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'Gastarbeit' in der Bundesrepublik Deutschland - von Cord ...

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98 5. Resumée<br />

Die Rückkehrför<strong>der</strong>ung half den RückkehrerInnen wenig, steigerte die Rückkehrbereitschaft<br />

kaum, schürte aber die Erwartung, die Zugewan<strong>der</strong>ten würden wie<strong>der</strong> zurückkehren und verunsicherte<br />

die MigrantInnen. In <strong>der</strong> Folgezeit schürte die Asylkampagne die Polarisierung; konkrete<br />

Maßnahmen für die E<strong>in</strong>gewan<strong>der</strong>ten gab es dagegen kaum noch. Das Demokratiedefizit<br />

blieb bestehen. Die achtziger Jahre waren e<strong>in</strong> „verlorenes Jahrzehnt <strong>der</strong> Dementis und folgenlosen<br />

Ankündigungen.“ 8<br />

In e<strong>in</strong>er herrschaftskritischen Analyse war die Auslän<strong>der</strong>politik dagegen nicht so<br />

wi<strong>der</strong>sprüchlich und ziellos, son<strong>der</strong>n durchaus funktional. Um Kapital<strong>in</strong>teressen zu befriedigen<br />

und die politische Herrschaft zu legitimieren, g<strong>in</strong>g man zunächst re<strong>in</strong> ökonomisch, dann<br />

sozialtechnisch und schließlich ethnisierend mit <strong>der</strong> Migration um.<br />

Nur durch die Auslän<strong>der</strong>beschäftigung war nicht bloß <strong>der</strong> Produktions-, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong><br />

Produktivitätszuwachs <strong>der</strong> sechziger und siebziger Jahre möglich. Nur dank <strong>der</strong> ‘Gastarbeit’<br />

konnte Kapital für Automatisierung akkumuliert sowie Akkord- und Schichtarbeit ausgeweitet<br />

werden. Auslän<strong>der</strong>politik als Arbeitsmarktpolitik diente <strong>in</strong> <strong>der</strong> Boomphase den Unternehmens<strong>in</strong>teressen,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Krise <strong>der</strong> Abpufferung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit und damit <strong>der</strong> Sicherung des sozialen<br />

Friedens und des politischen Systems. In den Rezessionen 1967 und nach 1973 erfüllten<br />

die MigrantInnen ihre Rolle als flexible Reservearmee. Integration war nie das eigentliche Ziel<br />

<strong>der</strong> Politik, son<strong>der</strong>n diente lediglich dazu, die drängendsten Gefahren für den sozialen Frieden<br />

zu entschärfen.<br />

Die E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung wurde nicht etwa irrtümlich verkannt, son<strong>der</strong>n bewußt geleugnet, um die<br />

MigrantInnen <strong>in</strong> Unsicherheit zu halten und ihre Unterschichtung und Kontrollierbarkeit zu garantieren.<br />

Zugleich lenkte die Diskrim<strong>in</strong>ierung <strong>der</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit und die Erwartung ihrer Rückkehr<br />

<strong>von</strong> sozialen und Legitimationsproblemen <strong>der</strong> Aufnahmegesellschaft ab. Die Auslän<strong>der</strong>politik löste<br />

nicht mehr die realen, son<strong>der</strong>n die ideologischen Probleme <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit. Die Bevorzugung<br />

<strong>der</strong> Deutschen war moralisch fragwürdig geworden; um sie zu legitimieren, mußte stärker<br />

als bisher mit Fe<strong>in</strong>dbil<strong>der</strong>n gearbeitet werden. Seit <strong>der</strong> ‘geistig-moralischen Wende’ ethnisierte<br />

sich (nicht nur) die Auslän<strong>der</strong>politik <strong>der</strong> <strong>Bundesrepublik</strong>.<br />

Die Ethnisierung <strong>der</strong> Probleme <strong>der</strong> MigrantInnen fand auch auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite statt, wo<br />

sich die Diskussion auf die Multikulturalität zuspitzte. So wichtig e<strong>in</strong>e kulturelle Eigenständigkeit<br />

auch ist, darf sie doch nicht ablenken <strong>von</strong> den grundlegenden sozialen Problemen <strong>der</strong> entstandenen<br />

Zwei-Drittel-Gesellschaft, die die MigrantInnen zwar verstärkt, die E<strong>in</strong>heimischen aber<br />

ebenso treffen.<br />

Es konnte belegt werden, daß die faktische Nie<strong>der</strong>lassung <strong>der</strong> MigrantInnen bereits Mitte <strong>der</strong><br />

sechziger Jahre e<strong>in</strong>setzte und Anfang <strong>der</strong> achtziger Jahre weitgehend abgeschlossen war. Zugleich<br />

hielt sich aber die subjektive Rückkehrorientierung ziemlich konstant. Erklären läßt sich<br />

das folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

Die Migration war zwar ursprünglich befristet geplant gewesen, da sie dem Aufbau e<strong>in</strong>er Existenz<br />

im Heimatland dienen sollte. Doch waren <strong>der</strong> Zeitraum und das angestrebte Migrationsziel<br />

nur sehr vage def<strong>in</strong>iert. Daher gab es ke<strong>in</strong>en Punkt, an dem die MigrantInnen das Gefühl<br />

hatten, jetzt ihr Ziel erreicht zu haben. Viele kehrten zwar zurück, aber nicht aufgrund ihrer ursprünglichen<br />

Rückkehrabsicht, son<strong>der</strong>n erst dann, wenn äußere Zwänge h<strong>in</strong>zutraten. Diese<br />

Zwänge waren vor allem familiäre Erfor<strong>der</strong>nisse, Krankheit, sowie die Rezession und Auslän<strong>der</strong>fe<strong>in</strong>dlichkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>.<br />

Die RückkehrerInnen stießen auf erhebliche wirtschaftliche, soziale und kulturelle Re<strong>in</strong>tegrationsprobleme.<br />

Viele MigrantInnen erkannten schon im Urlaub, daß e<strong>in</strong>e Rückkehr ebenso<br />

schwierig würde wie die eigentliche Emigration, und verlängerten ihren Aufenthalt schrittweise.<br />

Damit wuchsen die Re<strong>in</strong>tegrationsprobleme aber noch an und schnitten den Weg zurück immer<br />

mehr ab; die MigrantInnen waren großenteils „gegen ihren Willen hängengeblieben“ 9 . Ver-

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