Campus Wir lieben Lebensmittel Grundlage zum Überleben, Protest gegen die verschwenderische Konsumgesellschaft, einfache Gelegenheit zum Sparen, eine imageschädigende Bewegung. Es gibt viele Möglichkeiten das Containern zu umschreiben – die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte. studi38 hat den Selbstversuch gemacht. Von Nico Bensch & Franziska Ziemann 6
Fotos: Franziska Ziemann Brot, Kohlrabi, Nudeln, Tomaten, Brötchen, Paprika, Donuts, Zucchini, Aubergine, Rosenkohl, Rosinenbrot, Clementinen, Trauben, Zitronen, Karotten und Salat. Ein gesunder und nicht ganz billiger Einkauf für die Woche? Nein, die Ausbeute nach einer Stunde containern! Frei nach dem Motto „Einmal hin, alles drin“. Täglich werden von Supermärkten Lebensmittel weggeworfen. Entweder weil das Haltbarkeitsdatum abgelaufen oder die Verpackung beschädigt ist. „Wir dürfen keine Lebensmittel verkaufen, deren Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist. Wir würden die volle Haftung übernehmen, falls dem Konsumenten dann etwas passiert“, erklärt der stellvertretende Filialleiter einer großen Supermarktkette, der lieber anonym bleiben möchte. „Das bedeutet natürlich nicht immer gleich einen Qualitätsverlust der Ware, aber uns sind da einfach die Hände gebunden“, so der 25-Jährige weiter. Hier beginnt der Kreislauf des Containerns. Mittlerweile hat sich herumgesprochen, was es alles im Müll zu fi nden gibt. „Das Angebot nehme ich gerne an“, meint Simon, „Seit einem Jahr gehe ich deshalb hin und wieder containern.“ Passend zu diesem Thema sprießen im Internet zahlreiche Foren, Blogs und Communities aus dem Boden. Aber nicht jeder containert aus den selben Campus Gründen. Während es für einige überlebenswichtig ist, da das Geld für einen sättigenden Einkauf nicht ausreicht, stehen für andere politische Motive im Vordergrund. Der 24-jährige Christof, der sich selbst als Lebenskünstler bezeichnet, containert aus Überzeugung: „Die Hälfte aller Lebensmittel landen Eingepackt und verzehrbereit: Aussortierte Brote und Brötchen auf dem Hinterhof eines Braunschweiger Supermarktes 7 „Es ist natürlich schlecht für das Image, wenn unsere Kunden Leute in Mülltonnen rumwühlen sehen“ Stellv. Filialleiter (Möchte anonym bleiben) früher oder später im Müll und nicht auf dem Tisch. Die enormen Auswirkungen der Lebensmittelproduktion bezüglich Flächen- und Energieverbrauch sind einfach ein Skandal, dem ich so entgegenwirken kann.“ Dabei geht er sogar so weit, dass er bis zu fünf Mal pro Woche loszieht. Dem Kapitalismus den Kampf ansagen und die Konsumgesellschaft boykottieren ist die Devise. So gesellt sich aus dieser Sicht das Containern zum Hausbesetzen, Schwarzfahren oder Guerilla Gardening. Vielleicht nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber eben eine Lebenseinstellung. Simon hingegen containert nur aus purem Egoismus: „Ich kann viel sparen und hab auch noch Spaß dabei. Es macht dich frei!“ Ob aus Notwendigkeit, Überzeugung oder Eigennutz, die Popularität der alternativen Lebensmittelbeschaffung wächst und damit auch die Zahl derer, die es nicht gutheißen. „Es ist natürlich schlecht für das Image, wenn unsere Kunden Leute in Mülltonnen rumwühlen sehen“, heißt es von Seiten der Supermärkte. Aber nicht nur deshalb werden immer mehr Container abgeschlossen. Auch Vorschriften der Müllabfuhr veranlassen die Märkte dazu ihren Müll zu sichern. Gerade in Containerhochburgen wie Berlin oder Leipzig ist es daher immer schwieriger erfolgreich von der meist nächtlichen Tour zurückzukommen. Essen aus Containern. Mülltonnen, die abgeschlossen werden. Wir können das Ganze noch nicht so recht glauben. Gepackt von Neugier und Ehrgeiz machen wir uns daher selbst auf die Jagd. Eingepackt wie Eskimos, ausgestattet mit Rucksäcken, Tüten und, ganz wichtig, einer Taschenlampe ziehen wir los. Es ist ein Uhr nachts. Da ist Einkaufen auf dem herkömmlichen