„Spezielle Schmerzthe- rapie“ mit Fachgesellschaften diskutiert

„Spezielle Schmerzthe- rapie“ mit Fachgesellschaften diskutiert „Spezielle Schmerzthe- rapie“ mit Fachgesellschaften diskutiert

09.01.2013 Aufrufe

B&K/Wustinger 8 13. INTERNATIONALES WIENER SCHMERZSYMPOSIUM 29.2.-2.3.2008 13. Wiener Internationales Schmerzsymposium JEDER ZWEITE CHRONISCHE SCHMERZ- PATIENT INFOLGE UNZUREICHENDER AKUTSCHMERZ-VERSORGUNG Zum 13. Mal war das Internationale Wiener Schmerzsymposium (29. Februar bis 2. März 2008) unter dem Vorsitz von O.Univ.-Prof. DDr. Hans-Georg Kress, Vorstand der Abteilung für Spezielle Anästhesie und Schmerztherapie (AKH Wien), aktuellen Themen zum Schmerz gewidmet, dem häufigsten aller Krankheitssymptome. Nach den Fortschritten in der Therapie und im Verständnis chronischer Schmerzen in den vergangenen Jahren erleben wir derzeit wieder eine besondere Beachtung des akuten Schmerzes“, so Prof. Kress. „Zum einen ist die verlässliche Therapie des Akutschmerzes ein wesentlicher Bestandteil der Qualitätsziele modern geführter Kliniken. Zum anderen ist die Akut-Schmerztherapie mit Patienten-kontrollierter Schmerzkontrolle (PCA) bzw. geeigneten kurzwirksamen Schmerzmedikamenten und speziellen Applikationsformen schon lange fest etabliert, und kann durch die inzwischen angebotene Produktvielfalt unter den technischen und ökonomischen Voraussetzungen des jeweiligen Behandlungsumfeldes optimal verwendet werden.“ Aus schmerzmedizinischer Sicht ist das Thema der Schmerz-Chronifizierung besonders relevant. „Un- oder unterbehandelter Akutschmerz weist die Tendenz auf, chronisch zu werden“, so Prof. Kress. „Nach den in einer aktuellen Umfrage erhobenen Erfahrungen von österreichischen Schmerzspezialisten hat fast jeder zweite Patient mit chronischen Schmerzen eine unzureichende Akutschmerztherapie als Ausgangspunkt seiner Beschwerden.“ In einer wissenschaftlichen Untersuchung aus Großbritannien ließen sich bei 23 Prozent der chronischen Schmerzpatienten die Schmerzen auf ein Operationsereignis zurückführen. Fast 60 Prozent der operationsbedingten chronischen Schmerzen dauerten bereits länger als 24 Monate, drei Viertel davon kontinuierlich mit moderater (50 Prozent) bzw. starker Intensität (25 Prozent). SCHMERZ nachrichten „Schmerzen während und nach einer Operation müssten nicht sein: Peri- bzw. postoperative Schmerzen sind absehbar und vorübergehend, und es gibt hervorragende Möglichkeiten sie zu vermeiden.“ O.Univ.-Prof. DDr. Hans-Georg Kress Und eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit aus Italien zeigt, dass das Ausmaß der operativen Verletzung von Nerven während einer offenen Leistenbruch-Operation signifikant mit dem Auftreten postoperativer chronischer Schmerzen korreliert. Werden die Nerven vom Operateur nicht identifiziert, ist das relative Risiko nach sechs Monaten signifikant erhöht und korreliert direkt mit der Zahl durchtrennter Nerven. Prof. Kress: „Was

leibt ist die schlichte Erkenntnis, dass neben nervenschonenden Operationsverfahren vor allem eine frühzeitige, effektive postoperative Schmerztherapie potentiell zur Prävention chronischer Schmerzen beitragen kann.“ ÖSTERREICHISCHE UMFRAGE: ZWEI DRITTEL LEIDEN UNTER POSTOPERATIVEM SCHMERZ. Aufschluss über die österreichische Situation beim postoperativen Schmerz gibt eine Umfrage des Meinungsforschungs-Institut IMAS, das im Auftrag der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG) 1000 Österreicher über ihre Erfahrungen im Zusammenhang mit postoperativen Schmerzen befragte. Zwei Drittel hatten Schmerzen: 22 Prozent starke, 22 Prozent mittlere, 23 Prozent schwache. Allerdings scheint die Aufklärungstätigkeit in den vergangenen Jahren zu einer Verbesserung geführt zu haben. Der Anteil der Patienten, die vom Arzt über die Möglichkeiten einer optimalen Schmerztherapie vor der Operation informiert worden waren, betrug vor über 15 Jahren nur 28 Prozent, und steigerte sich bis zu 65 Prozent in jüngerer Vergangenheit. Prof. Kress: „Die Befragungsergebnisse sind aber insofern alarmierend, als Schmerzen während und nach einer Operation nicht sein müssten: Peri- bzw. postoperative Schmerzen sind absehbar und vorübergehend, und es gibt hervorragende Möglichkeiten sie zu vermeiden.“ Es gehe hier jedoch nicht primär um individuelles schmerzmedizinisches Fehlverhalten von einzelnen Ärzten und schon gar nicht um individuelle Schuldzuweisungen, sondern in erster Linie um strukturelle Defizite in vielen Spitälern, betont Prof. Kress: „In vielen Krankenhäusern hängt die Qualität der postoperativen Schmerztherapie sehr stark davon ab, ob dort schmerzmedizinisch engagierte Mediziner tätig sind und ob die Personalbesetzung ein postoperatives Engagement überhaupt ermöglicht oder nicht.“ Tatsächlich ist in Krankenhäusern häufig ungeklärt, wer für die postoperative Schmerzmedizin eigentlich zuständig ist. Zu fordern seien deshalb neben dem Herstellen einer klaren organisatorischen Struktur und einer Festlegung der Behandlungskonzepte für das postoperative Schmerzmanagement auch die Etablierung von 24-Stunden- Schmerz diensten, die für die Schmerztherapie nicht nur auf einer Station, sondern in der gesamten Krankenanstalt verantwortlich sind. AKTUELLE BEFRAGUNG VON 50 SCHMERZSPE- ZIALISTEN. Meinungsforscher von Schütz Marketing Services in Wien haben jetzt österreichweit 50 Spezialisten für akute und chronische Schmerztherapie zum Thema Schmerz befragt. Die wichtigsten Ergebnisse: B&K/Wustinger 13. INTERNATIONALES WIENER SCHMERZSYMPOSIUM 29.2.-2.3.2008 Transkulturelle Aspekte: Andere Kulturen, anderes Schmerzempfinden Transkulturelle Faktoren spielen bei der somatoformen Schmerzstörung eine wichtige Rolle. Neben den sprachlichen Barrieren und kulturellen Unterschieden sind ein unterschiedlicher sozioökonomischer Status und unterschiedliche Schulbildung für das Erleben und Schildern von Beschwerden von grundlegender Bedeutung. Ein spezieller Workshop auf dem 13. Internatioanlen Wiener Schmerzsymposium widmete sich daher diesen Faktoren. „Somatische Symptome sind auch ein kultureller Ausdruck psychischer Befindlichkeit. Die Sprache seelischen Leids kann nicht vom jeweiligen kulturellen Referenzsystem getrennt interpretiert werden“, so Mag. Sanela Piralic Spitzl, Klinische und Gesundheitspsychologin, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Wien. „Es geht hierbei um eine Dekodierung der somatischen Symptome. Transkulturelle Kommunikation leistet einen wichtigen Beitrag zum Zuhören und Erfassen von verschiedenen Erklärungsansätzen über Krankheit und Schmerz. Die Untersuchung von Migranten erfordert daher eine transkulturelle Kompetenz.“ Die Verhaltenstherapeutische Schmerzambulanz an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie ist die erste derartige Anlaufstelle in Europa, die für PatientInnen mit Migrationshintergrund – in konkreten Fall für PatientInnen aus dem ehemaligen Jugoslawien – ein muttersprachliches Behandlungsangebot anbietet. Seit mehr als 10 Jahren besteht eine interdisziplinäre enge Zusammenarbeit mit dem Schmerzzentrum an der Abteilung für Spezielle Anästhesie und Schmerztherapie am AKH, und zwar als institutionalisierter Konsiliar-Liaison-Dienst der Verhal- Mag. Sanela Piralic Spitzl tenstherapeutischen Ambulanz. „Gesundheitseinrichtungen mit transkultureller und sprachlicher Kompetenz tragen zu einer Minderung erwarteter psychischer Stigmata bei und wirken aufgrund dessen einer verspäteten Behandlungsintervention entgegen“, so Mag. Piralic Spitzl. „Denn worüber Patienten in ihrer Muttersprache nur äußerst zurückhaltend sprechen, sprechen sie für gewöhnlich in einem für sie als fremd empfundenen kulturellen Setting und in einer für sie nur begrenzt verständlichen Sprache überhaupt nicht an. Transkulturelle und sprachliche Kompetenz im Gesundheitsbereich wirken präventiv und verhindern somit, dass das Gesundheitssystem selbst aufgrund inadäquater Maßnahmen zu weiteren Chronifizierungsprozessen beiträgt. u „Verhinderung einer Schmerz-Chronifizierung bei Akutschmerz“ hat für 94 Prozent hohe Priorität. u Die Konsequenzen einer unzureichenden Behandlung akuter Schmerzen werden dramatisch bewertet: Jeder zweite (49,7 Prozent) chronische Schmerzpatient habe in seiner Krankengeschichte „eine unzureichende Akutschmerz-Versorgung als Ausgangspunkt“. u Allerdings treten bei 49 Prozent der postoperativen Schmerzpatienten „analgetische Lücken auf“. u Insgesamt 66 Prozent meinten, der „zu geringe Einsatz patientenkontrollierter Therapiekonzepte“ sei „sehr stark“ oder „stark“ für analgetische Lücken verantwortlich. u 58 Prozent sehen „sehr stark“ oder „stark“ das „Fehlen von Akutschmerzdiensten“ als Ursache analgetischer Lücken, 66 Prozent „das Fehlen von Stati- ons- bzw. Abteilungs-übergreifenden Konzepten zur Akutschmerztherapie“, 76 Prozent „mangelhaft verzahnte Schnittstellen OP – Aufwachraum – periphere Station“. MULTIDISZIPLINÄRE KOOPERATION WÜNSCHENS- WERT. „Diese Antworten machen deutlich, dass das Problem nicht in mangelnder Einsicht oder fachlichem Unvermögen liegt, sondern wir es hier sehr häufig mit organisatorischen Defiziten zu tun haben, die eine konsequente Umsetzung des schmerzmedizinischen Wissens in die Praxis der Krankenhäuser behindern“, folgert Prof. Kress. Tatsächlich sei in Krankenhäusern häufig ungeklärt, wer für die postoperative Schmerzmedizin eigentlich zuständig ist. Zu fordern sei deshalb neben dem Herstellen einer klaren organisatorischen Struktur und einer Festlegung der Behandlungskonzepte für das postoperative Schmerzmanagement auch die Etablierung SCHMERZ nachrichten 9

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29.2.-2.3.2008<br />

13. Wiener Internationales Schmerzsymposium<br />

JEDER ZWEITE CHRONISCHE SCHMERZ-<br />

PATIENT INFOLGE UNZUREICHENDER<br />

AKUTSCHMERZ-VERSORGUNG<br />

Zum 13. Mal war das Internationale Wiener Schmerzsymposium (29. Februar bis 2. März 2008) unter dem Vorsitz<br />

von O.Univ.-Prof. DDr. Hans-Georg Kress, Vorstand der Abteilung für Spezielle Anästhesie und <strong>Schmerzthe</strong>rapie<br />

(AKH Wien), aktuellen Themen zum Schmerz gewidmet, dem häufigsten aller Krankheitssymptome.<br />

Nach den Fortschritten in der Therapie<br />

und im Verständnis chronischer<br />

Schmerzen in den vergangenen Jahren<br />

erleben wir derzeit wieder eine besondere<br />

Beachtung des akuten Schmerzes“, so<br />

Prof. Kress. „Zum einen ist die verlässliche<br />

Therapie des Akutschmerzes ein wesentlicher<br />

Bestandteil der Qualitätsziele modern<br />

geführter Kliniken. Zum anderen ist die<br />

Akut-<strong>Schmerzthe</strong>rapie <strong>mit</strong> Patienten-kontrollierter<br />

Schmerzkontrolle (PCA) bzw. geeigneten<br />

kurzwirksamen Schmerzmedikamenten<br />

und speziellen Applikationsformen<br />

schon lange fest etabliert, und kann durch<br />

die inzwischen angebotene Produktvielfalt<br />

unter den technischen und ökonomischen<br />

Voraussetzungen des jeweiligen Behandlungsumfeldes<br />

optimal verwendet werden.“<br />

Aus schmerzmedizinischer Sicht ist das Thema<br />

der Schmerz-Chronifizierung besonders<br />

relevant. „Un- oder unterbehandelter Akutschmerz<br />

weist die Tendenz auf, chronisch<br />

zu werden“, so Prof. Kress. „Nach den in einer<br />

aktuellen Umfrage erhobenen Erfahrungen<br />

von österreichischen Schmerzspezialisten<br />

hat fast jeder zweite Patient <strong>mit</strong> chronischen<br />

Schmerzen eine unzureichende Akutschmerztherapie<br />

als Ausgangspunkt seiner<br />

Beschwerden.“<br />

In einer wissenschaftlichen Untersuchung<br />

aus Großbritannien ließen sich bei 23 Prozent<br />

der chronischen Schmerzpatienten die<br />

Schmerzen auf ein Operationsereignis zurückführen.<br />

Fast 60 Prozent der operationsbedingten<br />

chronischen Schmerzen dauerten<br />

bereits länger als 24 Monate, drei Viertel davon<br />

kontinuierlich <strong>mit</strong> moderater (50 Prozent)<br />

bzw. starker Intensität (25 Prozent).<br />

SCHMERZ nachrichten<br />

„Schmerzen während und nach einer<br />

Operation müssten nicht sein: Peri- bzw.<br />

postoperative Schmerzen sind absehbar und<br />

vorübergehend, und es gibt hervorragende<br />

Möglichkeiten sie zu vermeiden.“<br />

O.Univ.-Prof. DDr. Hans-Georg Kress<br />

Und eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit<br />

aus Italien zeigt, dass das Ausmaß der operativen<br />

Verletzung von Nerven während einer<br />

offenen Leistenbruch-Operation signifikant<br />

<strong>mit</strong> dem Auftreten postoperativer chronischer<br />

Schmerzen korreliert. Werden die Nerven<br />

vom Operateur nicht identifiziert, ist das relative<br />

Risiko nach sechs Monaten signifikant<br />

erhöht und korreliert direkt <strong>mit</strong> der Zahl<br />

durchtrennter Nerven. Prof. Kress: „Was

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