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'Gastarbeit' in der Bundesrepublik Deutschland - von Cord ...

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80 4.2. Aufschieben <strong>der</strong> Rückkehr<br />

Nach e<strong>in</strong>er Studie <strong>von</strong> 1990 155 s<strong>in</strong>d nur fünf <strong>von</strong> 64 TürkInnen entschlossen, den Lebensabend<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei zu verbr<strong>in</strong>gen; e<strong>in</strong> Drittel plant das, wenn die K<strong>in</strong><strong>der</strong> mitkommen. Nur 45 %<br />

halten ihre Investitionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei noch für s<strong>in</strong>nvoll. Für die meisten leben die Personen, die<br />

sie im Alter versorgen würden, <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. Obwohl immerh<strong>in</strong> 43.6 % nicht ausschließen,<br />

wenn nötig <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Altersheim zu gehen, bleibt die Familie dennoch die Hauptstütze im Alter. Die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> werden zum wichtigsten Bleibemotiv:<br />

„Wenn ich nach Italien gehe, da ist vielleicht mehr Sonne, aber die K<strong>in</strong><strong>der</strong> habe ich nicht mehr. Bevor ich an<strong>der</strong>n K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

zugucke, stehe ich lieber e<strong>in</strong> bißchen an <strong>der</strong> Heizung und gucke me<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu, denen ich vielleicht e<strong>in</strong>en Rat<br />

geben o<strong>der</strong> helfen kann.“ 156<br />

Noch 1985 schienen sich dagegen viele MigrantInnen mit e<strong>in</strong>er Trennung <strong>von</strong> ihren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

abgefunden zu haben – nur wenige Ältere machten e<strong>in</strong>e Rückkehr noch da<strong>von</strong> abhängig, daß<br />

die Familie mitkomme 157 . Dar<strong>in</strong> lag wohl weniger e<strong>in</strong>e „strategy of ‘one foot <strong>in</strong> Germany’“ 158 , als<br />

vielmehr e<strong>in</strong>e tragische Zerrissenheit als Folge <strong>der</strong> Migration. Daneben tritt ferner die schlechtere<br />

materielle und mediz<strong>in</strong>ische Versorgung <strong>in</strong> den Herkunftslän<strong>der</strong>n; an<strong>der</strong>erseits deckt die karge<br />

Rente oft nicht die höheren Lebenshaltungskosten <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>.<br />

Als Ausweg aus diesem Dilemma schwebt vielen Älteren vor, zwischen Herkunftsland und<br />

Lebensmittelpunkt h<strong>in</strong>- und herzupendeln. Mehrere InterviewpartnerInnen <strong>der</strong> Geschichtswerkstatt<br />

praktizieren das bereits. Auch <strong>in</strong> Frankreich und den Nie<strong>der</strong>landen nutzen e<strong>in</strong>gewan<strong>der</strong>te<br />

SeniorInnen dazu die bequeme und preisgünstige Flugreise. Erschwerend wirkt <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

aber noch immer das Aufenthaltsrecht, das den Auslandsaufenthalt auf sechs Monate begrenzt.<br />

E<strong>in</strong>en Ausweg könnte hier – über die <strong>in</strong>s neue Auslän<strong>der</strong>gesetz aufgenommene Wie<strong>der</strong>kehroption<br />

h<strong>in</strong>aus – e<strong>in</strong> Recht auf Freizügigkeit für RentnerInnen schaffen 159 . Es sche<strong>in</strong>t, als<br />

wenn für viele ältere MigrantInnen auch die letzte Rückkehrchance allmählich verstreicht. Die<br />

def<strong>in</strong>itiv geplante Remigration wird nur noch e<strong>in</strong>e halbe Rückkehr, e<strong>in</strong> Pendeln, solange die<br />

Gesundheit es erlaubt. So bleibt ihnen nur die allerletzte Rückkehr: Gestorbene MigrantInnen<br />

werden fast immer im Herkunftsland bestattet.<br />

1 Ital. 92 %, Span. 82 %, Griech. 68 %, Jugosl. 52 %, Türk. 30 %. Nach Bischoff/Teubner 1991, 26f. Böttger 1991, 41ff. errechnete<br />

für GriechInnen 1960-1987 80 %.<br />

2 Böhn<strong>in</strong>g, nach Bischoff/Teubner 1991, 26f. Böttger 1991, 41ff. nennt dies „Rückkehrhäufigkeit“. Hoffmann-Nowotny<br />

1973, 41 und Breitenbach 1982, 35 verwenden dagegen „Rotations<strong>in</strong>dices“, die die jährliche Rückwan<strong>der</strong>ung zur<br />

jährlichen Zuwan<strong>der</strong>ung <strong>in</strong>s Verhältnis setzen. Um die Verwirrung komplett zu machen: Bei Cerase 1966-67 und<br />

an<strong>der</strong>norts wird dies wie<strong>der</strong>um als Rückkehrrate bezeichnet.<br />

3 Zahlengrundlage bei Booth 1992, 159, 222, ergänzt durch neuere Zahlen aus den Stat. Jahrbüchern. 1962 - 66 ke<strong>in</strong>e Bevölkerungsfortschreibung.<br />

4 Nach korrigierten Zahlen aufgrund Tab. 2 bei Dietz <strong>in</strong> Hönekopp 1987, 132. Vgl. a. Erfahrungsbericht 1972/3, 5.<br />

5 Nach korrigierten Zahlen aufgrund Tab. 2 bei Dietz <strong>in</strong> Hönekopp 1987, 132.<br />

6 Tab. bei Thon <strong>in</strong> Hönekopp 1987, 32.<br />

7 Dietzel-Papakyriakou 1993, 14.<br />

8 Bade 1992, 395f.<br />

9 Und für Tunesier. Hönekopp 1987, 296.<br />

10 Statt angeblicher 300 000 berechnet Hönekopp 1987, 299, 312, 45 000 Rückkehrer aufgrund des Gesetzes.<br />

11 Archdeacon 1983, 115f., 137f. Monticelli 1967.<br />

12 Berrocal <strong>in</strong> Kubat 1984, 22. Zur wirtschaftl. Entwicklung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> s. Kap. 4.2.<br />

13 Sousa Ferreira und Leite Pereira <strong>in</strong> Kubat 1984, 27.<br />

14 Fakiolas <strong>in</strong> Kubat 1984, 39.<br />

15 So Berrocal <strong>in</strong> Kubat 1984, 22.<br />

16 Coelho 1989, 189.<br />

17 Nach Riepl 1984.<br />

18 Bei Italoamerikanern gab es „two peaks of return: the first after about 6 - 10 years and the second after 30 years or<br />

more“: Cerase 1967, 70. In Griechenland 11.4 Jahre: Unger 1983, 167. Ähnlich Böttger 1991. In <strong>der</strong> Türkei: 5.5 Jahre:<br />

Gitmez <strong>in</strong> Kubat 1984, 115.<br />

19 Rogers 1984, 291.<br />

20 Kallweit/Kudat 1976, 42.<br />

21 Nicht nur, aber überwiegend aus <strong>Deutschland</strong>. Schierup 1990, 122.<br />

22 Kallweit/Kudat 1976, 42.<br />

23 Unger 1983, 186ff. und 340.<br />

24 Ähnlich die 1978 <strong>in</strong> Nürnberg befragten Türken bei Bostanci 1982, 61.

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