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Die Auftragsdenker GHOSTWRITING SPART EINE MENGE ZEIT, ABER KOSTET GENAUSO VIEL GELD Von Shirin Schönberg Es macht wenig Spaß wissenschaftliche Arbeiten zu schreiben. Trotzdem muss jeder Student spätestens am Ende seines Studiums eine schriftliche Arbeit abgeben. Die Karriere macht dann meistens auch gleich einen Großteil der Note aus. Grund genug für Schweißausbrüche und Schlafstörungen. Aber das muss nicht sein. Wer genügend Kleingeld in der Tasche 46 hat, kann auf trockene Bibliotheksluft und Augenringe verzichten und seine Arbeit von guten Geistern erledigen lassen. Nein, die Rede ist nicht von Feen, Heinzelmännchen oder sprechenden Fotos: Florian Koch
Mäusen. Das Zauberwort heißt Ghostwriting. Im Internet fi nden sich massenweise Ghostwriter-Agenturen und alle reißen sich um Studierende, die zu wenig Talent, Zeit oder Lust und dafür zu viel Geld haben. Auch die Firma Acad-Write gehört dazu. Hier können sich Studierende wissenschaftliche Texte vom Essay bis zur Doktorarbeit verfassen lassen. Eine Seite kostet zwischen 30 und 90 Euro. Je nachdem, ob man eine reine Literaturarbeit oder eine empirische Arbeit in Auftrag gibt, eine Hausarbeit oder eine Magisterarbeit. Aufschläge muss bezahlen, wer sich nicht frühzeitig meldet, sondern eine Woche vorm Abgabetermin bei der Agentur Hilfe sucht. Geschrieben werden die Arbeiten bei Acad-Write von 200 freiberufl ichen Autoren, die sich, laut Geschäftsführer Thomas Nemet, durch einen überdurchschnittlich guten Hochschulabschluss und eine besondere Affi nität zum Schreiben für die Arbeit als Ghostwriter qualifi zieren. Bevor die Mitarbeiter dann echte Aufträge bekommen, müssen sie bei Acad- Write Probeaufträge schreiben, damit die Qualität der Arbeiten gesichert ist. Eine Notengarantie will Nemet dann aber nicht geben. „Offi ziell fertigen wir ja keine Hausarbeiten an, sondern wissenschaftliche Texte, mit denen unsere Kunden dann machen können, was sie wollen. Deswegen können wir ihnen auch keine Garantie geben, dass sie eine gute Note kriegen.“ Probeaufträge schreiben musste auch Anja (Name geändert). Nach ihrem Abschluss in BWL hat sie ein Jahr lang als Ghostwriterin für einen großen deutschen Anbieter gearbeitet. „Ich habe nach dem Studium nicht sofort einen Job gefunden, weil es zu der Zeit einfach zu viele BWLer gab“, erzählt sie. Ein Freund machte sie auf das Jobangebot der Ghostwriter-Agentur aufmerksam. „Da war ich dann plötzlich als Betriebswirtin total gefragt, weil die meisten Kunden aus den Bereichen Wirtschaftswissenschaften und Jura kommen.“ Also fi ng sie an für Geld das zu tun, was ihr schon im Studium immer leichtgefallen war. Herausgekommen sind meh- Karriere rere <strong>kurz</strong>e Hausarbeiten, aber auch eine 120 Seiten starke Diplomarbeit im Bereich Personal. Zumindest vermutet Anja das. Was sie nämlich genau verfassen sollte, ob Hausarbeit oder Abschlussarbeit, wurde ihr nicht mitgeteilt. „Mir wurden immer nur das Thema der Arbeit und der geforderte Seitenumfang gesagt“, erzählt Anja. „Nachdem ich angefangen hatte, musste ich jeden Schritt meiner Arbeit vom Kunden abnicken lassen. Allerdings lief die gesamte Kommunikation über die Firma, so dass ich nicht weiß, wer meine Arbeiten bekommen hat.“ Anonymität ist das Lebenselixier der Branche. Wer sich eine Arbeit fremdverfassen lässt, möchte das schließlich nicht unbedingt an die große Glocke hängen. Vor allem, weil nicht nur Studierende die Dienste der Geisterschreiber in Anspruch nehmen. „Unsere Klientel ist bunt gemischt“, verrät Acad-Write Geschäftsführer Nemet. Auch Professoren und Firmen würden die Agentur mit wissenschaftlichen Arbeiten beauftragen. Dabei wird auf der 47 Internetseite sogar noch versucht das schlechte Gewissen der potenziellen Kunden zu beruhigen. Wer auf seinem Fachgebiet glänzt, müsse noch lange kein Talent zum Schreiben haben, heißt es dort. Direkt darunter erscheint das Kontaktformular für die unverbindliche Anfrage. Der Auftrag wird dann schließlich durch einen Klick auf den Link im Antwortschreiben erteilt. „Offi ziell fertigen wir ja keine Hausarbeiten an, sondern wissenschaftliche Texte, mit denen unsere Kunden dann machen können, was sie wollen.“ Thomas Nemet, Geschäftsführer Acad-Write Die Gefahr, dass eine Auftragsarbeit als Plagiat enttarnt wird, besteht laut Nemet bei Texten von Acad-Write nicht. „Jede von uns verfasste Arbeit ist ein Unikat“, versichert er. Doch Ex- Ghostwriterin Anja hat es anders erlebt. „Themen wiederholen sich halt. In Hausarbeiten wird ja meistens nichts Neues erfunden“, meint sie. „Natürlich verwenden dann einige Autoren mal Textbausteine aus früheren Arbeiten.“ Risikofrei ist die Bestellung der Bachelorarbeit beim Ghostwriter also nicht. Schließlich kann selbst der zerstreuteste Professor heutzutage durch eine einfache Googlesuche herausfi nden, wo der Student abgeschrieben hat. Und wo bleibt die Moral? Thomas Nemet wäscht seine Hände in Unschuld. „In unseren Allgemeinen Geschäftsbedingungen weisen wir darauf hin, dass es nicht legal ist fremdverfasste Arbeiten als seine eigenen auszugeben. Falls das doch jemand tut, liegt das Problem nicht bei uns. Wir können schließlich für Gott und die Welt wissenschaftliche Texte verfassen. Was die Kunden damit anstellen, ist letztendlich ihre Sache.“ So bleibt dem Studierenden falls er erwischt wird nur eine Möglichkeit. Er muss das Prüfungsamt bestechen. Sofern er dazu dann noch genügend Geld übrig hat. #
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