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'Gastarbeit' in der Bundesrepublik Deutschland - von Cord ...

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4.1. Migration auf Zeit 53<br />

Wan<strong>der</strong>ungstraditionen<br />

Aus allen Herkunftslän<strong>der</strong>n – außer <strong>der</strong> Türkei – waren schon lange Menschen ausgewan<strong>der</strong>t,<br />

vor allem um die Jahrhun<strong>der</strong>twende und bis zum Ersten Weltkrieg. Ziellän<strong>der</strong> waren <strong>in</strong><br />

erster L<strong>in</strong>ie Nord- und Südamerika, teilweise aber auch schon Mitteleuropa 20 . Die E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungskont<strong>in</strong>gente<br />

v.a. <strong>der</strong> USA waren aber schon nach dem Ersten Weltkrieg bzw. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weltwirtschaftskrise<br />

drastisch gesenkt worden und blieben bis heute auf dem niedrigen Niveau <strong>der</strong><br />

Zwischenkriegszeit. Da <strong>in</strong> den Fünfzigern jede Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> US-E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsquoten sofort<br />

auf die Migrationsstatistik durchschlug 21 , wären offensichtlich weiterh<strong>in</strong> mehr Menschen<br />

nach Übersee gegangen, wenn sie dort Aufnahme gefunden hätten. Das Tor zur Neuen Welt<br />

blieb bis auf e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>e Spalt geschlossen 22 .<br />

Auch die Überseewan<strong>der</strong>ung war nicht immer so def<strong>in</strong>itiv wie geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> angenommen: Die<br />

italienische Rückwan<strong>der</strong>ung aus den USA machte nach <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>twende 45 % <strong>der</strong> Auswan<strong>der</strong>ung<br />

aus 23 . Erst mit <strong>der</strong> <strong>in</strong>nereuropäischen Wan<strong>der</strong>ungsalternative sank diese Quote <strong>in</strong><br />

den fünfziger Jahren 24 ; möglicherweise g<strong>in</strong>gen nun nur noch die def<strong>in</strong>itiv Entschlossenen über<br />

den großen Teich. Die überseeische Remigration sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> Italien am stärksten – und am besten<br />

erforscht 25 – zu se<strong>in</strong>, so daß hier schon e<strong>in</strong>e Art Tradition <strong>der</strong> Rotation bestand 26 .<br />

Nun eröffnete die staatliche Anwerbung und Vermittlung nach <strong>Deutschland</strong> e<strong>in</strong>en neuen Migrationsweg,<br />

<strong>der</strong> zudem billiger und sicherer war, da die Reisekosten weitgehend gezahlt wurden<br />

und Arbeitsvertrag und Wohnmöglichkeit garantiert waren. Insofern war das Risiko viel ger<strong>in</strong>ger;<br />

man konnte es e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>mal ‘probieren’, ohne alle Brücken h<strong>in</strong>ter sich abzubrechen 27 .<br />

Die temporäre Emigration war damit e<strong>in</strong>e neue Chance mit ger<strong>in</strong>geren (f<strong>in</strong>anziellen, sozialen<br />

und psychischen) Kosten als die traditionelle Dauerauswan<strong>der</strong>ung. Vielleicht wollten viele MigrantInnen<br />

aber auch endgültig weg, mußten sich jedoch mangels Alternative auf die <strong>von</strong> den<br />

deutschen Regelungen vorgegebene Befristung e<strong>in</strong>lassen.<br />

Wirtschaftliche Gründe<br />

Die meisten Menschen wan<strong>der</strong>ten aus wirtschaftlichen Gründen aus: Die im Vergleich ungeheuren<br />

Löhne <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ferne versprachen <strong>der</strong> Familie den e<strong>in</strong>zigen Ausweg aus <strong>der</strong> zuhause unüberw<strong>in</strong>dlichen<br />

Armut, Unterbeschäftigung und Ausbeutung.<br />

Alle Umfragen ergaben als e<strong>in</strong>deutig wichtigstes Motiv (über 50 %), daß das E<strong>in</strong>kommen<br />

nicht ausreichte und <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> mehr Geld zu verdienen sei 28 . Nur wenige MigrantInnen<br />

hatten aber e<strong>in</strong> konkretes Sparziel vor Augen.<br />

Nur etwa 20 % nannten Arbeitslosigkeit als Auswan<strong>der</strong>ungsgrund 29 . Wenige MigrantInnen<br />

waren arbeitslos gewesen, viele jedoch unterbeschäftigt. E<strong>in</strong> türkischer Kle<strong>in</strong>bauer: „Im Jahr haben<br />

wir drei bis vier Monate gearbeitet, die übrige Zeit saßen wir wie die Hühner auf <strong>der</strong> Stange.“<br />

30 Schon manche ihrer Väter hatten sich auf den weiten Weg <strong>in</strong> die Stadt gemacht, um Arbeit<br />

zu suchen.<br />

Nun aber schienen schon wenige Jahre Trennung und Arbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fremde zu genügen, um<br />

e<strong>in</strong> Geschäft o<strong>der</strong> Grundstück <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt zu kaufen und e<strong>in</strong>e geachtete Existenz für sich und<br />

se<strong>in</strong>e Familie aufzubauen. Ohne jegliche Sozialversicherung ist Grundbesitz die wichtigste Da-

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