kurz & knapp - Studi38
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Braunschweig | Wolfenbüttel<br />
Wolfsburg | Salzgitter | Suderburg<br />
Ausgabe 3<br />
Wintersemester 2010/2011<br />
CONTAINERSCHMAUS<br />
Lebensmittel aus dem Müll<br />
der Supermärkte<br />
Die<br />
Auftragsdenker<br />
GHOSTWRITING AN DER HOCHSCHULE<br />
CHANCENGLEICHHEIT<br />
Wenn das Geschlecht zum<br />
Karrierehindernis wird<br />
BEWERBERFLUT<br />
Der doppelte Abiturjahrgang<br />
überschwemmt den Campus
Absicherung<br />
in einem Paket!<br />
Vergleichen Sie Ihre<br />
Versicherungen!<br />
Weniger Papierkram. Mehr Überblick. Geringerer Beitrag.<br />
R+V-PrivatPolice<br />
Einschnitt.de
Liebe Leserinnen<br />
und Leser,<br />
Dr. Bettina Rothärmel<br />
Sie halten die dritte Ausgabe von<br />
studi38 in den Händen, dem Magazin<br />
von Studis für Studis aus unserer<br />
Region. Das grosse Schwerpunktthema<br />
heisst diesmal<br />
„Ernährung“ und die Beiträge der<br />
Studierenden reichen von der investigativen<br />
Analyse des Mensaessens<br />
bis hin zur Reportage<br />
über den mutigen Selbstversuch<br />
im Containern: also der Essensbeschaffung<br />
aus weggeworfenen<br />
Lebensmitteln.<br />
Casting ist ebenfalls ein Thema:<br />
Wie fi ndet eine WG einen geeigneten Mitbewohner und wie<br />
ein Studierender eine geeignete WG? Gar nicht so leicht,<br />
genau wie der Weg auf der Karriereleiter ganz nach oben.<br />
Manchmal hilft es da jemanden zu fragen, der viel erreicht<br />
hat, zum Beispiel Ex-Junkie und Triathlet Andreas Niedrig.<br />
Mit Unterstützung von Zeitungsprofi s haben die Studierenden<br />
im Projektseminar „Ein Hochschulmagazin für die<br />
Region“ wieder ein facettenreiches und spannendes Magazin<br />
zusammengestellt. Sie haben sich Themen gesetzt, recherchiert,<br />
Zusammenhänge hinterfragt, Menschen interviewt<br />
und ihre Erkenntnisse und Eindrücke unterhaltsam<br />
beschrieben. Sie haben dazu mit Sportlern und Comedians<br />
gesprochen, mit Wissenschaftlern und anderen Studierenden<br />
– und so ein anspruchsvolles journalistisches Magazin<br />
geschaffen.<br />
Zuletzt ist auch diese Ausgabe von studi38 wieder das erfreuliche<br />
Ergebnis einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen<br />
den Hochschulen der Region und dem Medienhaus<br />
Braunschweiger Zeitungsverlag.<br />
Der Braunschweiger Zeitungsverlag engagiert sich mit<br />
Freude und aus Überzeugung für dieses Projekt und wir sind<br />
schon heute gespannt auf die künftigen Ausgaben und Beiträge.<br />
Übrigens: weitere Informationen fi nden Sie auf www.<br />
facebook.de/studi38 oder auf der Internetseite des Magazins,<br />
unter www.studi38.de. Hier können Sie auch Kontakt zur<br />
Redaktion aufnehmen.<br />
Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen<br />
Dr. Bettina Rothärmel<br />
Braunschweiger Zeitungsverlag<br />
- Prokuristin -<br />
Inhalt<br />
3<br />
Campus<br />
4 Heute ist übrigens …<br />
Skurrile Mottotage<br />
7 Wir lieben Lebensmittel<br />
Containern im Selbstversuch<br />
10 Faultiere mit Rosen<br />
Was denken Andere über Studierende<br />
12 Wie aus 1001 Nacht<br />
Als Mann beim orientalischen Tanz<br />
14 Ja, ich bin ein Kassettenkind!<br />
Kinderhörspiele zum Liebhaben<br />
16 Die Ruhe vor dem (An-)Sturm<br />
Der doppelte Abiturjahrgang kommt!<br />
18 „Ich darf das, ich bin Jude“<br />
Interview mit Komiker Oliver Polak<br />
21 Fernbeziehung 2.0<br />
22 Apfel oder Tiefkühlpizza?<br />
Was Braunschweigs Studierende wirklich essen<br />
24 Mythos Mensa<br />
Wie gut ist die Hochschulkantine?<br />
27 Warm me up!<br />
Tipps zum Aufwärmen in der kalten Jahreszeit<br />
28 WG gesucht<br />
Die Wohnungs- und Mitbewohnersuche<br />
Wissenschaft<br />
31 „Ab in den Süden ...“<br />
Der Braunschweiger Flughafen<br />
32 Campus-Leben in Klein<br />
Der Standort Suderburg<br />
33 „Es fehlt die Konsequenz“<br />
Wie Hochwasserschutz heute funktioniert<br />
Karriere<br />
37 „Ich war völlig am Abgrund“<br />
Triathlet und Ex-Junkie Andreas Niedrig im Interview<br />
38 Zwischen den Stühlen?<br />
Meinungen zur Gleichstellung der Geschlechter<br />
42 Bauleiter 2.0<br />
Mit dem iPad auf die Baustelle<br />
43 Entrepreneurship<br />
46 Die Auftragsdenker<br />
Ghostwriting an der Hochschule<br />
Schlussakkord<br />
48 Dialog<br />
49 Lieblings...Album? Film? Buch?<br />
50 Eine Lebensgleichung<br />
13 Impressum<br />
43 Stellenanzeigen
Campus<br />
Heute ist übrigens …<br />
In einem Anfall von popkulturellem Feierwahn hat sich in den letzten Jahren heimlich ein neuer Trend entwickelt:<br />
Das Ausrufen scheinbar sinnfreier Gedenk- und Feiertage. Während der Tag des Deutschen Bieres sich noch einer<br />
relativ großen Beliebtheit erfreuen dürfte, hält sich die Begeisterung für den Weltschildkrötentag wohl eher in<br />
Grenzen. studi38 hat sich durchs Netz gewühlt und stellt euch die fünf skurrilsten Fundstücke vor.<br />
Von Jonas Hartwig<br />
Nationaler Zieh-dein-Haustier-an-Tag<br />
Mopse in Reizwäsche, Hamster mit Dresscode oder Katzen in Bademode:<br />
Am 14. Januar ist alles erlaubt. Dieser fragwürdige „Feiertag“ – den vor allem<br />
diverse Hundebesitzer auch mehrmals im Jahr zu zelebrieren scheinen – wurde<br />
erstmals 2002 ausgerufen. Initiator war – welch ein Zufall – ein amerikanischer<br />
Hersteller für Hundemode. Inwiefern der Catwalk für Hund, Katze und Co. unsere<br />
vierbeinigen Freunde ebenso amüsiert wie Herrchen oder Frauchen wagen vor allem<br />
Tierschützer zu bezweifeln.<br />
Welttag der Feuchtgebiete<br />
Der Welttag der Feuchtgebiete wird seit 1997 jährlich am 2. Februar begangen.<br />
Hätte man damals schon Charlotte Roche samt ihrem gleichnamigen Bestseller<br />
gekannt – vielleicht hätte man den Titel ein wenig abgewandelt. Laut UNESCO<br />
soll der Tag übrigens die öffentliche Wahrnehmung des Wertes und der Vorzüge<br />
von Feuchtgebieten verbessern. Ganz im Sinne also von Frau Roche.<br />
Sprich-wie-ein-Pirat-Tag<br />
Beim Klabautermann! Wider Erwarten wurde dieser kuriose Tag bereits am 19. September 1995 – also lange<br />
bevor Johnny Depp als Captain Jack Sparrow die Leinwand eroberte – ins Leben gerufen. Die ursprünglich<br />
nur als Jux unter zwei Freunden gedachte Idee erfreute sich vor allem bei den modernen Freibeutern<br />
in der amerikanischen Küstenstadt Key West großer Beliebtheit. Dort gilt er mittlerweile als offi zieller<br />
Fest- und Feiertag… und ’ne Buddel voll Rum!<br />
Sei-stolz-ein-Geek-zu-sein-Tag<br />
Für alle Unwissenden vorne weg: Geek gilt als freundliches Synonym für Nerd.<br />
Bei der regelrechten Nerdophobie haben sich die Realitätsfl üchtlinge allerdings<br />
auch ihren eigenen Tag verdient. So können sie am 13. Juli, ohne sich vor anderen<br />
rechtfertigen zu müssen, ihre Comicsammlungen pfl egen, Rollenspiele bestreiten<br />
und sich bei einer Folge Star-Trek auf elbisch darüber unterhalten welche Parallelwelt<br />
sie aufgrund der physikalischen Gegebenheiten für wahrscheinlich halten.<br />
Nationaler Nichts-Tag<br />
Im ganzen Wirrwarr der Feier- und Gedenktage kam dem Amerikaner Harold Pullman Coffi<br />
n im Jahr 1973 die glorreiche Idee, den 16. Januar ab sofort für das absolute Nichts-Tun zu<br />
reservieren. Zugegebenermaßen einer der wenigen Tage mit dem man sich – vor allem als<br />
Student – wirklich anfreunden könnte. Einfach mal die Beine hochlegen und den Tag Tag<br />
sein lassen. Falls einen dann doch die Langeweile packt, kann man ruhigen Gewissens eine<br />
Luftpolsterfolie zerdrücken. Die hat heute nämlich auch ihren Ehrentag. #<br />
4<br />
Fotos: Svadilfari, Derek Jensen (Tysto), mr.throk, Benimoto, futureatlas.com
Fotos: planetchopstick, katerha, Anja Bresel<br />
Campus<br />
Friedlich schlummern<br />
SCHLAF DICH SCHÖN<br />
Schlafen ist nicht nur gesund, sondern<br />
macht auch noch schön. Das Ergebnis<br />
schwedischer Forscher ist eindeutig.<br />
Ausgeschlafen wirken wir deutlich attraktiver<br />
auf unsere Mitmenschen als<br />
übernächtigt.<br />
Also: Statt auf<br />
der nächsten<br />
Party bis morgens<br />
zu feiern,<br />
lieber früh ab<br />
ins Bett – dann<br />
klappt es vielleicht<br />
auch mit<br />
der neuen Liebe.<br />
www.salzgitter-ag.de<br />
TEURES VERGNÜGEN<br />
Schoki und Co. schaden nicht nur der<br />
Figur, sondern auch unserem Geldbeutel.<br />
Das zumindest fanden Marktforscher<br />
aus Friedrichshafen heraus. Denn<br />
die enthaltene Glukose verändert unser<br />
Preisempfi nden<br />
und wir sind<br />
bereit, deutlich<br />
mehr Geld für<br />
alltägliche Dinge<br />
auszugeben.<br />
Noch ein guter<br />
Grund öfter mal<br />
zum Apfel zu<br />
greifen.<br />
��� ��� ����� ��� ��� �����<br />
<strong>kurz</strong> &<br />
<strong>knapp</strong><br />
POLITISCHE SCHÖNHEIT<br />
Leider bekommen Studentenproteste<br />
oft nur dann die nötige mediale Aufmerksamkeit,<br />
wenn es zu gewaltsamen<br />
Ausschreitungen kommt. Beim „Zentrum<br />
für politische Schönheit“ (http://<br />
politicalbeauty.<br />
de), kann man<br />
sich Anregungen<br />
für einen kreativen<br />
Protest holen<br />
oder man<br />
besucht gleich<br />
eines ihrer Protestcamps<br />
gegen<br />
Gewalt.
Campus<br />
Wir lieben<br />
Lebensmittel<br />
Grundlage zum Überleben, Protest gegen die verschwenderische Konsumgesellschaft, einfache Gelegenheit zum<br />
Sparen, eine imageschädigende Bewegung. Es gibt viele Möglichkeiten das Containern zu umschreiben – die<br />
Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte. studi38 hat den Selbstversuch gemacht.<br />
Von Nico Bensch & Franziska Ziemann<br />
6
Fotos: Franziska Ziemann<br />
Brot, Kohlrabi, Nudeln, Tomaten,<br />
Brötchen, Paprika, Donuts, Zucchini,<br />
Aubergine, Rosenkohl, Rosinenbrot,<br />
Clementinen, Trauben, Zitronen,<br />
Karotten und Salat. Ein gesunder<br />
und nicht ganz billiger Einkauf für die<br />
Woche? Nein, die Ausbeute nach einer<br />
Stunde containern! Frei nach dem Motto<br />
„Einmal hin, alles drin“.<br />
Täglich werden von Supermärkten<br />
Lebensmittel weggeworfen. Entweder<br />
weil das Haltbarkeitsdatum abgelaufen<br />
oder die Verpackung beschädigt ist.<br />
„Wir dürfen keine Lebensmittel verkaufen,<br />
deren Mindesthaltbarkeitsdatum<br />
überschritten ist. Wir würden die<br />
volle Haftung übernehmen, falls dem<br />
Konsumenten dann etwas passiert“, erklärt<br />
der stellvertretende Filialleiter einer<br />
großen Supermarktkette, der lieber<br />
anonym bleiben möchte. „Das bedeutet<br />
natürlich nicht immer gleich einen<br />
Qualitätsverlust der Ware, aber uns sind<br />
da einfach die Hände gebunden“, so der<br />
25-Jährige weiter.<br />
Hier beginnt der Kreislauf des Containerns.<br />
Mittlerweile hat sich herumgesprochen,<br />
was es alles im Müll zu fi nden<br />
gibt. „Das Angebot nehme ich gerne<br />
an“, meint Simon, „Seit einem Jahr<br />
gehe ich deshalb hin und wieder containern.“<br />
Passend zu diesem Thema sprießen<br />
im Internet zahlreiche Foren, Blogs<br />
und Communities aus dem Boden. Aber<br />
nicht jeder containert aus den selben<br />
Campus<br />
Gründen. Während es für einige überlebenswichtig<br />
ist, da das Geld für einen<br />
sättigenden Einkauf nicht ausreicht,<br />
stehen für andere politische Motive im<br />
Vordergrund. Der 24-jährige Christof,<br />
der sich selbst als Lebenskünstler bezeichnet,<br />
containert aus Überzeugung:<br />
„Die Hälfte aller Lebensmittel landen<br />
Eingepackt und verzehrbereit: Aussortierte Brote und Brötchen auf dem<br />
Hinterhof eines Braunschweiger Supermarktes<br />
7<br />
„Es ist natürlich schlecht<br />
für das Image, wenn unsere<br />
Kunden Leute in Mülltonnen<br />
rumwühlen sehen“<br />
Stellv. Filialleiter (Möchte anonym bleiben)<br />
früher oder später im Müll und nicht<br />
auf dem Tisch. Die enormen Auswirkungen<br />
der Lebensmittelproduktion bezüglich<br />
Flächen- und Energieverbrauch<br />
sind einfach ein Skandal, dem ich so<br />
entgegenwirken kann.“ Dabei geht er<br />
sogar so weit, dass er bis zu fünf Mal<br />
pro Woche loszieht. Dem Kapitalismus<br />
den Kampf ansagen und die Konsumgesellschaft<br />
boykottieren ist die Devise. So<br />
gesellt sich aus dieser Sicht das Containern<br />
zum Hausbesetzen, Schwarzfahren<br />
oder Guerilla Gardening. Vielleicht<br />
nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen<br />
Stein, aber eben eine Lebenseinstellung.<br />
Simon hingegen containert nur<br />
aus purem Egoismus: „Ich kann viel sparen<br />
und hab auch noch Spaß dabei. Es<br />
macht dich frei!“<br />
Ob aus Notwendigkeit, Überzeugung<br />
oder Eigennutz, die Popularität der alternativen<br />
Lebensmittelbeschaffung<br />
wächst und damit auch die Zahl derer,<br />
die es nicht gutheißen. „Es ist natürlich<br />
schlecht für das Image, wenn unsere<br />
Kunden Leute in Mülltonnen rumwühlen<br />
sehen“, heißt es von Seiten der<br />
Supermärkte. Aber nicht nur deshalb<br />
werden immer mehr Container abgeschlossen.<br />
Auch Vorschriften der Müllabfuhr<br />
veranlassen die Märkte dazu<br />
ihren Müll zu sichern. Gerade in Containerhochburgen<br />
wie Berlin oder Leipzig<br />
ist es daher immer schwieriger erfolgreich<br />
von der meist nächtlichen Tour<br />
zurückzukommen.<br />
Essen aus Containern. Mülltonnen,<br />
die abgeschlossen werden. Wir können<br />
das Ganze noch nicht so recht glauben.<br />
Gepackt von Neugier und Ehrgeiz<br />
machen wir uns daher selbst auf<br />
die Jagd. Eingepackt wie Eskimos, ausgestattet<br />
mit Rucksäcken, Tüten und,<br />
ganz wichtig, einer Taschenlampe ziehen<br />
wir los. Es ist ein Uhr nachts. Da<br />
ist Einkaufen auf dem herkömmlichen
Wege doch entspannter.<br />
Es fühlt sich an wie „Jäger<br />
und Sammler“, ganz<br />
so wie früher. Aber wir<br />
müssen zugeben – es<br />
ist spannend wie eine<br />
geheime Einsatztruppe<br />
die Straßen entlang zu<br />
schleichen. Der Schnee<br />
knirscht so laut wie<br />
noch nie. Jeder Passant,<br />
der um diese Zeit noch<br />
unterwegs ist, wird misstrauisch<br />
beäugt. Es wird<br />
nur noch gefl üstert. Angekommen<br />
auf dem ersten<br />
Hinterhof steht einer Schmiere,<br />
während der Rest im Scheinwerferlicht<br />
hektisch die Abfallcontainer durchkämmt.<br />
Direkt werden wir fündig.<br />
Drei Brote und Spaghetti lachen uns<br />
an. Mehr ist an diesem Platz allerdings<br />
nicht zu holen. Trotzdem, das hatten<br />
wir uns irgendwie schwerer vorgestellt.<br />
Auf dem Weg zum zweiten Ziel sind wir<br />
schon wesentlich entspannter. Wir fühlen<br />
uns sicher und unterhalten uns wie-<br />
Trophäen der Nacht: Diese Lebensmittel<br />
hätten unsere Redakteure mitgenommen,<br />
wenn containern legal wäre<br />
Campus<br />
der in normaler Lautstärke. Spazierend<br />
erreichen wir den nächsten Container.<br />
‚Uns erwischt ja eh keiner‘, will einer<br />
von uns gerade noch rufen, da fährt ein<br />
Wagen in die Einfahrt zum Hinterhof.<br />
Wie im Gefecht werfen wir uns förmlich<br />
in den Schnee, ducken uns hinter<br />
den Abfällen und warten ab. Gut, ganz<br />
so schlimm war es in Wirklichkeit dann<br />
doch nicht. Adrenalin wurde trotzdem<br />
in Mengen verschüttet.<br />
Denn Containern ist und bleibt rechtlich<br />
gesehen eine Straftat. In Deutschland<br />
hat auch noch der Abfall einen Besitzer,<br />
auch wenn dieser die Sachen gar<br />
nicht mehr haben will. Es ist Diebstahl<br />
Lebensmittel aus Mülltonnen zu nehmen.<br />
Deshalb stecken wir auch nichts<br />
ein. Stattdessen belassen wir es sozusagen<br />
bei einer Trockenübung und schreiben<br />
alles auf einen Zettel, was wir mitgenommen<br />
hätten. Was wäre wenn…<br />
ist unser Motto. Das letzte, was wir wollen,<br />
ist auf frischer Tat ertappt zu werden<br />
und das gleiche zu erleben wie<br />
Christof und sein Freund Frederik in<br />
Döbeln, einem Ort zwischen Leipzig<br />
und Dresden. „Wir wurden dort auf einem<br />
Supermarktparkplatz mit einem<br />
Hänger voller Lebensmittel von der Polizei<br />
kontrolliert und Wochen später<br />
fl atterten dann die ersten Briefe von Polizei<br />
und später Justiz ins Haus.“ Jetzt<br />
müssen sich die zwei vor Gericht verantworten.<br />
Dabei verteidigen sich die<br />
beiden selber und das scheinbar auch<br />
nicht schlecht, denn der Prozess großes<br />
Interesse auf sich und dauert nun schon<br />
8<br />
seit Oktober an. „Die Richterin musste<br />
feststellen, dass sie uns nicht in einer<br />
halben Stunde aburteilen kann, wie sie<br />
das offensichtlich am Anfang vorhatte“,<br />
erklärt Christof.<br />
Es geht aber auch anders. Containern<br />
muss nicht zwangsläufi g eine Anzeige<br />
nach sich ziehen, falls man auf frischer<br />
Tat ertappt wird. „Sucht das Gespräch<br />
und erklärt euch“, raten erfahrene Containerer.<br />
In vielen Fällen wird noch direkt<br />
vor Ort eine Lösung gefunden.<br />
„Wir haben einmal einen älteren Herrn<br />
beim Containern erwischt. Er hat für<br />
seine Tiere Essen gesammelt“, erzählt<br />
der stellvertretende Filialleiter. Anstatt<br />
zu streiten erklärten beide Parteien ihren<br />
Standpunkt. Heute kann der Herr<br />
jede Woche einen Karton mit aussortierten<br />
Lebensmitteln abholen. Es ist<br />
bestimmt auch keine gute PR für die<br />
Supermärkte, den kleinen Mann von<br />
nebenan anzuzeigen nur weil dieser<br />
Dinge an sich nimmt, die keiner mehr<br />
haben will. Dann lieber doch den diplomatischen<br />
Weg. Die Polizei hat sicher-<br />
„Die Hälfte aller Lebensmittel<br />
landen früher oder<br />
später im Müll und nicht<br />
auf dem Tisch.“<br />
Christof, 24 Jahre<br />
lich auch Besseres zu tun als sich um<br />
Müll zu kümmern. Das dachten bis dahin<br />
wohl auch Christof und Frederik.<br />
Aber trotz Anklage sind sie zuversichtlich.<br />
„Die Chance auf einen Freispruch<br />
steht nicht schlecht“, meint Christof,<br />
„denn bis dato gibt es noch kein einziges<br />
Urteil zu dem Thema – sämtliche<br />
uns bekannte Verfahren wurden eingestellt.“<br />
Containern: auf dem Papier illegal,<br />
praktisch meistens geduldet?<br />
So weit kommt es bei unserem Feldzug<br />
zum Glück erst gar nicht. Das Auto<br />
wendet bloß. Kurz durchgeatmet und<br />
wieder ran an den Speck. Schnell steckt<br />
der Kopf unserer Mitstreiterin wieder<br />
unter dem großen grünen Deckel mit<br />
der Aufschrift „Bio-Abfälle“. „Boah, ihr<br />
glaubt nicht was hier rumliegt“, hallt es
aus dem Container. Hier verbergen sich<br />
diesmal wahre Schätze. Allerhand Gemüse<br />
und Obst warten nur darauf von<br />
uns eingepackt zu werden. Spätestens<br />
jetzt ist die Versuchung groß. Spontan<br />
wird ein Freudentanz aufgeführt, und<br />
trotzdem bleiben wir standhaft und zücken<br />
lediglich den Stift. Zufrieden klappern<br />
wir noch zwei weitere Märkte ab.<br />
Routine schleicht sich ein. Wir streunen<br />
über die Hinterhöfe als hätten wir nie<br />
etwas anderes gemacht. Schnell füllt<br />
sich unser Zettel. Bei einer heißen Zitrone<br />
bestaunen wir, irgendwie sogar ein<br />
wenig stolz, unsere fi ktive Beute. Haben<br />
wir doch der Konsumgesellschaft<br />
und unserem Geldbeutel so etwas wie<br />
ein Schnippchen geschlagen. Das Brot<br />
war trotz abgelaufenem Haltbarkeitsdatum<br />
einwandfrei und das Gemüse<br />
sah, bis auf ein paar weiche oder braune<br />
Stellen, absolut in Ordnung aus. Ge-<br />
Azubi- und Studentenwohnungen:<br />
� 2- und 3-Zimmer-Wohnungen<br />
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� Feste Miete inkl. Betriebskosten<br />
� Keine Kaution<br />
� Auf Wunsch mit Herd und Spüle<br />
Campus<br />
müse und Obst haben schließlich kein<br />
Mindesthaltbarkeitsdatum. Trotzdem<br />
wird es weggeschmissen. „Wir wollen<br />
unseren Kunden natürlich nur das Beste<br />
verkaufen. Andererseits wird Ware,<br />
die nur ein paar Macken hat, von den<br />
Kunden auch nicht mehr angenommen“,<br />
klärt uns ein Filialleiter auf. Vieles<br />
werde noch mit Rabattaktionen an<br />
den Mann gebracht und an die Tafel gespendet,<br />
„aber selbst die hat zu geringe<br />
Kapazitäten, um alles einzusammeln.“<br />
Bei dem Gedanken blicken wir schlagartig<br />
mit einem völlig anderen Gefühl<br />
auf unseren Beutezettel. Wir hätten im<br />
Prinzip die Lebensmittel containert, die<br />
uns gestern nicht gut genug waren, um<br />
dafür Geld auszugeben.<br />
Hätten wir über die braunen Stellen,<br />
die wir eben noch als nicht weiter<br />
schlimm gefeiert haben, auch beim<br />
Kauf hinweggesehen? Wenn wir ehrlich<br />
sind, nicht. Vorher haben wir uns noch<br />
gewundert, warum jeder in diesem Bericht<br />
anonym bleiben wollte. Jetzt verstehen<br />
wir es. Das Thema ist unangenehm.<br />
Und zwar für alle Seiten. Die, die<br />
containern müssen oder wollen, begeben<br />
sich auf rechtlich unsicheres Terrain.<br />
Die Supermarktbetreiber müssen<br />
ihr Wegwerfverhalten rechtfertigen.<br />
Und schließlich wir alle, die jede Woche<br />
mit kritischem Blick, einkaufen gehen.<br />
Wir bilden erst die Voraussetzung<br />
dafür, dass es überhaupt etwas zu containern<br />
gibt – wir sind die verschwenderische<br />
Konsumgesellschaft. #<br />
Info<br />
Neuigkeiten zum Prozess in Döbeln:<br />
www.nirgendwo.info/containerprozess<br />
Zieh in Deinen<br />
eigenen Film!
Faultiere<br />
mit Rosen<br />
Immerhin rund 23 000 Studierende leben und lernen in der Region. studi38<br />
wollte wissen, was die Menschen außerhalb des Hochschulkosmos über die<br />
angehenden Akademiker denken und hat sich auf der Straße umgehört.<br />
Von Maria Boger & Katerina Papamichael<br />
Studierende sind faul, chaotisch<br />
und feiern eine Nacht nach der anderen<br />
durch anstatt zu arbeiten.<br />
Und wenn sie gerade nicht feiern, verschlafen<br />
sie zuhause den ganzen Tag.<br />
Fertig ist das stereotype Bild des Studierenden.<br />
Auch wenn das nicht immer<br />
direkt geäußert wird, denken doch anscheinend<br />
viele so. Wenn man als Stu-<br />
„Studenten gleich Partylöwen.<br />
Nicht alle aber viele.<br />
Ansonsten sind Studenten<br />
super nett, ganz höfl ich<br />
und hilfsbereit.“<br />
Lisa, Friseurin<br />
dent morgens um fünf Uhr mit zerfeiert<br />
zotteligen Haaren und müden Augen in<br />
der Straßenbahn nach Hause sitzt, erntet<br />
man von den übrigen Fahrgästen<br />
durchaus den einen oder anderen Blick<br />
à la ‚Typisch Student!’.Clubbe-<br />
„Superfaul!“<br />
11. Klasse (Mathe-LK)<br />
Julianium Helmstedt<br />
Campus<br />
„Natürlich feiern Studenten<br />
viel und können<br />
bestimmt jeden Tag lange<br />
schlafen. das heißt aber<br />
nicht, dass sie faul sind.<br />
Sie müssen ziemlich viel<br />
lernen und die Prüfungsphasen<br />
sind ziemlich<br />
anstrengend und stressig.<br />
Trotzdem ist das Studentenleben<br />
schön und ich<br />
hoffe, dass ich später auch<br />
studieren kann.“<br />
Anja, Auszubildende (Zahntechnik)<br />
10<br />
treiber und Taxifahrer<br />
müssen<br />
wohl genauso<br />
denken wie ei-<br />
gentlich all die Menschen, die nie das<br />
Studentenleben genossen haben.<br />
Dass ein Student die Zeit zu Hause<br />
für sinnvolle Dinge, wie schreiben, lesen<br />
und lernen nutzt, scheint gerne ausgeblendet<br />
zu werden. Dass die Nerven<br />
in den Prüfungsphasen für Wochen regelmäßig<br />
blank liegen, wohl auch. Und<br />
wenn man sich einmal ernsthaft um-<br />
„Ich wäre gerne Student.<br />
Die haben ein tolles Leben,<br />
machen das was sie wollen,<br />
sind ständig auf guten<br />
Partys unterwegs. Aber das<br />
trifft glaub‘ ich nicht auf<br />
jeden zu.“<br />
Ole, Verkäufer<br />
schaut, stellt man auch fest, dass viele<br />
Studierende neben Vorlesungen und<br />
Seminaren sogar noch arbeiten gehen.<br />
Nur wissen das viele Leute nicht oder<br />
wollen es einfach nicht wahrhaben,<br />
denn es ist viel einfacher, die Studierenden<br />
als Faultiere abzustempeln.<br />
Mag sein, dass die Studierenden früher<br />
weniger zu tun hatten, doch spätestens<br />
seit Bologna hat sich das Blatt gewendet.<br />
Bachelor? Sind das die aus der<br />
Fensehshow mit den Rosen? Nein, sind<br />
wir nicht! #<br />
Fotos: Maria Boger
Campus<br />
Wie aus 1001 Nacht<br />
Orientalischer Tanz ist anstrengend und motorisch anspruchsvoll: Ein aufsehenerregender Selbstversuch<br />
Von Ronny Fichte<br />
Über einen in die Jahre gekommenen<br />
und nur schwach ausgeleuchteten<br />
Gang betrete ich einen<br />
hellen Raum. Mein Blick fällt sofort<br />
auf die riesige Spiegelwand. Um mich<br />
herum werden Schuhe und Taschen abgestellt,<br />
die Haare zusammengebunden<br />
und das mit Pailletten und Münzen versehene<br />
Hüfttuch umgebunden. Sobald<br />
die ersten orientalischen Klänge zu vernehmen<br />
sind, beginnt das lockere Aufwärmen.<br />
Ich schaue<br />
nach links und rechts<br />
und versuche die Bewegungennachzuahmen.<br />
Bloß nicht auffallen,<br />
denke ich mir, und<br />
scheitere damit im gleichen<br />
Augenblick. Denn<br />
ich als Mann schwinge<br />
meine Hüften beim orientalischen<br />
Tanz – allein<br />
unter Frauen.<br />
Seit mittlerweile<br />
15 Jahren gibt es den<br />
Kurs beim Unisport.<br />
„Es wird angenommen,<br />
dass der Orientalische<br />
Tanz seinen Ursprung<br />
in antiken Fruchtbarkeitsriten<br />
fi ndet“, erklärt<br />
Kursleiterin Coral<br />
Schwarze. Diese Ab-<br />
Info<br />
Orientalisch getanzt<br />
wird jeden Montag<br />
von 16 bis 17 Uhr in<br />
der Gymnastikhalle<br />
am Rebenring.<br />
stammung ist augenscheinlich, wenn<br />
man die eleganten, sinnlichen und lustbetonten<br />
Bewegungen der Hüfte, des<br />
Beckens und des Oberkörpers betrachtet.<br />
Die motivierenden Worte der hiesigen<br />
Kursleiterin, die Teilnehmer sollen<br />
„ihre Hüften bewegen und nicht ihre<br />
Augen“, unterstreicht die Intention.<br />
Doch kaum sind ihre Worte zu vernehmen,<br />
werden sie schon wieder von Tarkans<br />
Chart-Stürmer „simarik“ aus dem<br />
12<br />
Jahre 1997 übertönt. „Neben dem Taktgefühl<br />
sind der Gleichgewichtssinn und<br />
ein hohes Maß an Körperbeherrschung<br />
entscheidend“, erklärt Schwarze. Und<br />
weiter: „Beim orientalischen Tanz bewegen<br />
wir schließlich auch Körperregionen,<br />
die sonst meist still stehen.“ Und<br />
wirklich, die stetige Körperspannung<br />
fordert ihren Tribut. Am nächsten Tag<br />
habe ich einen ordentlichen Muskelkater.<br />
Mit ein bisschen Hüftschwung ist<br />
es jedenfalls nicht getan.<br />
Die komplizierten<br />
Hand-, sowie Armbewegungen,<br />
Drehungen<br />
und Schrittfolgen bilden<br />
zusammen längere<br />
Choreographien und<br />
fordern meine Körperbeherrschung<br />
heraus.<br />
Und als wäre das nicht<br />
schon anstrengend genug,<br />
werden von den<br />
Tänzerinnen auch noch<br />
graziöse Ausführungen<br />
und ein fortwährend<br />
verführerisches Lächeln<br />
erwartet. Trotzdem,<br />
oder gerade deshalb,<br />
nimmt das Interesse am<br />
Kurs immer mehr zu.<br />
Kursleiterin Schwarze<br />
hat dafür eine ganz eigene<br />
Erklärung: „Der orientalische<br />
Tanz betont<br />
die weibliche Schönheit.<br />
Das kommt an.“ Dann<br />
lächelt sie und schiebt<br />
nach: „Das heißt nicht,<br />
dass Männer nicht mitmachen<br />
können, aber<br />
manche Bewegungen<br />
liegen dem weiblichen<br />
Körper einfach mehr als<br />
dem männlichen.“ #<br />
Foto: Maria Boger
Fotos: HBK, the trial, egkk privat<br />
Leinwandkunst<br />
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IMPRESSUM<br />
Herausgeber: Braunschweiger Zeitungsverlag GmbH & Co KG<br />
Hamburger Straße 277, 38114 Braunschweig<br />
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Persönlich haftender Gesellschafter:<br />
Verwaltungsgesellschaft Braunschweiger Zeitungsverlags GmbH<br />
Geschäftsführer: Harald Wahls<br />
Registergericht: Amtsgericht Braunschweig, HRA 6991<br />
Ust.-Ident.-Nr.: DE 114 88 11 13<br />
Die redaktionellen Inhalte dieser Ausgabe sind das Ergebnis<br />
eines Projektseminars der Abteilung Medienwissenschaften<br />
der Technischen Universität Braunschweig<br />
Redaktionsleitung: Holger Isermann (TU Braunschweig) V. i. S. d. P.<br />
Redaktion: Fine Behrens, Lina Beling, Nico Bensch, Annekatrin Bock, Maria Boger,<br />
Kristina Branz, Benedikt Crone, Sophie Dannenfeld, Fathi Khalil Ahmad El-<br />
Khatib, Ronny Fichte, Maria Freystein, Nora Gerecke, Janina Göbel, Hannes Graubohm,<br />
Nicole Griese, Jonas Hartwig, Holger Isermann, Sina Liers, Christian Matz,<br />
Katerina Papamichael, Kristina Rauschan, Shirin Schönberg, Nils Peter Stoye,<br />
Sandra Tiefholz, Daniela Viehmeier, Anabell Wagemann, Franziska Ziemann<br />
Adresse: TU Braunschweig, Abteilung Medienwissenschaften<br />
Bienroder Weg 97, 38106 Braunschweig<br />
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www.tu-braunschweig.de/medienwissenschaften<br />
Titelfoto: Florian Koch # Model: Anne Fürst<br />
Objektleitung: Daniela Waltemathe<br />
Anzeigen: Raphael Feldmann (verantwortlich)<br />
Anzeigenverkauf: Katharina Heidmann<br />
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Druck: Druckhaus Gera GmbH, Jacob-A.-Morand-Straße 16, 07552 Gera<br />
Aufl age: ca. 10.000 Exemplare<br />
© Braunschweiger Zeitungsverlag 2011<br />
Das Projekt studi38 wird freundlich unterstützt durch<br />
Campus<br />
HELFER IN DER NOT<br />
Eine Umfrage unter Studierenden hat<br />
ergeben, dass ein Zusammenhang zwischen<br />
Kaffeekonsum und Lerntyp besteht.<br />
Demnach steigt der Kaffeeverbrauch<br />
in Prüfungsphasen vor allen bei<br />
Studierenden,<br />
die Last-Minute-<br />
Lerner sind. Die<br />
Kommilitonen,<br />
die rechtzeitig<br />
mit dem Lernen<br />
anfangen, trinken<br />
dagegen genausoviel<br />
Kaffee,<br />
wie sonst auch.<br />
<strong>kurz</strong> &<br />
<strong>knapp</strong><br />
FRÜH ÜBT SICH, WAS EIN...<br />
An einer Kunsthochschule gibt es normalerweise<br />
aufwändige und abschreckende<br />
Auswahlverfahren. Die HBK<br />
Braunschweig geht jetzt einen anderen<br />
Weg. Beim Frühstart am 25. und 26.<br />
Januar können<br />
sich Interessierte<br />
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Campus<br />
Ja, ich bin ein<br />
Kassettenkind!<br />
Eine Tür knarrt.<br />
Du – da steht ja ein Sarg!<br />
Ah, ich schau mal rein, -<br />
Nein nein, nicht!<br />
Warum denn nicht, glaubst du Dracula<br />
liegt drin und kommt raus?<br />
Bob öffnet den Deckel.<br />
Ah, ein Skelett! Ein richtiges Skelett!<br />
Bob schließt den Deckel.<br />
Das liegt meistens in einem Sarg.<br />
Sei bloß still!<br />
Hey, hier ist noch eine Tür! – Mal sehen.<br />
Tür knarrt; Schritte...<br />
Eine Treppe! Sie führt nach unten.<br />
Lass uns lieber umkehren!<br />
Wir haben doch noch gar nichts erreicht.<br />
Ich weiß nicht. Mir gefällt das nicht.<br />
Komm, was wollen wir denn Justus sagen,<br />
wenn wir zurückkommen? Nur,<br />
dass wir ein Skelett gesehen haben?<br />
Aua, ganz schön niedrig hier,<br />
man stößt sich ja die Birne<br />
Die Tür schließt sich.<br />
Bob, die Tür!<br />
Ooh – Sie ist zugefallen!<br />
Schnell zurück!<br />
Schnelle Schritte; Rütteln an der Tür..<br />
Kinder von heute haben es wirklich gut! Spongebob & Co läuft den ganzen<br />
Tag, Video- und Computerspiele dürfen sie sowieso spielen – schließlich<br />
wachsen sie in einer mediatisierten Umwelt auf. Und was durften wir, als wir<br />
klein waren? Da hieß es, wenn die Eltern einen abends ins Bett brachten:<br />
“Fernsehen ist verboten, aber eine Kassette, die darfst du noch hören, ja!“ Ist<br />
das nicht ungerecht? – Mitnichten!<br />
Von Nils Peter Stoye<br />
Da werden Erinnerungen wach!<br />
So mancher wird es schon erkannt<br />
haben: Die Szene links<br />
stammt aus „Die drei ??? und das Gespensterschloss“.<br />
Haben wir nicht alle<br />
als Kinder früher diese Hörspiele gehört<br />
und geliebt? TKKG, Fünf Freunde, Bibi<br />
Blocksberg, Benjamin Blümchen und<br />
natürlich Die drei ???. Das Hören von<br />
Kinderhörspielen hat eine ganze Generation<br />
geprägt.<br />
Spätestens zu Beginn der Pubertät<br />
verbannten wir unsere Kindheit in<br />
Form von etlichen Hörspielkassetten<br />
dann erstmal auf den Dachboden oder<br />
verkauften sie auf dem Flohmarkt. Aus<br />
den Augen, aus dem Sinn. Oder etwa<br />
nicht?<br />
Es war im Jahr 1997. Das Label<br />
EUROPA, unter dem sehr viele Kinderhörspiele<br />
erscheinen, startete eine Zielgruppenbefragung<br />
via Telefon. Welch<br />
merkwürdiges Ergebnis: die Hörer waren<br />
im Schnitt 24 Jahre alt! Stapeln sich<br />
also in den Studentenzimmern der Region<br />
Türme von bunten Plastikhüllen neben<br />
antiquierten Kassettenrecordern?<br />
studi38 hat immerhin mehr als 70<br />
Studierende befragt: Von denjenigen,<br />
die damals Kinderhörspiele gehört haben,<br />
tun dies heute noch ganze 70 Prozent!<br />
Natürlich sind unsere Ergebnisse<br />
nicht repräsentativ, aber sie zeigen eine<br />
deutliche Tendenz. Das durchschnittliche<br />
Kassettenkind ist demnach weiblich<br />
und 24 Jahre alt. Es erlebt heute<br />
Fotos: Nils Peter Stoye
wieder Abenteuer mit den Helden der<br />
eigenen Kindheit.<br />
Heute hören ein Drittel die Hörspiele<br />
noch mehrmals in der Woche – oder<br />
sogar jeden Tag. Am beliebtesten sind<br />
Die drei ??? (43 Prozent) gefolgt von Bibi<br />
Blocksberg und Bibi und Tina (25 Prozent).<br />
Fünf Freunde, TKKG und Benjamin<br />
Blümchen dagegen hört nur jeder<br />
Fünfzehnte.<br />
Doch wieso gibt es das Phänomen,<br />
dass Erwachsene noch Kinderhörspiele<br />
hören? Justus und Florian sind beide 22<br />
Jahre alt und schmeißen in ihrer Freizeit<br />
wieder den Kassettenrekorder an.<br />
Durch ihre jeweiligen Geschwister<br />
wurde den beiden die Hörspielwelt<br />
schon früh eröffnet. Wurde ihnen zunächst<br />
durch die ältere Schwester Bibi<br />
und Tina aufgezwängt, schafften sie es<br />
nach <strong>kurz</strong>er Zeit ihre eigene Hörspiel-<br />
„...und dann hört man<br />
seine alten Kassetten wieder<br />
und merkt: Man liebt<br />
sie eigentlich immer noch.<br />
Irgendwann erzählt man<br />
das dann seinen Freunden<br />
und stellt fest: Die<br />
machen das ja auch!“<br />
Andreas Fröhlich, Sprecher von Bob Andrews von<br />
die drei ???<br />
Campus<br />
serie für sich zu entdecken. Die drei<br />
??? und TKKG standen nun im Vordergrund.<br />
Ihre gesamte Kindheit über begleitete<br />
sie das Hörspiel in der Freizeit.<br />
„Wir haben immer gebastelt oder gespielt<br />
– und im Hintergrund lief dann<br />
immer eine Kassette“, erinnert sich<br />
Justus.<br />
Heute hört besonders Justus wieder<br />
gerne alte drei-???-Folgen zum Einschlafen.<br />
Für Justus und Florian ist das Kinderhörspiel<br />
heute eine Flucht aus dem<br />
Alltag. Sich geborgen fühlen wie in der<br />
Kindheit ist ein schönes Gefühl. Und<br />
gerade das kommt beim Hören wieder<br />
auf.<br />
„Sie gehören für mich einfach zum<br />
Einschlafen dazu“, erklärt Justus.<br />
Längst ist das kindliche Hobby weit<br />
verbreitet. Das Erleben der Kollektiv-Erfahrung<br />
ist in den größten Kinderzimmern<br />
der Welt möglich. So kann man<br />
die ausverkauften Konzerthallen nennen,<br />
bei denen die Sprecher der drei ???<br />
auf einer Bühne ein Hörspiel sprechen<br />
und den Kassettenkindern Tränen in die<br />
Augen schießen lassen.<br />
Für Justus ist klar: „Die drei ??? sind<br />
Kult!“ Florian ist durch das Kinderhörspiel<br />
zum Hörspiel für Erwachsene gekommen<br />
und hört nun gerne den aus<br />
dem Horror-Genre kommenden Vampirjäger<br />
John Sinclair.<br />
15<br />
„Absolute Lieblingsfolge:<br />
Nummer drei von den drei<br />
???, der Karpatenhund. Das<br />
war auch die erste Folge,<br />
die ich hatte.“<br />
Justus, 22<br />
Aber wieso mögen wir gerade das Medium<br />
Hörspiel?<br />
Der Kulturwissenschafter Jan-Uwe<br />
Rogge untersuchte dies und fand heraus,<br />
dass kleine Kinder dem Hören<br />
einen bedeutsamen Stellenwert zu<br />
messen. Der Sehsinn ist noch nicht<br />
vollkommen ausgebildet. Kinder nehmen<br />
die Töne auch über die Knochen<br />
und die Haut war. Sie hören im wahrsten<br />
Sinne des Wortes mit Haut und Haaren.<br />
Deshalb weisen Heranwachsende<br />
dem Hören eine so starke emotionale<br />
Bedeutung zu. Für Kinder bleiben die<br />
Hörspiele spannend – auch wenn sie<br />
diese immer wieder hören. Denn ihnen<br />
fehlt die Distanz zum Geschehen, die<br />
erwachsene Hörer besitzen.<br />
Als zu Beginn der 80er Jahre der Kassettenrekorder<br />
in den Kinderzimmern<br />
Einzug hielt, gab es in Deutschland ein<br />
Zeitfenster, in dem sich die Hörspielkultur<br />
ungehindert entfalten konnte,<br />
bevor moderne Konkurrenzmedien wie<br />
Privatfernsehen und Computerspiele<br />
diese Kultur unterbrachen.<br />
Das Phänomen der Kassettenkinder<br />
bleibt einzigartig. Es ist unser Privileg<br />
als Kinder eine Kollektiv-Erfahrung gemacht<br />
zu haben. Wir können unsere<br />
Nostalgie noch an einer überschaubaren<br />
Menge von Produkten festmachen,<br />
die sich etabliert haben, bevor der<br />
Markt explodierte und unüberschaubar<br />
wurde. Die heutigen Kinder werden später<br />
nicht so viele Gleichgesinnte treffen,<br />
die in ihrer Kindheit das gleiche Hörspiel,<br />
das gleiche Computerspiel oder<br />
die gleiche Fernsehserie gehört, gespielt<br />
und geguckt haben.<br />
Wenn es also noch nicht geschehen<br />
ist: Holt auch ihr eure Kassetten wieder<br />
vom Dachboden und hört eure Lieblingsserien<br />
von damals. Es lohnt sich<br />
– wirklich! #
Campus<br />
Die Ruhe vor<br />
dem (An-)Sturm<br />
DER DOPPELTE ABITURJAHRGANG SORGT 2011 FÜR<br />
EINE GRÖSSERE AUSLASTUNG DER HOCHSCHULEN<br />
Von Daniela Viehmeier<br />
Alleine in Niedersachsen werden<br />
dieses Jahr rund 100 000 Schüler<br />
die Schule verlassen, die Hälfte<br />
davon mit dem bestandenen Abi in der<br />
Tasche. Das sind etwa ein Fünftel mehr<br />
als in den Jahren zuvor. Der Grund dafür<br />
ist der doppelte Abiturjahrgang. Durch<br />
das verkürzte Abitur in nur noch 12 Jahren<br />
kommt diese Herausforderung nach<br />
und nach auf alle Bundesländer zu –<br />
2011 auf Niedersachsen. Für viele der<br />
Abiturienten heißt der logische nächste<br />
Schritt: Ab geht`s an die Uni! Doch<br />
bekommt man dort bei dem riesigen<br />
Ansturm überhaupt einen Platz, wenn<br />
man kein Abi mit einem Durchschnitt<br />
von 1,0 hat?<br />
Das Ministerium für Wissenschaft und<br />
Kultur hat sich nach eigenen Angaben<br />
früh genug mit der Bewerberfl ut be-<br />
16<br />
schäftigt und Lösungen gefunden. So<br />
sollen bereits in den Jahren 2007 bis<br />
2010 insgesamt rund 11 000 zusätzliche<br />
Studienplätze in ganz Niedersachsen<br />
entstanden sein. Aber das soll erst der<br />
Anfang gewesen sein. Auf der Homepage<br />
des Ministeriums heißt es „Viele<br />
Abiturienten bewerben sich auch erst<br />
ein Jahr später an einer Hochschule.“<br />
Außerdem kommen nach und nach<br />
auch noch die doppelten Abiturjahrgänge<br />
der anderen Bundesländer hinzu.<br />
Nicht jeder Abiturient studiert schließlich<br />
in seinem Heimatbundesland.<br />
In den Jahren 2011 bis 2015 sollen<br />
deshalb noch mal mehr als 35 000 Studienplätze<br />
in Niedersachsen entstehen.<br />
Dafür will das Land rund 675 Millionen<br />
Euro zusätzlich an die Hochschulen<br />
überweisen, „um eine gleichbleibend<br />
hohe Qualität der Lehre gewährleisten<br />
zu können“, so das Ministerium für<br />
Wissenschaft und Kultur.<br />
Klingt erst mal ganz gut. Doch studi38<br />
wollte wissen, wie die konkrete<br />
Fotos: Maria Boger, Presse und Kommunikation TU Braunschweig
Umsetzung an den drei Hochschulen<br />
der Region aussieht. An der TU Braunschweig<br />
sind, fi nanziert durch das Land<br />
Niedersachsen, in den vergangenen<br />
Jahren immerhin 420 neue Studienplätze<br />
entstanden. Zusätzlich „hat die<br />
TU Braunschweig aus eigener Kraft die<br />
Studienplätze noch einmal erhöht. Die<br />
meisten dieser Studienplätze entfallen<br />
auf den Maschinenbau“, erklärt Frau<br />
Faßbender, Vizepräsidentin für Lehre,<br />
Studium und Weiterbildung an der TU.<br />
Für die kommenden Jahre ist eine weitere<br />
Vergrößerung der Erstsemesterplätze<br />
geplant. Allerdings befi ndet man<br />
sich noch in einer Abstimmungsphase<br />
mit dem Land Niedersachsen. „Im Jahr<br />
2011 werden in etwa 650 neue Plätze an<br />
der TU entstehen. 540 davon mit Hilfe<br />
der Finanzierung des Landes. Im Jahr<br />
2011 bekommt die TU dafür 3,4 Millionen<br />
Euro“, betont Faßbender.<br />
Zumindest die TU Braunschweig hat<br />
also etwas von dem Geld bekommen. Ob<br />
eine kleine Finanzspritze ausreicht, um<br />
mit der großen Anzahl an Bewerbern<br />
fertig zu werden, ist aber fraglich. Wo<br />
sollen die ganzen neuen Studierenden<br />
unterrichtet<br />
werden? Und<br />
von wem? Trotz<br />
der Sanierungen<br />
und Umbauten<br />
müssen<br />
laut Faßbender<br />
„die vorhandenen<br />
Zeit-Slots<br />
komplett ausgenutzt<br />
und<br />
erweitert werden.“<br />
Das be-<br />
deutet, dass die<br />
Studierenden<br />
durchaus mit Veranstaltungenmorgens<br />
um 8 Uhr bis<br />
abends um 22 Uhr<br />
rechnen müssen.<br />
„Gegebenenfalls<br />
werden einige<br />
Veranstaltungen<br />
auch an Samstagen<br />
stattfinden.<br />
Hierzu planen wir<br />
zurzeit auf Hochtouren.“<br />
Auch die Ostfalia Hochschule stockt<br />
die Anzahl der Studienplätze auf. „Im<br />
kommenden Jahr sind es 3 400 Plätze<br />
für neue Studierende, die an der Ostfalia<br />
vergeben werden“, erklärt Evelyn<br />
Meyer-Kube, Pressesprecherin der Ostfalia.<br />
„Das sind 1 000 Plätze mehr als noch<br />
2010 und doppelt<br />
„Gegebenenfalls werden<br />
einige Veranstaltungen<br />
auch an Samstagen<br />
stattfi nden.“<br />
Prof. Heike Faßbender, Vizepräsidentin<br />
für Lehre, Studium und Weiterbildung<br />
TU Braunschweig<br />
Campus<br />
so viele wie 2009.<br />
Dafür erhält die<br />
Ostfalia 2011 insgesamt<br />
9.6 Millionen<br />
Euro zusätzliche<br />
Mittel.“ Auch<br />
neue Hörsäle, die<br />
Aula, eine neue<br />
Maschinenhalle<br />
und die erweiterte<br />
Cafeteria sind erst<br />
vor <strong>kurz</strong>em in Wolfenbüttel eingeweiht<br />
worden. Acht Millionen Euro wurden<br />
investiert. „Bei Bedarf werden weitere<br />
Räumlichkeiten zusätzlich vorübergehend<br />
angemietet“, so Meyer-Kube.<br />
Die Vorbereitungen auf den doppelten<br />
Abiturjahrgang laufen bei der Ostfalia<br />
auf Hochtouren. Evelyn Meyer-Kube<br />
sagt: „Wir sind<br />
„Wir haben<br />
als Kunsthochschule<br />
einen besonderen<br />
Status.“<br />
Lutz Röttger. Dezernatsleiter<br />
für akademische<br />
Angelegenheiten<br />
der HBK<br />
17<br />
„Bei Bedarf werden weitere<br />
Räumlichkeiten<br />
zusätzlich vorübergehend<br />
angemietet.“<br />
Evelyn Meyer-Kube, Pressesprecherin Ostfalia<br />
gut vorbereitet!“<br />
Und wie reagiert<br />
die Hochschule<br />
für Bildende<br />
Künste? „Wir<br />
haben als Kunsthochschuleeinen<br />
besonderen<br />
Status“, erklärt<br />
Lutz Röttger, Dezernatsleiter<br />
für<br />
akademische An-<br />
gelegenheiten der HBK. „Unsere Atelier-<br />
und Werkstattplätze sind limitiert.<br />
Die Grenzen haben wir mit der Erhöhung<br />
unserer Kapazitäten für die Kunstvermittlung<br />
erreicht. Selbst, wenn wir<br />
wollten, könnten wir in diesem Bereich<br />
nicht noch mehr Studierende<br />
aufnehmen.“<br />
Im vergangenen Jahr wurden aber in<br />
der Kunstwissenschaft insgesamt zehn<br />
zusätzliche Studienplätze eingerichtet.<br />
Das geht laut Röttger jedoch nur bei<br />
den theoriebasierten Studiengängen,<br />
von denen es an der HBK nur wenige<br />
gibt. „Wir werden auf jeden Fall versuchen,<br />
unsere vorhandenen Studienplatzkapazitäten<br />
voll auszuschöpfen.<br />
Mehr können wir aber nicht tun.“<br />
Die Hochschulen der Region scheinen<br />
also gewappnet. Ob die Plätze am Ende<br />
ausreichen oder doch ein Bewerberstau<br />
entsteht, ist aber nach wie vor unklar.<br />
Dazu trägt auch die Entscheidung um<br />
die Wehrpfl icht-Aussetzung bei. Da nun<br />
ab dem 1. März 2011 keine Wehrpfl icht<br />
mehr besteht, drängen in diesem Jahr<br />
auch die jungen Männer an die Hochschulen,<br />
die sonst in Uniform oder Pfl egerkittel<br />
ihren Dienst geleistet hätten.<br />
Dies wird zu einem noch größeren Andrang<br />
führen, größer, als er vielleicht<br />
von allen erwartet wird.<br />
Die Garantie des Ministeriums für<br />
Wissenschaft und Kultur fällt dann<br />
auch eher zurückhaltend aus: „Jede Abiturientin<br />
und jeder Abiturient, der studieren<br />
möchte, bekommt im Jahr 2011<br />
und in den Folgejahren auch einen Studienplatz,<br />
wenn auch wie in der Vergangenheit<br />
nicht immer an der gewünschten<br />
Hochschule und im gewünschten<br />
Studiengang.“ #
Campus<br />
„Ich darf das,<br />
ich bin Jude“<br />
Oliver Polak ist 34 Jahre, Komiker und stammt aus dem niedersächsischen<br />
Papenburg. Wichtiger noch: Er ist Jude und hat seine religiöse und kulturelle<br />
Heimat zum Kern seines Bühnenprogramms gemacht. Witze über Juden?<br />
Darf man das? studi38 hat nachgefragt.<br />
Von Lina Beling & Sophie Dannenfeld<br />
Mario Barth hat seine Frauenwitze,<br />
Michael Mittermeyer seine Bayernwitze<br />
und Otto seine Ottifanten. Dein Ding sind<br />
Judenwitze, oder?<br />
Kannst du mir den Unterschied zwischen Judenwitzen<br />
und jüdischen Witzen erklären?<br />
Das wäre jetzt doch dein Job, oder?<br />
„Judenwitze“ ist ein Begriff aus der Nazizeit.<br />
Das Wort ist sehr besetzt. Das waren sehr<br />
negative Witze über Juden. Wenn man das,<br />
was ich mache also beschreiben würde, wären<br />
es jüdische Witze. Aber das wäre etwas<br />
eindimensional, es sind nämlich vor allem Geschichten,<br />
die ich erzähle. Die sind sehr persönlich.<br />
Das ist meine Form von Humor. Ich<br />
weiß nicht, ob der jetzt jüdisch ist oder nicht.<br />
Das ist mein ganz persönlicher Humor…<br />
18<br />
Trotzdem sagst du, ich darf das, ich bin<br />
Jude…<br />
Der Titel ist natürlich ein Gag, nicht mehr<br />
und nicht weniger! Eigentlich ist meine gesamte<br />
Biografi e Basis für mein Comedyprogramm.<br />
Ich denke nicht den ganzen Tag: Ich<br />
bin jüdisch, ich bin jüdisch.<br />
Es gibt noch viele andere Facetten in meinem<br />
Werk. Im Buch gibt es ein Kapitel über Motorpsycho,<br />
über Steffi e von Silbermond also<br />
viele andere Sachen. Aber natürlich hab ich<br />
das auch zum großen Thema dieser Show gemacht,<br />
eben das deutsch-jüdische Verhältnis.<br />
Was sagst du den Leuten, die solchen Humor<br />
grundsätzlich ablehnen?<br />
Naja wenn es wirklich ein Missverständnis<br />
gibt und es in eine Richtung abdriftet, die für<br />
mich auch unerträglich ist, dann stelle ich das<br />
natürlich richtig. Wenn ich aber im Prinzip<br />
mehr Fragen in meiner Show hinterlasse, als<br />
dass ich Antworten gebe, dann fi nde ich das<br />
gut.<br />
Also steckt hinter dem ganzen Showkonzept<br />
ein ernstes Anliegen?<br />
Es gibt eine Mission, aber die verrate ich natürlich<br />
nicht – da halte ich es wie Siegfried<br />
und Roy. Die erklären ja auch nicht nach der<br />
Show, wie die Tiger in die Kiste gekommen<br />
sind, und vor allem was sie mit den Tigern in<br />
der Kiste gemacht haben.<br />
Was sagst du zum Beispiel zu den Thesen<br />
vom ehemaligen Bundesbankvorstand Thilo<br />
Sarrazin?<br />
Also, ich hab mich immer gefragt, ob ich als<br />
Jude überlebe, wenn alle anderen Menschen<br />
aussterben. Ja!<br />
Warum machst du Comedy?<br />
Bei mir war das so: Ich habe lange bei VIVA<br />
und dem Disney Club moderiert und in vielen<br />
deutschen Serien mitgespielt, aber das war irgendwie<br />
alles nicht so meins. Ich wollte Stand-<br />
Up-Comedy machen, so im klassischen amerikanischen<br />
Sinne, wo Komiker ihre Biographie<br />
als Basis für ihr Programm nehmen. Und das<br />
habe ich dann halt auch gemacht.<br />
Foris<br />
Mein Name ist Oliver Polak, ich komme aus<br />
Papenburg, ich bin Jude.<br />
von<br />
Das ist die Basis für mein Buch und meine<br />
Gerald<br />
Show. Wir haben auch ein Musikvideo gedreht.<br />
Es heißt ‚Lasst uns alle Juden sein‘. Foto:
Eine Anspielung auf „Lasst uns froh und<br />
munter sein?“<br />
Jaja, genau. Ich hatte so einen Gedanken, dass<br />
das ein lustiges Quatschlied wäre und genauso<br />
ist es auch gemeint.<br />
Was willst du den Studierenden aus unserer<br />
Region sagen?<br />
Wenn ihr meine CD seht oder ein Plakat von<br />
mir, dann seid ihr herzlich Willkommen mal<br />
reinzuschauen. Was sollte ich den sonst sagen,<br />
ne?!<br />
Sowas wie: „Macht Comedy, das macht das<br />
Leben lustiger“ zum Beispiel…<br />
Nee. Braunschweig, Wolfsburg, Hannover<br />
und Comedy das geht glaub ich nicht zusammen,<br />
oder? Es gibt ja auch dieses Lied von<br />
Bernd Begemann: „Eigentlich wollte ich nicht<br />
nach Hannover“.<br />
Du hast also keinen Tipp für uns?<br />
Campus<br />
Doch! Was ich den Braunschweiger Studenten<br />
raten möchte: Seid vorsichtig, wenn ihr in die<br />
Dax Bierbörse geht. Da war ich nämlich und<br />
das war so ein bisschen wie das Titty Twister<br />
von „From dusk till dawn“ nach der Verwandlung.<br />
Das Absurde war, dass ich da vor<br />
diesem Laden stand, ich hatte halt meine Jogginghose<br />
an, hab eine Zigarette geraucht. Da<br />
kam doch wirklich eine Frau an, die war ziemlich<br />
korpulent, hatte ein Jeanshose an, darüber<br />
hatte sie einen String mit irgendwas Lusti-<br />
Verlosung<br />
studi38 verlost drei aktuelle CDs von Oliver<br />
Polak. Also: beweist ihm und uns, dass ihr doch<br />
Comedy könnt und postet einen Witz, ein Bild<br />
oder einen Videoclip auf facebook.de/studi38.<br />
Die drei besten Uploads gewinnen.<br />
gem drauf, einen viel zu kleinen Body und sah<br />
wirklich echt strafbar aus. Sie hat erst mich<br />
angeschaut, dann den Türsteher und meinte:<br />
Die lassen hier wohl jetzt auch Jeden rein.<br />
Zum Schluss einen Witz, deinen Lieblingswitz<br />
vielleicht?<br />
Ich kann euch zum Beispiel erklären, was der<br />
Unterschied zwischen einer jüdischen Mutter<br />
und einem Pitbull ist: Der Pitbull lässt irgendwann<br />
los. #<br />
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Herausforderungen hier, Herausforderungen<br />
da! Nie gibt es<br />
Ruhe, andauernd muss ich mir<br />
überlegen wie ich meine nächsten Aufgaben<br />
zu meistern habe. Und dann gibt<br />
es seit vier Jahren die Freundin. Das ist<br />
auch nicht immer einfach. Jeder Mann,<br />
der in einer längeren Beziehung ist,<br />
kann davon ein Liedchen singen.<br />
Auf einmal bekomm‘ ich die<br />
Chance, auf die ich so lange<br />
gewartet habe: Nach Australien<br />
gehen und ein anderes<br />
Leben kennen lernen.<br />
Aber was ist mit meinem<br />
Leben in Deutschland und<br />
vor allem mit meiner Beziehung?<br />
Sie möchte mir die Chance<br />
nicht nehmen und es probieren,<br />
meint wir können ja jeden Tag skypen<br />
oder Emails schreiben! „Mach‘ am besten<br />
einen Blog und stell‘ da Fotos rein,<br />
dann kann ich ein wenig an deinem<br />
Leben teilhaben“, schlägt sie euphorisch<br />
vor.<br />
Sieben Monate später ist es soweit.<br />
Ich bin bereits seit zwei Monaten in<br />
Melbourne. Habe viele Leute kennen<br />
gelernt und trotzdem halte ich so gut<br />
wie möglich den Kontakt in die Heimat.<br />
Den Blog habe ich fast wöchentlich<br />
gepfl egt. Selbst das Skypen hat<br />
fast jeden zweiten Tag geklappt, trotz<br />
des Zeitunterschieds. Aber da gibt es<br />
doch ein Problem, das Blogs & Co.<br />
nicht lösen können und dazu<br />
führt, dass ich jedem Mädel<br />
zweimal hinterher schaue.<br />
Es gibt nur eine Lösung, damit<br />
meine langjährige Beziehung<br />
nicht an der Fleischeslust<br />
zu Grunde geht:<br />
Ich lasse sie einfl iegen.<br />
Der fi nanzielle Preis dafür<br />
ist immens, aber wir beide haben in<br />
den vier gemeinsamen Wochen eins<br />
gelernt: Es geht für uns nicht darum alleine<br />
ein Ziel zu erreichen, sondern dies<br />
mit dem Partner zu teilen.<br />
Inzwischen ist viel Zeit vergangen<br />
und wir lassen am 23. Januar unser<br />
siebtes Jahr und zusammen genommen<br />
16 Monate Auslandsemester hinter uns.<br />
Skype und Flugzeug sei Dank.<br />
Campus<br />
Fern<br />
beziehung 2.0<br />
Von Janina Göbel & Fathi Khalil Ahmad El-Khatib<br />
21<br />
Karriere oder Liebe? In Zeiten<br />
der Internationalisierung werden<br />
wir immer häufi ger vor diese<br />
Entscheidung gestellt. Für den gewünschten<br />
Job muss man fl exibel und<br />
kompromissbereit sein. Ein Wohnortwechsel<br />
mit oder ohne den Liebsten ist<br />
zur Normalität geworden.<br />
Selbst als Student bin ich vor der Entscheidung<br />
nicht gefeit. Ein Auslandssemester<br />
steht an. Endlich. Nach monatelangem<br />
Suchen, Bewerben und<br />
Zittern habe ich den Platz bekommen.<br />
Jetzt bleibt mir nicht mehr<br />
viel Zeit, um das Nötigste zu regeln.<br />
Nachmieter fi nden, ein Zimmer<br />
in England suchen, mich von<br />
den zurückbleibenden Liebsten<br />
ausgiebig verabschieden.<br />
Und dann kann’s losgehen.<br />
Neues Leben, neues<br />
Glück, neue Freiheit.<br />
Nur einer stellt sich mir<br />
da in die Quere – mein<br />
Freund.<br />
„Meinst du, wir kriegen<br />
das hin?“, liegt er mir<br />
ständig in den Ohren. Ich weiß es<br />
nicht und möchte mir darüber auch<br />
nicht den Kopf zerbrechen. Woher<br />
soll ich wissen, was das Auslandssemester<br />
bringt. Ist unsere Beziehung<br />
stark genug auch mal ein halbes<br />
Jahr ohne den Anderen auszukommen?<br />
Oder gehen wir bald getrennte<br />
Wege?<br />
Dass er sich wünscht, mit mir jeden<br />
Abend zu skypen, klingt für<br />
mich wie eine Drohung. Hilfe! Freiheit<br />
adé. Neue Bekannte adé. Verpfl<br />
ichtungen willkommen. Nee, das<br />
ist nicht das, was ich mir von dem<br />
Auslandssemester erträumt habe.<br />
Viele Beziehungen halten auch<br />
tausende Kilometer Entfernung<br />
aus. Andere wiederum<br />
nicht. Ich bin ganz egoistisch<br />
und entscheide mich<br />
für den Alleingang. Und gegen<br />
meinen Freund. Ich möchte<br />
mein neues Leben genießen können,<br />
ohne immer zurück zu schauen.<br />
Und was danach kommt – wer weiß<br />
das schon so genau? #
Campus<br />
22<br />
Fotos: Jonas Hartiwg, Sandra Tiefholz
Campus<br />
Apfel oder<br />
Tiefkühlpizza?<br />
WIE UND VOR ALLEM WAS ESSEN BRAUNSCHWEIGS STUDIERENDE WIRKLICH?<br />
Von Sandra Tiefholz & Jonas Hartwig<br />
Dosenravioli, Döner oder ganz<br />
einfach eine Pizza beim nächsten<br />
Lieferservice bestellen? Die<br />
Begriffe „Gemüse“ oder „Obst“ gehören<br />
nicht zum Wortschatz eines angehenden<br />
Akademikers. Schnell und<br />
einfach muss die Nahrungszufuhr erfolgen.<br />
Dies ist eine weit verbreitete Vorstellung<br />
von der Ernährung der Studierenden.<br />
Marburger Forscher sind<br />
sogar überzeugt: Ihre Freizeit verbringen<br />
die Hochschüler mit Biertrinken<br />
und Zigarettenrauchen. Gerade einmal<br />
2 von 100 Studierenden leben gesund.<br />
Doch wie tragfähig sind diese Vorurteile<br />
und Forschungsergebnisse überhaupt<br />
und wie gesund ernähren sich Braunschweigs<br />
Studierende wirklich? studi38<br />
hat nachgefragt…<br />
Annabel achtet sehr auf ihre Ernährung.<br />
„Wenn mein Budget es gerade<br />
hergibt, kaufe ich gern Bioprodukte.“<br />
Ihren Tag startet die 25-Jährige Studentin<br />
gewöhnlich mit zwei Scheiben Vollkornbrot,<br />
vorzugsweise mit Frischkäse<br />
und Marmelade. Dazu trinkt sie am<br />
liebsten Getreidekaffee. Bis zum Mittag<br />
ist Annabel damit gesättigt. Dann<br />
kocht sie sich etwas Leckeres – meist allein,<br />
denn ihr Freund, mit dem sie zusammenwohnt,<br />
ist bereits berufstätig.<br />
Als Mahlzeit macht sich Annabel gerne<br />
Kartoffeln und Quark, selbstgemachten<br />
Eintopf oder auch Fisch mit Kartoffeln<br />
und Salat. Zum Abschluss gönnt sie sich<br />
meist eine kleine Süßigkeit, zum Beispiel<br />
ein Stück Schokolade. Während<br />
Annabel am Nachmittag dann zu Obst,<br />
Joghurt oder einem Schokoriegel greift,<br />
isst sie abends oft gar nichts mehr. „Das<br />
bekommt mir nicht“, erklärt sie. Generell<br />
ist Annabel kein Freund von Fertigprodukten,<br />
nur ab und zu kommt mal<br />
eine Tiefkühlpizza auf den Tisch. Zusätzlich<br />
trinkt die Studentin sehr viel,<br />
fast drei Liter Tee oder Wasser pro Tag.<br />
Für Lebensmittel gibt sie rund 40 Euro<br />
pro Woche aus. Johannes dagegen ist<br />
gesunde Ernährung nicht so wichtig.<br />
„Als erstes versuche ich preiswert einzukaufen,<br />
dann sollte ich es einfach<br />
und schnell zuberei-<br />
ten können. Klar ab<br />
und zu kommt das<br />
schlechte Gewissen<br />
durch, sodass ich darauf<br />
achte ausgewogen<br />
zu essen.“ Dann<br />
bereitet sich Johannes<br />
beispielsweise einen<br />
selbstgemachten<br />
Burger mit frischem<br />
Gemüse zu. Das restliche<br />
Gemüse reicht<br />
später noch für einen<br />
Salat. In der Regel frühstückt der 21-Jährige<br />
nicht. „Ich bin da eher ein Morgenmuffel.“<br />
Mittags isst er gewöhnlich in<br />
der Mensa. Am Nachmittag holt sich Johannes<br />
gelegentlich ein Schnitzelbrötchen<br />
aus der Cafeteria und am Abend<br />
eine Tiefkühlpizza oder Chips und<br />
Gummibärchen. Der Maschinenbaustudent<br />
wohnt in einer Zweier-WG. Mindestens<br />
einmal pro Woche kocht er mit<br />
seinem Mitbewohner zusammen. Aber<br />
23<br />
„Wenn mein<br />
Budget es<br />
gerade hergibt,<br />
kaufe ich gern<br />
Bioprodukte.“<br />
auch hier wird vorwiegend auf Fertigprodukte<br />
zurückgegriffen. Immerhin:<br />
„Seit drei Wochen kaufen wir uns Montags<br />
Obst und machen einen Smoothie<br />
für die Woche“, erzählt er. Die Gemeinschaftswohnung<br />
hat also doch ein positiven<br />
Einfl uss auf seine Nahrungszufuhr.<br />
Johannes weiß, wenn er am<br />
Wochenende nach Hause fährt, lebt er<br />
auch gesünder: „Da kocht meine Mutter<br />
und die zwingt mich gesund zu essen.“<br />
Er lacht. Als Getränke bevorzugt<br />
Johannes Cola und Saft und trinkt da-<br />
Annabel, 25<br />
von etwa anderthalb Liter pro Tag. Alles<br />
in allem gibt Johannes genau wie Annabel<br />
jede Woche etwa 40 Euro für Lebensmittel<br />
aus.<br />
Eines haben beide Studierende gemeinsam:<br />
Essen bedeutet für sie nicht<br />
einfach nur reine Nahrungsaufnahme.<br />
„Essen ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen“,<br />
erklärt Johannes und auch<br />
für Annabel ist das Essen ein reiner Genuss<br />
und das Kochen macht ihr Spaß. #
Mythos Mensa<br />
„Massenabfütterung“ oder „Essen vom Fließband“. Glaubt man den Studierenden, hat ein Besuch in der Mensa<br />
mit Feinkost und gesunder Ernährung nicht viel gemeinsam. studi38 wollte es genauer wissen und hat sich dort<br />
umgeschaut, wo das kulinarische Herz des Campus schlägt – inklusive Expertenrat von einer Ernährungsberaterin<br />
von Jonas Hartwig & Sandra Tiefholz<br />
Rund achtzig Prozent der Studierenden<br />
essen mindestens einmal<br />
pro Woche in der Hochschulkantine.<br />
Die Gründe sind dabei allerdings<br />
eher praktischer Natur. Die Nähe zur<br />
Uni und die vergleichsweise niedrigen<br />
Preise scheinen den Studierenden wichtiger<br />
zu sein als eine ausgewogene Ernährung.<br />
Aber ist die Mensa wirklich<br />
so ungesund wie ihr Ruf ? studi38 wollte<br />
es genauer wissen und hat sich mit<br />
Michael Gruner, dem Leiter der Mensen<br />
des Studentenwerks Braunschweig<br />
getroffen. Getreu dem Motto „Vertrauen<br />
ist gut, Kontrolle ist besser“ haben<br />
wir anschließend gemeinsam mit der<br />
Braunschweiger Ernährungsberaterin<br />
Karen Alberti das Mensaessen unter<br />
die Lupe genommen. Rund 8000 Gerichte<br />
gehen täglich allein in den drei<br />
Braunschweiger Mensen über die Bedienungstresen.<br />
Wer mag es dem ein oder<br />
anderen da schon verdenken, dass er<br />
an der Qualität der Lebensmittel zweifelt.<br />
Dass man bei solchen Zahlen Ab-<br />
Campus<br />
striche machen muss, möchte auch Michael<br />
Gruner nicht leugnen. Seit dem<br />
Wechsel der Geschäftsführung vor fünf<br />
Jahren habe sich allerdings einiges getan.<br />
„Nachhaltigkeit spielt heute eine<br />
große Rolle in der Ernährung. Fisch<br />
beziehen wir ausschließlich von Lieferanten,<br />
die sich dafür verbürgen, nur<br />
Produkte aus Bestandserhaltender Fischerei<br />
anzubieten. Die Eier sind mindestens<br />
aus Bodenhaltung und auch bei<br />
Fleisch achten wir auf artgerechte Haltung.“<br />
Wer sich mal wieder einen Kaffee<br />
aus der Cafeteria holt, um die nächste<br />
Vorlesung zu überstehen, kann künftig<br />
damit prahlen, dass er fair gehandelten<br />
Kaffee trinkt. Das Thema „gesunde Ernährung“<br />
scheint in den Mensen an Be-<br />
„Wichtig ist nur, dass<br />
man zwischen gesundem<br />
Essen und gesund essen<br />
unterscheidet.“<br />
Michael Gruner, Leiter der Mensen des Studentenwerks<br />
Braunschweig<br />
24<br />
deutung gewonnen zu haben. So wurde<br />
letztes Jahr der Arbeitskreis, der für<br />
die Erstellung des Speiseplans zuständig<br />
ist, durch einen Ernährungsberater<br />
verstärkt und die Köche müssen regelmäßig<br />
Schulungsprogramme besuchen.<br />
„Wichtig ist nur, dass man zwischen gesundem<br />
Essen und gesund essen unterscheidet“,<br />
gibt Gruner zu bedenken.<br />
Soll heißen: Die Studierenden kommen<br />
in erster Linie in die Mensa, weil<br />
sie Hunger haben und nicht, weil sie<br />
sich unbedingt gesund ernähren wollen.<br />
Dass Gerichte wie Schnitzel oder<br />
Currywurst trotz eines durchaus vielfältigen<br />
Angebots die absoluten Verkaufsschlager<br />
sind, spricht sogar eher für das<br />
Gegenteil. Die Klassiker allerdings alleine<br />
der ausgewogenen Ernährung wegen<br />
von der Speisekarte zu streichen, würde<br />
wohl nicht nur sämtliche Studierenden<br />
auf die Barrikaden rufen, sondern ist<br />
natürlich alleine aus wirtschaftlichen<br />
Gründen gar nicht möglich. „Wir können<br />
also nur dafür sorgen, dass wir alle<br />
Fotos: Jonas Hartwig
Fotos: Privat<br />
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Hähnchenkeule „Hongkong“ mit<br />
Zuchinigemüse und Röstitaler: Fettige<br />
Haut, etwas zu weich gekochte Zuchini,<br />
ansonsten eine ausgewogene Mahlzeit.<br />
Lachspfanne mit Sauce Bearnaise und<br />
Dillkartoff eln: Fettige und Kalorienreiche<br />
Sauce, Fisch und Kartoff eln sind<br />
dafür gesund.<br />
Tortellini mit Fleischfüllung in Tomatensoße:<br />
Die Fleischfüllung fällt etwas<br />
rar aus, Soße mit Geschmacksverstärker,<br />
für 1,90 Euro aber vertretbar.<br />
Campus<br />
angebotenen Gerichte so gesund wie<br />
eben möglich gestalten“, erläutert der<br />
Mensachef.<br />
Trotzdem sieht Gruner die Mensen<br />
in der Pfl icht, die Studierenden zu informieren.<br />
Passend dazu plant er zukunftsnah<br />
ein System einzuführen, das<br />
die verschiedenen Gerichte mit einem<br />
Häkchensystem nach ihrem Nährwert<br />
bewertet. „Ich möchte die Gäste nicht<br />
erziehen, aber sie sollen die Möglichkeit<br />
haben sich bewusst zu ernähren“,<br />
erklärt der gelernte Koch das Projekt.<br />
Eine Tatsache, die dieser bewussten Ernährung<br />
allerdings ein wenig im Weg<br />
stehen könnte, ist die festgelegte Zusammenstellung<br />
und Portionsgröße.<br />
Die Wahl zwischen Salzkartoffeln oder<br />
Pommes ist da schon das höchste der<br />
Gefühle. Auch hier würde er gerne mit<br />
einer Art Selbstbedienungs-Buffet, an<br />
dem sich jeder der Gäste sein individuelles<br />
Gericht zusammenstellen kann,<br />
Abhilfe schaffen.<br />
Optimale Qualität, ein vielfältiges<br />
Angebot an Gerichten und viel versprechende<br />
Pläne zur Umsetzung einer bewussteren<br />
Ernährung. Wird also gar<br />
nicht alles so heiß gegessen wie es gekocht<br />
wird?<br />
Um diese Frage genauer zu beantworten,<br />
haben wir uns professionelle Unterstützung<br />
von der Ernährungsberaterin<br />
Karen Alberti geholt. Gemeinsam haben<br />
wir uns zur Stoßzeit in die Mensa<br />
gewagt und undercover drei ausgewählte<br />
Tagesgerichte getestet. Die Wahl ist<br />
schnell getroffen: Tortellini mit Fleischfüllung<br />
in Tomatensoße, Lachspfanne<br />
mit Sauce Bearnaise und Dillkartoffeln,<br />
sowie die Hähnchenkeule „Hongkong“<br />
mit Zucchinigemüse und Röstitaler.<br />
Klingt doch eigentlich ganz gut und<br />
auch nicht wirklich ungesund. Schon<br />
auf den ersten Blick allerdings fällt<br />
dem kritischen Auge von Karen Alberti<br />
die fettige Haut der Hähnchenkeule<br />
auf. „Haut oder Panade im Allgemeinen<br />
sollte man im Idealfall vermeiden, auch<br />
wenn es leider das ist, was am besten<br />
schmeckt“, merkt sie an. Bis auf die etwas<br />
zu weich gekochten Zucchini hat<br />
sie allerdings an diesem Gericht nicht<br />
viel auszusetzen. „Anstelle der Röstis<br />
26<br />
könnte man natürlich Salzkartoffeln<br />
nehmen, aber im Großen und Ganzen<br />
eine durchaus ausgewogene Mahlzeit“.<br />
Auch die Tortellini scheinen nicht auf<br />
großen Widerstand zu stoßen. „Bei Nudeln<br />
mit Tomatensoße kann man eigentlich<br />
nicht viel falsch machen“, erklärt<br />
Alberti. Dass die Fleischfüllung<br />
etwas rar ausfällt und die Soße wahrscheinlich<br />
mit freundlicher Unterstützung<br />
diverser Geschmacksverstärker<br />
zubereitet wird, darüber könne man<br />
aufgrund des Preises von 1,90 Euro<br />
schon mal hinwegsehen. Bei der Lachspfanne<br />
hingegen, die auf den ersten<br />
Blick noch am gesündesten scheint, ist<br />
der Ernährungsberaterin die fettige, kalorienreiche<br />
Sauce Bearnaise ein Dorn<br />
im Auge. „Natürlich sind der Fisch und<br />
die Kartoffeln an sich gesund, die fettige<br />
Sauce relativiert das ganze allerdings<br />
und sollte nicht unterschätzt werden.“<br />
„Bei Nudeln mit Tomatensoße<br />
kann man eigentlich<br />
nicht viel falsch machen“<br />
Karen Alberti, Ernährungsberaterin<br />
Wichtig ist also vor allem die richtige<br />
Zusammenstellung des Gerichts. Dazu<br />
empfi ehlt Alberti sich bei der Wahl zwischen<br />
mehreren Beilagen für die gesündere<br />
Variante zu entscheiden und zu<br />
jeder Mahlzeit einen kleinen Salat zu<br />
essen. An der Qualität der Lebensmittel<br />
sowie der Portionsgröße hat sie im<br />
Großen und Ganzen eher wenig auszusetzen.<br />
„Betrachtet man das Preis-Leistungsverhältnis,<br />
so geht das durchaus<br />
in Ordnung“. Entgegen der allgemeinen<br />
Vorurteile scheint es also durchaus<br />
möglich sich auch in der Mensa ausgewogen<br />
und gesund zu ernähren.<br />
Im Endeffekt sollte die Frage wohl<br />
auch gar nicht lauten, ob man sich in<br />
der Mensa gesund ernähren kann, sondern<br />
ob man es überhaupt möchte. Wer<br />
auf seine Ernährung achtet, wird auch<br />
hier nicht vor unlösbare Probleme gestellt.<br />
Für alle anderen gilt: Die ein oder<br />
andere Currywurst hat auch noch keinem<br />
geschadet. #<br />
Fotos: Jonas Hartwig
Fotos: Maria Boger<br />
Warm me up!<br />
Der Winter ist zwar wieder eisig kalt, aber die drohenden<br />
Nachzahlungen halten euch davon ab die Heizung auch nur<br />
anzurühren? studi38 präsentiert euch fünf sparsame Aufwärmtipps<br />
für`s klamme Studentenportemonnaie.<br />
Von Maria Boger<br />
Schuhe<br />
würzen!<br />
Einfach ein wenig Pfeffer in deine<br />
Treter und schon hast du keine<br />
kalten Füße mehr.<br />
Backofen<br />
auf!<br />
Tiefkühlpizza &<br />
Co. können viel<br />
mehr als nur<br />
deinen Hunger<br />
stillen. Lass den<br />
Backofen nach<br />
dem Backen<br />
auf. So kann<br />
die zusätzliche<br />
Wärme deine<br />
Küche heizen.<br />
4<br />
1<br />
Campus<br />
Heizung<br />
anlassen!<br />
Auch wenn du nicht da bist, solltest<br />
du die Heizung an lassen. Denn es<br />
dauert viel länger und verbraucht<br />
viel mehr Energie, wenn du eine<br />
ausgekühlte Wohnung beheizt.<br />
27<br />
2<br />
3<br />
Heiße<br />
Höschen!<br />
Lege deine Unterwäsche auf die<br />
Heizung, bevor du sie anziehst.<br />
So frierst du wenigstens nicht<br />
mehr am Po.<br />
Gut verpackt!<br />
Warum solltest du die teure neue Outdoorjacke eigentlich<br />
nur draußen tragen? studi38 rät: Zieh sie einfach nicht mehr<br />
aus und die zwölf Grad in deinem Arbeitszimmer<br />
kommen dir gleich mollig warm vor.<br />
5
Campus<br />
WG gesucht<br />
DIE WIRRUNGEN UND STILBLÜTEN EINER WOHNUNGS- UND MITBEWOHNERSUCHE<br />
Von Kristina Branz<br />
Neu in Braunschweig, aber keine<br />
Lust auf Einzimmerwohnung<br />
oder Studentenwohnheim? Die<br />
Vorteile sind vielfältig, doch wer eine<br />
WG sucht, hat es scheinbar nicht leicht.<br />
Die potentiellen Mitbewohner werden<br />
zur knallharten Castingshow-Jury und<br />
die Vorstellung gleicht einer Teilnahme<br />
im Assessment-Center frei nach dem<br />
Motto „Warum sollten wir gerade dich<br />
nehmen?“ Dieses Szenario kommt jetzt<br />
auf mich zu: Ich suche eine neue Bleibe.<br />
Wenn ich an das Stichwort „WG-Casting“<br />
denke, kommt mir schon das kalte<br />
Grausen. Berechtigterweise?<br />
Zunächst die Vorstufe, das Durch-<br />
forsten der Angebote im Internet. Einige<br />
Anzeigen sind wahre Romane,<br />
andere eher spartanisch. Altbau, Neubau,<br />
Zweier- oder Vierer-WG, gemütliche<br />
10 oder herrschaftliche 25 Quadratmeter?<br />
Meine Auswahl steht fest.<br />
Altbau und nicht zu klein soll es sein.<br />
Telefonisch vereinbare ich den ersten<br />
Besichtigungstermin.<br />
Wenigstens habe ich die Ehre mich<br />
mit meinen Mitbewohnern in spe persönlich<br />
treffen zu dürfen. Ein Bekannter<br />
berichtet, bei seiner Besichtigung hätte<br />
ihm der Vermieter die Tür geöffnet, da<br />
der Hauptmieter keine Zeit gehabt hat.<br />
Dabei möchte man doch eigentlich wis-<br />
28<br />
sen, mit wem man sich vielleicht bald<br />
Bad und Küche teilt.<br />
Der nächste Anruf: Ein sympathisches<br />
Mädel, ebenfalls ein Termin für<br />
den nächsten Tag. Dann fällt mir ein –<br />
eigentlich könnte ich mich ja vorweg<br />
bei StudiVZ oder facebook informieren,<br />
wer und was mich erwartet. Tatsächlich<br />
fi nde ich das nette Mädel von eben und<br />
gleich dazu Fotos von der WG inklusive<br />
Mitbewohnern. Zimmer, die unter Müll<br />
und Pizzaschachteln kaum noch zu erkennen<br />
sind. Das hätte ich lieber nicht<br />
gesehen. Jetzt geht meine Fantasie mit<br />
mir durch. Natürlich kann das alles<br />
ganz anders sein, aber in einem Dreck-<br />
Fotos: Kristina Branz
loch möchte ich nicht wohnen. Unter<br />
dem Vorwand ich hätte schon ein Zimmer<br />
gefunden, sage ich das Treffen wieder<br />
ab. Mitbewohnercheck im Internet!<br />
Aber wer weiß, vielleicht wurde ich ja<br />
vorher auch schon virtuell geprüft.<br />
Suche nach einer neuen Wohnung<br />
schön und gut, für mein altes Zimmer<br />
muss ein Nachmieter her. Die ersten Interessenten<br />
nten haben sich gleich für<br />
den heutigen utigen Tag angekündigt.<br />
Hier er sitze ich in der Jury<br />
– oder zumindest in<br />
beratender der Funkti- Funktion.<br />
Ein Bewerber<br />
verbringt gt die meiste<br />
Zeit im Freien<br />
und würde rde wohl<br />
lieber im Zelt<br />
vor unserem erem Haus<br />
campen. . Für Standardfragenüber<br />
seine Person<br />
ist er r nicht<br />
ht zu haben,<br />
stellt ellt sich abe aber be ber<br />
für kostenlose Jonglierstunden<br />
zur Verfügung. Schon zu Beginn erzählt<br />
er uns, dies sei schon die hundertste<br />
WG, die er abklappert – bislang ohne<br />
Erfolg. Das klingt ja vielversprechend.<br />
Eine andere Interessentin ist so spät<br />
dran, dass ihr nichts anderes übrig<br />
bleibt, als im Schweinsgalopp durch<br />
die Wohnung zu hasten, bevor sie zum<br />
nächsten Termin weiter muss. Nach fünf<br />
Bewerbern am Stück raucht der Kopf.<br />
Immer freundlich sein und das Gleiche<br />
erzählen ist gar nicht so einfach.<br />
Am nächsten Tag wird es auch für<br />
mich ernst. Eine Vierer-Männer-WG.<br />
Wer weiß, was mich dort erwartet.<br />
Nerds, Freaks, Lustmolche? Ich klingele.<br />
Der erste Kontakt beruhigt mich. Zwei<br />
ganz normale Jungs, die selbst etwas<br />
unbeholfen im Flur stehen und mit dem<br />
WG-Casting-Knigge scheinbar nicht vertraut<br />
sind.<br />
Die Führung durch die Wohnung verblüfft,<br />
sehr aufgeräumt für eine Männer-WG.<br />
Der Rundgang endet in der<br />
Küche. Da ist sie doch, die typische WG-<br />
Casting-Situation: das Gespräch am Küchentisch.<br />
„Trinkst du auch mal Alkohol?<br />
Trinkst du Kaffee? Isst du Fleisch?<br />
Rauchst du?“ OK, denke ich. Die Fragen<br />
Campus<br />
sind ja noch relativ harmlos. „Ja, ja, ja<br />
und nein“, gebe ich zurück. „Gut!“, antwortet<br />
mein Gegenüber lächelnd. Das<br />
muss wohl die richtige Antwort gewesen<br />
sein. „Hast du irgendwelche großen<br />
elektrischen Geräte?“ Verfl ixt! Ich glaube<br />
mit einer Waschmaschine hätte ich<br />
den Mietvertrag so gut wie in den Händen<br />
gehalten. Ich versuche es mit mei-<br />
nem Milchaufschäumer. Milchaufschäume Funktioniert<br />
oniert auch. Damit<br />
habe ich<br />
zumindest den Kaffe Kaffee-Fan auf<br />
meiner Seite.<br />
Das Gespräch G<br />
verläuft harmlos.<br />
Kein seitenlanger<br />
seit<br />
Fragenkatalog,<br />
Fragen<br />
der abgearbeitet<br />
abg<br />
wird. Kein K Psy-<br />
chotest im Sin-<br />
ne von „Die „D Küche<br />
ist nicht geputzt, keiner k will<br />
es tun, was ma machs machst du…?“.<br />
Glück Glück gehabt. Die WWG<br />
meiner<br />
Freundin Madeleine hat ihre Bewerber<br />
Zeichnungen anfertigen lassen, die etwas<br />
über sie aussagen. Auf Knopfdruck<br />
kreativ sein? Das wäre mit Sicherheit in<br />
die Hose gegangen.<br />
Zum Abschluss noch der obligatorische<br />
Eintrag in die Interessentenliste.<br />
Ich bin Nummer 15 – gleich hinter Jenny,<br />
Lena und Anna. Ob die Jungs sich<br />
nachher noch an mich erinnern können?<br />
Meine Freundin Heidi wurde bei<br />
ihrem Casting fotografi ert – fast wie ein<br />
Sträfl ing. „Unsere Bewerber haben wir<br />
damals gezeichnet und die wichtigsten<br />
Eigenschaften dazu notiert – anders<br />
schaffst du das nicht“, erzählt sie.<br />
Ich ziehe die Haustür der WG hinter<br />
mir zu. Eigentlich habe ich ein ganz<br />
gutes Gefühl. Aber wer weiß, was sich<br />
jetzt gerade für Szenen in der Küche abspielen.<br />
Ich muss mich an die Geschichte<br />
eines Freundes erinnern, deren Mit-<br />
„Unsere Bewerber haben<br />
wir nach dem Treffen<br />
gezeichnet und die wichtigsten<br />
Eigenschaften<br />
dazu notiert.“<br />
29<br />
Heidi, Studentin<br />
bewohner absolut vernarrt in ihre<br />
Katze waren: „Nach jedem Bewerber<br />
wurde eine Konferenz einberufen und<br />
eine der wichtigsten Fragen war, wie er<br />
sich der Katze gegenüber verhalten hatte.<br />
Das war absolut entscheidungsrelevant“,<br />
hatte mir Fabian vor <strong>kurz</strong>em erzählt.<br />
Vielleicht hätte ich auch seinen<br />
Tipp beherzigen sollen. Eine Bewerberin<br />
hinterließ in seiner WG beim Gehen<br />
ein selbstgebasteltes Pappkleeblatt.<br />
Fein säuberlich hatte sie jede Ecke beschriftet.<br />
Name, Telefonnummer und<br />
ihre wichtigsten Eigenschaften. Ganz<br />
rechts in der Ecke prangte der Text<br />
„Wenn ihr mich nehmt, backe ich euch<br />
eine Torte.“<br />
Vielleicht erfolgt die Auswahl auch so<br />
wie bei Heidis Mitbewohner Nils. „Sie<br />
hatten mehrere passende Kandidaten<br />
und konnten sich nicht entscheiden.<br />
Also haben sie ein Labyrinth mit mehreren<br />
Ausgängen auf ein Blatt Papier gezeichnet<br />
und die Bewerber daneben geschrieben.<br />
Die Person, dessen Ausgang<br />
beim ersten Versuch genutzt wurde,<br />
durfte einziehen – das war ich.“<br />
Weiter geht es zu zwei anderen Wohnungen.<br />
In keiner bestätigt sich das angebliche<br />
Horrorszenario. Ich muss auch<br />
hier keine Prüfungen bestehen oder<br />
tanzen. Wir sitzen einfach nur am Tisch<br />
und unterhalten uns nett. Puh! Alles<br />
nur halb so schlimm. Ein paar Tage später<br />
bekomme ich dann die Zusage aus<br />
der Männer-WG. Sogar ein Recall bleibt<br />
mir erspart. Der Milchaufschäumer<br />
muss den Ausschlag gegeben haben. #
Wissenschaft<br />
Zombies<br />
auf der<br />
Leinwand<br />
Steuergeschenk<br />
Foto: moggs oceanlane<br />
28 Weeks Later, Zombieland und<br />
Resident Evil. Zombies bevölkern<br />
wieder in Scharen die Leinwände<br />
und jetzt auch eine neue wissenschaftliche<br />
Veröffentlichung an der<br />
HBK. Mit „Untot“ legen Michael<br />
Fürst, Florian Krautkrämer und Serjoscha<br />
Wiemer einen Band vor, der<br />
nicht nur Wissenschaftlerherzen<br />
höher schlagen lässt. Auch Fans des<br />
Genres kommen auf ihre Kosten.<br />
Als eine der ersten politischen<br />
Amtshandlungen hatte die FDP die<br />
Mehrwertsteuerreduzierung für<br />
Hotelübernachtungen durchgesetzt<br />
und dafür nicht nur eine Millionenspende<br />
von Mövenpick-Eigentümer<br />
August Baron von Finck, sondern<br />
auch viel Kritik erhalten. Rund 900<br />
Millionen Euro gehen dem Bundeshaushalt<br />
dadurch jährlich verloren. Immerhin, eine Studie der Tourismusfakultät<br />
der Ostfalia unter 780 niedersächsischen Hoteliers zeigt:<br />
Mehr als 200 Millionen Euro haben die Befragten 2010 investiert, dazu<br />
die Zimmerpreise um 6 Prozent gesenkt und die Gehälter der Angestellten<br />
erhöht.<br />
Nie wieder kratzen<br />
30<br />
<strong>kurz</strong> &<br />
<strong>knapp</strong><br />
2007 war Braunschweig „Stadt der<br />
Wissenschaft“ – jetzt soll der Nachwuchs<br />
ran. Gemeinsam mit der Forschungsregion<br />
bewirbt sich die Löwenstadt<br />
für den Titel „Stadt der<br />
jungen Forscher 2012“.<br />
Gewürdigt werden Städte, die Jugendliche<br />
auf besondere Weise für Wissenschaft<br />
und Forschung begeistern.<br />
Neben einem wohlklingenden Titel<br />
gibt es 65.000 Euro für die zukünftige<br />
Nachwuchsförderung. Die Entscheidung<br />
fällt Ende Mai – also: Daumen<br />
drücken!<br />
Wissenschaftler des Braunschweiger Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberfl<br />
ächentechnik haben in Kooperation mit einem Auto- und Glashersteller eine eisfreie<br />
Scheibe entwickelt. Dank einer transparenten Beschichtung aus Indiumzinn-<br />
Gerecke<br />
oxid versprechen die Forscher auch bei minus 18 Grad eine eisfreie Scheibe. Nach<br />
Nora<br />
zehn Jahren Forschung soll die kratzfeste und beheizbare Scheibe bald marktreif<br />
sein. Foto:<br />
Foto: Love My Tours<br />
Junge<br />
Forscher<br />
Foto: TU Braunschweig
Fotos: Nora Gerecke, Privat<br />
Wissenschaft<br />
„Ab in den Süden ...“<br />
VOM BRAUNSCHWEIGER FLUGHAFEN IN DEN URLAUB FLIEGEN... GEHT DAS ÜBERHAUPT?<br />
Von Nora Gerecke<br />
Jeder, der auf der A2 Richtung Hannover<br />
fährt, kommt auf der Höhe<br />
von Braunschweig an einer Abfahrt<br />
mit dem Namen Flughafen vorbei. Auch<br />
Bastian, der an der TU Braunschweig<br />
Luft- und Raumfahrttechnik studiert,<br />
kennt das Schild. Er verbringt seit vier<br />
Jahren sogar viele Stunden in den Hörsälen<br />
auf dem Flughafengelände. Nun<br />
will er sich ein paar Tage Ruhe gönnen<br />
und in den warmen Süden fl iegen –<br />
geht das überhaupt?<br />
Bastian fährt also mit der Buslinie 436<br />
bis zur Endhaltestelle Flughafen – im<br />
Gepäck Sonnenbrille und Badehose und<br />
mit großer Vorfreude auf den anstehenden<br />
Kurztrip. Bereits am Eingang des<br />
Flughafengebäudes wird ihm jedoch<br />
bewusst, dass dieser Flughafen anders<br />
als gewöhnlich aussieht. In der Wartehalle<br />
stehen nur sechs Stühle und weit<br />
und breit ist kein Dutyfreeshop zu sehen.<br />
An der Information erfährt er, dass<br />
der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg<br />
vor allem ein Forschungsfl ughafen ist.<br />
Gerne könne er aber nach Polen, Hamburg<br />
oder auch Erfurt fl iegen. Dies hätte<br />
er aber im Voraus im Reisebüro buchen<br />
müssen. Last-Minute kann er also<br />
vergessen. Aber dafür erfährt Bastian,<br />
dass die Anfänge des Flughafens Braunschweig<br />
bis in die frühen 30er Jahre zurückreichen.<br />
Und spätestens seit der<br />
Errichtung einer Asphalt-Landebahn<br />
im Jahre 1967 können auch schwerere<br />
Flugzeuge landen. Dies kam vor allem<br />
der Volkswagen AG zu Gute, die ihre<br />
konzerneigene Flugzeugfl otte nun in<br />
unmittelbarer Nähe zum Hauptfi rmensitz<br />
in Wolfsburg stationieren konnte.<br />
Zurzeit fi nden täglich zwei Werksfl üge<br />
statt, die allerdings nicht privat gebucht<br />
werden können. Zudem benutzt<br />
die Eintracht Braunschweig gelegentlich<br />
für Auswärtsspiele eine Fokker 100.<br />
Mehr als 30 Unternehmen und Einrichtungen<br />
mit insgesamt rund 2000<br />
Mitarbeitern arbeiten am Forschungsfl<br />
ughafen an Verbesserungen des Luftverkehrs<br />
und der Leistungssteigerung<br />
von Flugzeugen sowie Hubschraubern.<br />
Dazu zählen unter anderem das Deutsche<br />
Zentrum für Luft- und Raumfahrt<br />
(DLR), das Luftfahrbundesamt (LBA), das<br />
Zentrum für Luft- und Raumfahrt der<br />
TU Braunschweig und die Bundesstelle<br />
für zivile Flugunfalluntersuchungen<br />
Ein Forschungsfl ugzeug der TU<br />
Braunschweig, Typ Do 128<br />
31<br />
(BFU). Letztere untersucht alle Unfälle<br />
und Störungen ziviler Luftfahrzeuge<br />
auf dem Gebiet der Bundesrepublik<br />
Deutschland. Durch diese Fülle an<br />
Forschungseinrichtungen genießt der<br />
Braunschweiger Flughafen weltweit einen<br />
hervorragenden Ruf. So fand dort<br />
zum Beispiel die erste vollautomatische<br />
Landung eines Flugzeugs mithilfe von<br />
GPS-Unterstützung statt. Auch einige<br />
der leistungsfähigsten Segelfl ugzeuge<br />
der Welt wurden in Braunschweig entwickelt.<br />
Anfang des Jahres wurde die<br />
Landebahn des Braunschweiger Flughafens<br />
auf 2300 Meter verlängert, damit<br />
größere Flugzeuge die Löwenstadt<br />
anfliegen können. Hierfür mussten<br />
60.000 Bäume des EU-Vogelschutzgebietes<br />
weichen und es gab großen Widerstand<br />
von Teilen der Braunschweiger<br />
Bevölkerung.<br />
Trotz längerer Landebahn, wird Bastian<br />
auch in Zukunft wohl von Hannover<br />
oder Berlin aus in den Urlaub fl iegen<br />
müssen. Die kommt vor allem den Unternehmen<br />
und der Forschung zu Gute.<br />
Eine Ausweitung des kommerziellen<br />
Luftverkehrs ist nicht geplant. #
Campus-Leben in Klein<br />
DER CAMPUS IN SUDERBURG BIETET KURZE WEGE – AUCH ZU DEN LEHRENDEN<br />
Von Daniel Beutler<br />
An der TU und HBK bilden sich<br />
allsemesterlich tiefe Sorgenfalten,<br />
wenn bei der Stundenplangestaltung<br />
unvermeidlich ein Wechsel<br />
binnen 15 Minuten vom Campus Nord<br />
zum Hauptcampus erfolgen muss. Ähnliches<br />
dürfte sich an der Ostfalia zutragen.<br />
Nur gut, dass man da nicht auch<br />
noch den Campus Suderburg auf der<br />
Rechnung haben muss. Ziemlich genau<br />
80 Kilometer oder eine Stunde<br />
Autofahrt entlang der „Straße der Liebe“,<br />
auch B4 genannt, trennen Braunschweig<br />
vom jüngsten Außenposten der<br />
Ostfalia.<br />
Am 1. September 2009 stieß die 1854<br />
als Wiesenbauschule gegründete Institution<br />
zu der ebenfalls an dem Datum<br />
frisch aus der Taufe gehobenen Ostfalia<br />
Hochschule für angewandte Wissenschaften.<br />
„Der Umweltcampus Suderburg<br />
ist international bekannt, genießt<br />
einen hervorragenden Ruf und verfügt<br />
über ein großes Ausbaupotenzial“, sag-<br />
Wissenschaft<br />
te Ostfalia-Präsident Prof. Dr. Wolf-Rüdiger<br />
Umbach damals. Über Ausbaupotenzial<br />
verfügt der Campus alle mal. Um<br />
etwas mehr als 4500 Einwohner kümmert<br />
sich die Bürgermeisterin Christel<br />
Beplate-Haarstrich. Davon <strong>knapp</strong> 500<br />
Studierende am Campus Suderburg.<br />
Dorfi dylle pur. Fürs Studium aber ideal,<br />
meint Prof. Dr. Albrecht Meißner,<br />
Dekan der Fakultät Bau-Wasser-Boden.<br />
„Die Atmosphäre ist hier persönlicher,<br />
als an großen Universitäten, der Kontakt<br />
zwischen Studierenden und Lehrenden<br />
ist viel intensiver und direkter.<br />
Das ist ideal für Studierende, die schnell<br />
und erfolgreich studieren wollen“, zählt<br />
Meißner auf. Schlechte Karten für die<br />
Lümmel von der letzten Bank. „Sich zu<br />
verstecken klappt hier nicht so einfach<br />
und wenn mal wer öfters fehlt, fällt das<br />
auch auf“, berichtet der Dekan. Ansonsten<br />
sei das Leben der Studierenden, wie<br />
an jedem größeren Campus. Das meint<br />
auch Asta-Vorsitzender Philip Gieleßen.<br />
32<br />
„Man lernt die Leute, mit denen man<br />
hier zu tun hat, besser kennen, als an<br />
großen Universitäten.“ Da trifft man<br />
Hochschul-Mitarbeiter bei der Castor-<br />
Demo im Wendland oder die Bürgermeisterin<br />
mit Hund im Wald. Und falls<br />
der Landluft-Overkill bevorsteht oder<br />
das Feier-Ventil geöffnet werden muss,<br />
gibt es den Metronom. „Hier in Suderburg<br />
kann man abends nicht viel machen,<br />
aber man ist mit dem Zug schnell<br />
in Lüneburg oder Hannover“, berichtet<br />
Gieleßen. Und der Zug bestimmt auch<br />
das Uni-Tagesleben mit. „Wir haben<br />
viele Pendler aus Hannover und Hamburg.<br />
Deshalb richtet sich der Stundenplan<br />
bei uns nach den Ankunftszeiten<br />
der Züge“, erzählt Gieleßen. Also geht<br />
es morgens erst 8.30 Uhr los, damit<br />
die Studierenden 15 Minuten Zeit haben<br />
vom Bahnhof zur Uni zu kommen.<br />
Ungefähr die gleiche Strecke zwischen<br />
Haupt- und Nordcampus. Ganz normaler<br />
Uni-Stress halt. Nur in klein. #<br />
Foto: Ernst Posthuma
Wissenschaft<br />
„Es fehlt die<br />
Konsequenz“<br />
Jeder, der auch nur den Hauch eines Stilempfi ndens hat, sollte an dieser Stelle den Professoren und Forschern<br />
des Campus Suderburg danken. Die forschen nämlich daran, wie es gelingt, dass die Hochwasserhose nie mehr<br />
salonfähig werden kann. Danke! Allerdings machen sie das an der Fakultät Bau-Wasser-Boden über einen kleinen<br />
Umweg. Den Hochwasserschutz. Eine einfache Rechnung: Kein Hochwasser, keine Modesünde.<br />
Von Daniel Beutler<br />
Dafür werden schwere Geschütze<br />
aufgefahren. HQ100 heißt das<br />
Zauberwort, das Prof. Dr.-Ing.<br />
Klaus Röttcher erklärt: „Wir planen die<br />
Schutzmaßnahmen so, dass sie einem<br />
Hochwasser standhalten, das statistisch<br />
nur ein mal alle 100 Jahre eintritt. Bei<br />
modernen Talsperren sogar nur alle<br />
10000 Jahre.“ Dabei gibt es aber ein Problem.<br />
Die Aufzeichnungen über Wasserstände<br />
reichen für Flüsse meist nur<br />
50 Jahre zurück, selten mal 150 Jahre.<br />
Und es ist nur Statistik. „Politiker und<br />
Bürger können sich da oft nichts drunter<br />
vorstellen und denken, dass so ein<br />
Hochwasser wirklich nur alle 100 Jahre<br />
eintritt“, berichtet Röttcher. Das Elbe-Hochwasser<br />
von 2002 wird also nicht<br />
erst 2102 wieder eintreten. Vielleicht<br />
zumindest, so sicher kann man sich<br />
da nie sein. Ist ja nur Statistik. Klar ist<br />
dagegen die Ursache des Hochwassers.<br />
Die ist nämlich hausgemacht. Klimatische<br />
Bedingungen, die Eindeichung<br />
und Begradigung von Fließgewässern<br />
und die Flurbereinigung. Mit zunehmender<br />
Industrialisierung, auch der<br />
Landwirtschaft, richten diese Faktoren<br />
immer größere Schäden an. „Man kann<br />
aber den Anwohnern an einem Fluss<br />
nicht sagen, sie müssen jetzt umziehen,<br />
weil hier ein natürliches Überschwemmungsgebiet<br />
wiederhergestellt werden<br />
soll“, erklärt Albrecht Meißner, Dekan<br />
der Fakultät Bau-Wasser-Boden. Hochwasser<br />
seien also kein „Wissensproblem“,<br />
sagt Röttcher. „Die Leute wussten<br />
auch vor 150 Jahren schon, wo die<br />
Probleme liegen. Woran es fehlt ist die<br />
Konsequenz. Damals wie heute haben<br />
die fi nanziellen oder politischen Interessen<br />
überwogen.“ Bis zum Elbe-Hochwasser<br />
führte die Hochwasserschutz-<br />
Forschung ein Nischendasein, wurde<br />
von Öffentlichkeit und Politik kaum<br />
wahrgenommen. Der Mensch ist halt<br />
ein vergessliches Tier. „Zwischen 1950<br />
und 1980 gab es wenig Hochwasserextreme<br />
und die Leute haben bei der Erschließung<br />
von neuem Land gedacht, es<br />
komme auch nichts mehr, weil es die<br />
ganzen Jahre davor kein Hochwasser<br />
33<br />
gab“, berichtet Röttcher. Deshalb liege<br />
das Augenmerk heute auch mehr darauf,<br />
Risikogebiete zu bestimmen. Das<br />
Ziel ist ein großräumigeres Denken,<br />
meint Meißner. „Es geht um ein Flussgesamtmanagement,<br />
mit dem man auf<br />
die veränderten Situationen reagieren<br />
muss.“ Bleibt zu hoffen, dass sich der<br />
Geschmack der Menschen nicht verändert<br />
und aus Mailand oder Paris keine<br />
Hochwasser-Modewelle über Deutschland<br />
schwappt. Sonst werden am Ende<br />
die Deiche noch wieder eingerissen und<br />
das will ja wirklich niemand. #<br />
Foto: Zeitfi xierer
Informationsseiten des Braunschweigischen Hochschulbundes<br />
Förderer schaff en Freiräume,<br />
bahnen Wege und<br />
öff nen Türen.<br />
Der Braunschweigische Hochschulbund e.V. (BHB)<br />
unterstützt die Technische Universität in Lehre und<br />
Forschung, fördert die Zusammenarbeit mit anderen<br />
wissenschaftlichen Institutionen und ist bestrebt,<br />
das Ansehen der TU in Politik, Wirtschaft<br />
und Gesellschaft in der Region zu stärken.<br />
Der BHB verleiht jährlich den mit jeweils 5.000<br />
Euro dotierten Heinrich-Büssing-Preis an hochkarätige<br />
Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler<br />
der TU Braunschweig.<br />
Wir unterstützen die Absolventenfeiern aller Fakultäten,<br />
fördern Exkursionen, studentische Initiativen<br />
und die vielfältigen kulturellen Vereinigungen<br />
an der TU Braunschweig.<br />
Darüber hinaus bilden wir mit unseren Veranstaltungen<br />
eine wichtige Schnittstelle zwischen der Universität,<br />
den Bürgern und Unternehmen unserer Region.<br />
Für Braunschweig<br />
hoch hinaus<br />
Der Braunschweigische<br />
Hochschulbund stellt sich vor!
20.000 Days in Space!<br />
Die Raumfahrt hat ihre Spuren hinterlassen. Heute umkreisen etwa<br />
150 Millionen künstliche Objekte die Erde. Die Ästhetik dieses Weltraummülls<br />
zeigte das Institut für Luft- und Raumfahrtsysteme der TU<br />
Braunschweig beim Lichtparcours 2010 in Braunschweig – gefördert<br />
durch den Braunschweigischen Hochschulbund.<br />
Den Film der Lichtinstallation vom Lichtparcours gibt es nun auch als<br />
„Space Debris Screensaver“ für Ihren Computer. Begeben Sie sich<br />
auf eine Zeitreise von den Anfängen der Raumfahrt bis heute!<br />
Genießen Sie die ästhetische Anmutung oder fragen Sie per Mausklick<br />
weitere Informationen zu den einzelnen Objekten ab: Sie sehen Satelliten<br />
(rot), ausgebrannte Raketenoberstufen (gelb) und missionsbedingte<br />
Objekte wie verlorenes Werkzeug (grün) in Echtzeit auf ihrem<br />
Weg um die Erde – das alles bei rund 20.000-facher Vergrößerung.<br />
www.days-in-space.de<br />
Braunschweigischer Hochschulbund e.V.<br />
www.braunschweigischer-hochschulbund.de<br />
bhb@tu-braunschweig.de
<strong>kurz</strong> &<br />
<strong>knapp</strong><br />
ECKIGE AUGEN<br />
Unglaublich aber wahr: Eine Kölner TV-<br />
Firma zahlt 8,50 Euro pro Stunde fürs<br />
fernsehen. Bei diesem Nebenjob der besonderen<br />
Art suchen die Mitarbeiter im<br />
Fernsehprogramm nach Fehlern: Versprecher,Peinlichkeiten<br />
und<br />
andere Pannen,<br />
die dann in der<br />
heute show präsentiertwerden.<br />
Jeden Tag<br />
wird fünf Stunden<br />
am Stück TV<br />
geschaut.<br />
Zeitung plus e-paper<br />
für<br />
15, 60 Euro<br />
im Monat<br />
oder die Zeitung online<br />
als e-paper lesen<br />
für<br />
7, 50 Euro<br />
im Monat<br />
Karriere<br />
Peinlicher Lebenslauf<br />
HOBBYS IM LEBENSLAUF?<br />
Bewerbungscoach Gerhard Winkler rät,<br />
auf die Angabe von Hobbys im Lebenslauf<br />
zu verzichten, da diese oft „nur<br />
die trostlose Abwesenheit von sonstigen<br />
entscheidungsfördernden Fakten“<br />
vertuschen sollen.<br />
Nur wenn<br />
Sie für den Job<br />
tatsächlich relevant<br />
sind, sollten<br />
sie auch erwähnt<br />
werden.<br />
Mehr Infos gibt<br />
es unter www.jova-nova.com.<br />
ZEMENT ODER MAKE-UP<br />
Klischees sind völlig überholt, oder?<br />
Fakt ist: Laut Statistischem Bundesamt<br />
sind 99,9 Prozent der Maurer-(innen)<br />
Männer. Die Frauen sind dafür im Kosmetikstudio<br />
fast unter sich. Lediglich<br />
3,4 Prozent allerKosmetiker-(innen)waren<br />
Männer.<br />
Na dann, Mario<br />
Barth zum Trotz:<br />
Kelle in die<br />
Hand, Make-Up<br />
drauf und ab ins<br />
Kosmetikstudio.<br />
UNSER VORTEILSANGBOT FÜR STUDIERENDE<br />
Immer und überall<br />
gut informiert –<br />
Gleich anrufen und<br />
Angebot sichern!<br />
(Aus dem Festnetz der T-Com: 3,9 Cent/Min.,<br />
Mobilfunk max. 42 Cent/Min.)<br />
Fotos: CrazySphinx, Pockafwye, Franziska Ziemann
„Ich war völlig am Abgrund“<br />
Andreas Niedrig stand <strong>kurz</strong> vor dem<br />
goldenen Schuss, bevor er den Sport<br />
entdeckte und sein Leben um 180<br />
Grad drehte. Der Triathlet war zu<br />
Gast in Braunschweig und sprach<br />
mit studi38.<br />
Von Maria Boger<br />
Beim Ironman auf Hawaii steht über dem<br />
Ziel der Spruch „Du kannst alles schaffen,<br />
was du willst. Du musst es nur tun!“<br />
Ich fi nde den Spruch total überzogen. Mein<br />
Motto ist: „Du kannst fast alles schaffen, du<br />
musst es nur tun“.<br />
Ziemlich skeptisch für einen klassischen<br />
Motivator, oder?<br />
Das kann sein. Ich verkaufe mich hier als Motivator<br />
und die Leute wollen in meinem Vortrag<br />
„motiviert“ werden. Aber wenn ich ehrlich<br />
bin, dreht sich mir bei dem Wort der<br />
Magen um. Das bin ich nicht.<br />
Warum nicht?<br />
Nach einer solchen Veranstaltung hat man<br />
wirklich viel positive Energie, aber sobald der<br />
Alltag wieder da ist, verfl iegt die langsam<br />
und man weiß nicht, wie man die Ratschläge<br />
des Motivators umsetzen soll. Deshalb versuche<br />
ich, meinem Publikum das gleich vorweg<br />
zu nehmen. Motivation bedeutet für mich vor<br />
allem nach links und nach rechts zu gucken.<br />
Schauen was meine Stärken sind, was ich gut<br />
kann, was mich besonders macht. Jeder hat<br />
eine Eigenschaft, ein Talent, das ganz besonders<br />
ist, nur leider geben wir das selbst nicht<br />
zu.<br />
Hast du ein Beispiel?.<br />
Klar, ich war ein Mensch, der das früher sehr<br />
oft getan hat, vor allem beim Sport Was passiert<br />
jetzt, wenn ich aufgebe? Wenn ich durchhalte?<br />
Ich habe mir dann selber die Antwort<br />
gegeben, indem ich es einfach getan habe.<br />
Ich glaube, es liegt auch daran, dass wir älter<br />
werden und uns nicht mehr trauen etwas<br />
zu riskieren. Wir kennen unsere Stärken und<br />
Schwächen, sind aber nicht mehr bereit aus<br />
diesem Zustand heraus zu gehen. Diese „Kom-<br />
Karriere<br />
fortzone“ wollen wir nicht aufgeben und so<br />
wird das Leben langweilig.<br />
Was ist also dein Tipp?<br />
Wenn man unzufrieden ist, sollte man das ändern<br />
oder man ist selbst schuld. Wir leben nur<br />
einmal. Und darüber machen wir uns viel zu<br />
selten Gedanken. Ich war ja <strong>kurz</strong> davor mir<br />
den goldenen Schuss zu geben, ich habe ein<br />
Jahr lang auf der Straße gelebt. Ich war völlig<br />
am Abgrund, bis ich die Chance bekommen<br />
habe ein neues Leben zu beginnen. Ich weiß<br />
jetzt ganz genau, was ich alles verlieren kann<br />
und bin froh über jeden Tag, den ich lebe.<br />
Du hattest in deiner sportlichen Karriere<br />
viele Rückschläge. Wie kommt man mit<br />
solchen Rückschlägen eigentlich klar?<br />
37<br />
Gar nicht. Erst mal muss man mit der Situation<br />
leben. Ich glaube bei ganz vielen Menschen<br />
ist das ein Problem, dass sie nicht in der Gegenwart<br />
leben, sondern schon an die Zukunft<br />
denken. Die Menschen denken viel zu viel über<br />
die nächsten Schritte nach, anstatt an der Situation<br />
zu arbeiten, in der sie gerade stecken.<br />
Wenn du die Chance hättest dein Leben<br />
nochmal zu leben, was würdest du anders<br />
machen?<br />
Nichts. Ich weiß nicht, was ich für ein Mensch<br />
geworden wäre, wenn ich nicht drogenabhängig<br />
gewesen wäre. Klar will ich nicht nochmal<br />
so leben, aber wer weiß, ob ich jetzt anders<br />
wäre. Ich bin gerade an einem Punkt in meinem<br />
Leben, wo ich mir sage: „Jetzt kann es gar<br />
nicht mehr schöner werden.“ #<br />
Foto: Privat
Zwischen den Stühlen?<br />
KARRIERE ODER KINDER: VON CHANCEN UND HÜRDEN AUF DEM ARBEITSMARKT<br />
Von Sophie Dannenfeld & Lina Beling<br />
Im Maschinenbaustudium begegnet<br />
man vor allem männlichen Kommilitonen,<br />
während in den Kunstwissenschaften<br />
die Frauen in der Überzahl<br />
sind. Insgesamt sind heute aber<br />
etwa gleich viele Studierende beider<br />
Karriere<br />
Geschlechter eingeschrieben. Das war<br />
nicht immer so. 1975 haben noch doppelt<br />
so viele Männer, wie Frauen studiert.<br />
Aufgrund der Bildungsexpansion<br />
glich sich dann mit den Jahren der<br />
Anteil der Frauen dem der Männer an.<br />
38<br />
Es scheint also heute alles gut zu sein.<br />
Oder vielleicht doch noch nicht? Das<br />
Studium oder die Ausbildung sollen ja<br />
vor allem den Grundstein für eine erfolgreiche<br />
Karriere legen. „Frauen müssen<br />
doppelt so viel leisten für die glei-<br />
Fotos: Anne Hinz, Privat
che Anerkennung“, „Frauen wollen<br />
doch gar nicht in die Führungsetage“<br />
und „Die gläserne Decke ist längst aus<br />
Panzerglas“ – zu kaum einem Thema<br />
wird so kontrovers diskutiert und gestritten,<br />
wie zur Chancengleichheit im<br />
Beruf. Und was sagen die Zahlen?<br />
Im vergangenen Jahr arbeiteten rund<br />
40 Millionen Menschen in Deutschland.<br />
Die Frauenerwerbstätigkeit liegt bei<br />
65 Prozent, Tendenz steigend. Die der<br />
Männer liegt mit rund 80 Prozent darüber,<br />
dennoch gibt es keine krasse Ungleichheit.<br />
Wenn man nun jedoch darauf<br />
achtet, wie die Arbeit verteilt ist,<br />
fällt eins auf: Teilzeit ist weiblich. 46<br />
Prozent der Frauen arbeiten in Teilzeitbeschäftigungen,<br />
dem gegenüber nur<br />
fast jeder zehnte Mann. Teilzeit ermöglicht<br />
die Vereinbarkeit von Familie und<br />
Beruf, bedeutet aber auch weniger Gehalt,<br />
schlechtere berufl iche Aufstiegschancen<br />
und am Ende ein geringeres<br />
Renteneinkommen. Auch im Bereich<br />
der Entlohnung sieht es in Deutschland<br />
düster aus. Im Schnitt bekommen<br />
Frauen 23 Prozent weniger Lohn. Und<br />
selbst bei gleicher Position, Ausbildung,<br />
Betriebsgröße und Wochenarbeitszeit<br />
bleibt immer noch eine Gehaltslücke<br />
von rund zehn Prozent. Laut einer<br />
OECD-Studie ist damit der Unterschied<br />
in Deutschland größer als in fast allen<br />
anderen Industrienationen.<br />
Dazu kommt: nur etwa jede vierte<br />
Führungsposition in Deutschland ist<br />
mit einer Frau besetzt. Je größer ein Unternehmen<br />
ist und je mehr Hierarchieebenen<br />
es gibt, desto weniger Frauen<br />
schaffen den Aufstieg.<br />
In den Vorständen der 160 DAX-Unternehmen<br />
sitzen insgesamt nur vier Frauen,<br />
in den Aufsichtsräten sind es schon<br />
einige mehr. Obwohl die Studentinnen<br />
an den Hochschulen also längst mit ihren<br />
männlichen Kommilitonen gleichgezogen<br />
sind, tummeln sich viele von<br />
ihnen später eher vor der Karriereleiter<br />
als darauf. Und wenn sie hinaufsteigen,<br />
dann langsamer als die männlichen Absolventen.<br />
studi38 wollte wissen warum,<br />
und hat mit zwei Frauen und einem<br />
Mann gesprochen, die Stellung nehmen<br />
und von ihren Erfahrungen berichten.<br />
Karriere<br />
„Ich fi nde es schade, dass Frauen in Führungspositionen<br />
selten vertreten sind und, dass sie da noch mehr Chancen<br />
bekommen sollten.“<br />
Juliana, Erziehungswissenschaften, 21<br />
Der Arbeitgebervertreter<br />
Gibt es Ihrer Meinung nach noch Ungleichheiten<br />
zwischen Frauen und Männern im<br />
Beruf?<br />
Objektiv gibt es nach meiner Erfahrung keine<br />
Ungleichheiten, sowohl was Einstellungskriterien<br />
als auch die Entlohnung angeht.<br />
Hier hat, nachdem ohnehin bereits seit längerem<br />
der Gesetzgeber Gleichbehandlung angemahnt<br />
hatte, das Allgemeine Gleichstellungsgesetz<br />
Ungleichbehandlung verboten. Auch in<br />
Tarifverträgen gibt es keine Ungleichbehandlung<br />
mehr, da dies dem AGG widersprechen<br />
würde.<br />
Gibt es ein „aber“?<br />
Subjektiv wird es immer eine gewisse Ungleichbehandlung<br />
geben, wenn – ob bewusst<br />
oder unbewusst, gewollt oder ungewollt –<br />
bei einem Auswahlverfahren der Eine oder<br />
die Andere bevorzugt wird, ohne, dass es<br />
dem auswählenden Chef nachweisbar wäre.<br />
Wenn es in bestimmten Branchen (meist im<br />
Produktionsgewerbe) bei der Entlohnung der<br />
Beschäftigten insgesamt geringere Einkommen<br />
gibt, dann erweckt das durch die dort<br />
mehrheitlich von Frauen ausgeübte Tätigkeit<br />
den Eindruck, dass Frauen weniger verdienten,<br />
was aber der Branche und der gering bezahlten<br />
Tätigkeit geschuldet ist und nicht der<br />
Tatsache, dass es Frauen sind. Männer würden<br />
dort nicht mehr verdienen.<br />
Was behindert Frauen noch daran Karriere<br />
zu machen?<br />
Ich vermute, dass es die objektive Diskrepanz<br />
zwischen der Rolle als Mutter und der Rolle<br />
als Berufstätige ist. Anders formuliert sind es<br />
die immer noch fehlende Familienfreundlichkeit<br />
vieler Betriebe einerseits und die mangelnde<br />
Flexibilität vieler Frauen nach der Geburt<br />
von Kindern andererseits.<br />
Wie kann man Frauen generell fördern?<br />
39<br />
Manfred Casper ist<br />
Hauptgeschäftsführer<br />
des Arbeitgeberverbands<br />
Region Braunschweig.<br />
Er vertritt damit mehr<br />
als 1000 regionale<br />
Unternehmen.<br />
Frauen müssen nicht generell besonders gefördert<br />
werden, weil sie Frauen sind. Allerdings<br />
müssen die Rahmenbedingungen in den Betrieben<br />
familienfreundlicher werden. Sowohl<br />
Frauen als auch Männer müssen nach der Geburt<br />
von Kindern fl exibler werden im Hinblick<br />
auf den berufl ichen Wiedereinstieg.<br />
Für Frauen gibt es Quoten, Weiterbildungsangebote,<br />
Förderungsmaßnahmen. Kommen<br />
die Männer dabei zu <strong>kurz</strong>?<br />
Junge gering qualifi zierte Männer sind nachweislich<br />
bei der Integration in den Arbeitsmarkt<br />
benachteiligt. Sie sind schwerer zu<br />
steuern und auszubilden und bilden deshalb<br />
in der Arbeitslosenstatistik eine besondere<br />
Problemgruppe. Sie sind allein dadurch benachteiligt,<br />
dass ihnen nicht die gleiche Aufmerksamkeit<br />
hinsichtlich einer gezielten Förderung<br />
zuteilwird, wie jungen Frauen.<br />
Müssen sich auch die Frauen verändern?<br />
Frauen sollten sich bei der Suche nach einer<br />
Lehrstelle auch nach Berufen umschauen, die<br />
nicht von vornherein als sogenannte "Frauenberufe"<br />
gelten. Dies sind zum Beispiel Berufe<br />
in der Metall- und Elektronindustrie, aber<br />
auch im Handwerk. Hier wird in den kommenden<br />
Jahren der größte Engpass hinsichtlich<br />
des Fachkräftebedarfes entstehen. Dies<br />
gilt im akademischen Bereich auch für die<br />
Ingenieurberufe.
Carola Reimann sitzt für die<br />
Braunschweiger SPD im Bundestag, war<br />
erste Vorsitzende der Jusos und leitet seit<br />
2009 in Berlin den Gesundheitsausschuss.<br />
Karriere<br />
„Also wenn es das Ziel sein sollte, dass das<br />
genau gleich ist, dann denke ich, ist es noch<br />
nicht abgeschlossen. So eine Quote fi nd ich<br />
eigentlich schwer, weil man sagt: Es muss so<br />
sein! Wenn die aber irgendetwas aufbricht, was<br />
vorher festgefahren war, dann wäre das auf<br />
jeden Fall cool.“<br />
Max, Bauingenieur, 24<br />
Die Politikerin<br />
Frau Reimann, Willy Brandt sagte 1970:<br />
„Die Gleichberechtigung kommt voran wie<br />
die Schnecke auf dem Glatteis“.<br />
Das stimmt noch heute und dem ist nichts hinzuzufügen.<br />
Wir sind natürlich weiter als vor<br />
40 Jahren, aber es geht sehr langsam voran<br />
und immer gegen Widerstände, die nur nicht<br />
mehr so sichtbar sind. Es traut sich zwar keiner<br />
mehr, sich offen frauenverachtend und<br />
frauenfeindlich zu verhalten, aber dieses<br />
Glatteis gibt es natürlich immer noch.<br />
Sind wir zu traditionell eingestellt? Verglichen<br />
mit den USA oder Schweden gilt und<br />
galt in Deutschland lange der Mann als<br />
Familienernährer.<br />
Ja, dieses konservative Denken hat insgesamt<br />
viel länger gewirkt. Wir haben viel weniger<br />
Kinderbetreuung und all sowas, was man eigentlich<br />
braucht, um Familie und Beruf zu<br />
vereinbaren. Rabenmutter ist ein rein deutsches<br />
Wort.<br />
Der demographische Wandel vollzieht sich<br />
gerade. Ist es nicht so, dass junge Männer<br />
mit einer anderen Einstellung irgendwann<br />
die alten ersetzen?<br />
Von selbst geht gar nichts. Wir haben mit den<br />
Unternehmen eine freiwillige Verabredung<br />
seit über zehn Jahren und die Erfolge sind ernüchternd.<br />
Deshalb muss jetzt eine gesetzliche<br />
Regelung her.<br />
Wie könnte das aussehen?<br />
Wir haben gesehen, dass andere Länder gute<br />
Erfahrungen mit der Quotierung von Aufsichtsräten<br />
gemacht haben: Norwegen zum<br />
Beispiel. So etwas ist natürlich heikel, weil es<br />
in die Freiheit und Autonomie der Wirtschaft<br />
eingreift, aber bei den Aufsichtsräten könnte<br />
man schon entsprechende Vorgaben machen.<br />
Stimmen, die sagen, dass dies auch keine<br />
Gleichberechtigung ist, weil nur Frauen<br />
vorgezogen werden, sollte man überhören?<br />
Frauen sind im Moment leider benachteiligt<br />
und nicht ordentlich repräsentiert und bis<br />
es nicht mehr so ist, müssen Frauen vorgezogen<br />
werden. Dann hat bei gleichwertiger<br />
Bewerbung die Frau den Vorzug. Im öffentlichen<br />
Dienst und all diesen Bereichen ist das<br />
akzeptiert.<br />
Es muss gesetzliche Rahmenbedingungen geben,<br />
um die Gleichberechtigung von Mann<br />
und Frau weiter voran zu treiben. Es ist beschämend,<br />
wie wenige Frauen in Führungspositionen<br />
sind, insbesondere in der Wirtschaft.<br />
40<br />
„Die Quote fi nde ich falsch,<br />
weil es doch eher auf Kompetenzen<br />
ankommen sollte, als dass<br />
man dann zwanghaft irgendwelche<br />
Frauen einstellen muss. Man<br />
sollte im Endeffekt doch nach<br />
Leistungen bewerten.“<br />
Felix, Maschinenbau, 23<br />
Und wenn man dann ganz oben ist? Gibt<br />
es dort noch Unterschiede zwischen Mann<br />
und Frau?<br />
Naja, eine Kanzlerin zum Beispiel ist karrieretechnisch<br />
ganz oben“. Und wenn man sich<br />
dann anschaut, wie viele Frisurendiskussionen<br />
wir in den Zeitungen über uns ergehen<br />
lassen mussten… wer wie aussieht, welchen<br />
Ausschnitt man hat und welchen Look. Das<br />
sind Dinge, die hätten wir bei keinem Kanzler<br />
erlebt.<br />
Hätten Sie irgendwelche Tipps, wie Frau<br />
sich besser durchsetzten kann?<br />
Es gib keinen Masterplan. Ich glaube, dass<br />
man mit der Ausbildung lernt, seine eigenen<br />
Positionen zu vertreten und die auch klar rüber<br />
zu bringen. Gesprächsführung ist ja auch<br />
eine Sache, die man im Studium lernt. Aber<br />
man muss auch ausprobieren. Das ist etwas,<br />
was ich bei Frauen häufi g nicht so feststelle.<br />
Männer sind viel öfter bereit, Funktionen zu<br />
übernehmen ohne sich zu überlegen, ob sie das<br />
wirklich können. Frauen überlegen sich hingegen<br />
erst: Kann ich das überhaupt? Frauen<br />
müssen mehr Mut haben, Dinge einfach<br />
auszuprobieren.<br />
Wie sieht die Zukunft aus?<br />
Schlicht und ergreifend der Fachkräftemangel<br />
und nicht reine Frauenfreundlichkeit wird<br />
dazu führen, dass man auf gut qualifi zierte<br />
Frauen zurückgreifen muss.<br />
Was sind die zentralen Aufgaben?<br />
Die zentralen Geschichten sind wirklich gleicher<br />
Lohn für gleiche Arbeit und mehr Frauen<br />
in Führungspositionen.<br />
Fotos: Privat
Karriere<br />
„Ich empfi nde die Gleichberechtigung auf keinen<br />
Fall als abgeschlossen. Auch in Sachen<br />
Kindererziehung fi nde ich es gut, dass das<br />
Elternjahr eingeführt wurde und so der Mann<br />
auch die Möglichkeit hat zu Hause zu bleiben<br />
und damit die Frau in ihrer Karriere nicht so<br />
stark beeinträchtigt werden muss.“<br />
Florian, Sozialwissenschaften, 23<br />
Die Chefredakteurin<br />
Frau Huber was sagen Sie zu Willy Brandts<br />
Schnecke auf dem Glatteis?<br />
Ich würde sagen: Die Schnecke ist trotz Glatteis<br />
ganz schön weit gekommen. Mehr Studentinnen<br />
als Studenten, Frauen als Chefs, eine<br />
Bundeskanzlerin – vieles ist heute selbstverständlich,<br />
was vor 40 Jahren undenkbar war.<br />
Trotzdem müssen wir nach wie vor feststellen:<br />
Männer verdienen immer noch besser, steigen<br />
schneller auf, geben häufi ger die Richtung vor.<br />
Immer noch – diese Worte höre ich seit 30 Jahren<br />
und ich kann sie bald nicht mehr hören.<br />
Wie würden Sie denn Ihren Karriereweg<br />
beschreiben?<br />
Im Nachhinein würde ich sagen, bis Ende 30<br />
habe ich viel zu wenig aktiv meine Karriere<br />
gesteuert – ich bin mehr oder weniger in sie<br />
hineingestolpert. Auch wenn es unterm Strich<br />
toll gelaufen ist, würde ich das heute anders<br />
machen.<br />
Eines habe ich allerdings richtig gemacht: Ich<br />
habe mich getraut, im entscheidenden Moment<br />
zu springen – das heißt, einen Job anzunehmen,<br />
von dem ich nicht hundertprozentig<br />
wusste, ob ich ihn kann. Ich habe ja gesagt, obwohl<br />
das Timing nicht ideal war – mein zweites<br />
Kind war erst eineinhalb – und ich kaum<br />
Erfahrung als Führungsperson hatte. Damit<br />
habe ich es riskiert zu scheitern. Dass ich diesen<br />
Mut aufbracht habe, dafür bin ich mir bis<br />
heute dankbar. Ohne diesen Schritt wäre ich<br />
heute nicht da, wo ich jetzt bin.<br />
Was raten Sie jungen Akademikerinnen?<br />
Geht es um eine frühe Zielsetzung,<br />
um Durchsetzungsfähigkeit oder um<br />
Durchhaltevermögen?<br />
Ich möchte gerade junge Frauen ermutigen:<br />
Traut euch – nichts im Leben ist hundertprozentig.<br />
Und nur wer es wagt zu scheitern,<br />
kommt voran. In der persönlichen Entwicklung,<br />
im Job. Ich verstehe die Unsicherheiten,<br />
es gibt so viele Möglichkeiten und man<br />
hat Angst, die Weichen falsch zu stellen. Aber:<br />
Wenn ich herausfi nden will, ob ein Weg für<br />
mich der richtige ist, muss ich ihn ausprobieren.<br />
Und wenn es falsch ist, kehre ich um und<br />
mache einen neuen Anlauf.<br />
Was behindert Frauen im Allgemeinen<br />
noch daran Karriere zu machen?<br />
Von außen: die Bedingungen. Fest gezurrte<br />
Arbeitszeiten und Anwesenheitspfl ichten, die<br />
es schwer machen, Kind und Job zu vereinen.<br />
Flexibilität ist für Frauen ungleich wichtiger<br />
als für Männer und wenn sie genügend Freiraum<br />
haben, dann sind Frauen auch bereit<br />
sehr viel zu leisten.<br />
Aber Frauen stehen sich oft auch selbst im<br />
Weg, weil sie immer auf Nummer sicher gehen.<br />
Immer auf den idealen Job, das perfekte<br />
Timing warten. Wie oft höre ich: Tolles Angebot,<br />
aber jetzt ist es gerade schwierig... Oder:<br />
Spannende Aufgabe, aber noch eine Nummer<br />
zu groß für mich... Solche Sätze hört man nie<br />
von Männern. Die sagen: Wow, gute Chance,<br />
danke, mach ich! Dass Frauen in dieser Hinsicht<br />
so defensiv und manchmal auch bequem<br />
sind, ist schade, weil damit bremsen sie sich<br />
selber aus.<br />
Die Gender Pay Gap liegt in Deutschland<br />
bei 23 Prozent; der EU-Durchschnitt liegt<br />
bei 17 Prozent. Warum läuft es in Deutschland<br />
so falsch?<br />
41<br />
„Es ist ja auch so, dass Frauen oft<br />
durch die Familie weniger Aufstiegschancen<br />
haben. Wenn sie<br />
einen Erziehungsurlaub gemacht<br />
haben, dann ist es schwierig, wieder<br />
rein zu kommen und dann noch<br />
aufzusteigen.“<br />
Anne, Erziehungswissenschaften, 22<br />
Brigitte Huber ist Chefredakteurin der<br />
Internetplattform brigitte.de und der<br />
Printausgabe der „Brigitte“. Die 45-Jährige<br />
weiß also, was Frauen bewegt. Immerhin<br />
erreicht sie allein mit der von Gruner + Jahr<br />
verlegten „Brigitte“ zweimal im Monat rund<br />
3,6 Millionen Leserinnen.<br />
Erstaunlich ist, dass neuesten Erhebungen<br />
zufolge der Gender Gap bei Berufsensteigern<br />
und in den ersten Jahren noch minimal ist, die<br />
Kluft entsteht erst in den 30ern. Das ist der<br />
Moment, wo die Familie ins Spiel kommt. Das<br />
bedeutet heute in Deutschland immer noch<br />
oft einen Karriereknick und damit verbunden<br />
eine Gehaltsbremse. #
Karriere<br />
Bauleiter 2.0<br />
STUDIERENDE BRINGEN MIT DEM IPAD DIE BAUSTELLE AUF VORDERMANN<br />
Von Shirin Schönberg<br />
Die meisten Studierenden haben<br />
keine Zeit sich um etwas anderes<br />
als ihre Seminare und Vorlesungen<br />
zu kümmern. Einige schaffen es<br />
noch sich mit einem Nebenjob ein bisschen<br />
Geld dazu zu verdienen. Ein paar<br />
haben vielleicht schon einmal daran gedacht<br />
etwas zu erfi nden, etwas Neues<br />
noch nicht Dagewesenes. So wie fünf<br />
Studenten und zwei Doktoranden des<br />
Instituts für Wirtschaftsinformatik der<br />
TU Braunschweig. Mit ihrem mobilen<br />
Unterstützungsgerät für Baustellen haben<br />
sie im Finale des Ideenwettbewerbs<br />
Accenture Campus Challenge den zweiten<br />
Platz belegt – sein Name: Bauleiter<br />
2.0. Darauf gekommen sind die Studenten<br />
während eines Projektseminars im<br />
letzten Semester. „Wir haben uns gedacht,<br />
dass ein Büroarbeitsplatz für so<br />
ein Projekt ziemlich unspektakulär ist<br />
und da einige von uns die Fachrichtung<br />
Bau studieren, sind wir dann auf den<br />
Bauleiter als Zielgruppe gekommen“,<br />
erzählt Alexander Mootz, der Wirtschaftsingenieurwesen<br />
studiert. Eine<br />
gute Wahl, wie sich bald herausstellte.<br />
Denn gerade auf großen Baustellen sind<br />
die Wege weit. Das erschwert die Kommunikation,<br />
führt zu Verzögerungen<br />
und am Ende höheren Baukosten. Mit<br />
dem Bauleiter 2.0 soll es möglich sein,<br />
das gesamte Projektmanagement für einen<br />
Bauauftrag durchzuführen, von der<br />
Materialverwaltung bis zu den Bauplänen.<br />
„Daher haben wir uns auch schnell<br />
entschieden, dass es Sinn macht, sich<br />
auf neue Kommunikationsmedien, wie<br />
die Tablet-Computer zu konzentrieren,<br />
weil man damit leicht Sachen darstellen<br />
und vermitteln kann,“ erklärt Patrick<br />
Helmholtz, der das Projekt als<br />
Doktorand betreut.<br />
Für die Teilnahme an der Campus<br />
Challenge musste ein kompletter Geschäftsplan<br />
vorgelegt werden, aus dem<br />
hervorgehen sollte, wie das technische<br />
Konzept für Bauleiter 2.0 aussieht, welche<br />
Funktionen es hat und wie es verkauft<br />
werden kann. Das bedeutete für<br />
42<br />
die Studenten auch einen Teil ihrer Freizeit<br />
zu opfern. „Es war natürlich mehr<br />
Workload als angerechnet wurde, aber<br />
es hat sich gelohnt“, sagt Mootz. Und<br />
auch Patrick Helmholz ist der Meinung,<br />
dass ohne das tolle Team nach dem<br />
Wettbewerb Schluss gewesen wäre.<br />
Stattdessen wollen die jungen Entwickler<br />
jetzt einen Prototyp bauen und auf<br />
Baustellen testen lassen. „Die Nachfrage<br />
ist auf jeden Fall da“, sagt Mootz.<br />
„Wir stehen mit Baufi rmen in Kontakt,<br />
von denen wir das positive Feedback<br />
bekommen haben, dass so eine Anwendung<br />
dringend benötigt wird.“<br />
Und die Erfi nder wären keine Erfi nder,<br />
wenn sie nicht schon den nächsten<br />
Schritt im Auge hätten. „Das Projekt ist<br />
so gedacht, dass die Anwendung auch<br />
noch auf andere Branchen, wie Anlagen-<br />
oder Schiffsbau übertragen werden<br />
kann“, so Helmholz. Da wird die Freizeit<br />
wohl noch warten müssen. #<br />
Fotos: Privat
Karriere<br />
Entrepreneurship?<br />
Entrepreneurship beinhaltet die<br />
Konzeption und Umsetzung von<br />
innovativen Unternehmensgründungen.<br />
Solche Unternehmen verkörpern<br />
die Dynamik der Marktwirtschaft,<br />
stellen neue Arbeitsplätze zur Verfügung<br />
und sichern unsere Prosperität.<br />
Der Wettbewerb sorgt dafür, dass sich<br />
in einem ununterbrochenen Erneuerungsprozess<br />
die qualitativ und preislich<br />
besseren Güter am Markt durchsetzen.<br />
Joseph Schumpeter bezeichnete<br />
diese Entwicklung als kreative Zerstörung<br />
des Entrepreneurship.<br />
Der Begriff „Existenzgründung“ impliziert<br />
die Gründung einer wirtschaftlichen<br />
Existenz und trifft zunächst<br />
hinsichtlich der Innovation keine ein-<br />
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deutige Aussage. Während Existenzgründer<br />
primär die „Existenzen“<br />
sichern, lassen Entrepreneure die Innovationen<br />
am Markt lebendig werden. Sicherung<br />
wirtschaftlicher Existenzen ist<br />
zwar die zwingende Folgerung erfolgreicher<br />
Entrepreneurships, sie ist jedoch<br />
ein sekundärer Effekt. Primär verfolgt<br />
Entrepreneurship das Ziel, neue<br />
Sichtweisen in der Herstellung, Zusammensetzung,<br />
Preisbildung und Vertriebsorganisation<br />
von neuen oder bereits<br />
am Markt existierenden Gütern zu<br />
entwickeln.<br />
Die Hochschulen gelten als die wichtigste<br />
Quelle innovativer Unternehmensgründungen.<br />
Dadurch erhalten die Studierenden<br />
und Absolventen völlig neue<br />
Stellenanzeigen<br />
Kolumne<br />
Prof. Reza Asghari gibt<br />
ab sofort Einblicke<br />
in die Welt des<br />
Entrepreneurships und<br />
startet gleich mit einer<br />
wesentlichen Frage:<br />
Entrepreneurship, was<br />
ist das überhaupt?<br />
Perspektiven für Ihr Berufsleben. Google,<br />
Facebook, StudiVZ und viele andere<br />
innovative Unternehmen sind unmittelbar<br />
aus den Hochschulen hervorgegangen.<br />
Die TU Braunschweig und Ostfalia<br />
Hochschule für angewandte Wissenschaften<br />
unterstützen systematisch den<br />
Prozess der Hochschulgründungen.<br />
www.entrepreneurship-center.de #<br />
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Aufgrund der dynamischen Entwicklung<br />
der Märkte hat sich das Anforderungsprofil<br />
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Handelshaus zum kompetenten<br />
Partner für Service, Logistik<br />
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Die Auftragsdenker<br />
GHOSTWRITING SPART EINE MENGE ZEIT, ABER KOSTET GENAUSO VIEL GELD<br />
Von Shirin Schönberg<br />
Es macht wenig Spaß wissenschaftliche<br />
Arbeiten zu schreiben.<br />
Trotzdem muss jeder Student<br />
spätestens am Ende seines Studiums<br />
eine schriftliche Arbeit abgeben. Die<br />
Karriere<br />
macht dann meistens auch gleich einen<br />
Großteil der Note aus. Grund genug<br />
für Schweißausbrüche und Schlafstörungen.<br />
Aber das muss nicht sein.<br />
Wer genügend Kleingeld in der Tasche<br />
46<br />
hat, kann auf trockene Bibliotheksluft<br />
und Augenringe verzichten und seine<br />
Arbeit von guten Geistern erledigen lassen.<br />
Nein, die Rede ist nicht von Feen,<br />
Heinzelmännchen oder sprechenden<br />
Fotos: Florian Koch
Mäusen. Das Zauberwort heißt Ghostwriting.<br />
Im Internet fi nden sich massenweise<br />
Ghostwriter-Agenturen und<br />
alle reißen sich um Studierende, die zu<br />
wenig Talent, Zeit oder Lust und dafür<br />
zu viel Geld haben.<br />
Auch die Firma Acad-Write gehört<br />
dazu. Hier können sich Studierende wissenschaftliche<br />
Texte vom Essay bis zur<br />
Doktorarbeit verfassen lassen. Eine Seite<br />
kostet zwischen 30 und 90 Euro. Je<br />
nachdem, ob man eine reine Literaturarbeit<br />
oder eine empirische Arbeit in Auftrag<br />
gibt, eine Hausarbeit oder eine Magisterarbeit.<br />
Aufschläge muss bezahlen,<br />
wer sich nicht frühzeitig meldet, sondern<br />
eine Woche vorm Abgabetermin<br />
bei der Agentur Hilfe sucht. Geschrieben<br />
werden die Arbeiten bei Acad-Write<br />
von 200 freiberufl ichen Autoren, die<br />
sich, laut Geschäftsführer Thomas Nemet,<br />
durch einen überdurchschnittlich<br />
guten Hochschulabschluss und eine besondere<br />
Affi nität zum Schreiben für die<br />
Arbeit als Ghostwriter qualifi zieren.<br />
Bevor die Mitarbeiter dann echte Aufträge<br />
bekommen, müssen sie bei Acad-<br />
Write Probeaufträge schreiben, damit<br />
die Qualität der Arbeiten gesichert ist.<br />
Eine Notengarantie will Nemet dann<br />
aber nicht geben. „Offi ziell fertigen wir<br />
ja keine Hausarbeiten an, sondern wissenschaftliche<br />
Texte, mit denen unsere<br />
Kunden dann machen können, was sie<br />
wollen. Deswegen können wir ihnen<br />
auch keine Garantie geben, dass sie eine<br />
gute Note kriegen.“<br />
Probeaufträge schreiben musste auch<br />
Anja (Name geändert). Nach ihrem Abschluss<br />
in BWL hat sie ein Jahr lang als<br />
Ghostwriterin für einen großen deutschen<br />
Anbieter gearbeitet. „Ich habe<br />
nach dem Studium nicht sofort einen<br />
Job gefunden, weil es zu der Zeit einfach<br />
zu viele BWLer gab“, erzählt sie. Ein<br />
Freund machte sie auf das Jobangebot<br />
der Ghostwriter-Agentur aufmerksam.<br />
„Da war ich dann plötzlich als Betriebswirtin<br />
total gefragt, weil die meisten<br />
Kunden aus den Bereichen Wirtschaftswissenschaften<br />
und Jura kommen.“<br />
Also fi ng sie an für Geld das zu tun, was<br />
ihr schon im Studium immer leichtgefallen<br />
war. Herausgekommen sind meh-<br />
Karriere<br />
rere <strong>kurz</strong>e Hausarbeiten, aber auch eine<br />
120 Seiten starke Diplomarbeit im Bereich<br />
Personal. Zumindest vermutet<br />
Anja das. Was sie nämlich genau verfassen<br />
sollte, ob Hausarbeit oder Abschlussarbeit,<br />
wurde ihr nicht mitgeteilt. „Mir<br />
wurden immer nur das Thema der Arbeit<br />
und der geforderte Seitenumfang<br />
gesagt“, erzählt Anja. „Nachdem ich<br />
angefangen hatte, musste ich jeden<br />
Schritt meiner Arbeit vom Kunden abnicken<br />
lassen. Allerdings lief die gesamte<br />
Kommunikation über die Firma, so dass<br />
ich nicht weiß, wer meine Arbeiten bekommen<br />
hat.“<br />
Anonymität ist das Lebenselixier der<br />
Branche. Wer sich eine Arbeit fremdverfassen<br />
lässt, möchte das schließlich<br />
nicht unbedingt an die große Glocke<br />
hängen. Vor allem, weil nicht nur<br />
Studierende die Dienste der Geisterschreiber<br />
in Anspruch nehmen. „Unsere<br />
Klientel ist bunt gemischt“, verrät<br />
Acad-Write Geschäftsführer Nemet.<br />
Auch Professoren und Firmen würden<br />
die Agentur mit wissenschaftlichen Arbeiten<br />
beauftragen. Dabei wird auf der<br />
47<br />
Internetseite sogar noch versucht das<br />
schlechte Gewissen der potenziellen<br />
Kunden zu beruhigen. Wer auf seinem<br />
Fachgebiet glänzt, müsse noch lange<br />
kein Talent zum Schreiben haben, heißt<br />
es dort. Direkt darunter erscheint das<br />
Kontaktformular für die unverbindliche<br />
Anfrage. Der Auftrag wird dann schließlich<br />
durch einen Klick auf den Link im<br />
Antwortschreiben erteilt.<br />
„Offi ziell fertigen wir<br />
ja keine Hausarbeiten an,<br />
sondern wissenschaftliche<br />
Texte, mit denen unsere<br />
Kunden dann machen können,<br />
was sie wollen.“<br />
Thomas Nemet, Geschäftsführer Acad-Write<br />
Die Gefahr, dass eine Auftragsarbeit<br />
als Plagiat enttarnt wird, besteht<br />
laut Nemet bei Texten von Acad-Write<br />
nicht. „Jede von uns verfasste Arbeit<br />
ist ein Unikat“, versichert er. Doch Ex-<br />
Ghostwriterin Anja hat es anders erlebt.<br />
„Themen wiederholen sich halt.<br />
In Hausarbeiten wird ja meistens nichts<br />
Neues erfunden“, meint sie. „Natürlich<br />
verwenden dann einige Autoren mal<br />
Textbausteine aus früheren Arbeiten.“<br />
Risikofrei ist die Bestellung der Bachelorarbeit<br />
beim Ghostwriter also nicht.<br />
Schließlich kann selbst der zerstreuteste<br />
Professor heutzutage durch eine einfache<br />
Googlesuche herausfi nden, wo<br />
der Student abgeschrieben hat.<br />
Und wo bleibt die Moral? Thomas Nemet<br />
wäscht seine Hände in Unschuld.<br />
„In unseren Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
weisen wir darauf hin, dass<br />
es nicht legal ist fremdverfasste Arbeiten<br />
als seine eigenen auszugeben. Falls<br />
das doch jemand tut, liegt das Problem<br />
nicht bei uns. Wir können schließlich<br />
für Gott und die Welt wissenschaftliche<br />
Texte verfassen. Was die Kunden damit<br />
anstellen, ist letztendlich ihre Sache.“<br />
So bleibt dem Studierenden falls er<br />
erwischt wird nur eine Möglichkeit. Er<br />
muss das Prüfungsamt bestechen. Sofern<br />
er dazu dann noch genügend Geld<br />
übrig hat. #
Dialog<br />
Die Redaktion haben zahlreiche Rückmeldungen zum<br />
Portrait über Klaus Hoenen erreicht. Dafür vielen Dank.<br />
Zwei besonders kritischen Leserbriefen wollen wir uns<br />
öffentlich stellen.<br />
(Auf eigenen Wunsch sind die Autoren anonymisiert.)<br />
Hausverbot an der TU Braunschweig<br />
...Mit Erschrecken habe ich festgestellt,<br />
dass die Redaktion eures Magazins<br />
nicht davor zurückschreckt jedem<br />
Selbstdarsteller dieser Stadt, gefährlich<br />
oder nicht, ein Forum zu bieten. Noch<br />
enttäuschender ist in diesem Zusammenhang<br />
die fehlende Kritik an einer<br />
Person, die im Übrigen an vielen Stellen<br />
dieser Hochschule aus den richtigen<br />
Gründen Hausverbot hat. Get your<br />
facts checked!<br />
Liebe Leserin / lieber Leser,<br />
wer jemandem ein Forum bietet, stellt eine<br />
Bühne auf und lässt ihn reden. Guter Journalismus<br />
dagegen trifft aktive Entscheidungen<br />
nach bewußten Kriterien – wäre also eher mit<br />
einer moderierten Podiumsdiskussion zu vergleichen.<br />
Klaus Hoenen hatte in studi38 nie<br />
ein Forum, wir haben ihn portraitiert – und<br />
das mit aller nötigen journalistischen Distanz.<br />
Wir haben einen streitbaren und interessanten<br />
Menschen vorgestellt, den viele Studierende<br />
tagtäglich auf dem Campus sehen, von<br />
dem aber sicher wenige mehr wissen – zum<br />
Beispiel woher er kommt oder was ihn antreibt.<br />
Genau diese Aufgabe hat Journalismus:<br />
von Orten zu berichten oder mit Menschen zu<br />
sprechen, die für den Leser nicht bereis- oder<br />
greifbar sind und sich auch Themen und Akteuren<br />
zu stellen, die nicht konsensfähig sind<br />
oder mit hohem Kuschelfaktor überzeugen.<br />
Wir trauen Ihnen und unseren zumeist studentischen<br />
Lesern übrigens durchaus zu, sich<br />
auf Grundlage des Portraits ein eigenes Bild<br />
von Klaus Hoenen zu machen und denken<br />
nicht, dass dieses zwangsweise positiv ausfallen<br />
muss. Kommen wir noch zu den Fakten:<br />
In der Tat hat Klaus Hoenen Hausverbot auf<br />
dem Gelände der TU Braunschweig. Dieses<br />
Schlussakkord<br />
wurde vom Präsidium<br />
aber erst Mitte Dezember,<br />
also nach Erscheinen<br />
der letzten Ausgabe<br />
ausgesprochen und<br />
konnte entsprechend<br />
nicht als Information in<br />
den Text einfl ießen. Ein<br />
existierendes Hausverbot<br />
hätte unser journalistisches<br />
Interesse<br />
an Klaus Hoenen übrigens<br />
nicht beeinfl usst.<br />
Unwissenschaftliche Vorgehensweise<br />
… Ich bin absolut schockiert über die<br />
unwissenschaftliche Vorgehensweise<br />
der Redaktion von "studi38". Ich ging<br />
offenbar falsch in der Erwartungshaltung,<br />
dass eine Zeitschrift, welche sich<br />
auf die Fahne schreibt, sie informiere<br />
Studenten über "Studieren in der<br />
Region", ein Mindestmaß an kritischjournalistischer<br />
Recherche betreibt.<br />
Sie aber bieten einer Person ein Forum,<br />
welches den Anschein von Seriösität<br />
suggeriert, über die Sie sich offenbar<br />
im Vorfeld nicht ausreichend<br />
informiert haben. Ich möchte Sie in<br />
Ihrer Verantwortlichkeit als Redaktion<br />
des Magazins dazu auffordern, das<br />
Bild, welches Sie von Herrn Hoenen<br />
entworfen haben, zu korrigieren und<br />
nach wissenschaftlichen Standards zu<br />
überarbeiten...<br />
Liebe Leserin / lieber Leser,<br />
eins vorweg: studi38 ist ein journalistisches<br />
und kein wissenschaftliches Produkt. Damit<br />
orientieren wir uns auch nicht an wissen-<br />
48<br />
Der Nazijäger<br />
Rotes Barett. Fingerlose Handschuhe.<br />
Die antifaschistischen Flugblätter<br />
stets griffbereit und die Bomberjacke<br />
voller Buttons mit Slogans wie: „Den<br />
sozial Benachteiligten eine Stimme<br />
geben“, „Genfood, Nein Danke!“<br />
oder „Kein Bock auf Nazis“. Klaus<br />
Hoenen macht keinen Hehl aus<br />
seiner politischen Einstellung.<br />
Von Fine Behrens & Hannes Graubohm<br />
A<br />
uf seinem „Kampfrad“, den Gepäckträger<br />
voller Bücher, die er<br />
für den Tag braucht, begibt er<br />
sich täglich auf die Jagd. Auf die Jagd<br />
nach Nazis. Doch wie wird man eigentlich<br />
„Nazijäger“? Oder: Wie wurde der<br />
selbsternannte „Nazijäger“ zu dem, was<br />
er ist?<br />
1944 in Bitterfeld bei Leipzig geboren<br />
und vom Vater, einem Lehrer und Wehrmachtsangehörigen,<br />
streng militärisch<br />
erzogen, weckt die Seefahrt bereits im<br />
Alter von 15 Jahren sein Interesse. Kurz<br />
vor dem Abitur in Essen konnte Hoenen<br />
dann bei einem sechswöchigen Praktikum<br />
auf See erste Erfahrungen machen.<br />
Nach dem Schulabschluss wollte er zur<br />
Bundesmarine gehen, aber sein hoher<br />
Blutdruck machte ihm bei der Musterung<br />
einen Strich durch die Rechnung.<br />
Und das obwohl er regelmäßig Sport<br />
trieb, wie Geräteturnen, Handball spielen<br />
und Rudern.<br />
Von der Ausmusterung noch schwer<br />
getroffen, entschied Klaus Hoenen sich<br />
für ein Meteorologiestudium in München.<br />
Wegen des hohen Physikanteils,<br />
der ihm nicht lag, brach er jedoch nach<br />
zwei Semestern ab. Nun führte ihn sein<br />
Weg an die TH Darmstadt, wo er bis<br />
zum Vordiplom Geowissenschaften studierte.<br />
Ganz im Sinne der 68er ging er<br />
zu dieser Zeit, „aus einem Bauchgefühl<br />
heraus“, obwohl er das „reine echte<br />
20<br />
Campus<br />
Verständnis für das Politische noch gar<br />
nicht hatte“ erstmalig auf eine Demo<br />
und skandierte „Ho-, Ho, Ho-Chi-Minh“<br />
gegen den Vietnamkrieg der US-Amerikaner,<br />
für den Vietcong. Als sein Dozent<br />
nach Braunschweig berufen wur-<br />
de, ging Hoenen <strong>kurz</strong>erhand mit und<br />
beendete sein Studium der Geowissenschaften<br />
dann an der TU Braunschweig.<br />
„Eigentlich war mir die Steinwelt aber<br />
viel zu tot.“ Daher beschäftigte er sich<br />
parallel noch mit der Mikrobiologie und<br />
schaftlichen Qualitätskriterien und es fallen<br />
uns auf Anhieb einige große Unterschiede zwischen<br />
diesen beiden Welten ein. Zum Beispiel<br />
in der Sprache. Der unbedingte Exaktheitszwang<br />
wissenschaftlicher Veröffentlichungen<br />
steht doch in einem krassen Gegensatz zum<br />
journalistischen Verständlichkeitsanspruch.<br />
Wissenschaft sucht vor allem nach Regelmäßigkeiten,<br />
Journalismus eher nach Menschen<br />
und Themen, die aus dem alltäglichen Rahmen<br />
fallen und so einen Informationswert für<br />
den Rezipienten in sich tragen. Wir denken,<br />
das ist auch gut so. Wenn Sie mit unwissenschaftlich<br />
aber etwas anderes meinen, nämlich<br />
unkritisch und noch dazu inhaltlich falsch<br />
– dann fühlen wir uns sehr wohl in unserer<br />
Berufsehre getroffen. Für das Portrait über<br />
Klaus Hoenen haben wir mit vielen verschiedenen<br />
Menschen gesprochen, zum Beispiel mit<br />
politischen Weggefährten, Studierenden oder<br />
Vertretern von öffentlichen Einrichtungen wie<br />
etwa der Bahnhofsmission. Bis heute haben<br />
wir übrigens keine Informationen gewonnen,<br />
die das von uns gezeichnete Bild entscheidend<br />
verändern würden. #<br />
Fotos: Maria Boger
Lieblings …<br />
Schlussakkord<br />
Ein Blick hinter die Kulissen: Unsere Redakteure verraten euch exklusiv ihre Vorlieben!<br />
Hannes Graubohm<br />
Lieblingsalbum<br />
Name des Albums: Hooray für Boobies<br />
Interpret: Bloodhound Gang<br />
Weil: Jeder Track ein Hit!<br />
Begeistert mich auch nach 10 Jahren immer<br />
noch. Die Bloodhound Gang kann und wird<br />
dieses Album nicht mehr toppen können.<br />
Lieblingsfi lm<br />
Name des Films: Idiocracy<br />
Regie: Mike Judge<br />
Weil: lustig, regt trotz platten Slapstick-Humors<br />
zum Nachdenken an<br />
Dumme Menschen vermehren sich massenhaft,<br />
intelligente Menschen sterben langsam<br />
aus, da sie die Karriere dem Kinderkriegen<br />
vorziehen. Durchschnittsamerikaner Joe<br />
wacht nach 500 Jahren auf und ist plötzlich<br />
der klügste Mensch der Welt. „Autsch, meine<br />
Eier!“<br />
Lieblingsbuch<br />
Name des Buches: Hartmut und ich<br />
Autor: Oliver Uschmann<br />
Weil: absurd komisch, gut beobachtet<br />
Das erste von bisher fünf Büchern über das<br />
WG-Zusammenleben eines Paketpackers mit<br />
dem Langzeitstudenten, Visionär und Unternehmer<br />
Hartmut.<br />
… ALBUM? FILM? BUCH?<br />
Lina Beling<br />
Lieblingsalbum<br />
Name der Alben: “Cat Empire” und<br />
“Two Shoes”<br />
Interpret: The Cat Empire<br />
Weil: unglaublich vielfältig, dynamisch,<br />
lustig<br />
Die sechsköpfi ge Stammbesetzung aus Melbourne<br />
schafft es mitzureißen, immer wieder<br />
neu zu überraschen und mit interessanten<br />
Kombinationen zu beeindrucken.<br />
Lieblingsfi lm<br />
Name des Films: Im Winter ein Jahr<br />
Regie: Caroline Link<br />
Weil: emotional, still und stürmisch<br />
Trauer, Konfl ikte, Vergangenheitsbewältigung,<br />
Beziehungen, Gefühle, Kontroversen,<br />
Gespräche, Diskussionen, Freiheit.<br />
Und am Ende eine subtil vermittelte und doch<br />
einfache Botschaft – Hoffnung.<br />
Lieblingsbuch<br />
Name des Buches: Drei Minuten mit<br />
der Wirklichkeit<br />
Autor: Wolfram Fleischhauer<br />
Weil: spannend, wild, tiefgründig<br />
Mitreißender Polit-Thriller trifft auf eine tiefe,<br />
dramatische Liebesgeschichte und ganz nebenbei<br />
taucht man ein in eine fremde Kultur.<br />
49<br />
Lieblingsalbum<br />
Christian Matz<br />
Name des Albums: Frail Words<br />
Collapse<br />
Interpret: As I Lay Dying<br />
Weil: intensiv, emotional, authentisch<br />
Wahnsinns Gitarrenläufe, donnernder Doublebass<br />
und die wohl schönsten Lyrics im Genre<br />
vereinen sich zu einem kraftvollen Deathmetal/Metalcore<br />
Geschoss.<br />
Lieblingsfi lm<br />
Name des Films: Brick<br />
Regisseur: Rian Johnson<br />
Weil: Düster, Spannend, Intelligent<br />
Brendan sucht seine verschwundene drogenabhängige<br />
Freundin Emily. Fernab vom Hollywoodkino<br />
ein brillanter, modern thematisierter<br />
Film Noir.<br />
Lieblingsbuch<br />
Name des Buches: Teufl ische<br />
Versprechen<br />
Autor: Andreas Franz<br />
Weil: Gesellschaftskritik auf hohem<br />
Niveau<br />
In einer trockenen, kühlen Sprache erzählt<br />
Andreas Franz die Geschichte einer korrupten<br />
Gesellschaft und einer Zwangsprostituierten.<br />
Bitterer Nachgeschmack inklusive.
Schlussakkord<br />
Eine<br />
Lebensgleichung<br />
PARTY ODER PROFI? EINE FRAGE, EIN TRIP NACH HAMBURG UND VIELE ANTWORTEN<br />
Von Christian Matz<br />
Neulich im Metronom nach Hamburg<br />
las ich ein Interview mit<br />
Bastian Schweinsteiger, Mark<br />
van Bommel und Philipp Lahm. In meiner<br />
Tasche Konzertkarten, Bier und<br />
Geld – alles was man so braucht für ein<br />
gutes Wochenende auf dem Kiez. Eine<br />
halbe Stunde vor Ankunft war meine<br />
Laune auf dem Höhepunkt, bis ich<br />
folgende Zeilen las: „Du hast es richtig<br />
gemacht, du bist damals nicht feiern<br />
gegangen, aber dafür bist du jetzt Fußballprofi<br />
.“ (Gentlemen’s Quarterly November<br />
2010). In den nächsten Sätzen<br />
erzählen die Fußballer aus ihrer Jugend:<br />
Kein Freibad, kein Wochenende, keine<br />
Party, stattdessen hartes Training, ein<br />
geregelter Tagesablauf. Ich, so schien<br />
mir der Artikel bewusst machen zu wollen,<br />
fuhr also direkt in meinen Ruin. Bis<br />
auf das Konzert konnte ich den Abend<br />
kaum genießen. Das Bier schmeckte<br />
nicht wie sonst, zu groß das Schallen in<br />
meinem Kopf, zu groß der Drang wieder<br />
am Schreibtisch zu sitzen.<br />
Als ich meine Freunde nach nur zwei<br />
Stunden Aftershowparty nach Hause<br />
nörgelte, wurde ich auch prompt zur<br />
Rede gestellt. Weil die Standartfl oskeln<br />
wie „Du bist nur einmal jung“ und „Verschwende<br />
deine Jugend“ nicht wirkten,<br />
saß ich eine viertel Stunde später vorm<br />
DVD Player und musste mir 13 Semester<br />
reinziehen. Zwei Kerle, die zusammen<br />
anfangen zu studieren. Dirk der<br />
Strebsame und Ehrgeizige und Moritz<br />
das genaue Gegenteil. Die offenkundige<br />
Moral von der Geschichte: Auch mit<br />
Umwegen kommt man zum Ziel.<br />
Um endlich Ruhe in die Runde zu<br />
bringen, maskierte ich meine Zweifel<br />
am Film und öffnete wie alle anderen<br />
scheinbar zufrieden mein Gute-Nacht-<br />
Bier. Für mich hatte der Film in diesem<br />
Moment aber eine andere Moral:<br />
Im Studium durchwuseln, Glück haben<br />
und Happy End – eine eindeutige<br />
Ausnahmeerscheinung.<br />
Doch ist die Gleichung so einfach?<br />
Viel arbeiten plus viel verzichten gleich<br />
großer Erfolg? Bevor ich meinen Freunden<br />
doch noch das letzte Gute-Nacht-<br />
Bier aus dem Mund reiße, um sie vor<br />
der künftigen Privatinsolvenz zu be-<br />
50<br />
wahren, lasse ich mir lieber die Formel<br />
nochmals durch den Kopf gehen. Schon<br />
fällt mir auf, dass ich eine Variable vergessen<br />
habe: Lebensfreude.<br />
Selbst ohne mathematische Kenntnisse<br />
fällt einem auf, dass Erfolg ohne Lebensfreude<br />
wenig Sinn macht. Für die<br />
drei Jungs oben gehörte dazu eben der<br />
Fußball. Alles aufzugeben für einen Lebenstraum<br />
ist in diesem Kontext ein super<br />
Ding.<br />
Nochmals schaue ich in die Runde<br />
meiner Freunde und stelle fest: weit<br />
und breit keine potentiellen Versager.<br />
Alle haben ihren Weg gefunden, ob nun<br />
ohne oder mit ein, zwei Kurskorrekturen.<br />
Genauso geht es mir. Aufgegeben<br />
hat dafür jeder etwas, nur nicht sich<br />
selbst. Also korrigiere ich: Viel arbeiten<br />
plus viel Spaß minus Selbstaufgabe<br />
gleich Erfolg und Lebensfreude. An dieser<br />
Formel kann jeder für sich noch arbeiten,<br />
gerade weil sie für jeden individuell<br />
ist. Aber bis ich meine Gleichung<br />
perfektioniert habe, lasse ich mir erstmal<br />
mein Gute-Nacht-Bier schmecken<br />
und genieße das Restwochenende. #<br />
Foto: Christian Matz
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