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Falkenstein, F., Geschlechterrollen und Sozialstatus im Spiegel der

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90 F. <strong>Falkenstein</strong>, <strong>Geschlechterrollen</strong> <strong>und</strong> <strong>Sozialstatus</strong> <strong>im</strong> <strong>Spiegel</strong> <strong>der</strong> neolithischen Gräberfel<strong>der</strong> von Aiterhofen-Ödmühle <strong>und</strong> Trebur<br />

Männergräbern von Aiterhofen deutet zudem auf eine<br />

Funktion als Marker einer hervorgehobenen, aber<br />

häufigen Statusposition innerhalb <strong>der</strong> Bestattungsgemeinschaft<br />

(Müller u. a. 1996, 96). So könnte <strong>der</strong><br />

Dechsel den männlichen Vorstand des neolithischen<br />

Haushaltes symbolisiert haben, ein Status, <strong>der</strong> nach<br />

best<strong>im</strong>mten Sukzessionsregeln auf Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> in<br />

Einzelfällen auf Frauen übertragen werden konnte<br />

(Frirdich 2005, 95 f.). Die Beigabe eines Satzes von<br />

mehreren Dechseln in einem Grabe könnte indessen<br />

ein beson<strong>der</strong>es Prestige des Bestatteten innerhalb <strong>der</strong><br />

männlichen Statusgruppe markiert haben.<br />

Mit einem ähnlichen Sinn scheint die in Aiterhofen<br />

nicht selten zu beobachtende Beigabe eines<br />

Schlagfeuerzeuges besetzt gewesen zu sein. Trotz des<br />

weitgehenden Fehlens von Feuerzeugen in weiblichen<br />

Bestattungen dürften Frauen <strong>im</strong> häuslichen Leben,<br />

etwa be<strong>im</strong> Zubereiten <strong>der</strong> Speisen, ständig mit Feuer<br />

hantiert <strong>und</strong> es entfacht haben. Bei ökonomischen<br />

Aktivitäten außerhalb <strong>der</strong> Siedlungen wie Rodung,<br />

Viehtrieb, Jagd <strong>und</strong> Rohstoffbeschaffung war das<br />

Feuermachen indessen eine neuralgische Aufgabe.<br />

Die gezielte Mitgabe von Feuerzeugen in Männerbestattungen<br />

spiegelt deshalb vielleicht das gesellschaftsideologische<br />

Selbstbild des Mannes in seiner Rolle als<br />

Beherrscher des Feuers bei den geschlechtsspezifischen<br />

Arbeiten wi<strong>der</strong>. In diesem Zusammenhang könnte<br />

das Feuerzeug, vergleichbar zum Dechsel, als Rangzeichen<br />

für die Schlüsselgewalt über eine Wirtschaftseinheit<br />

gedient haben (vgl. Nieszery 1995, 165). Die<br />

häufig anzutreffende Kombination von Dechsel <strong>und</strong><br />

Feuerzeug in Bestattungen unterstreicht die enge symbolische<br />

Verwandtschaft <strong>der</strong> beiden Gerätetypen.<br />

Der Reichtum an verschiedenen Geräten <strong>und</strong><br />

Waffen in den Gräbern darf als wichtiger Indikator für<br />

das Sozialprestige des Bestatteten innerhalb <strong>der</strong> Männergemeinschaft<br />

gelten. Hierbei fällt jedoch auf, dass<br />

in <strong>der</strong> Gruppe adulter <strong>und</strong> maturer Männer in Aiterhofen<br />

das zum Ausdruck gebrachte Prestige unabhängig<br />

vom Alter blieb, son<strong>der</strong>n stattdessen wohl von individuellen<br />

Eigenschaften best<strong>im</strong>mt wurde (Abb. 5a).<br />

Erst bei den wenigen Personen, die ein seniles Alter<br />

erreichten, lässt sich an <strong>der</strong> deutlichen Kumulation<br />

von Beigaben ein überdurchschnittliches <strong>und</strong> deshalb<br />

altersbedingtes Prestige innerhalb <strong>der</strong> Männergruppe<br />

ablesen.<br />

Der geschlechtsspezifische Charakter <strong>der</strong> Gerätebeigaben<br />

kristallisiert sich in <strong>der</strong> beigabenreichen<br />

Hinkelsteiner Bestattungsgemeinschaft von Trebur<br />

mit beson<strong>der</strong>er Klarheit heraus. Die wichtigsten mit<br />

<strong>der</strong> Männerrolle verb<strong>und</strong>enen Typen wie Dechsel,<br />

Silexgeräte, Knochen- <strong>und</strong> Geweihobjekte sowie Feuerzeuge/Pyritknollen<br />

stehen in bandkeramischer Tra-<br />

dition <strong>und</strong> erfüllen, <strong>der</strong> relativen Häufigkeit nach zu<br />

urteilen, ganz ähnliche Funktionen als Prestige- <strong>und</strong><br />

Statusmarker in <strong>der</strong> Männergemeinschaft (Abb. 3a).<br />

Obwohl das Typenspektrum einen graduellen Wandel<br />

erlebt, etwa <strong>im</strong> Verschwinden von Pfeilspitzen <strong>und</strong><br />

dem gehäuften Auftreten von Klopfern, lassen sich<br />

zwischen Aiterhofen <strong>und</strong> Trebur auch erstaunliche<br />

Parallelen aufzeigen, so etwa in <strong>der</strong> Konzentration von<br />

Knochen- <strong>und</strong> Geweihgeräten auf die männlichen<br />

Altersgruppen matur <strong>und</strong> senil.<br />

Ein wichtiger Unterschied ist indessen bei den<br />

Frauenbestattungen festzustellen. Während eine<br />

frauenspezifische Geräteausstattung in Aiterhofen<br />

lediglich in Ansätzen zu erkennen ist, sind die Hinkelsteiner<br />

Frauengräber von Trebur nun regelhaft mit<br />

einem Set an weiblichen Geräten versehen (Abb. 3a).<br />

Hierzu zählen Mahl-, Reib- <strong>und</strong> Schleifsteine als<br />

Symbole einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung.<br />

Auch wenn nicht alle Arbeiten, die mit diesen<br />

Geräten verb<strong>und</strong>en waren, <strong>im</strong> Detail rekonstruierbar<br />

sind, symbolisiert doch <strong>der</strong> am häufigsten auftretende<br />

Mahlstein zweifellos die häusliche Tätigkeit<br />

des Getreidemahlens. Das tägliche Mahlen <strong>und</strong> die<br />

sich daran anschließende Nahrungszubereitung darf<br />

als die vitalste Aufgabe des neolithischen Hauswerks<br />

angesehen werden. Wie auch das ähnlich häufige Auftreten<br />

von Dechsel <strong>und</strong> Mahlstein in den Hinkelsteiner<br />

Gräbern suggeriert, fokussieren beide Gerätetypen<br />

nicht nur zentrale Tätigkeiten von Männern <strong>und</strong><br />

Frauen, son<strong>der</strong>n dienten wohl auch <strong>der</strong> Markierung<br />

äquivalenter Statuspositionen in <strong>der</strong> Gemeinschaft.<br />

Deshalb liegt <strong>der</strong> Gedanke nahe, in den Dechsel <strong>und</strong><br />

Mahlstein führenden Gräbern die männlichen <strong>und</strong><br />

weiblichen Vorstände von neolithischen Haushalten<br />

zu sehen. Allerdings dürften, dem geringeren Gerätereichtum<br />

nach zu urteilen, die Frauen den Männern<br />

in <strong>der</strong> Rangfolge nachgeordnet gewesen sein. Denn<br />

obwohl die Frauen insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> Hinkelsteiner<br />

Belegungsphase ähnlich regelmäßig mit Geräten ausgestattet<br />

sind, bleibt <strong>der</strong> durchschnittliche Index für<br />

den Beigabenreichtum in dieser Kategorie doch deutlich<br />

unter dem <strong>der</strong> Männer (Abb. 5b).<br />

Vor diesem Deutungshintergr<strong>und</strong> erscheint das<br />

ungleiche Vorkommen von Dechsel <strong>und</strong> Mahlstein<br />

in den Hinkelsteiner Kin<strong>der</strong>gräbern bemerkenswert<br />

(Abb. 3a). So ließe sich das mehrfache Auftreten von<br />

Dechseln in mutmaßlichen Knabenbestattungen<br />

dahingehend interpretieren, dass die mit dem Gerätetyp<br />

verb<strong>und</strong>ene Statusposition patrilinear weitervererbt<br />

wurde. In diesem Falle wären die verstorbenen<br />

Knaben formal mit dem Status belegt worden, <strong>der</strong><br />

ihnen be<strong>im</strong> Erreichen des Erwachsenenalters aufgr<strong>und</strong><br />

ihrer Abstammung zugedacht war. Wie das Fehlen von

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