nesch - Egoisten
nesch - Egoisten
nesch - Egoisten
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Zum „Fall Friedrich Be<strong>nesch</strong>“<br />
5.2ßß6, www.egoisten.de Michael Eggert<br />
Friedrich Be<strong>nesch</strong>- Anthroposoph<br />
und Nationalsozialist<br />
Internetfreunde aus Schweden<br />
hatten uns darauf aufmerksam<br />
gemacht- Wir wollen<br />
deshalb auch noch einmal<br />
auf die Tatsache hinweisen,<br />
dass der bedeutende<br />
Theologe, Priesterausbilder,<br />
Publizist und Priester der<br />
Christengemeinschaft Friedrich Be<strong>nesch</strong> intensiv<br />
in den Kern des Nationalsozialismus,<br />
die Waffen-SS, verwickelt gewesen ist. Bei einer<br />
Persönlichkeit, die in den 70ern und<br />
80ern des letzten Jahrhunderts gerade auf<br />
junge Menschen begeisternd wirkte, und<br />
zwar als der Ausdruck von Integrität, wirken<br />
diese Erkenntnisse schockierend. Über seine<br />
nationalsozialistische Vergangenheit war jedenfalls<br />
den meisten Mitgliedern und Freunden<br />
nichts bekannt. Ob der forschend, lehrend<br />
und publizierend tätige Be<strong>nesch</strong> wenigstens<br />
der Lenkung der Christengemeinschaft<br />
entsprechende Erklärungen über seine<br />
Vergangenheit abgegeben hat, ist uns nicht<br />
bekannt.<br />
Kurt Brotbeck (1) sprach wohl für viele, als er<br />
zwei bedeutende Vorträge Be<strong>nesch</strong>s, die dieser<br />
über mehrere Generationen, deren Eigenheiten<br />
und Gestimmtheiten schrieb, äußerte:<br />
“Manches klarstellend sind zwei Vorträge, die<br />
Friedrich Be<strong>nesch</strong> über die vier Generationen<br />
1 Michael Eggert, www.egoisten.de<br />
unseres Jahrhunderts 1984 gehalten hat. Die<br />
menschliche Wärme, vereint mit einer granitenen<br />
Gedankenklarheit, haben uns in allen<br />
Vorträgen und Schriften Be<strong>nesch</strong>s immer tief<br />
beeindruckt.” Wem konnte man schon zutrauen,<br />
die innere Gestimmtheit mehrerer Generationen<br />
in treffende Worte fassen zu können?<br />
Be<strong>nesch</strong>s christologische und wissenschaftliche<br />
Arbeiten waren von hoher Qualität.<br />
Ich selbst habe ihn nur einmal in einer<br />
grossen Menschenmenge auf einer Jugendtagung<br />
der Christengemeinschaft erlebt. Seine<br />
einleitenden Worte waren “Meine Lieben”,<br />
und man nahm ihm ab, dass er jeden einzelnen<br />
meinte, man war ihm ganz Ohr, er sprach<br />
Jugendlichen wie aus dem eigenen Herzen,<br />
begeisternd.<br />
Erst 2004, 13 Jahre nach dem Tod Be<strong>nesch</strong>s<br />
(1907 - 1991) ergaben “ Untersuchungen des<br />
Historikers Johann Böhm, eines Schülers von<br />
Be<strong>nesch</strong> 1941/42 in Siebenbürgen, in der von<br />
ihm herausgegebenen Halbjahresschrift für<br />
südosteuropäische Geschichte (16 Jg., Heft<br />
1),” “ein überraschend aufgetauchtes unbekanntes<br />
Kapitel nationalsozialistischer Verirrung<br />
in der Biographie Friedrich Be<strong>nesch</strong>s” .<br />
"Nach Kennenlernen der Anthroposophie<br />
während seines naturwissenschaftlichen Studiums<br />
ab 1925 in Marburg und Halle sich ab<br />
1931 als Kreisjugendführer in der nationalsozialistischen<br />
«Erneuerungsbewegung» in<br />
Sächsisch-Reen betätigt. Er heiratete 1934 die<br />
Tochter seines Professors in Halle, der zugleich<br />
stellvertretender Gaukulturwart und
Schulungsleiter für Rassenkunde sowie Leiter<br />
des NS-Museums war (und 1935 starb). Be<strong>nesch</strong><br />
wurde nach seinem Theologiestudium<br />
1933/34 Pfarrer in Siebenbürgen und 1936<br />
dort wegen seiner nationalsozialistischen<br />
Aufwieglertätigkeit vom kirchlichen Oberdisziplinargericht<br />
seines Amtes enthoben (die<br />
Anthroposophie - falls sie für Be<strong>nesch</strong> noch<br />
präsent war - spielte dabei keine Rolle). Er<br />
setzte dann sein Studium in Halle fort und<br />
trat im Juli 1939 hier in die Waffen-SS ein.<br />
Nach Anschluß Nord-Siebenbürgens an Ungarn<br />
wurde er in Sächsich-Reen zum Kreisleiter<br />
ernannt und leitete 1944 den Flüchtlingszug<br />
gen Westen.<br />
Nach dem Krieg 1947 zum Pfarrer der Christengemeinschaft<br />
geweiht und als verehrter<br />
Seminarleiter lange Jahrzehnte als Theologe,<br />
Naturforscher und Redner tätig, hatte Be<strong>nesch</strong><br />
nie über seine nationalsozialistische<br />
Vergangenheit gesprochen oder geschrieben.<br />
Auch seine nächste Umgebung und Pfarrerkollegen<br />
ahnten davon nichts.<br />
Seitens der Christengemeinschaft wurden die<br />
von Böhm genannten Quellen im Bundesarchiv<br />
Koblenz überprüft und als richtig bestätigt.<br />
Be<strong>nesch</strong> sagte einmal: «Denn die wirkliche<br />
Wahrheit ist nicht die Wahrheit, sondern<br />
der überwundene Irrtum». Er hat nur leider<br />
nicht davon berichtet.”(2)<br />
So ist es. Das Unheimliche bei dieser für Viele<br />
als spirituelles Vorbild und als Lehrer verehrten<br />
Persönlichkeit war vielleicht weniger die<br />
Tatsache der Verstrickungen selbst, als dieses<br />
so gewöhnliche schweigende Verstecken in<br />
einer inneren und äußeren Position, in der<br />
Be<strong>nesch</strong> als absolute Vertrauensperson gel-<br />
2 Michael Eggert, www.egoisten.de<br />
ten musste. Viele der damals enthusiasmierten<br />
jungen Leute werden sich heute vor den<br />
Kopf gestossen fühlen. Die andere Tatsache<br />
ist die, dass Be<strong>nesch</strong> engen Kontakt zur Anthroposophie<br />
gehabt haben muss, lange bevor<br />
er den Nationalsozialismus kennen gelernt<br />
hatte- und auch währenddessen. Es handelt<br />
sich um keine leichtgängige Saulus- Paulus-<br />
Geschichte. Be<strong>nesch</strong> war als Anthroposoph<br />
aktiver Nationalsozialist geworden und nach<br />
dem Krieg (als es opportun war?) wieder zum<br />
Anthroposophen mutiert. Aus seiner zweiten<br />
anthroposophischen Ära sind mir keine irgendwie<br />
gearteten auch nur nationalistischen<br />
Äußerungen bekannt geworden. Dennoch:<br />
Wie vereinbart man das? Wie kommt<br />
man damit zurecht, eine in der nationalsozialistischen<br />
Doktrin (außer bei Hess und seiner<br />
Umgebung) absolut verfolgungswürdige<br />
anthroposophische Weltanschauung im Gepäck<br />
zu haben, in einer faschistischen Umgebung,<br />
vor der Rudolf Steiner selbst zu seinen<br />
Lebzeiten drastisch gewarnt hatte, bis hin zu<br />
den Bomben auf deutsche Städte, die er mit<br />
ihr kommen sah? Schließlich war aus diesen<br />
Kreisen auch in München ein Messer- Anschlag<br />
verübt worden auf Steiner. Wie kriegt<br />
man das unter einen Hut?<br />
Und, weiter gefragt, wie bekommt man die<br />
Tatsachen zusammen, mit so einer Vergangenheit<br />
im Rücken schweigend Priester zu<br />
werden, zu segnen, das Abendmahl zu praktizieren<br />
und vielleicht eine Art Beichte abzunehmen?<br />
Hatte Be<strong>nesch</strong> das von sich abgespalten,<br />
war es ein Dorn im Fleisch, war es<br />
ihm egal? Man fragt sich das.<br />
Immerhin heisst es, der “ehemalige radikalnazistische<br />
Pfarrer Friedrich Be<strong>nesch</strong> (sage) , er<br />
sei in den ersten beiden Jahren seines Mar-
urger Studiums (1925-27) in seiner Suche<br />
nach positiven Werten nur auf „oede(n) Materialismus“<br />
gestossen”. Genau diese Formulierung<br />
weise auf seine rechtsextremen Quellen:<br />
“Be<strong>nesch</strong> gebraucht hier den Wortschatz der<br />
damaligen Feinde der Weimarer Republik, die<br />
allesamt im rechten bis rechtsextremen politischen<br />
Spektrum angesiedelt waren” .<br />
Der Kampf gegen den “Materialismus” (alle<br />
Zitate:4) führte Be<strong>nesch</strong> geradewegs auf den<br />
Flügeln seines “Erneuerungsdrangs” ins<br />
“nordsiebenbuergischen Birk, wo er zwischen<br />
1934 und 1936 als Pfarrer wirkte, mit „alten<br />
starken Ordnungen“ konfrontiert, die „unter<br />
der Führung von Lehrer und Pfarrer“ „die<br />
Fortbildungsschule und auch die Wanderungen<br />
der jungen Menschen“ bestimmten.” Gerade<br />
für die jungen Leute hat er sich also damals<br />
schon interessiert. Dann war aber<br />
Schluss mit der Tätigkeit; Be<strong>nesch</strong> wurde “im<br />
Zuge des Rundschreibens 924/1936 des<br />
Landeskonsistoriums der evangelischen Landeskirche<br />
A.B. in Rumänien, das den Kirchenangestellten<br />
verbot sich parteipolitisch zu<br />
betaetigen, durch Disziplinarprozess aus dem<br />
Amt entfernt”. Die Indoktrinationsversuche<br />
Be<strong>nesch</strong>s waren von allzu nationalsozialistischem<br />
Charakter, um ihn in der Kirche zu halten.<br />
Im selben Jahr publizierte er bereits “Die<br />
anthroposophische Möglichkeit, Christ zu<br />
sein“. Es kann also keine Rede davon sein,<br />
dass er seine anthroposophische Beziehung<br />
beendet hätte. Und gleichzeitig bereitete er<br />
eine faschistische “sogenannte „Ordenswoche“<br />
in Gross-Schenk (vor), in der die 16 Teilnehmer<br />
der Landeskirche den offenen Kampf<br />
ansagten und sich zur „neuen Kirche“ im Sinne<br />
der nationalsozialistischen Weltanschau-<br />
ung bekannten(4)” . Das alles widerlegt die<br />
Ansicht von anthroposophie.de (s.o.), “die<br />
Anthroposophie - falls sie für Be<strong>nesch</strong> noch<br />
präsent war - spielte dabei keine Rolle”(2). Sie<br />
war für ihn dauernd präsent. Er war in beides<br />
gleichzeitig involviert: In die Seite der SS und<br />
in die der Anthroposophie.<br />
Dann aber kippte der Krieg. Die anthroposophischen<br />
schwedischen Freunde formulieren<br />
es so: “Nach Stalingrad wurde ja klar, wer verlor<br />
und gewann. Viele hatten ja umge-<br />
schwenkt und auf andere Art die Zukunft<br />
vorbereitet. Be<strong>nesch</strong> war einer.” (6)<br />
Er streifte die nationalsozialistische Seite ab<br />
und bewegte sich wieder auf ein Pfarramt zu,<br />
diesmal im Rahmen der freikirchlichen Christengemeinschaft.<br />
________________________________<br />
1 http://www.flensburgerhefte.de/titel/fh/fh46.html<br />
2<br />
http://www.anthroposophie-de.com/aktuelles/aktokt2<br />
004.html Das sind die Mitteilungen aus der anthroposophischen<br />
Arbeit<br />
3<br />
http://www.anthroposophie-de.com/aktuelles/aktokt2<br />
004.html%06<br />
4<br />
http://people.freenet.de/Transsylvania/Maenner.html<br />
5<br />
http://people.freenet.de/Transsylvania/Maenner.html<br />
6 private Email<br />
3 Michael Eggert, www.egoisten.de
Friedrich Be<strong>nesch</strong> - ein Lebensbild<br />
In: Friedrich Be<strong>nesch</strong>, Leben mit der<br />
Erde, Urachhaus- Verlag 1993<br />
Das hier vorliegende „Lebensbild“ stammt<br />
vom Priester der Christengemeinschaft Hans-<br />
Werner Schroeder und ist als Nachwort zum<br />
ersten Band der Gesamtausgabe von Be<strong>nesch</strong>s<br />
„Vorträgen und Kursen“ 1993 unter<br />
dem Titel „Leben mit der Erde“ erschienen.<br />
Drei Dinge möchte ich voranschicken: Ich bin<br />
auf diese biografische Notiz durch einen<br />
aufmerksamen Leser der EGOISTEN gestossen,<br />
obwohl das Buch bei mir in der Bibliothek<br />
steht. Es handelt sich zweitens um einen<br />
gerade in der Frage der Mitgliedschaft Be<strong>nesch</strong>s<br />
in der Waffen-SS und seiner nationalsozialistischen<br />
Verwicklungen tatsächlich um<br />
ein „Lebensbild“, und zwar um ein beschönigendes.<br />
Und -drittens- wird doch ganz deutlich<br />
auch die Frage beantwortet, ob die<br />
„Christengemeinschaft“ um diese nationalsozialistische<br />
Vergangenheit wusste. Sie tat es,<br />
in meiner ersten Interpretation. Allerdings<br />
hat der frühere Lenker und Leiter der Freien<br />
Hochschule der Christengemeinschaft in einem<br />
aktuellen (Juli 2006) Mail-Wechsel dieser<br />
meiner Interpretation entschieden widersprochen.<br />
Herr Schroeder schreibt: „Zu der<br />
Frage, ob die Leitung der Christengemeinschaft<br />
von den nationalsozialistischen Aktivitäten<br />
Friedrich Be<strong>nesch</strong>s in Siebenbürgen irgendetwas<br />
gewusst hat, kann ich wahrheitsgemäß<br />
versichern: das war nicht der Fall. Die<br />
jetzt zu Tage tretenden Tatsachen waren bis<br />
dahin auch bei seinen Freunden vollkommen<br />
unbekannt. Be<strong>nesch</strong> hat auch im engsten<br />
Kreis nie darüber gesprochen, wie ich auf<br />
Nachfrage erfahren habe, und die Familie ebenso.<br />
Alle andersartigen Aussagen entbeh-<br />
4 Michael Eggert, www.egoisten.de<br />
ren jeder Grundlage. Ich bereite eine Biographie<br />
vor, wo ich auf damit zusammenhängende<br />
Fragen eingehen werde. Hans-Werner<br />
Schroeder“. Diese Erklärung möchte ich akzeptieren<br />
und meine Spekulation über das<br />
Thema entschuldigen.<br />
Hans-Werner Schroeder formuliert es - um<br />
auf den ursprünglichen Txt zurückzukommen-<br />
so: „ Es führte ihn über zwei Semester<br />
studentischer Korporation zur sozialistischen<br />
und völkischen Jugendbewegung und durch<br />
sie zu Hermann Wirth und zur Weit des »Nordisch-Germanischen«.“<br />
und erwähnt die Nähe<br />
Be<strong>nesch</strong>s zur „ Artamanenbewegung“. Letztere<br />
wird durch Wikipedia so definiert: „Als Artamanen<br />
bezeichneten sich die Mitglieder des<br />
1923 in München gegründeten "Artam e. V.",<br />
einer Jugendorganisation auf dem rechtsnationalen<br />
Flügel der Deutschen Jugendbewegung<br />
. Der Name des Vereins geht wohl auf<br />
eine (angebliche) arische Gottheit namens<br />
Artam zurück; vielleicht war er auch zusammengesetzt<br />
aus den althochdeutschen Wörten<br />
'art' (Ackerbau) und 'manen' (Männer).<br />
Die Gruppe hatte ca. 2.000 Mitglieder.<br />
Sie vertrat eine "Blut und Boden"-Ideologie<br />
und propagierte einen Arbeitsdienst in der<br />
Landwirtschaft. Zu ihren Zielen gehörte die<br />
Schaffung eines neuen arischen Bauerntums<br />
im Osten. Dazu sollten die slawischen Völker<br />
mit brutaler Gewalt bis zum Völkermord unterworfen<br />
werden.<br />
Zu den Mitgliedern der Artamanen gehörten<br />
einige später prominente Nazis, wie z.B. der<br />
spätere Reichsbauernführer Richard Walther<br />
Darré, der Auschwitz-Kommandant Rudolf<br />
Höß und der SS-Chef Heinrich Himmler.<br />
Nach der Auflösung und dem Verbot aller übrigen<br />
Organisationen der bündischen Jugend
und freien Jugendbewegung im Zuge der<br />
Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten<br />
wurde der "Bund der Artamanen" als einzige<br />
Ausnahme im Oktober 1934 korporativ in die<br />
Hitler-Jugend übernommen und bildete später<br />
den Kern des Landdienstes der HJ.“<br />
(http://de.wikipedia.org/wiki/Artamanen)<br />
Schroeder versucht diese scheinbare „Phase“<br />
im Leben Be<strong>nesch</strong>s durch seinen Hinweis auf<br />
dessen Suche nach „sozialen Zusammenhängen“<br />
zu bagatellisieren. In Wahrheit war Be<strong>nesch</strong><br />
wohl eher ein junger nationalsozialistischer<br />
Propagandist. Auch die Entfernung Be<strong>nesch</strong>s<br />
aus dem Dienst der evangelischen<br />
Kirche wird nicht, wie in anderen Quellen, auf<br />
Be<strong>nesch</strong>s penetrante nationalsozialistische<br />
Aktivitäten, sondern auf seine anthroposophischen<br />
Überzeugungen zurückgeführt. Die<br />
Behauptung Schroeders „ Dieses ganze war -<br />
auch die folgenden Jahre hindurch - immer<br />
von dem Bewusstsein begleitet: all das ist<br />
notwendig; jedoch das Tiefste darin ist die<br />
Anthroposophie.“ macht es wirklich nicht<br />
besser. Danach war Be<strong>nesch</strong> also anthroposophischer<br />
Nationalsozialist. Gegen Kriegsende<br />
eröffnete Be<strong>nesch</strong> „das Schicksal“ die<br />
Möglichkeit, in den Schoß der Christengemeinschaft<br />
zu schlüpfen und darin den ihm<br />
untersagten Berufs des Pfarrers doch wieder<br />
auszuüben.<br />
So bleibt Be<strong>nesch</strong> unbehelligt. Schroeder erwähnt<br />
gewisse Emfindlichkeiten Be<strong>nesch</strong>s,<br />
was seine Privatsphäre anging: „ Die Menschen<br />
in seinem näheren Umkreis hörten zuweilen<br />
das Wort „misch' dich nicht in meine<br />
Angelegenheiten“. Man kann dieses Wort tiefer<br />
verstehen.“ Das kann man. Ich verstehe<br />
das so: Be<strong>nesch</strong> wurde unleidlich, wenn man<br />
5 Michael Eggert, www.egoisten.de<br />
ihn auf seine Vergangenheit ansprach.<br />
Nun aber ein Zitat aus dem Text:<br />
(...)<br />
Am 6. Juli 1907 in dem siebenbürgischen Städtchen<br />
Sächsisch Rugen geboren, verlebte Friedrich<br />
Be<strong>nesch</strong> seine Kindheit bis zum 15. Lebensjahr im<br />
elterlichen Hause. Sein Vater war Gymnasiallehrer,<br />
stammte aber aus dem Bauerntum, seine Mutter<br />
aus einer begüterten Bürgerfamilie, deren Vorfahren<br />
zum größten Teil Pfarrer und Lehrer waren.<br />
Zusammen mit vier Geschwistern war die Kindheit<br />
von dem Erleben der Fülle des Landes, seiner<br />
Wälder, seiner reichen Natur in Haus, Garten,<br />
Land- und Waldbesitz bestimmt. Dem außerordentlich<br />
strengen Vater verdankt er manches, z. B.<br />
daß er durch seine schulischen Leistungen eine<br />
Klasse im Gymnasium übersprang und schon mit<br />
17 Jahren das Abitur ablegte. Er litt aber auch<br />
sehr unter ihm.<br />
Mit dem 15. Jahr riß sich der Knabe vom Eltern-<br />
haus los, zog zu Verwandten, erfuhr in der letzten<br />
Gymnasialzeit die Begegnung mit der deutschen<br />
Klassik und Romantik in Dichtung und Philosophie<br />
und mit der modernen Naturwissenschaft,<br />
besonders aber schon seit dem 13. Lebensjahr die<br />
Begegnung mit Goethe. Die Entwicklung ging<br />
dann zunächst über Goethe hinaus. Als mit 17<br />
Jahren das Abitur kam, waren Nietzsche, als Gegner<br />
der bürgerlichen Welt, und die Naturwissenschaften,<br />
im Gegensatz zum Kirchen- Christen-<br />
tum, zu Leitsternen geworden.<br />
Nach dem Abitur galt es zu wählen. Die Fülle der<br />
Begabungen hätte das Ergreifen jeden Berufs zugelassen.<br />
Er hatte auch eine große künstlerische<br />
Begabung, sang gern und schön, hatte ein künstlerisches<br />
Verhältnis zum Wort (später verfasste<br />
bzw. extemporierte er für seine Kinder Gedichte,<br />
Spiele, Erzählungen, die einen großen Eindruck
machten). Und wofür er begabt war, dazu hatte er<br />
auch Neigung. Hier taucht nun das erste Lebens-<br />
motiv auf, das sich weiter durch sein Leben zog:<br />
er musste auswählen, hatte sich zu entscheiden.<br />
Die Fülle der Begabungen forderte ihm die Begrenzung<br />
ab, und nicht nur Begabungen, auch<br />
Lebenskräfte hatte er in einer Fülle, die es immer<br />
neu zu begrenzen galt.<br />
Mit 18 Jahren wird er in Marburg Student der Biologie,<br />
Chemie und Physik (im Nebenfach Theologie).<br />
»Voll der schönsten Hoffnungen kam ich im<br />
April 1925 nach Deutschland, um das heiß er-<br />
sehnte Studium an einer deutschen Universität<br />
beginnen zu können « - so schreibt er selber. Aber<br />
jetzt muss er die tiefe Enttäuschung am Materialismus<br />
der wissenschaftlichen Praxis erleben, die<br />
ein zweites Lebensmotiv erkennbar macht. Er sah<br />
sich um nach Menschen, die im Stande waren,<br />
„die Fülle von Einzeltatsachen zu umfassender,<br />
durchdringender und erklärender Schau zu vereinigen“.<br />
Was er als Student bei anderen suchte, hatte er<br />
aber schließlich selbst zu leisten. In diese Zeit<br />
fällt die Rückkehr zu Goethe, und durch die<br />
Lebensschicksalsbegegnung mit dem protestantischen<br />
Pfarrer-Vikar Gottfried Schmidt, der Anthroposoph<br />
war, zum Christentum. Nun kündigt<br />
sich ein drittes Lebensmotiv an, das wir oben<br />
schon berührt haben. Das gleichzeitige Studium<br />
von Naturwissenschaft und Theologie konfrontierte<br />
ihn mit der Frage, wie beides zu vereinen<br />
sei. Die Frage nach einer Möglichkeit der Über-<br />
windung der Gegensätze stieg in ihm auf. Er begann<br />
diese zu ahnen durch die Anthroposophie.<br />
Neben diesem ihn sehr beschäftigenden Erkenntnisringen<br />
ging das Suchen nach sozialen Zusammenhängen.<br />
Es führte ihn über zwei Semester<br />
studentischer Korporation zur sozialistischen und<br />
völkischen Jugendbewegung und durch sie zu<br />
Hermann Wirth und zur Weit des »Nordisch-Germanischen«.<br />
Hier schließt sich das weitere Studium<br />
in Halle an. Jetzt versuchte der um eine<br />
durchdringende und erklärende Schau Ringende<br />
6 Michael Eggert, www.egoisten.de<br />
einen anderen Ansatz im Studium der Vorgeschichte,<br />
Volkskunde und Anthropologie, in de-<br />
nen er 13 Jahre später promoviert. Der Bezug<br />
zum Mythos und der durchaus weltanschauliche<br />
Ansatz seines Professors Hans Hahne zogen ihn<br />
an. Sozial lebte sich das in der Zugehörigkeit zur<br />
Artamanenbewegung und zu dem Jugendkreis<br />
um »Vater Hahne« aus.<br />
Dieses ganze war - auch die folgenden Jahre hindurch<br />
- immer von dem Bewusstsein begleitet: all<br />
das ist notwendig; jedoch das Tiefste darin ist die<br />
Anthroposophie. Zu ihr kehrte er immer wieder<br />
zurück. In der Tochter seines Professors Hahne<br />
begegnete er seiner späteren Frau. In einer Notiz<br />
der letzten Jahre gibt er diese Begegnung mit<br />
Februar 1926 an, zugleich mit dem Hinweis: »1.<br />
Mondknoten«. Dann aber geht der 20jährige in<br />
seine Heimat zurück und arbeitet als Assistent am<br />
Zoologischen Institut der Universität Klausenburg.<br />
jetzt erfährt er gerade in der Auseinandersetzung<br />
mit den neuesten biologischen Proble-<br />
men der damaligen Zeit die Kraft der Anthroposophie.<br />
Er sagt: »Ich erkannte immer deutlicher,<br />
dass in dem, was Rudolf Steiner in der Weiterführung<br />
der naturwissenschaftlichen Schriften Goethes<br />
gab, die Möglichkeit verbunden sei, alle of-<br />
fenen Fragen der Biologie in positiver Weise zu<br />
lösen. «<br />
Mit 24 Jahren legt er das Staatsexamen für Biologie,<br />
Physik und Chemie ab. Danach erkrankt er<br />
schwer. Ein einsamer Kuraufenthalt in den Heimatbergen<br />
brachte »entscheidende religiöse Erlebnisse«:<br />
wieder genesen, wird der nächste<br />
Schritt fällig. In die Naturwissenschaften war er<br />
eingedrungen, »aber auch die andere Seite muss-<br />
te mit derselben Exaktheit durchgearbeitet werden«.<br />
Er geht wieder nach Marburg, greift noch einmal<br />
die Theologie auf und schließt das Studium Mit
27 Jahren ab. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass<br />
jetzt oder auch bei seiner früheren Zeit in Mar-<br />
burg eine Begegnung mit der Christengemeinschaft<br />
stattgefunden hat.<br />
Dann endlich kann er die inzwischen 24jährige<br />
Sunhilt Hahne heiraten und zieht mit ihr in das<br />
siebenbürgische Dorf Birk als Pfarrer ein. »Ich<br />
suchte die Verwirklichung des anthroposophisch<br />
Orientierten nicht in anthroposophisch-sozialen<br />
Zusammenhängen, sondern wollte das Geistesgut<br />
und insbesondere dessen religiöse Impulse in die<br />
evangelische Heimatkirche und in die völkische<br />
Jugendbewegung der Heimat hineintragen. «<br />
Aber er kommt mit diesem Versuch an Grenzen:<br />
»Durch 10 Jahre versuchte ich hier das, was mir<br />
die Anthroposophie geworden war, in das Ge-<br />
meindeleben einfließen zu lassen und andererseits<br />
allmählich Verständnis dafür zu erwecken.<br />
Dabei zeigte sich, daß daraus zwar eine persönliche<br />
Bindung an den Seelsorger entstand, ein<br />
Verständnis jedoch für dessen eigentlichstes Be-<br />
streben nicht entstand. Man wollte die Früchte<br />
der geistigen Arbeit des Pfarrers im Gottesdienst<br />
und Gemeindeleben gern genießen, selbst aber<br />
in den alten Gewohnheiten verharren. Das führte<br />
schließlich zu äußeren und inneren Auseinander-<br />
setzungen, die mich bei den in diesen Jahren erfolgenden<br />
Kämpfen in Volk und Kirche auf die<br />
Seite der jungen Generation stellten. Jedoch auch<br />
hier war ein Verständnis für meine eigentlichen<br />
Bestrebungen nicht möglich. «<br />
Es kommt zu einer Suspendierung des 31jährigen<br />
durch die Kirchenleitung. Seine Bauern akzeptierten<br />
jedoch keinen Nachfolger, sie nahmen es lieber<br />
auf sich, zunächst ohne seelsorgerliche Be-<br />
treuung zu bleiben, bis »ihr Pfarrer« zurückkehren<br />
könne. Friedrich Be<strong>nesch</strong> wird jetzt noch einmal<br />
Student, geht nach Halle und schließt das Studium<br />
(Vorgeschichte und Anthropologie), sein drit-<br />
7 Michael Eggert, www.egoisten.de<br />
tes, mit der Promotion ab. Er ist jetzt 33 Jahre alt,<br />
und jetzt begegnet er auch dem durch Anthropo-<br />
sophie erneuerten religiösen Leben. >Damals<br />
nahm ich am Gemeindeleben der Christengemeinschaft<br />
in Halle teil und durfte einmal in<br />
Frankfurt Rittelmever hören. Es keimte der<br />
Wunsch in mir auf, einmal Priester in der<br />
Chrlstengemeinschaft zu werden; doch fühlte ich<br />
mich damals noch nicht reif dazu. Ich kehrte zu<br />
meiner Gemeinde zurück; ich studierte Anthroposophie<br />
und arbeitete still in der Gemeinde. «<br />
1944, sein zweiter Mondknoten, kommt die<br />
Flucht. Ein kilometerlanger Treck mit Tausenden<br />
von Menschen wird von ihm generalstabsmäßig<br />
organisiert und geleitet. Der Treck führt nach Österreich.<br />
Bis zum Zusammenbruch ist er in der<br />
Flüchtlingsfürsorge in Weimar tätig. Pfingsten<br />
1945 übernimmt er ein Pfarramt in Neukirchen<br />
bei Halle und ist dort noch für eine kurze Zeit<br />
evangelischer Pfarrer, bis die 40 Jahre seiner ersten<br />
biographischen Epoche abgelaufen waren.<br />
Aber schon in dieser Zeit schließt er sich an die<br />
neugegründete Gemeinde der Christengemeinschaft<br />
in Halle an. Der schon so lang gehegte<br />
Wunsch, Priester in der Christengemeinschaft zu<br />
werden, reift zum Vorsatz, am Zentralen der Erneuerung<br />
des Gegenwartslebens mitzuarbeiten.<br />
Zunächst gehemmt durch das Gefühl eigener Unreife<br />
und Rücksicht auf seine große Familie wurde<br />
er durch die Begegnung mit Rudolf Köhler und<br />
Rudolf von Koschützki zum Entschluss. Im Januar<br />
1947 beginnt in Stuttgart die Seminarausbildung,<br />
am 3o. November 1947, dem i. Advent, empfängt<br />
der 40jährige durch Emil Bock die Priesterweihe<br />
(zusammen mit Barbara Nordmeyer, Otto Behr<br />
und Walter Barck). Der Entschluss zum Priestertum<br />
in der Christengemeinschaft war »im Gang<br />
des Schicksals gereift, dem Zuge des Herzens entsprungen«.<br />
Nun beginnt die zweite Epoche von<br />
40 Jahren, die ihren Abschluss findet, als er mit
8o Jahren die Verantwortung für die Leitung des<br />
Priesterseminars zurückgibt. Er wirkt zunächst<br />
einige Monate in Coburg, dann neun Jahre in Kiel;<br />
schließlich ab 1957 in Stuttgart in der Leitung des<br />
Priesterseminars. Der größte Teil der heute wirkenden<br />
Priesterschaft ist durch seine Schulung<br />
gegangen.<br />
Friedrich Be<strong>nesch</strong> war, 50jährig, im eigentlichen<br />
Zentrum seines Wirkens angekommen. Er war<br />
immer mehr selbst ein solcher Mensch geworden,<br />
nach dem er in seiner ersten Marburger Zeit Aus-<br />
schau gehalten hatte, der imstande war, »die Fülle<br />
von Einzeltatsachen in umfassender, durchdringender<br />
und erklärender Schau zu vereinigen«. er<br />
immer die Kraft, in sich ...<br />
Friedrich Be<strong>nesch</strong> hat dann die letzten Jahre bis<br />
zu seinem Tode im Jahre 1991 sehr zurückgezogen<br />
gelebt und äußerlich kaum mehr Anteil an<br />
den bisherigen Lebenskreisen genommen. Trotzdem<br />
war man immer wieder erstaunt, wenn man<br />
bei Besuchen feststellen konnte, wie sehr er in-<br />
nerlich mit den früheren Tätigkeitskreisen verbunden<br />
geblieben war und wie stark vor allen<br />
Dingen sein Interesse den Schicksalen der Christengemeinschaft<br />
und ihrem Wirken zugewandt<br />
blieb. Äußerlich war er schon recht hinfällig ge-<br />
worden, geistig aber war er bis zuletzt leistungsfähig,<br />
in Gesprächen außerordentlich anregend.<br />
(...)“<br />
8 Michael Eggert, www.egoisten.de
Der gute<br />
Kamerad Fritz Be<strong>nesch</strong><br />
Näheres zur nationalsozialistischen Vergangenheit<br />
Friedrich Be<strong>nesch</strong>s in<br />
Klaus Popa (Hrsg): “Akten um die Deutsche<br />
Volksgruppe in Rumänien 1937-1945”. Eine<br />
Auswahl. Frankfurt am Main 2005<br />
Unterwanderung<br />
1937 lebten etwa 800000 “Deutschstämmige”<br />
in Rumänien. Die Nationalsozialisten hatten<br />
das Bestreben, diese Minderheit ideologisch<br />
und organisatorisch zu unterwandern, wobei<br />
sie auf bereits vorhandene radikale Gruppierungen<br />
wie die “Deutsche Volkspartei in Rumänien”<br />
bauen konnten. Angeführt wurden<br />
diese Bestrebungen durch den von Himmler<br />
eingesetzten “Volksgruppenführer” Andreas<br />
Schmidt und seinen Helfern, die sich aus SS-<br />
Mitgliedern zusammensetzten. Die Propaganda<br />
stieß bei vielen Deutschstämmigen auf<br />
offene Ohren, weil - wie aus den zahlreichen<br />
Dokumenten des vorliegenden Buchs hervorgeht<br />
- viele sich seit langem vom “Reich”<br />
vernachlässigt fühlten und es nun genossen,<br />
ein kulturelles Füllhorn ausgeschüttet zu bekommen.<br />
Bedeutsam war aber auch von Anfang<br />
an der schlichte wirtschaftliche Aspekt.<br />
Berufliche Vorteile, Karrieren für die Kinder,<br />
lockende Rohstoffe und deren monopolartige<br />
Ausbeutung in Rumänien - das waren die<br />
Treibkräfte für Viele, sich der Nazifizierung<br />
1 Popa, S. 52<br />
anzuschliessen.<br />
9 Michael Eggert, www.egoisten.de<br />
Nationalsozialistische<br />
Scharfmacher<br />
Die teilweise geheimen Dokumente legen das<br />
geschickte Doppelspiel der SS in Rumänien<br />
offen, aber auch die breite Einbindung von<br />
harmlos erscheinenden Organisationen wie<br />
Mütter- Erholungswerken und “Bruder- und<br />
Schwesternschaften”, die 1937 teilweise noch<br />
weitgehend unter dem Einfluss protestantischer<br />
Pastoren standen und erst allmählich<br />
auf strammen nationalsozialistischen Kurs<br />
gebracht wurden.<br />
Nach 1939 gerieten manche deutschstämmigen<br />
Gruppierungen durch den aggressiven<br />
außenpolitischen Kurs des “Reichs” zunehmend<br />
unter Druck, wodurch der Wunsch nach<br />
Um- und Aussiedlung entstand, teilweise<br />
auch nach Zugehörigkeit zur SS. Aber bereits<br />
1937 finden sich öffentlich auftretende<br />
Scharfmacher wie der “Kamerad Fritz Be<strong>nesch</strong>”1<br />
, der vor Tausenden von Jugendlichen<br />
gegen das “Versagen der Bruder- und
Schwesternschaften in Siebenbürgen” hetzte,<br />
der dabei an diesem “heiligen Tag” geiferte,<br />
die Gegner sollten die Jugend doch “braten,<br />
räuchern und für den Winter vorsorgen” 2.<br />
Bei diesem “Kameraden” handelte es sich um<br />
den späteren Priester der anthroposophisch<br />
orientierten Christengemeinschaft Friedrich<br />
Be<strong>nesch</strong> 3. Diese Kameraden waren der Ansicht,<br />
dass der deutsche Idealismus in der<br />
“deutschnationalen Weltanschauung seine<br />
endgültige Prägung” gefunden habe und<br />
damit das geeignete Kampfmittel sei gegen<br />
die “materialistisch denkende Spießbürgerschaft”<br />
4. Die nationalsozialistischen Jugendorganisationen,<br />
in deren Namen Be<strong>nesch</strong><br />
sprach, organisierten ununterbrochen “Führerschulungswochen”,“Turnschulungsgruppen”<br />
und “rassenkundliche Schulungswochen”.<br />
Was unter letzterem zu verstehen war, wird<br />
aus den Zielformulierungen der Mütterberatung<br />
klar, die parallel durch Dr. Lydia Müller<br />
organisiert wurde. Die Mütter genossen zu<br />
diesem Zweck die “praktischen Anleitungen”<br />
für das “Wissen von den Erbkrankheiten und<br />
deren Schäden für unser Volk”: “Wir haben<br />
keine Tradition als die unseres Blutes”. Es<br />
wurden in dieser Phase der Unterwanderung<br />
aber auch stets unauffällige Veranstaltungen<br />
wie Heim- und Bastelabende, “Weihnachts-<br />
2 S. 52<br />
ausstellungen und “Oster-, Frühlings- und<br />
Waldfeste 5 ” organisiert.<br />
Usurpation<br />
10 Michael Eggert, www.egoisten.de<br />
In den folgenden Jahren verschärfte sich aber<br />
der Ton, denn von Seiten der Westmächte<br />
wurde dem Deutschen Reich der “Weg zu den<br />
industriellen Rohstoffen in Rumänien 6” verwehrt.<br />
Somit blieb der Propagandamaschine<br />
der Nationalsozialisten der Weg “über den totalen<br />
Einsatz der deutschen Volksgruppe” 7.<br />
Der Unternehmer Fritz Fabricius, Inhaber einer<br />
florierenden Aluminiumfabrik, forderte<br />
daher die Bewaffnung der Volksgruppe, auch<br />
3 Dies bestätigt der Autor und Herausgeber Klaus Popa auf meine Nachfrage: “ Dass Fritz und Friedrich Be<strong>nesch</strong> ein und dieselbe<br />
Person ist, versichere ich Sie, zumal es in der damaligen Zeit üblich war, bei jungen Leuten, Be<strong>nesch</strong> war ja damals jung, die Ver-<br />
kleinerungsform des Namens zu verwenden.”<br />
4 S. 53<br />
5 S. 58 ff<br />
6 S. 64<br />
7 S. 64
um “einer Zerstörung der Erdölquellen in Rumänien<br />
durch die Engländer (Agenten) 8” zuvorzukommen.<br />
Die straff organisierten “Siebenbürger<br />
Sachsen” mit ihren “führenden”<br />
deutschen Industriellen sahen sich dabei als<br />
Speerspitze von Kaufleuten, die den “jüdischen<br />
Konkurrenten seit Jahrhunderten von<br />
den deutschen Märkten” 9 abhielten.<br />
1940 war Andreas Schmidt damit beschäftigt,<br />
“etwa 1000 Volksdeutsche aus Rumänien in<br />
das Reich zu bringen, um sie bei der SS- Verfügungstruppe<br />
auszubilden”. Es handelte sich<br />
um perspektivlose “zweite und dritte Bauernsöhne”10,<br />
die keine Aussicht auf das bäuerliche<br />
Erbe hatten und damit “entbehrlich” waren.<br />
Gleichzeitig wurde der politische Druck<br />
auf die rumänische Regierung so verstärkt,<br />
dass diese den deutschstämmigen Städten in<br />
Rumänien erlaubte, “deutsche Bürgermeister<br />
(..) von sich aus zu bestimmen”11. Man ging<br />
davon aus, dass der rumänische Staat, der<br />
sich auch unter dem Einfluss “der deutschen<br />
Volksgruppe” zu einem stark autoritären System<br />
verwandelt hatte, sich bereits “politisch<br />
an das Grossdeutsche Reich angeschlossen<br />
habe”12. Gleichzeitig fanden umfangreiche<br />
Umsiedlungen einzelner deutschstämmiger<br />
Gruppen statt. Dagegen gab es in der rumänischen<br />
Bevölkerung heftige Proteste mit<br />
8 S. 69<br />
9 S. 77<br />
10 S. 87<br />
11 S. 130<br />
12 S. 131<br />
13 S. 135<br />
14 S. 135<br />
15 S. 140<br />
16 am 9.11.1940<br />
11 Michael Eggert, www.egoisten.de<br />
“Schiessereien und Tote(n).”13 Daher wurde<br />
als “Rettung aus dem Chaos” “die Ankunft<br />
deutscher Truppen” begrüsst - zumindest in<br />
den Augen der deutschstämmigen Minderheit.<br />
Damit war nun “die totale Erfassung und<br />
(..) Organisierung des Deutschtums im nationalsozialistischen<br />
Geist”14 möglich. Die gesamte<br />
deutsche Jugend in Rumänien wurde<br />
z.B. nach dem Muster der reichsdeutschen HJ<br />
organisiert. Die vom “Kameraden Fritz Be<strong>nesch</strong>”<br />
gewünschte Radikalisierung war hiermit<br />
Realität geworden.<br />
Sie war aber noch lange nicht beendet. Katholiken,<br />
Volksgenossen und Soldaten hatten,<br />
wie ein Bischof schriftlich an Hitler beklagte,<br />
von nun an eine “Sonnenwendfeier” anstelle<br />
des Weihnachtsfestes zu begehen. Rumänische<br />
Minister sagten den Faschisten die “Arisierung<br />
jüdischer Betriebe” 15 zu. Und Andreas<br />
Schmidt begründete völlig eigenmächtig<br />
die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei<br />
der deutschen Volksgruppe in Rumänien16<br />
, was selbst Himmler im fernen Berlin
verärgerte, da er die internationale Reaktion<br />
auf diesen symbolischen Akt voraussah. Die<br />
Politik der verdeckten Usurpation durch die<br />
Nationalsozialisten wurde dadurch untergraben.<br />
SS- Anwärter Be<strong>nesch</strong><br />
Friedrich Be<strong>nesch</strong> aber blieb von diesen Entwicklungen<br />
unberührt in seinen Ansichten.<br />
Nach wie vor war er, wie aus einer Meldung<br />
vom 6. 9. 1940 hervorgeht, “SS- Bewerber”17.<br />
Das widerspricht auch der bei den <strong>Egoisten</strong><br />
18 wiedergegebenen Meldung, Be<strong>nesch</strong> sei<br />
bereits 1939 in die Waffen-SS eingetreten. Offensichtlich<br />
hatte er zu diesem Zeitpunkt den<br />
Antrag hierzu gestellt- nach vehementem<br />
Engagement in der nationalsozialistischen<br />
Bewegung im Raum Halle seit dem Jahr 1931.<br />
Er hat den gesamten Prozess der schleichenden<br />
Nazifizierung im rumänischen Staat aktiv<br />
begleitet und mit gestaltet - vor allem in Bezug<br />
auf die Indoktrination der deutschstämmigen<br />
Jugend.<br />
Die “alten Griechen”<br />
Noch heute finden sich bei Google über 3500<br />
Verweise bei Eingabe von Be<strong>nesch</strong>s vollständigem<br />
Namen. Es handelt sich vor allem um<br />
Verweise und Kaufmöglichkeiten in Bezug auf<br />
17 S. 118<br />
18 http://www.egoisten.de/diskussion/be<strong>nesch</strong>/be<strong>nesch</strong>.html<br />
19 http://www.hugendubel.de/Detail.aspx?gid=41286<br />
20 http://www.flensburgerhefte.de/titel/fh5041.html<br />
12 Michael Eggert, www.egoisten.de<br />
Be<strong>nesch</strong>s Bücher. Typische Autorenhinweise<br />
lesen sich meist wie bei Hugendubel 19: “Dr.<br />
Friedrich Be<strong>nesch</strong> (1907-1991) war Theologe<br />
und Naturwissenschaftler, Priester und jahrzehntelang<br />
als Dozent und Leiter an der Freien<br />
Hochschule der Christengemeinschaft<br />
tätig.”<br />
Noch 1994 erschien bei den anthroposophischen<br />
“Flensburger Heften” ein Buch 20 ausgerechnet<br />
zum Thema “Jugendideale”, zu dem<br />
auch ein Aufsatz des inzwischen verstorbenen<br />
Be<strong>nesch</strong>s beitrug.
Bis heute schmücken sich Waldorfschulen mit<br />
Wahrspruchworten Be<strong>nesch</strong>s zur Erbauung<br />
und zur Erziehung von Kindern:<br />
“Die alten Griechen forderten für alle Menschen<br />
bis ins Alter Unterricht in zwei Fächern:<br />
Gymnastik und Musik als Übung des Leibes<br />
und Übung der Seele. Der ungeübte Leib wird<br />
schwerfällig, ungeschickt, plump; die Seele<br />
hingegen verliert ihre Vielfalt, sie vergröbert,<br />
verroht, bis sie zuletzt nur noch Genuss an<br />
den Verrichtungen des Leibes empfinden<br />
kann. Wir Erwachsene können aus Einsicht<br />
die Kinder ein wenig "schieben" auf so einen<br />
Weg, damit wir etwas bilden, was nicht von<br />
allein kommt, aber was mehr als "Spaß" machen<br />
kann. Das Geheimnis, an das wir rühren,<br />
indem wir Übende werden, ist in nachfolgenden<br />
Worten in großer Dichte zusammengefasst:<br />
• Genie ist Fleiß<br />
• Fleiß ist Lernen<br />
• Lernen ist Üben<br />
• Üben ist Wiederholen<br />
• Wiederholen ist Erkraften<br />
• Erkraften ist Befreien<br />
• Befreien ist Sich - verwandeln<br />
• Verwandeln ist:<br />
• Welt und Ziel wird eins.”<br />
Von den “alten Griechen” ist die Rede, die “alten<br />
Nazis” dagegen in Bezug auf Be<strong>nesch</strong><br />
wird weiter geschwiegen.<br />
13 Michael Eggert, www.egoisten.de