kurz & knapp - Studi38

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09.01.2013 Aufrufe

Zwischen den Stühlen? KARRIERE ODER KINDER: VON CHANCEN UND HÜRDEN AUF DEM ARBEITSMARKT Von Sophie Dannenfeld & Lina Beling Im Maschinenbaustudium begegnet man vor allem männlichen Kommilitonen, während in den Kunstwissenschaften die Frauen in der Überzahl sind. Insgesamt sind heute aber etwa gleich viele Studierende beider Karriere Geschlechter eingeschrieben. Das war nicht immer so. 1975 haben noch doppelt so viele Männer, wie Frauen studiert. Aufgrund der Bildungsexpansion glich sich dann mit den Jahren der Anteil der Frauen dem der Männer an. 38 Es scheint also heute alles gut zu sein. Oder vielleicht doch noch nicht? Das Studium oder die Ausbildung sollen ja vor allem den Grundstein für eine erfolgreiche Karriere legen. „Frauen müssen doppelt so viel leisten für die glei- Fotos: Anne Hinz, Privat

che Anerkennung“, „Frauen wollen doch gar nicht in die Führungsetage“ und „Die gläserne Decke ist längst aus Panzerglas“ – zu kaum einem Thema wird so kontrovers diskutiert und gestritten, wie zur Chancengleichheit im Beruf. Und was sagen die Zahlen? Im vergangenen Jahr arbeiteten rund 40 Millionen Menschen in Deutschland. Die Frauenerwerbstätigkeit liegt bei 65 Prozent, Tendenz steigend. Die der Männer liegt mit rund 80 Prozent darüber, dennoch gibt es keine krasse Ungleichheit. Wenn man nun jedoch darauf achtet, wie die Arbeit verteilt ist, fällt eins auf: Teilzeit ist weiblich. 46 Prozent der Frauen arbeiten in Teilzeitbeschäftigungen, dem gegenüber nur fast jeder zehnte Mann. Teilzeit ermöglicht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bedeutet aber auch weniger Gehalt, schlechtere berufl iche Aufstiegschancen und am Ende ein geringeres Renteneinkommen. Auch im Bereich der Entlohnung sieht es in Deutschland düster aus. Im Schnitt bekommen Frauen 23 Prozent weniger Lohn. Und selbst bei gleicher Position, Ausbildung, Betriebsgröße und Wochenarbeitszeit bleibt immer noch eine Gehaltslücke von rund zehn Prozent. Laut einer OECD-Studie ist damit der Unterschied in Deutschland größer als in fast allen anderen Industrienationen. Dazu kommt: nur etwa jede vierte Führungsposition in Deutschland ist mit einer Frau besetzt. Je größer ein Unternehmen ist und je mehr Hierarchieebenen es gibt, desto weniger Frauen schaffen den Aufstieg. In den Vorständen der 160 DAX-Unternehmen sitzen insgesamt nur vier Frauen, in den Aufsichtsräten sind es schon einige mehr. Obwohl die Studentinnen an den Hochschulen also längst mit ihren männlichen Kommilitonen gleichgezogen sind, tummeln sich viele von ihnen später eher vor der Karriereleiter als darauf. Und wenn sie hinaufsteigen, dann langsamer als die männlichen Absolventen. studi38 wollte wissen warum, und hat mit zwei Frauen und einem Mann gesprochen, die Stellung nehmen und von ihren Erfahrungen berichten. Karriere „Ich fi nde es schade, dass Frauen in Führungspositionen selten vertreten sind und, dass sie da noch mehr Chancen bekommen sollten.“ Juliana, Erziehungswissenschaften, 21 Der Arbeitgebervertreter Gibt es Ihrer Meinung nach noch Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern im Beruf? Objektiv gibt es nach meiner Erfahrung keine Ungleichheiten, sowohl was Einstellungskriterien als auch die Entlohnung angeht. Hier hat, nachdem ohnehin bereits seit längerem der Gesetzgeber Gleichbehandlung angemahnt hatte, das Allgemeine Gleichstellungsgesetz Ungleichbehandlung verboten. Auch in Tarifverträgen gibt es keine Ungleichbehandlung mehr, da dies dem AGG widersprechen würde. Gibt es ein „aber“? Subjektiv wird es immer eine gewisse Ungleichbehandlung geben, wenn – ob bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt – bei einem Auswahlverfahren der Eine oder die Andere bevorzugt wird, ohne, dass es dem auswählenden Chef nachweisbar wäre. Wenn es in bestimmten Branchen (meist im Produktionsgewerbe) bei der Entlohnung der Beschäftigten insgesamt geringere Einkommen gibt, dann erweckt das durch die dort mehrheitlich von Frauen ausgeübte Tätigkeit den Eindruck, dass Frauen weniger verdienten, was aber der Branche und der gering bezahlten Tätigkeit geschuldet ist und nicht der Tatsache, dass es Frauen sind. Männer würden dort nicht mehr verdienen. Was behindert Frauen noch daran Karriere zu machen? Ich vermute, dass es die objektive Diskrepanz zwischen der Rolle als Mutter und der Rolle als Berufstätige ist. Anders formuliert sind es die immer noch fehlende Familienfreundlichkeit vieler Betriebe einerseits und die mangelnde Flexibilität vieler Frauen nach der Geburt von Kindern andererseits. Wie kann man Frauen generell fördern? 39 Manfred Casper ist Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Region Braunschweig. Er vertritt damit mehr als 1000 regionale Unternehmen. Frauen müssen nicht generell besonders gefördert werden, weil sie Frauen sind. Allerdings müssen die Rahmenbedingungen in den Betrieben familienfreundlicher werden. Sowohl Frauen als auch Männer müssen nach der Geburt von Kindern fl exibler werden im Hinblick auf den berufl ichen Wiedereinstieg. Für Frauen gibt es Quoten, Weiterbildungsangebote, Förderungsmaßnahmen. Kommen die Männer dabei zu kurz? Junge gering qualifi zierte Männer sind nachweislich bei der Integration in den Arbeitsmarkt benachteiligt. Sie sind schwerer zu steuern und auszubilden und bilden deshalb in der Arbeitslosenstatistik eine besondere Problemgruppe. Sie sind allein dadurch benachteiligt, dass ihnen nicht die gleiche Aufmerksamkeit hinsichtlich einer gezielten Förderung zuteilwird, wie jungen Frauen. Müssen sich auch die Frauen verändern? Frauen sollten sich bei der Suche nach einer Lehrstelle auch nach Berufen umschauen, die nicht von vornherein als sogenannte "Frauenberufe" gelten. Dies sind zum Beispiel Berufe in der Metall- und Elektronindustrie, aber auch im Handwerk. Hier wird in den kommenden Jahren der größte Engpass hinsichtlich des Fachkräftebedarfes entstehen. Dies gilt im akademischen Bereich auch für die Ingenieurberufe.

che Anerkennung“, „Frauen wollen<br />

doch gar nicht in die Führungsetage“<br />

und „Die gläserne Decke ist längst aus<br />

Panzerglas“ – zu kaum einem Thema<br />

wird so kontrovers diskutiert und gestritten,<br />

wie zur Chancengleichheit im<br />

Beruf. Und was sagen die Zahlen?<br />

Im vergangenen Jahr arbeiteten rund<br />

40 Millionen Menschen in Deutschland.<br />

Die Frauenerwerbstätigkeit liegt bei<br />

65 Prozent, Tendenz steigend. Die der<br />

Männer liegt mit rund 80 Prozent darüber,<br />

dennoch gibt es keine krasse Ungleichheit.<br />

Wenn man nun jedoch darauf<br />

achtet, wie die Arbeit verteilt ist,<br />

fällt eins auf: Teilzeit ist weiblich. 46<br />

Prozent der Frauen arbeiten in Teilzeitbeschäftigungen,<br />

dem gegenüber nur<br />

fast jeder zehnte Mann. Teilzeit ermöglicht<br />

die Vereinbarkeit von Familie und<br />

Beruf, bedeutet aber auch weniger Gehalt,<br />

schlechtere berufl iche Aufstiegschancen<br />

und am Ende ein geringeres<br />

Renteneinkommen. Auch im Bereich<br />

der Entlohnung sieht es in Deutschland<br />

düster aus. Im Schnitt bekommen<br />

Frauen 23 Prozent weniger Lohn. Und<br />

selbst bei gleicher Position, Ausbildung,<br />

Betriebsgröße und Wochenarbeitszeit<br />

bleibt immer noch eine Gehaltslücke<br />

von rund zehn Prozent. Laut einer<br />

OECD-Studie ist damit der Unterschied<br />

in Deutschland größer als in fast allen<br />

anderen Industrienationen.<br />

Dazu kommt: nur etwa jede vierte<br />

Führungsposition in Deutschland ist<br />

mit einer Frau besetzt. Je größer ein Unternehmen<br />

ist und je mehr Hierarchieebenen<br />

es gibt, desto weniger Frauen<br />

schaffen den Aufstieg.<br />

In den Vorständen der 160 DAX-Unternehmen<br />

sitzen insgesamt nur vier Frauen,<br />

in den Aufsichtsräten sind es schon<br />

einige mehr. Obwohl die Studentinnen<br />

an den Hochschulen also längst mit ihren<br />

männlichen Kommilitonen gleichgezogen<br />

sind, tummeln sich viele von<br />

ihnen später eher vor der Karriereleiter<br />

als darauf. Und wenn sie hinaufsteigen,<br />

dann langsamer als die männlichen Absolventen.<br />

studi38 wollte wissen warum,<br />

und hat mit zwei Frauen und einem<br />

Mann gesprochen, die Stellung nehmen<br />

und von ihren Erfahrungen berichten.<br />

Karriere<br />

„Ich fi nde es schade, dass Frauen in Führungspositionen<br />

selten vertreten sind und, dass sie da noch mehr Chancen<br />

bekommen sollten.“<br />

Juliana, Erziehungswissenschaften, 21<br />

Der Arbeitgebervertreter<br />

Gibt es Ihrer Meinung nach noch Ungleichheiten<br />

zwischen Frauen und Männern im<br />

Beruf?<br />

Objektiv gibt es nach meiner Erfahrung keine<br />

Ungleichheiten, sowohl was Einstellungskriterien<br />

als auch die Entlohnung angeht.<br />

Hier hat, nachdem ohnehin bereits seit längerem<br />

der Gesetzgeber Gleichbehandlung angemahnt<br />

hatte, das Allgemeine Gleichstellungsgesetz<br />

Ungleichbehandlung verboten. Auch in<br />

Tarifverträgen gibt es keine Ungleichbehandlung<br />

mehr, da dies dem AGG widersprechen<br />

würde.<br />

Gibt es ein „aber“?<br />

Subjektiv wird es immer eine gewisse Ungleichbehandlung<br />

geben, wenn – ob bewusst<br />

oder unbewusst, gewollt oder ungewollt –<br />

bei einem Auswahlverfahren der Eine oder<br />

die Andere bevorzugt wird, ohne, dass es<br />

dem auswählenden Chef nachweisbar wäre.<br />

Wenn es in bestimmten Branchen (meist im<br />

Produktionsgewerbe) bei der Entlohnung der<br />

Beschäftigten insgesamt geringere Einkommen<br />

gibt, dann erweckt das durch die dort<br />

mehrheitlich von Frauen ausgeübte Tätigkeit<br />

den Eindruck, dass Frauen weniger verdienten,<br />

was aber der Branche und der gering bezahlten<br />

Tätigkeit geschuldet ist und nicht der<br />

Tatsache, dass es Frauen sind. Männer würden<br />

dort nicht mehr verdienen.<br />

Was behindert Frauen noch daran Karriere<br />

zu machen?<br />

Ich vermute, dass es die objektive Diskrepanz<br />

zwischen der Rolle als Mutter und der Rolle<br />

als Berufstätige ist. Anders formuliert sind es<br />

die immer noch fehlende Familienfreundlichkeit<br />

vieler Betriebe einerseits und die mangelnde<br />

Flexibilität vieler Frauen nach der Geburt<br />

von Kindern andererseits.<br />

Wie kann man Frauen generell fördern?<br />

39<br />

Manfred Casper ist<br />

Hauptgeschäftsführer<br />

des Arbeitgeberverbands<br />

Region Braunschweig.<br />

Er vertritt damit mehr<br />

als 1000 regionale<br />

Unternehmen.<br />

Frauen müssen nicht generell besonders gefördert<br />

werden, weil sie Frauen sind. Allerdings<br />

müssen die Rahmenbedingungen in den Betrieben<br />

familienfreundlicher werden. Sowohl<br />

Frauen als auch Männer müssen nach der Geburt<br />

von Kindern fl exibler werden im Hinblick<br />

auf den berufl ichen Wiedereinstieg.<br />

Für Frauen gibt es Quoten, Weiterbildungsangebote,<br />

Förderungsmaßnahmen. Kommen<br />

die Männer dabei zu <strong>kurz</strong>?<br />

Junge gering qualifi zierte Männer sind nachweislich<br />

bei der Integration in den Arbeitsmarkt<br />

benachteiligt. Sie sind schwerer zu<br />

steuern und auszubilden und bilden deshalb<br />

in der Arbeitslosenstatistik eine besondere<br />

Problemgruppe. Sie sind allein dadurch benachteiligt,<br />

dass ihnen nicht die gleiche Aufmerksamkeit<br />

hinsichtlich einer gezielten Förderung<br />

zuteilwird, wie jungen Frauen.<br />

Müssen sich auch die Frauen verändern?<br />

Frauen sollten sich bei der Suche nach einer<br />

Lehrstelle auch nach Berufen umschauen, die<br />

nicht von vornherein als sogenannte "Frauenberufe"<br />

gelten. Dies sind zum Beispiel Berufe<br />

in der Metall- und Elektronindustrie, aber<br />

auch im Handwerk. Hier wird in den kommenden<br />

Jahren der größte Engpass hinsichtlich<br />

des Fachkräftebedarfes entstehen. Dies<br />

gilt im akademischen Bereich auch für die<br />

Ingenieurberufe.

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