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'Gastarbeit' in der Bundesrepublik Deutschland - von Cord ...

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38 3.2. Auslän<strong>der</strong>politik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassungsphase<br />

Auslän<strong>der</strong>politik 45 . Tatsächlich war die Regelung aber nicht direkt auslän<strong>der</strong>-, son<strong>der</strong>n familienpolitisch<br />

motiviert; zudem sche<strong>in</strong>t mir ihr E<strong>in</strong>fluß angesichts <strong>der</strong> existentiellen familiären Probleme<br />

<strong>der</strong> MigrantInnen eher zweitrangig (s. Kapitel 4.2).<br />

Die Integration sollte nicht nur partiell, son<strong>der</strong>n auch temporär bleiben, lediglich e<strong>in</strong>e ‘Integration<br />

auf Zeit’ se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>erseits sollte die Rückkehrbereitschaft geför<strong>der</strong>t werden, an<strong>der</strong>erseits<br />

„alles getan werden, um den ausländischen Arbeitnehmern für die Dauer ihres Aufenthaltes menschenwürdige Lebensverhältnisse<br />

zu bieten“ 46 .<br />

Diese Konzept entsprach dem Doppelziel, e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n und den sozialen<br />

Frieden zu sichern. Zugleich berücksichtigte es die Umfrageergebnisse, nach denen die<br />

meisten MigrantInnen noch immer zurückkehren wollten. Daß diese Rückkehrorientierung nicht<br />

zu e<strong>in</strong>er tatsächlichen Rückkehr führen würde, war <strong>in</strong> den siebziger Jahren wohl noch nicht abzusehen<br />

47 . Schnell wurde aber klar, daß <strong>der</strong> <strong>in</strong>nere Wi<strong>der</strong>spruch e<strong>in</strong>er temporären Integration<br />

alle Ansätze beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n würde.<br />

Auf dem Gebiet <strong>der</strong> Schulpolitik 48 waren dabei die Integrationsbemühungen am <strong>in</strong>tensivsten,<br />

gleichwohl nicht sehr erfolgreich. Die Län<strong>der</strong>kultusm<strong>in</strong>ister entwarfen 1971 und 1976 geme<strong>in</strong>same<br />

Konzepte und führten zahlreiche Experimente und Pilotprogramme durch, ohne e<strong>in</strong>e konsistente<br />

L<strong>in</strong>ie zu f<strong>in</strong>den. Grunddilemma war auch hier die Idee <strong>der</strong> ‘Integration auf Zeit’, die auf<br />

e<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> beiden Welten vorbereiten sollte und die K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> beiden Welten scheitern ließ.<br />

Muttersprachlicher Unterricht erfolgte nicht im systematischen Rahmen e<strong>in</strong>er planvollen<br />

zweisprachigen, <strong>in</strong>terkulturellen Erziehung, son<strong>der</strong>n war eng darauf bezogen, die Rückkehrfähigkeit<br />

zu erhalten 49 . Das führte oft dazu, die Migrantenk<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> re<strong>in</strong>en ‘Auslän<strong>der</strong>klassen’ zu<br />

isolieren. Schließlich durften sie mit Rücksicht auf die deutschen Eltern e<strong>in</strong>e bestimmte ‘Belastungsquote’<br />

pro Klasse nicht überschreiten.<br />

Im Lehrstellenbereich griffen die verschiedenen Qualifizierungsmaßnahmen viel zu kurz, da<br />

ähnlich den schulischen Pilotprogrammen die F<strong>in</strong>anzierung zu knapp und nur für kurze Zeit bemessen<br />

war. Zudem tendierten viele – im Pr<strong>in</strong>zip durchaus s<strong>in</strong>nvolle – Hilfsmaßnahmen dazu,<br />

die MigrantInnen nur als hilfsbedürftige Objekte zu sehen. Integration wurde zu e<strong>in</strong>er Aufgabe<br />

<strong>der</strong> Sozialarbeit reduziert 50 .<br />

Auch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Bereichen wie <strong>der</strong> Wohnungs- o<strong>der</strong> Gesundheitspolitik erwies sich das Konzept<br />

<strong>der</strong> ‘Integration auf Zeit’ als unpraktikabel.<br />

Als dies deutlich wurde, und zugleich die freiwillige Rückwan<strong>der</strong>ung nachließ, g<strong>in</strong>g die bundesdeutsche<br />

Auslän<strong>der</strong>politik immer stärker dazu über, die MigrantInnen vor e<strong>in</strong>e def<strong>in</strong>itive Entscheidung<br />

zwischen Rückkehr und Assimilation zu stellen. In se<strong>in</strong>er Regierungserklärung 1981<br />

gab ihnen <strong>der</strong> Regierende Bürgermeister <strong>von</strong> Berl<strong>in</strong>, Richard <strong>von</strong> Weizsäcker (CDU), zwei Möglichkeiten:<br />

„Entwe<strong>der</strong> Rückkehr <strong>in</strong> die alte Heimat; hierzu wird <strong>der</strong> Senat materielle Anreize und Hilfestellungen geben, o<strong>der</strong><br />

Verbleib <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>; dies schließt die Entscheidung e<strong>in</strong>, auf die Dauer Deutscher zu werden.“ 51<br />

E<strong>in</strong>e Studie argumentierte 1984 folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

„Wer sich nicht e<strong>in</strong>bürgern lassen wolle, müsse f<strong>in</strong>anziell abgefunden werden. Denn die Auslän<strong>der</strong> hätten <strong>in</strong> ihrer großen<br />

Mehrheit ausreichend Gelegenheit gehabt, sich mit den Arbeits- und Lebensbed<strong>in</strong>gungen ihrer Gastlän<strong>der</strong> vertraut<br />

zu machen. Deshalb könne ihnen zugemutet werden, sich für o<strong>der</strong> gegen den dauerhaften Verbleib <strong>in</strong> diesen Län<strong>der</strong>n<br />

zu entscheiden.“ 52<br />

Favorisiert wurde die Rückkehr, denn alle Bekenntnisse zur Integrationspolitik standen stets<br />

unter <strong>der</strong> Überschrift: „<strong>Deutschland</strong> ist ke<strong>in</strong> E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsland.“ 53 Was man aber unter e<strong>in</strong>em<br />

Nicht-E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsland verstehen sollte, wurde meist nicht weiter präzisiert. In den E<strong>in</strong>bürgerungsrichtl<strong>in</strong>ien<br />

<strong>von</strong> 1977 heißt es:<br />

„Die <strong>Bundesrepublik</strong> <strong>Deutschland</strong> ist ke<strong>in</strong> E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsland; sie strebt nicht an, die Anzahl <strong>der</strong> deutschen Staatsangehörigen<br />

gezielt durch E<strong>in</strong>bürgerungen zu vermehren.“ 54<br />

Arbeitgebervertreter Weber schrieb <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Aufsatz <strong>von</strong> 1975, man wolle „ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungs-<br />

und damit ke<strong>in</strong>e Germanisierungspolitik“ betreiben 55 . Auch e<strong>in</strong> juristisches Gutachten

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