kurz & knapp - Studi38

„Ich war völlig am Abgrund“
Andreas Niedrig stand kurz vor dem
goldenen Schuss, bevor er den Sport
entdeckte und sein Leben um 180
Grad drehte. Der Triathlet war zu
Gast in Braunschweig und sprach
mit studi38.
Von Maria Boger
Beim Ironman auf Hawaii steht über dem
Ziel der Spruch „Du kannst alles schaffen,
was du willst. Du musst es nur tun!“
Ich fi nde den Spruch total überzogen. Mein
Motto ist: „Du kannst fast alles schaffen, du
musst es nur tun“.
Ziemlich skeptisch für einen klassischen
Motivator, oder?
Das kann sein. Ich verkaufe mich hier als Motivator
und die Leute wollen in meinem Vortrag
„motiviert“ werden. Aber wenn ich ehrlich
bin, dreht sich mir bei dem Wort der
Magen um. Das bin ich nicht.
Warum nicht?
Nach einer solchen Veranstaltung hat man
wirklich viel positive Energie, aber sobald der
Alltag wieder da ist, verfl iegt die langsam
und man weiß nicht, wie man die Ratschläge
des Motivators umsetzen soll. Deshalb versuche
ich, meinem Publikum das gleich vorweg
zu nehmen. Motivation bedeutet für mich vor
allem nach links und nach rechts zu gucken.
Schauen was meine Stärken sind, was ich gut
kann, was mich besonders macht. Jeder hat
eine Eigenschaft, ein Talent, das ganz besonders
ist, nur leider geben wir das selbst nicht
zu.
Hast du ein Beispiel?.
Klar, ich war ein Mensch, der das früher sehr
oft getan hat, vor allem beim Sport Was passiert
jetzt, wenn ich aufgebe? Wenn ich durchhalte?
Ich habe mir dann selber die Antwort
gegeben, indem ich es einfach getan habe.
Ich glaube, es liegt auch daran, dass wir älter
werden und uns nicht mehr trauen etwas
zu riskieren. Wir kennen unsere Stärken und
Schwächen, sind aber nicht mehr bereit aus
diesem Zustand heraus zu gehen. Diese „Kom-
Karriere
fortzone“ wollen wir nicht aufgeben und so
wird das Leben langweilig.
Was ist also dein Tipp?
Wenn man unzufrieden ist, sollte man das ändern
oder man ist selbst schuld. Wir leben nur
einmal. Und darüber machen wir uns viel zu
selten Gedanken. Ich war ja kurz davor mir
den goldenen Schuss zu geben, ich habe ein
Jahr lang auf der Straße gelebt. Ich war völlig
am Abgrund, bis ich die Chance bekommen
habe ein neues Leben zu beginnen. Ich weiß
jetzt ganz genau, was ich alles verlieren kann
und bin froh über jeden Tag, den ich lebe.
Du hattest in deiner sportlichen Karriere
viele Rückschläge. Wie kommt man mit
solchen Rückschlägen eigentlich klar?
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Gar nicht. Erst mal muss man mit der Situation
leben. Ich glaube bei ganz vielen Menschen
ist das ein Problem, dass sie nicht in der Gegenwart
leben, sondern schon an die Zukunft
denken. Die Menschen denken viel zu viel über
die nächsten Schritte nach, anstatt an der Situation
zu arbeiten, in der sie gerade stecken.
Wenn du die Chance hättest dein Leben
nochmal zu leben, was würdest du anders
machen?
Nichts. Ich weiß nicht, was ich für ein Mensch
geworden wäre, wenn ich nicht drogenabhängig
gewesen wäre. Klar will ich nicht nochmal
so leben, aber wer weiß, ob ich jetzt anders
wäre. Ich bin gerade an einem Punkt in meinem
Leben, wo ich mir sage: „Jetzt kann es gar
nicht mehr schöner werden.“ #
Foto: Privat