'Gastarbeit' in der Bundesrepublik Deutschland - von Cord ...
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1. E<strong>in</strong>leitung 7<br />
O<strong>der</strong> kann e<strong>in</strong> Rotationspr<strong>in</strong>zip <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er komplexen Industriegesellschaft gar nicht funktionieren?<br />
Gab es nur die Alternative zwischen Abschottung und E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung?<br />
Wurde die Nie<strong>der</strong>lassung nicht wahrgenommen o<strong>der</strong> bewußt geleugnet? Welche Interessen<br />
wurden mit dieser Nicht-E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungspolitik verfolgt?<br />
Welche Folgen hatte dies für MigrantInnen und Aufnahmeland?<br />
Warum sich die Bleibeorientierung bei den MigrantInnen gegenüber <strong>der</strong> faktischen Nie<strong>der</strong>lassung<br />
verzögerte, ist Thema <strong>von</strong> Kapitel 4.<br />
Warum wollten die MigrantInnen ursprünglich zurückkehren?<br />
Warum s<strong>in</strong>d viele hiergeblieben? Wollten o<strong>der</strong> konnten sie ihre ursprüngliche Absicht nicht<br />
mehr verwirklichen?<br />
Werden noch viele MigrantInnen ihre Rückkehrabsicht umsetzen? O<strong>der</strong> ist aus <strong>der</strong> Rückkehrabsicht<br />
e<strong>in</strong>e Rückkehrillusion geworden?<br />
Weshalb hielten so viele an ihrer Rückkehrorientierung fest? Wie handlungsleitend ist sie<br />
noch, welche Folgen hat sie <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für die K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen?<br />
Ist <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsprozeß trotz anhalten<strong>der</strong> Rückkehrorientierung abgeschlossen? In<br />
welchem Verhältnis stehen Rückkehrorientierung, Bleibeorientierung, Selbstverständnis als E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>Innen<br />
und ethnische Identität?<br />
Welcher Zusammenhang besteht zwischen <strong>der</strong> deutschen Nichte<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungspolitik und<br />
<strong>der</strong> anhaltenden Rückkehrorientierung bei den MigrantInnen? Ist diese Verzögerung e<strong>in</strong>e typische<br />
Phase jedes Migrationsprozesses o<strong>der</strong> spezifisch für <strong>Deutschland</strong>?<br />
Der E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsprozeß — Begriffe<br />
Wie schwer man sich <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> mit dem E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsprozeß tat, spiegelt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Suche nach e<strong>in</strong>em passenden Begriff dafür. 1972 veranstaltete <strong>der</strong> WDR dazu sogar e<strong>in</strong> Preisausschreiben,<br />
das zahlreiche, zum Teil skurrile Vorschläge wie „Eurobrü<strong>der</strong>“ o<strong>der</strong> „Zeitkollege<br />
Süd“ ergab 4 . Der offizielle Begriff ‘ausländische Arbeitnehmer’ ignorierte Hausfrauen, K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
und Selbständige. Am bekanntesten - auch <strong>in</strong> Fremdsprachen - war <strong>der</strong> ‘Gastarbeiter’. Er klang<br />
freundlicher als <strong>der</strong> ‘Fremdarbeiter’ des Nationalsozialismus und drückte doch die Erwartung<br />
aus, <strong>der</strong> ‘Gast’ möge bald wie<strong>der</strong> gehen. ‘Ausländische Mitbürger’ s<strong>in</strong>d gerade die, denen wesentliche<br />
Bürgerrechte vorenthalten werden. Die Wissenschaft spricht meist neutral <strong>von</strong> MigrantInnen,<br />
verwendet aber an<strong>der</strong>e Begriffe wie Assimilation und Integration, E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung und<br />
Nie<strong>der</strong>lassung une<strong>in</strong>heitlich und oft ohne klare Def<strong>in</strong>ition. Daher möchte ich zunächst me<strong>in</strong>e<br />
zentralen Begriffe präzisieren.<br />
Zur E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung gehören drei Elemente: die E<strong>in</strong>reise, die Nie<strong>der</strong>lassung und die Bleibeorientierung.<br />
Diese Elemente geschehen meistens nicht gleichzeitig. Daher beschreibt ‘E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung’<br />
nicht die punktuelle Handlung des Grenzübertritts o<strong>der</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>bürgerung, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en<br />
allmählichen Ablauf <strong>von</strong> ökonomischen, sozialen, kulturellen und psychischen Wandlungen,<br />
die sich über längere Zeit erstrecken. Dieses Verständnis <strong>von</strong> E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung als „<strong>in</strong>tergenerativem<br />
Sozial- und Kulturprozeß“ 5 wurde <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> vor allem <strong>von</strong> Heckmann entwickelt<br />
und <strong>in</strong>zwischen weith<strong>in</strong> übernommen 6 .<br />
Klar ist, daß e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung erst mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>reise, mit dem Zuzug <strong>von</strong> ‘PioniermigrantInnen’<br />
beg<strong>in</strong>nen kann.<br />
Von e<strong>in</strong>em bloßen Ferien-, Saison- o<strong>der</strong> eben auch ‘Gastarbeits’-Aufenthalt unterscheidet<br />
sich e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung durch die Nie<strong>der</strong>lassung. Der Begriff ‘E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung’ zielt auf e<strong>in</strong>en<br />
nicht nur vorübergehenden, son<strong>der</strong>n dauerhaften Zuzug und Aufenthalt im Zielland.<br />
Mit <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassung verfestigen sich Aufenthalt und E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung; <strong>der</strong> Lebensmittelpunkt<br />
verlagert sich <strong>in</strong> das Aufnahmeland. Dabei verstehe ich ‘Nie<strong>der</strong>lassung’ als e<strong>in</strong>en ‘objektiven’<br />
Prozeß <strong>von</strong> konkreten, vor allem sozioökonomischen Verän<strong>der</strong>ungen, die sich statistisch messen<br />
lassen. Da<strong>von</strong> will ich analytisch das Selbstverständnis <strong>der</strong> MigrantInnen trennen, das sich