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kurz & knapp - Studi38

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Wege doch entspannter.<br />

Es fühlt sich an wie „Jäger<br />

und Sammler“, ganz<br />

so wie früher. Aber wir<br />

müssen zugeben – es<br />

ist spannend wie eine<br />

geheime Einsatztruppe<br />

die Straßen entlang zu<br />

schleichen. Der Schnee<br />

knirscht so laut wie<br />

noch nie. Jeder Passant,<br />

der um diese Zeit noch<br />

unterwegs ist, wird misstrauisch<br />

beäugt. Es wird<br />

nur noch gefl üstert. Angekommen<br />

auf dem ersten<br />

Hinterhof steht einer Schmiere,<br />

während der Rest im Scheinwerferlicht<br />

hektisch die Abfallcontainer durchkämmt.<br />

Direkt werden wir fündig.<br />

Drei Brote und Spaghetti lachen uns<br />

an. Mehr ist an diesem Platz allerdings<br />

nicht zu holen. Trotzdem, das hatten<br />

wir uns irgendwie schwerer vorgestellt.<br />

Auf dem Weg zum zweiten Ziel sind wir<br />

schon wesentlich entspannter. Wir fühlen<br />

uns sicher und unterhalten uns wie-<br />

Trophäen der Nacht: Diese Lebensmittel<br />

hätten unsere Redakteure mitgenommen,<br />

wenn containern legal wäre<br />

Campus<br />

der in normaler Lautstärke. Spazierend<br />

erreichen wir den nächsten Container.<br />

‚Uns erwischt ja eh keiner‘, will einer<br />

von uns gerade noch rufen, da fährt ein<br />

Wagen in die Einfahrt zum Hinterhof.<br />

Wie im Gefecht werfen wir uns förmlich<br />

in den Schnee, ducken uns hinter<br />

den Abfällen und warten ab. Gut, ganz<br />

so schlimm war es in Wirklichkeit dann<br />

doch nicht. Adrenalin wurde trotzdem<br />

in Mengen verschüttet.<br />

Denn Containern ist und bleibt rechtlich<br />

gesehen eine Straftat. In Deutschland<br />

hat auch noch der Abfall einen Besitzer,<br />

auch wenn dieser die Sachen gar<br />

nicht mehr haben will. Es ist Diebstahl<br />

Lebensmittel aus Mülltonnen zu nehmen.<br />

Deshalb stecken wir auch nichts<br />

ein. Stattdessen belassen wir es sozusagen<br />

bei einer Trockenübung und schreiben<br />

alles auf einen Zettel, was wir mitgenommen<br />

hätten. Was wäre wenn…<br />

ist unser Motto. Das letzte, was wir wollen,<br />

ist auf frischer Tat ertappt zu werden<br />

und das gleiche zu erleben wie<br />

Christof und sein Freund Frederik in<br />

Döbeln, einem Ort zwischen Leipzig<br />

und Dresden. „Wir wurden dort auf einem<br />

Supermarktparkplatz mit einem<br />

Hänger voller Lebensmittel von der Polizei<br />

kontrolliert und Wochen später<br />

fl atterten dann die ersten Briefe von Polizei<br />

und später Justiz ins Haus.“ Jetzt<br />

müssen sich die zwei vor Gericht verantworten.<br />

Dabei verteidigen sich die<br />

beiden selber und das scheinbar auch<br />

nicht schlecht, denn der Prozess großes<br />

Interesse auf sich und dauert nun schon<br />

8<br />

seit Oktober an. „Die Richterin musste<br />

feststellen, dass sie uns nicht in einer<br />

halben Stunde aburteilen kann, wie sie<br />

das offensichtlich am Anfang vorhatte“,<br />

erklärt Christof.<br />

Es geht aber auch anders. Containern<br />

muss nicht zwangsläufi g eine Anzeige<br />

nach sich ziehen, falls man auf frischer<br />

Tat ertappt wird. „Sucht das Gespräch<br />

und erklärt euch“, raten erfahrene Containerer.<br />

In vielen Fällen wird noch direkt<br />

vor Ort eine Lösung gefunden.<br />

„Wir haben einmal einen älteren Herrn<br />

beim Containern erwischt. Er hat für<br />

seine Tiere Essen gesammelt“, erzählt<br />

der stellvertretende Filialleiter. Anstatt<br />

zu streiten erklärten beide Parteien ihren<br />

Standpunkt. Heute kann der Herr<br />

jede Woche einen Karton mit aussortierten<br />

Lebensmitteln abholen. Es ist<br />

bestimmt auch keine gute PR für die<br />

Supermärkte, den kleinen Mann von<br />

nebenan anzuzeigen nur weil dieser<br />

Dinge an sich nimmt, die keiner mehr<br />

haben will. Dann lieber doch den diplomatischen<br />

Weg. Die Polizei hat sicher-<br />

„Die Hälfte aller Lebensmittel<br />

landen früher oder<br />

später im Müll und nicht<br />

auf dem Tisch.“<br />

Christof, 24 Jahre<br />

lich auch Besseres zu tun als sich um<br />

Müll zu kümmern. Das dachten bis dahin<br />

wohl auch Christof und Frederik.<br />

Aber trotz Anklage sind sie zuversichtlich.<br />

„Die Chance auf einen Freispruch<br />

steht nicht schlecht“, meint Christof,<br />

„denn bis dato gibt es noch kein einziges<br />

Urteil zu dem Thema – sämtliche<br />

uns bekannte Verfahren wurden eingestellt.“<br />

Containern: auf dem Papier illegal,<br />

praktisch meistens geduldet?<br />

So weit kommt es bei unserem Feldzug<br />

zum Glück erst gar nicht. Das Auto<br />

wendet bloß. Kurz durchgeatmet und<br />

wieder ran an den Speck. Schnell steckt<br />

der Kopf unserer Mitstreiterin wieder<br />

unter dem großen grünen Deckel mit<br />

der Aufschrift „Bio-Abfälle“. „Boah, ihr<br />

glaubt nicht was hier rumliegt“, hallt es

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