leistungsorientierten Arbeitsverhaltens“<br />

ist hochgradig verbesserungsbedürftig, was aber hier aus Platzgründen nicht<br />

näher erläutert werden kann.<br />

Postuliert man, wie das im Renzulli-Modell geschieht, mehrere unscharfe Variablen und<br />

unausgegorene Konzepte als begriffskonstituierende Definitionsmerkmale von „Hochbegabung“,<br />

dann erschwert oder verhindert man eine psychologisch vernünftige und anwendungsorientierte<br />

Konzeptbildung und Diagnostik. Damit sind Modelle wie das von Renzulli,<br />

das bei Pädagogen sehr beliebt ist und in einschlägigen Rategebern immer wieder vorgestellt<br />

wird, für die Praxis nicht besonders hilfreich. Es gibt aber noch einen weiteren zentralen<br />

Kritikpunkt: Die gebotene Trennung von „Potential“ ( = Begabung) und „Performanz“ (=<br />

Leistung) wird ohne Begründung aufgegeben. „Hochbegabte Minderleister“ bzw. „Hochbegabte<br />

Underachiever“ (das ist die Problemgruppe in Begabungsberatungsstellen; das<br />

sind Schülerinnen bzw. Schüler mit sehr guter Begabung und schlechten Schulleistungen)<br />

kann es nach Renzullis Modell nicht geben: Ein außergewöhnlich einfallsreiches, „kreatives“<br />

Kind mit extrem hoher Intelligenz, das wegen eines schlechten, langweiligen Unterrichts<br />

der Schule eine „innere Kündigung“ ausgesprochen hat, keine „leistungsorientierte Arbeitshaltung“<br />

zeigt, sich der Mitarbeit verweigert und folglich nur ausreichende oder gar schlechtere<br />

Noten erhält, solch ein Kind wäre nach diesem „Modell“ nicht „hochbegabt“.<br />

Ein holländischer Psychologe, Franz. J. Mönks, hat das Renzulli-„Modell“ um die, wie er sagt,<br />

„primären Sozialbereiche“, erweitert, indem er um die drei ineinandergreifenden Ringe ein<br />

gleichseitiges Dreieck zeichnete und in die Ecken jeweils „Peers“, „Schule“ und „Familie“<br />

schrieb. Später ersetzte Mönks noch das wenig scharfe Konzept der „leistungsorientierten<br />

Arbeitshaltung“ durch den (noch unbrauchbareren) Begriff „Motivation“ (unter den jeder<br />

fast alles, was er möchte, subsumieren kann). Dieses graphisch hübsch anzusehende<br />

„Modell“, wohlklingend als „Triadisches Interdependenzmodell“ bezeichnet und landauflandab<br />

propagiert, hat die Sachlage noch weiter „verschlimmbessert“, was beispielhaft<br />

anhand von fünf Kritikpunkten verdeutlicht werden soll:<br />

� Die sogenannten „primären Sozialbereiche“ sind äußerst komplex. Was ist in diesem<br />

Sinne eine „gute“ Schule? Was sind in diesem Sinne „gute“ Peerbeziehungen? Was ist in<br />

diesem Sinne eine „gute“ Familie“? – Über die Antwort auf diese Fragen streiten Pädagogen<br />

schon seit Jahrzehnten, und es ist nicht abzusehen, wann eine Antwort gefunden<br />

wird, die von der Mehrheit der Pädagogen akzeptiert wird.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!