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kurz & knapp - Studi38

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loch möchte ich nicht wohnen. Unter<br />

dem Vorwand ich hätte schon ein Zimmer<br />

gefunden, sage ich das Treffen wieder<br />

ab. Mitbewohnercheck im Internet!<br />

Aber wer weiß, vielleicht wurde ich ja<br />

vorher auch schon virtuell geprüft.<br />

Suche nach einer neuen Wohnung<br />

schön und gut, für mein altes Zimmer<br />

muss ein Nachmieter her. Die ersten Interessenten<br />

nten haben sich gleich für<br />

den heutigen utigen Tag angekündigt.<br />

Hier er sitze ich in der Jury<br />

– oder zumindest in<br />

beratender der Funkti- Funktion.<br />

Ein Bewerber<br />

verbringt gt die meiste<br />

Zeit im Freien<br />

und würde rde wohl<br />

lieber im Zelt<br />

vor unserem erem Haus<br />

campen. . Für Standardfragenüber<br />

seine Person<br />

ist er r nicht<br />

ht zu haben,<br />

stellt ellt sich abe aber be ber<br />

für kostenlose Jonglierstunden<br />

zur Verfügung. Schon zu Beginn erzählt<br />

er uns, dies sei schon die hundertste<br />

WG, die er abklappert – bislang ohne<br />

Erfolg. Das klingt ja vielversprechend.<br />

Eine andere Interessentin ist so spät<br />

dran, dass ihr nichts anderes übrig<br />

bleibt, als im Schweinsgalopp durch<br />

die Wohnung zu hasten, bevor sie zum<br />

nächsten Termin weiter muss. Nach fünf<br />

Bewerbern am Stück raucht der Kopf.<br />

Immer freundlich sein und das Gleiche<br />

erzählen ist gar nicht so einfach.<br />

Am nächsten Tag wird es auch für<br />

mich ernst. Eine Vierer-Männer-WG.<br />

Wer weiß, was mich dort erwartet.<br />

Nerds, Freaks, Lustmolche? Ich klingele.<br />

Der erste Kontakt beruhigt mich. Zwei<br />

ganz normale Jungs, die selbst etwas<br />

unbeholfen im Flur stehen und mit dem<br />

WG-Casting-Knigge scheinbar nicht vertraut<br />

sind.<br />

Die Führung durch die Wohnung verblüfft,<br />

sehr aufgeräumt für eine Männer-WG.<br />

Der Rundgang endet in der<br />

Küche. Da ist sie doch, die typische WG-<br />

Casting-Situation: das Gespräch am Küchentisch.<br />

„Trinkst du auch mal Alkohol?<br />

Trinkst du Kaffee? Isst du Fleisch?<br />

Rauchst du?“ OK, denke ich. Die Fragen<br />

Campus<br />

sind ja noch relativ harmlos. „Ja, ja, ja<br />

und nein“, gebe ich zurück. „Gut!“, antwortet<br />

mein Gegenüber lächelnd. Das<br />

muss wohl die richtige Antwort gewesen<br />

sein. „Hast du irgendwelche großen<br />

elektrischen Geräte?“ Verfl ixt! Ich glaube<br />

mit einer Waschmaschine hätte ich<br />

den Mietvertrag so gut wie in den Händen<br />

gehalten. Ich versuche es mit mei-<br />

nem Milchaufschäumer. Milchaufschäume Funktioniert<br />

oniert auch. Damit<br />

habe ich<br />

zumindest den Kaffe Kaffee-Fan auf<br />

meiner Seite.<br />

Das Gespräch G<br />

verläuft harmlos.<br />

Kein seitenlanger<br />

seit<br />

Fragenkatalog,<br />

Fragen<br />

der abgearbeitet<br />

abg<br />

wird. Kein K Psy-<br />

chotest im Sin-<br />

ne von „Die „D Küche<br />

ist nicht geputzt, keiner k will<br />

es tun, was ma machs machst du…?“.<br />

Glück Glück gehabt. Die WWG<br />

meiner<br />

Freundin Madeleine hat ihre Bewerber<br />

Zeichnungen anfertigen lassen, die etwas<br />

über sie aussagen. Auf Knopfdruck<br />

kreativ sein? Das wäre mit Sicherheit in<br />

die Hose gegangen.<br />

Zum Abschluss noch der obligatorische<br />

Eintrag in die Interessentenliste.<br />

Ich bin Nummer 15 – gleich hinter Jenny,<br />

Lena und Anna. Ob die Jungs sich<br />

nachher noch an mich erinnern können?<br />

Meine Freundin Heidi wurde bei<br />

ihrem Casting fotografi ert – fast wie ein<br />

Sträfl ing. „Unsere Bewerber haben wir<br />

damals gezeichnet und die wichtigsten<br />

Eigenschaften dazu notiert – anders<br />

schaffst du das nicht“, erzählt sie.<br />

Ich ziehe die Haustür der WG hinter<br />

mir zu. Eigentlich habe ich ein ganz<br />

gutes Gefühl. Aber wer weiß, was sich<br />

jetzt gerade für Szenen in der Küche abspielen.<br />

Ich muss mich an die Geschichte<br />

eines Freundes erinnern, deren Mit-<br />

„Unsere Bewerber haben<br />

wir nach dem Treffen<br />

gezeichnet und die wichtigsten<br />

Eigenschaften<br />

dazu notiert.“<br />

29<br />

Heidi, Studentin<br />

bewohner absolut vernarrt in ihre<br />

Katze waren: „Nach jedem Bewerber<br />

wurde eine Konferenz einberufen und<br />

eine der wichtigsten Fragen war, wie er<br />

sich der Katze gegenüber verhalten hatte.<br />

Das war absolut entscheidungsrelevant“,<br />

hatte mir Fabian vor <strong>kurz</strong>em erzählt.<br />

Vielleicht hätte ich auch seinen<br />

Tipp beherzigen sollen. Eine Bewerberin<br />

hinterließ in seiner WG beim Gehen<br />

ein selbstgebasteltes Pappkleeblatt.<br />

Fein säuberlich hatte sie jede Ecke beschriftet.<br />

Name, Telefonnummer und<br />

ihre wichtigsten Eigenschaften. Ganz<br />

rechts in der Ecke prangte der Text<br />

„Wenn ihr mich nehmt, backe ich euch<br />

eine Torte.“<br />

Vielleicht erfolgt die Auswahl auch so<br />

wie bei Heidis Mitbewohner Nils. „Sie<br />

hatten mehrere passende Kandidaten<br />

und konnten sich nicht entscheiden.<br />

Also haben sie ein Labyrinth mit mehreren<br />

Ausgängen auf ein Blatt Papier gezeichnet<br />

und die Bewerber daneben geschrieben.<br />

Die Person, dessen Ausgang<br />

beim ersten Versuch genutzt wurde,<br />

durfte einziehen – das war ich.“<br />

Weiter geht es zu zwei anderen Wohnungen.<br />

In keiner bestätigt sich das angebliche<br />

Horrorszenario. Ich muss auch<br />

hier keine Prüfungen bestehen oder<br />

tanzen. Wir sitzen einfach nur am Tisch<br />

und unterhalten uns nett. Puh! Alles<br />

nur halb so schlimm. Ein paar Tage später<br />

bekomme ich dann die Zusage aus<br />

der Männer-WG. Sogar ein Recall bleibt<br />

mir erspart. Der Milchaufschäumer<br />

muss den Ausschlag gegeben haben. #

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