09.01.2013 Aufrufe

'Gastarbeit' in der Bundesrepublik Deutschland - von Cord ...

'Gastarbeit' in der Bundesrepublik Deutschland - von Cord ...

'Gastarbeit' in der Bundesrepublik Deutschland - von Cord ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

3.2. Auslän<strong>der</strong>politik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassungsphase 37<br />

Integration – h<strong>in</strong>ter diesem Modewort <strong>der</strong> siebziger Jahre verbargen sich höchst unterschiedliche<br />

Konzepte. Die meisten krankten daran, daß Integration nicht Ziel e<strong>in</strong>er langfristigen M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenpolitik<br />

war, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Mittel blieb, um die oben genannten Ziele <strong>der</strong> Sicherung <strong>von</strong><br />

Arbeitsmarkt und sozialem Frieden zu erreichen. Unter <strong>der</strong> Prämisse, daß <strong>Deutschland</strong> ke<strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsland sei, war zunächst nur e<strong>in</strong>e partielle und temporäre Integration, später dann<br />

e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> assimilative Integration vorgesehen.<br />

So entwickelte <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Senat 1972 e<strong>in</strong> „bedarfsorientiertes Integrationsmodell“. Um den<br />

Bedarf – nicht <strong>der</strong> MigrantInnen, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Unternehmen – zu stillen, g<strong>in</strong>g es um e<strong>in</strong>e „Auslese<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>tegrationsfähigen und <strong>in</strong>tegrationswilligen ... aus <strong>der</strong> Masse <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rotation verharrenden<br />

Zuwan<strong>der</strong>er“ 34 . Hier wird ‘Integration’ nicht als Aufgabe <strong>der</strong> Gesellschaft, son<strong>der</strong>n als<br />

„Anpassungs- und Leistungsprozeß“ <strong>der</strong> MigrantInnen verstanden; die Gesellschaft übernimmt<br />

nur die „Selektion“, bei <strong>der</strong> oft „(kultur-)rassistische Denkmuster e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle“ spielen<br />

35 .<br />

Solche Konzepte ordneten die Integration beschäftigungspolitischen Zielen unter. Dem Arbeitgebervertreter<br />

Weber schien es zum Beispiel fraglich, ob die festgestellte Nie<strong>der</strong>lassung <strong>der</strong><br />

MigrantInnen volkswirtschaftlich überhaupt noch s<strong>in</strong>nvoll sei 36 . In erster L<strong>in</strong>ie sollten die MigrantInnen<br />

ja flexible Arbeitskräfte bleiben. Auch He<strong>in</strong>z Richter vom DGB-Vorstand teilte diese<br />

Präferenz:<br />

„Diejenigen, die glauben, daß die deutschen Gewerkschaften o<strong>der</strong> die <strong>Bundesrepublik</strong> <strong>Deutschland</strong> e<strong>in</strong>e Politik machen<br />

würden, die zuließe, daß es Millionen deutsche Arbeitslose gibt, während die Auslän<strong>der</strong> <strong>in</strong> Arbeit s<strong>in</strong>d, irren, das kann<br />

man <strong>von</strong> uns auch nicht erwarten, das wäre e<strong>in</strong>e Illusion.“ 37<br />

Arbeitsm<strong>in</strong>ister Arendt wollte 1975 die Dauer-Arbeitserlaubnis abschaffen, konnte sich aber<br />

im Kab<strong>in</strong>ett nicht durchsetzen 38 .<br />

Diese politischen Vorgaben zementierten die Unterschichtung <strong>der</strong> MigrantInnen. Befristete<br />

Arbeitserlaubnisse erschwerten den sozialen Aufstieg ebenso wie das regelmäßige Verbot <strong>der</strong><br />

Selbständigkeit: Da „<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ke<strong>in</strong> Interesse daran bestehe, als Gastarbeiter gewonnene<br />

Arbeitskräfte <strong>der</strong> Wirtschaft wie<strong>der</strong> zu entziehen“, untersagte zum Beispiel das Oberverwaltungsgericht<br />

Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Jugoslawen, e<strong>in</strong> Restaurant zu eröffnen 39 .<br />

So wurde gerade auf dem Arbeitsmarkt die Segmentierung <strong>in</strong> den siebziger Jahren verstärkt<br />

und e<strong>in</strong>e Integration <strong>der</strong> MigrantInnen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Schiller schreibt 1984:<br />

„Die Vorstellung, die Auslän<strong>der</strong>beschäftigung als Steuerungsvariable auf dem Arbeitsmarkt e<strong>in</strong>zusetzen, kann nicht länger<br />

aufrechterhalten werden.“ 40<br />

Seit den achtziger Jahren konnte <strong>der</strong> Staat immer weniger steuern, da die MigrantInnen mit<br />

<strong>der</strong> Zeit arbeits- und aufenthaltsrechtliche Ansprüche erworben hatten.<br />

Schon laut Aktionsprogramm <strong>der</strong> Bundesregierung vom Juni 1973 „sollte bei längerer Aufenthaltsdauer<br />

<strong>der</strong> aufenthaltsrechtliche Status verbessert werden“, dieses Vorhaben wurde aber<br />

nicht realisiert 41 . Erst <strong>der</strong> ‘Verfestigungserlaß’ vom 7.7.1978 schuf für e<strong>in</strong>en großen Teil <strong>der</strong><br />

MigrantInnen den Anspruch auf e<strong>in</strong>e unbefristete Aufenthaltserlaubnis o<strong>der</strong> -berechtigung. Dennoch<br />

blieben sie Auflagen und <strong>der</strong> möglichen Ausweisung ebenso unterworfen wie dem zunehmend<br />

als diskrim<strong>in</strong>ierend empfundenen Etikett ‘Auslän<strong>der</strong>’. Auch erhielten sie diesen Status<br />

nur auf Antrag, bei Nachweis ausreichen<strong>der</strong> Sprachkenntnisse und genügenden Wohnraums.<br />

Aus Unkenntnis nutzten nicht alle MigrantInnen ihre Ansprüche 42 . Seit Anfang <strong>der</strong> achtziger<br />

Jahre wurde e<strong>in</strong>e Novellierung des Auslän<strong>der</strong>gesetzes <strong>von</strong> 1965 gefor<strong>der</strong>t und wie<strong>der</strong>holt auch<br />

angekündigt, aber bis 1990 nicht umgesetzt 43 .<br />

Dennoch war die relative rechtliche Sicherheit e<strong>in</strong> wichtiger Integrationsschritt. Die Exekutive<br />

beschnitt mit ihm ihr eigenes Ermessen, getrieben vom rechtsstaatlichen Pr<strong>in</strong>zip des Vertrauensschutzes<br />

44 und <strong>der</strong> Hoffnung auf kostenlose Integrationserfolge.<br />

Kostenersparnis war auch Motiv <strong>der</strong> Neuregelung des K<strong>in</strong><strong>der</strong>geldes <strong>von</strong> 1975, nach <strong>der</strong> für<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Ausland weniger gezahlt wurde als für K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>. Das machte den Nachzug<br />

attraktiver und galt daher <strong>in</strong> Wissenschaft und Öffentlichkeit als beispielhaftes Eigentor <strong>der</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!