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'Gastarbeit' in der Bundesrepublik Deutschland - von Cord ...

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90 4.3. Funktionen <strong>der</strong> Rückkehrorientierung<br />

danklicher Ausweg aus Krisen und Identitätskonflikten, die nicht ethnisch, son<strong>der</strong>n lebenslaufbed<strong>in</strong>gt<br />

s<strong>in</strong>d. Gerade für SeniorInnen kann die wie<strong>der</strong>auflebende Rückkehrorientierung im e<strong>in</strong>e<br />

wichtige mentale Ressource se<strong>in</strong>, um den Altersprozeß zu bewältigen 61 .<br />

Für Dietzel-Papakyriakou ist die Mutter sogar die zentrale Triebkraft für e<strong>in</strong>e Rückkehr; um<br />

ihren Lebensentwurf realisieren zu können, „opponiert die Migrant<strong>in</strong> gegen alle Sozialisationse<strong>in</strong>flüsse,<br />

die mit dem Ziel <strong>der</strong> Rückkehr nicht kongruent s<strong>in</strong>d“ 62 . Beson<strong>der</strong>s bei ihren Töchtern<br />

gelänge es ihr oft, dem Sozialisations- o<strong>der</strong> Assimiliationsdruck <strong>der</strong> Aufnahmegesellschaft effektiven<br />

Wi<strong>der</strong>stand entgegenzusetzen 63 . Quantitativ äußern Frauen allerd<strong>in</strong>gs nicht mehr<br />

Rückkehrabsichten als Männer. Unterschiede fallen jedoch <strong>in</strong> Erziehungsfragen auf: Mehr Mütter<br />

als Väter wenden sich gegen e<strong>in</strong>e Heirat ihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit Deutschen 64 . Insgesamt wären nur<br />

31.5 % <strong>der</strong> Rückkehrwilligen damit e<strong>in</strong>verstanden, daß ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> Deutsche heiraten 65 .<br />

Folgen <strong>der</strong> Rückkehrorientierung<br />

Umstritten ist, ob die anhaltende Rückkehrorientierung die Integration <strong>in</strong> die Aufnahmegesellschaft<br />

för<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> h<strong>in</strong><strong>der</strong>t.<br />

Mehrlän<strong>der</strong> behauptet, die Rückkehrutopie h<strong>in</strong><strong>der</strong>e<br />

„die Auslän<strong>der</strong>, das Provisorische ihres Lebens <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Bundesrepublik</strong> <strong>Deutschland</strong> zu beenden und das Angebot <strong>von</strong><br />

deutscher Seite für Integration (z.B. Deutschkurse) <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen und For<strong>der</strong>ungen nach weiteren Integrationsmaßnahmen<br />

zu stellen“ 66 .<br />

Auch Gaitanides schreibt:<br />

„Sie werden weiterh<strong>in</strong> Fehlentscheidungen bezüglich <strong>der</strong> Beschulung und Ausbildung ihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong> fällen und – falls sie<br />

ihren Arbeitsplatz halten können – den Raubbau an ihren Kräften fortseten, da nur e<strong>in</strong>es ‘sicher’ ersche<strong>in</strong>t, nämlich die<br />

Rückkehrmöglichkeit.“ 67<br />

Dagegen me<strong>in</strong>t Korte 68 : „Rückkehrorientierung und Integration schließen sich nicht aus“, da<br />

<strong>in</strong>tegrationsför<strong>der</strong>nde Sprach- und Berufsbildungskurse für beide Län<strong>der</strong> nützlich seien. Sie zitiert<br />

e<strong>in</strong>en Vater: „Wenn K<strong>in</strong><strong>der</strong> Beruf haben, wir gehen zurück, aber ohne Beruf nicht.“ Die<br />

Rückkehrorientierung sei „de facto im Laufe <strong>der</strong> Zeit zu e<strong>in</strong>er Rückkehrdiskussion geworden –<br />

e<strong>in</strong>e Diskussion mit offenem Ausgang“, e<strong>in</strong>e Diskussion, die nicht daran h<strong>in</strong><strong>der</strong>t sich <strong>in</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> e<strong>in</strong>zurichten: „Wir leben jetzt, und wir leben hier.“ 69<br />

„Heimweh im Alltag <strong>der</strong> Hierbleibenden ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel die vage Sehnsucht nach Sonne Jugend, die fast alle Menschen<br />

erfüllt – unabhängig <strong>von</strong> ihrem persönlichen Wan<strong>der</strong>ungsschicksal. Es ist ke<strong>in</strong>e Triebfe<strong>der</strong> im Alltagshandeln.“ 70<br />

Freilich ist die Rückkehrorientierung im Leben auch e<strong>in</strong>e wichtige materielle und personelle<br />

Realität (Verwandte, Hausbesitz). Übertrieben ersche<strong>in</strong>t mir aber die Interpretation, die Rückkehrillusion<br />

sei „nicht nur handlungsrelevant, son<strong>der</strong>n vielmehr <strong>von</strong> solcher Reichweite, daß die<br />

Wirklichkeit um diese Illusion herum organisiert wird.“ 71<br />

Relevant wird die Frage vor allem für Entscheidungen über die Ausbildung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Sie<br />

wählen vor allem Berufe, die auch im Heimatland <strong>der</strong> Eltern verwendbar s<strong>in</strong>d. Dadurch ist das<br />

Spektrum <strong>der</strong> <strong>in</strong> Frage kommenden Berufe für sie wesentlich begrenzter als für die deutschen<br />

Gleichaltrigen. Auch drängen manche Eltern darauf, daß ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> schnell Geld verdienen<br />

und nicht e<strong>in</strong>e langwierige Ausbildung beg<strong>in</strong>nen, die die Rückkehr weiter verzögern würde 72 .<br />

Viele K<strong>in</strong><strong>der</strong> übernehmen diese Orientierung. An<strong>der</strong>e sehen die Eltern mit ihrer langjährigen<br />

Aufopferung für e<strong>in</strong>e ungewisse Zukunft als abschreckendes Beispiel und leben verstärkt für die<br />

Gegenwart. Auch das beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t ihre berufliche Integration. Wichtiger sche<strong>in</strong>en aber die oft fehlenden<br />

formalen Qualifikationen sowie Sprach- und Informationsdefizite. Vor allem werden ausländische<br />

Jugendliche bei <strong>der</strong> Lehrstellensuche diskrim<strong>in</strong>iert. Diese Zugangsbarrieren h<strong>in</strong><strong>der</strong>n

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