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'Gastarbeit' in der Bundesrepublik Deutschland - von Cord ...

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1. E<strong>in</strong>leitung 9<br />

Der E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsprozeß ist erst abgeschlossen, wenn die Rückkehrorientierung zur Bleibesicherheit<br />

geworden ist. Daran läßt sich – wenigstens analytisch – die E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung <strong>von</strong> <strong>der</strong><br />

‘Gastarbeit’ unterscheiden; ob das auch empirisch möglich ist, soll im Kapitel 4 geprüft werden<br />

12 .<br />

Nicht notwendig für e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung ist die Assimilation. Zwar werden diese Begriffe häufig,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> konservativ-nationalen Wunschvorstellungen, gleichgesetzt. Aber auch<br />

manche ForscherInnen schreiben <strong>von</strong> ‘E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung’, wenn sie über das Verhältnis <strong>von</strong> Mehrheit<br />

und – selbst vor Jahrzehnten e<strong>in</strong>gewan<strong>der</strong>ter – M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit schreiben. So sieht Bade, auch<br />

wenn er das nicht deutlich formuliert, ‘E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung’ offenbar als Alternative zu ‘Multikulturalismus’,<br />

also als Assimilation 13 .<br />

Ich möchte den Begriff dagegen <strong>in</strong>haltlich und zeitlich e<strong>in</strong>grenzen: Nach me<strong>in</strong>em Verständnis<br />

ist die E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>er Gruppe mit <strong>der</strong>en Nie<strong>der</strong>lassung und Bleibeorientierung abgeschlossen.<br />

Schon mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>reise beg<strong>in</strong>nen Prozesse <strong>der</strong> Integration und Diskrim<strong>in</strong>ierung, <strong>der</strong><br />

Assimilation und Segmentation; diese können sich jedoch – etwa bei den Schwarzen <strong>in</strong> den<br />

USA – weit über die eigentliche Nie<strong>der</strong>lassung h<strong>in</strong>aus erstrecken. Nach <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassung geht<br />

es um das Zusammenleben <strong>von</strong> und mit M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten, nicht mehr um E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung. Von E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>Innen<br />

<strong>der</strong> zweiten und dritten Generation zu sprechen, ersche<strong>in</strong>t dann uns<strong>in</strong>nig, wenn<br />

die K<strong>in</strong><strong>der</strong> nicht mehr selbst e<strong>in</strong>gewan<strong>der</strong>t s<strong>in</strong>d. Denn solche bereits im Aufnahmeland Geborenen<br />

und Aufgewachsenen „wan<strong>der</strong>n allenfalls im Urlaub“ 14 .<br />

Zu betonen ist noch, daß solche Prozesse nie irreversibel s<strong>in</strong>d. Die ‘Rückkehr’ <strong>der</strong> Rußlanddeutschen<br />

als AussiedlerInnen zeigt, daß E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>Innen o<strong>der</strong> dessen Nachkommen wie<strong>der</strong><br />

weiter- o<strong>der</strong> zurückwan<strong>der</strong>n können, selbst wenn sie sich längst nie<strong>der</strong>gelassen hatten.<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten bilden sich nicht nur, aber vor allem bei mangeln<strong>der</strong> Integration. Obwohl sie<br />

Ausdruck <strong>von</strong> Segmentation s<strong>in</strong>d, hat sich gezeigt, daß sie als wichtige Schleuse für e<strong>in</strong>e Assimilation<br />

dienen. Die hohe Stabilität <strong>von</strong> M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten führt allerd<strong>in</strong>gs als Folge <strong>von</strong> E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsprozessen<br />

eher zu e<strong>in</strong>er multikulturellen Gesellschaft als zum mythisierten Schmelztiegel.<br />

Laut Hoffmann-Nowotny richtet sich<br />

„das Maß <strong>der</strong> Integration nach dem Grad <strong>der</strong> Teilhabe an gesellschaftlichen Werten (z.B. berufliche Stellung, E<strong>in</strong>kommen)<br />

und E<strong>in</strong>richtungen (z.B. Gewerkschaften und Vere<strong>in</strong>en), das Maß <strong>der</strong> Assimilation nach dem Grad <strong>der</strong> Teilhabe an<br />

Kulturelementen (Sprache, Werte, Normen)“ 15 .<br />

Die E<strong>in</strong>gewan<strong>der</strong>ten können im Prozeßverlauf vollständig <strong>in</strong>tegriert, aber auch anhaltend diskrim<strong>in</strong>iert<br />

werden, mit <strong>der</strong> Folge ethnosozialer Konflikte. Nach mehreren Generationen kann e<strong>in</strong>e<br />

Assimilation, aber auch e<strong>in</strong>e fortbestehende o<strong>der</strong> wachsende Segmentation erfolgt se<strong>in</strong> 16 .<br />

Statt wie viele deutsche PolitikerInnen und ForscherInnen ‘Anpassungsbereitschaft’ <strong>der</strong><br />

‘Gastarbeiter’ zu for<strong>der</strong>n und ‘Integrationsfähigkeit’ zu untersuchen, stellt Hoffmann-Nowotny<br />

fest, daß die „Assimilationsbereitschaft und Assimilation <strong>der</strong> Gastarbeiter primär e<strong>in</strong>e Funktion<br />

<strong>der</strong> Integrationsbereitschaft des aufnehmenden Landes“ s<strong>in</strong>d 17 .<br />

Das verweist darauf, daß nicht nur die MigrantInnen, son<strong>der</strong>n auch ihr Aufnahmeland mit ihrer<br />

Nie<strong>der</strong>lassung e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsprozeß durchläuft, dessen gewissermaßen ‘subjektive’<br />

Seite eben diese Integrationsbereitschaft ist.<br />

Die Gesellschaft des Aufnahmelandes kann die faktische Nie<strong>der</strong>lassung erkennen o<strong>der</strong> sie<br />

nicht wahrnehmen; wenn sie sie erkennt, kann sie verschieden darauf reagieren:<br />

– E<strong>in</strong>e Politik <strong>der</strong> Abschottung richtete sich zwar eigentlich gegen e<strong>in</strong>e neue Zuwan<strong>der</strong>ung, beträfe<br />

aber massiv auch die schon Nie<strong>der</strong>gelassenen. Sie könnte sich auf den Arbeitsmarkt<br />

o<strong>der</strong> die E<strong>in</strong>reise konzentrieren.<br />

– Assimilationsdruck und M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenpolitik wären zwei Varianten <strong>von</strong> Integrationsbemühungen.<br />

– Der dritte Weg wäre <strong>der</strong> Versuch, die Nie<strong>der</strong>lassung rückgängig zu machen o<strong>der</strong> zu leugnen;<br />

er würde auf Rückkehrpolitik o<strong>der</strong> Erhalt des Migrationsprovisoriums setzen.

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