kurz & knapp - Studi38
kurz & knapp - Studi38
kurz & knapp - Studi38
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Dialog<br />
Die Redaktion haben zahlreiche Rückmeldungen zum<br />
Portrait über Klaus Hoenen erreicht. Dafür vielen Dank.<br />
Zwei besonders kritischen Leserbriefen wollen wir uns<br />
öffentlich stellen.<br />
(Auf eigenen Wunsch sind die Autoren anonymisiert.)<br />
Hausverbot an der TU Braunschweig<br />
...Mit Erschrecken habe ich festgestellt,<br />
dass die Redaktion eures Magazins<br />
nicht davor zurückschreckt jedem<br />
Selbstdarsteller dieser Stadt, gefährlich<br />
oder nicht, ein Forum zu bieten. Noch<br />
enttäuschender ist in diesem Zusammenhang<br />
die fehlende Kritik an einer<br />
Person, die im Übrigen an vielen Stellen<br />
dieser Hochschule aus den richtigen<br />
Gründen Hausverbot hat. Get your<br />
facts checked!<br />
Liebe Leserin / lieber Leser,<br />
wer jemandem ein Forum bietet, stellt eine<br />
Bühne auf und lässt ihn reden. Guter Journalismus<br />
dagegen trifft aktive Entscheidungen<br />
nach bewußten Kriterien – wäre also eher mit<br />
einer moderierten Podiumsdiskussion zu vergleichen.<br />
Klaus Hoenen hatte in studi38 nie<br />
ein Forum, wir haben ihn portraitiert – und<br />
das mit aller nötigen journalistischen Distanz.<br />
Wir haben einen streitbaren und interessanten<br />
Menschen vorgestellt, den viele Studierende<br />
tagtäglich auf dem Campus sehen, von<br />
dem aber sicher wenige mehr wissen – zum<br />
Beispiel woher er kommt oder was ihn antreibt.<br />
Genau diese Aufgabe hat Journalismus:<br />
von Orten zu berichten oder mit Menschen zu<br />
sprechen, die für den Leser nicht bereis- oder<br />
greifbar sind und sich auch Themen und Akteuren<br />
zu stellen, die nicht konsensfähig sind<br />
oder mit hohem Kuschelfaktor überzeugen.<br />
Wir trauen Ihnen und unseren zumeist studentischen<br />
Lesern übrigens durchaus zu, sich<br />
auf Grundlage des Portraits ein eigenes Bild<br />
von Klaus Hoenen zu machen und denken<br />
nicht, dass dieses zwangsweise positiv ausfallen<br />
muss. Kommen wir noch zu den Fakten:<br />
In der Tat hat Klaus Hoenen Hausverbot auf<br />
dem Gelände der TU Braunschweig. Dieses<br />
Schlussakkord<br />
wurde vom Präsidium<br />
aber erst Mitte Dezember,<br />
also nach Erscheinen<br />
der letzten Ausgabe<br />
ausgesprochen und<br />
konnte entsprechend<br />
nicht als Information in<br />
den Text einfl ießen. Ein<br />
existierendes Hausverbot<br />
hätte unser journalistisches<br />
Interesse<br />
an Klaus Hoenen übrigens<br />
nicht beeinfl usst.<br />
Unwissenschaftliche Vorgehensweise<br />
… Ich bin absolut schockiert über die<br />
unwissenschaftliche Vorgehensweise<br />
der Redaktion von "studi38". Ich ging<br />
offenbar falsch in der Erwartungshaltung,<br />
dass eine Zeitschrift, welche sich<br />
auf die Fahne schreibt, sie informiere<br />
Studenten über "Studieren in der<br />
Region", ein Mindestmaß an kritischjournalistischer<br />
Recherche betreibt.<br />
Sie aber bieten einer Person ein Forum,<br />
welches den Anschein von Seriösität<br />
suggeriert, über die Sie sich offenbar<br />
im Vorfeld nicht ausreichend<br />
informiert haben. Ich möchte Sie in<br />
Ihrer Verantwortlichkeit als Redaktion<br />
des Magazins dazu auffordern, das<br />
Bild, welches Sie von Herrn Hoenen<br />
entworfen haben, zu korrigieren und<br />
nach wissenschaftlichen Standards zu<br />
überarbeiten...<br />
Liebe Leserin / lieber Leser,<br />
eins vorweg: studi38 ist ein journalistisches<br />
und kein wissenschaftliches Produkt. Damit<br />
orientieren wir uns auch nicht an wissen-<br />
48<br />
Der Nazijäger<br />
Rotes Barett. Fingerlose Handschuhe.<br />
Die antifaschistischen Flugblätter<br />
stets griffbereit und die Bomberjacke<br />
voller Buttons mit Slogans wie: „Den<br />
sozial Benachteiligten eine Stimme<br />
geben“, „Genfood, Nein Danke!“<br />
oder „Kein Bock auf Nazis“. Klaus<br />
Hoenen macht keinen Hehl aus<br />
seiner politischen Einstellung.<br />
Von Fine Behrens & Hannes Graubohm<br />
A<br />
uf seinem „Kampfrad“, den Gepäckträger<br />
voller Bücher, die er<br />
für den Tag braucht, begibt er<br />
sich täglich auf die Jagd. Auf die Jagd<br />
nach Nazis. Doch wie wird man eigentlich<br />
„Nazijäger“? Oder: Wie wurde der<br />
selbsternannte „Nazijäger“ zu dem, was<br />
er ist?<br />
1944 in Bitterfeld bei Leipzig geboren<br />
und vom Vater, einem Lehrer und Wehrmachtsangehörigen,<br />
streng militärisch<br />
erzogen, weckt die Seefahrt bereits im<br />
Alter von 15 Jahren sein Interesse. Kurz<br />
vor dem Abitur in Essen konnte Hoenen<br />
dann bei einem sechswöchigen Praktikum<br />
auf See erste Erfahrungen machen.<br />
Nach dem Schulabschluss wollte er zur<br />
Bundesmarine gehen, aber sein hoher<br />
Blutdruck machte ihm bei der Musterung<br />
einen Strich durch die Rechnung.<br />
Und das obwohl er regelmäßig Sport<br />
trieb, wie Geräteturnen, Handball spielen<br />
und Rudern.<br />
Von der Ausmusterung noch schwer<br />
getroffen, entschied Klaus Hoenen sich<br />
für ein Meteorologiestudium in München.<br />
Wegen des hohen Physikanteils,<br />
der ihm nicht lag, brach er jedoch nach<br />
zwei Semestern ab. Nun führte ihn sein<br />
Weg an die TH Darmstadt, wo er bis<br />
zum Vordiplom Geowissenschaften studierte.<br />
Ganz im Sinne der 68er ging er<br />
zu dieser Zeit, „aus einem Bauchgefühl<br />
heraus“, obwohl er das „reine echte<br />
20<br />
Campus<br />
Verständnis für das Politische noch gar<br />
nicht hatte“ erstmalig auf eine Demo<br />
und skandierte „Ho-, Ho, Ho-Chi-Minh“<br />
gegen den Vietnamkrieg der US-Amerikaner,<br />
für den Vietcong. Als sein Dozent<br />
nach Braunschweig berufen wur-<br />
de, ging Hoenen <strong>kurz</strong>erhand mit und<br />
beendete sein Studium der Geowissenschaften<br />
dann an der TU Braunschweig.<br />
„Eigentlich war mir die Steinwelt aber<br />
viel zu tot.“ Daher beschäftigte er sich<br />
parallel noch mit der Mikrobiologie und<br />
schaftlichen Qualitätskriterien und es fallen<br />
uns auf Anhieb einige große Unterschiede zwischen<br />
diesen beiden Welten ein. Zum Beispiel<br />
in der Sprache. Der unbedingte Exaktheitszwang<br />
wissenschaftlicher Veröffentlichungen<br />
steht doch in einem krassen Gegensatz zum<br />
journalistischen Verständlichkeitsanspruch.<br />
Wissenschaft sucht vor allem nach Regelmäßigkeiten,<br />
Journalismus eher nach Menschen<br />
und Themen, die aus dem alltäglichen Rahmen<br />
fallen und so einen Informationswert für<br />
den Rezipienten in sich tragen. Wir denken,<br />
das ist auch gut so. Wenn Sie mit unwissenschaftlich<br />
aber etwas anderes meinen, nämlich<br />
unkritisch und noch dazu inhaltlich falsch<br />
– dann fühlen wir uns sehr wohl in unserer<br />
Berufsehre getroffen. Für das Portrait über<br />
Klaus Hoenen haben wir mit vielen verschiedenen<br />
Menschen gesprochen, zum Beispiel mit<br />
politischen Weggefährten, Studierenden oder<br />
Vertretern von öffentlichen Einrichtungen wie<br />
etwa der Bahnhofsmission. Bis heute haben<br />
wir übrigens keine Informationen gewonnen,<br />
die das von uns gezeichnete Bild entscheidend<br />
verändern würden. #<br />
Fotos: Maria Boger