'Gastarbeit' in der Bundesrepublik Deutschland - von Cord ...
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44 3.2. Auslän<strong>der</strong>politik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassungsphase<br />
„Auch die Diskussionen über Reizthemen wie ‘E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsland’ o<strong>der</strong> ‘multikulturelle Gesellschaft’ s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>eswegs<br />
geeignet, die Akzeptanz <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung zu erhöhen (...). Sie br<strong>in</strong>gen <strong>in</strong>haltlich überhaupt nichts und s<strong>in</strong>d<br />
<strong>in</strong>tegrationspoltisch kontraproduktiv.“ 114<br />
Damit entfernten sich die debattierten Konzepte zunehmend <strong>von</strong> den Erfor<strong>der</strong>nissen <strong>der</strong> realen<br />
E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungssituation.<br />
Gegen diese Interpretation <strong>der</strong> bundesdeutschen Auslän<strong>der</strong>politik als „a ‘muddl<strong>in</strong>g through’<br />
policy of crisis management, lack<strong>in</strong>g consistent plann<strong>in</strong>g“ 115 , läßt sich jedoch e<strong>in</strong>wenden, daß<br />
es durchaus e<strong>in</strong>e durchgängige Zielsetzung gab. Durch e<strong>in</strong>e Bekämpfung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
auf Kosten <strong>der</strong> MigrantInnen sollte <strong>der</strong> soziale Frieden gesichert und damit die Legitimation des<br />
Systems stabilisiert werden. Integration war <strong>in</strong> diesem Rahmen nur so weit nötig, wie dieser soziale<br />
Frieden bedroht schien – etwa wenn zuviele ausländische Jugendlichen arbeitslos wurden.<br />
Trotz <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassungsersche<strong>in</strong>ungen erfüllten die MigrantInnen ihre Rolle als <strong>in</strong>dustrielle<br />
Reservearmee.<br />
Dieses Stabilisierungsziel wurde <strong>in</strong> den siebziger Jahren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat erreicht. So konnte das<br />
Arbeitsm<strong>in</strong>isterium 1982 befriedigt feststellen:<br />
„Seit dem Anwerbestopp 1973 hat die Zahl <strong>der</strong> beschäftigten Auslän<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Bundesrepublik</strong> um über 600 000 abgenommen.<br />
Diese Entwicklung hat den deutschen Arbeitsmarkt spürbar entlastet und mit dazu beigetragen, daß die <strong>Bundesrepublik</strong><br />
<strong>von</strong> großen sozialen und wirtschaftlichen Konflikten verschont geblieben ist.“ 116<br />
In den achtziger Jahren verr<strong>in</strong>gerten sich allerd<strong>in</strong>gs die politischen Steuerungsmöglichkeiten,<br />
da die ausländischen ArbeitnehmerInnen e<strong>in</strong>en sichereren Status gewonnen hatten und immer<br />
weniger ersetzbar waren. Das war den meisten PolitikerInnen wohl durchaus bewußt; unter <strong>der</strong><br />
Hand wurde die E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungssituation auch <strong>von</strong> konservativer Seite zugegeben.<br />
Die auslän<strong>der</strong>politischen Maßnahmen dienten nun weniger <strong>der</strong> realen Gestaltung wirtschaftlicher<br />
und gesellschaftlicher Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, als vielmehr ideologischen und parteipolitischen<br />
Zielen. Gerade das Rückkehrför<strong>der</strong>ungsgesetz sollte Handlungsfähigkeit demonstrieren,<br />
nicht unbed<strong>in</strong>gt tatsächlich Rückkehr för<strong>der</strong>n. Die ger<strong>in</strong>gen Realisierungschancen und die<br />
schlechten Erfahrungen <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n waren bekannt.<br />
Bommes und Scherr analysieren die Wandlung „vom sozialtechnischen zum ethnisierenden<br />
Umgang mit Migration“ 117 :<br />
„Das sozialdemokratische Politikmodell <strong>der</strong> Steuerbarkeit <strong>der</strong> sozialen Verhältnisse behandelt die Auslän<strong>der</strong>frage nicht<br />
so sehr als ideologisches Problem, son<strong>der</strong>n als e<strong>in</strong>e sich anbietende technische Möglichkeit <strong>der</strong> Regelung <strong>von</strong> Arbeitsmarktproblemen.“<br />
Daher hatte die Auslän<strong>der</strong>politik <strong>in</strong> den siebziger Jahren auch<br />
„wenig Drang zur Öffentlichkeit. (...) Die ideologischen und ethnisierenden Darstellungen des sogenannten Auslän<strong>der</strong>problems<br />
aber gew<strong>in</strong>nen dann an Brisanz, als das Potential sozialtechnischer Lösungsversuche <strong>der</strong> Arbeitsmarktprobleme<br />
durch Auslän<strong>der</strong>diskrim<strong>in</strong>ierung zu großen Teilen erschöpft ist.“<br />
Ähnlich argumentiert Dohse:<br />
„Wenn sich durch Auslän<strong>der</strong>verdrängung das Problem <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit auch nicht annähernd lösen läßt, so<br />
ist auch die Kampagne zur Auslän<strong>der</strong>verdrängung an<strong>der</strong>s zu <strong>in</strong>terpretieren: Sie stellt ke<strong>in</strong>e Lösung <strong>der</strong> realen, son<strong>der</strong>n<br />
hauptsächlich e<strong>in</strong>en Versuch <strong>der</strong> Lösung <strong>der</strong> ideologischen Probleme <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit dar(...). Insofern steht<br />
die Kampagne zur Auslän<strong>der</strong>verdrängung im unmittelbaren Zusammenhang mit <strong>der</strong> Opposition <strong>der</strong> gleichen Kräfte gegen<br />
e<strong>in</strong>e entscheidende Verkürzung <strong>der</strong> Arbeitszeit. Die Gesellschaft <strong>der</strong> <strong>Bundesrepublik</strong> steht gegenwärtig vor <strong>der</strong><br />
grundsätzlichen Alternative, entwe<strong>der</strong> die Arbeitszeit <strong>in</strong>sgesamt zu verkürzen und damit jedem E<strong>in</strong>zelnen mehr Freizeit<br />
zu verschaffen, o<strong>der</strong> aber diese arbeitsfreie Zeit den Problemgruppen des Arbeitsmarktes – den Frauen, älteren Arbeitnehmern,<br />
Jugendlichen und ausländischen Arbeitnehmern – <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Arbeitslosigkeit aufzubürden. E<strong>in</strong>e Politik <strong>der</strong><br />
Arbeitszeitverkürzung mit e<strong>in</strong>er Umverteilung des knappen Arbeitsvolumens ist dann nicht nur als Entspannung <strong>der</strong> Arbeitsmarktlage<br />
zu begreifen, Arbeitszeitverkürzung würde auch zur Entschärfung e<strong>in</strong>er unfruchtbaren ethnischen Polarisierung<br />
mit erheblichen Konsequenzen für die ideologischen Machtverhältnisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Bundesrepublik</strong> <strong>in</strong>sgesamt beitragen.“<br />
118<br />
Dieser Weg wurde aber nicht e<strong>in</strong>geschlagen; beson<strong>der</strong>s die CDU/CSU setzte gerade auf diese<br />
Polarisierung. So avancierte die Auslän<strong>der</strong>beschäftigung, über die <strong>in</strong> den sechziger Jahren<br />
Konsens geherrscht hatte, die <strong>in</strong> den siebziger Jahren allmählich als Problem gesehen wurde,<br />
<strong>in</strong> den achtziger Jahren zu e<strong>in</strong>em zentralen Wahlkampfthema.