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'Gastarbeit' in der Bundesrepublik Deutschland - von Cord ...

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4.2. Aufschieben <strong>der</strong> Rückkehr 77<br />

nicht unzufriedener gewesen se<strong>in</strong> als 1971; die Fragen <strong>der</strong> Familie und <strong>der</strong> Re<strong>in</strong>tegration hatten<br />

aber relativ an E<strong>in</strong>fluß gewonnen. Wer länger blieb, folgte eher diesen Zwängen, weniger<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Vorliebe. Das prägte die Lebenssituation und das Selbstverständnis <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>Innen<br />

wi<strong>der</strong> Willen.<br />

Leben im dauerhaften Provisorium<br />

„Man kommt hierher, arbeitet, wartet. Man sagt sich: ‘Ich möchte noch drei Jahre arbeiten, noch zwei Jahre arbeiten, ich<br />

möchte noch etwas mehr verdienen, ich möchte noch e<strong>in</strong>e Million (Lira) mehr nach Hause br<strong>in</strong>gen... Dann vergeht die<br />

Zeit. Der Zeitpunkt,zu dem man <strong>in</strong> die Türkei zurückkehren konnte, verstreicht, das Alter verstreicht. In diesem Fall vertraut<br />

man sich selbst nicht. Man sagt sich: ‘Was könnte ich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei machen, ich könnte nichts machen.’ Alle Hoffnungen<br />

werden zerstört.“ 128<br />

Die laufende ungeplante Verlängerung des Aufenthalts machte das Leben <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> zu<br />

e<strong>in</strong>em „dauerhaften Provisorium“ 129 . Anstatt dem Ziel <strong>der</strong> Rückkehr näher zu kommen, schien<br />

es stets gleich weit entfernt zu bleiben; <strong>der</strong> Zeithorizont verschwamm immer mehr. Zentrale<br />

Bedeutung haben dabei die Probleme <strong>der</strong> Familie, <strong>der</strong> äußeren Unsicherheit und des Alterns.<br />

Die Familie war e<strong>in</strong> entscheidendes Motiv für die ursprüngliche Migration, für die (geplante<br />

o<strong>der</strong> versuchte) Rückkehr und für den längeren o<strong>der</strong> endgültigen Verbleib <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>.<br />

Wenn das Migrationsprojekt länger dauert als geplant, entstehen <strong>in</strong> verschiedenen Lebensaltern<br />

verschiedene Familienkonstellationen mit ihren jeweiligen Erfor<strong>der</strong>nissen. Wenn die wirtschaftlichen<br />

Erfor<strong>der</strong>nisse des Migrationsprojekts mit den sozialen Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Familie,<br />

d.h. des eigentlichen Lebensprojektes <strong>in</strong> Konflikt treten, reißen existentielle Wi<strong>der</strong>sprüche zwischen<br />

Mittel und Ziel <strong>der</strong> Migration auf. Die Migrationssituation wird e<strong>in</strong> „Feld <strong>in</strong>nerer Wi<strong>der</strong>sprüche“<br />

130 .

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