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'Gastarbeit' in der Bundesrepublik Deutschland - von Cord ...

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3.2. Auslän<strong>der</strong>politik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassungsphase 33<br />

3.2. Auslän<strong>der</strong>politik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassungsphase – Strategien gegen die<br />

E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung<br />

Die Entdeckung des ‘Auslän<strong>der</strong>problems’<br />

Seit Anfang <strong>der</strong> siebziger Jahre bemerkte die deutsche Öffentlichkeit, daß sich viele ‘Gastarbeiter’<br />

bereits nie<strong>der</strong>gelassen hatten. Überfremdungsängste entstanden und verstärkten sich<br />

durch die Wirtschaftskrise.<br />

Die entstehenden sozialen und <strong>in</strong>frastrukturellen Kosten m<strong>in</strong><strong>der</strong>ten den volkswirtschaftlichen<br />

Gew<strong>in</strong>n, den die MigrantInnen <strong>der</strong> <strong>Bundesrepublik</strong> brachten 1 . Denn allmählich brauchten die<br />

zugewan<strong>der</strong>ten Familien e<strong>in</strong>ige Leistungen des Sozialsystems, für das sie bisher nur gezahlt<br />

hatten.<br />

Während anfangs lediglich die Unternehmer für ‘angemessene’ Unterkünfte zahlen mußten,<br />

wuchsen nun die Aufgaben <strong>der</strong> Wohlfahrtsverbände (Beratungszentren) und Kommunen (Schulen<br />

und K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten). In bezug auf K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärtenplätze beklagte die Bundesanstalt für Arbeit<br />

1972, „<strong>in</strong> welchem Ausmaß heute Kapazitäten <strong>in</strong> typischen Engpaßbereichen durch die Auslän<strong>der</strong><br />

gebunden werden“ 2 . Der rasche Zuwachs ausländischer SchülerInnen <strong>von</strong> 35 100<br />

(1965) auf 158 000 (1970) überfor<strong>der</strong>te die schon überfüllten und unvorbereiteten Schulen 3 . In<br />

diesen untauglichen Schulen scheiterten viele Migrantenk<strong>in</strong><strong>der</strong>; seit Mitte <strong>der</strong> siebziger Jahre<br />

drohte diese Masse <strong>von</strong> SchulabbrecherInnen zum „sozialen Zündstoff mit Zeitzün<strong>der</strong>“ für die<br />

Gesellschaft zu werden 4 .<br />

In den Altbauvierteln <strong>der</strong> Großstädte, <strong>in</strong> die viele Migrantenfamilien zogen, fehlte es an <strong>der</strong><br />

nötigen Infrastruktur, denn die vorherrschende Politik <strong>der</strong> Flächensanierung hatte ja vorgesehen,<br />

diese Viertel abzureißen. Deswegen waren viele deutsche MieterInnen bereits weggezogen;<br />

nun behaupteten aber Lokalpolitiker und Medien, die Auslän<strong>der</strong> verdrängten die E<strong>in</strong>gesessenen.<br />

Die Debatte um die ‘Auslän<strong>der</strong>ghettos’ setzte e<strong>in</strong> 5 . Auch <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Senat sah die Gefahr<br />

des<br />

„drohenden Zusammenbruchs <strong>der</strong> Infrastruktur dieser Stadtteile und <strong>der</strong> damit verbundenen Gefährdung <strong>der</strong> ausländischen<br />

und <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung sowie <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Sicherheit“ 6 .<br />

Statt die wohnungspolitischen Probleme anzusprechen, schürten viele Medien die Überfremdungsängste<br />

mancher Deutscher. E<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s rassistisches Beispiel zeigt <strong>der</strong> nebenstehende<br />

Ausschnitt aus e<strong>in</strong>em SPIEGEL-Artikel.<br />

Neben <strong>der</strong> kulturellen Überfremdung („wo e<strong>in</strong>st Maximilian Harden das ‘Rauschen des Wasserfalls’<br />

vernahm, tönt nun ‘türk folkloru’“) und <strong>der</strong> ethnischen Verdrängung („Fast alle bleiben<br />

im Lande und mehren sich redlich“) suggeriert <strong>der</strong> Artikel krim<strong>in</strong>elle Bedrohung („E<strong>in</strong>schußlöcher<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Decke“) 7 . Aus dem Kuriosum Auslän<strong>der</strong> – „Zwei kle<strong>in</strong>e Italiener“ – war e<strong>in</strong>e Bedrohung<br />

geworden: „Die Türken kommen!“ 8<br />

Die MigrantInnen schienen noch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>er H<strong>in</strong>sicht die ‘<strong>in</strong>nere Sicherheit’ zu bedrohen: Sie<br />

politisierten und <strong>in</strong>tegrierten sich zunehmend <strong>in</strong> Streiks. Bundesregierung, Verfassungsschutz<br />

und Arbeitgeber verschärften ihre Überwachung und registrierten besorgt Aktionen wie den vor<br />

allem <strong>von</strong> Türken getragenen spontanen Streik im Jahr 1973 bei Ford <strong>in</strong> Köln 9 . Geriet die Stabilität<br />

<strong>der</strong> sozialen Schichtung <strong>in</strong> Gefahr?<br />

Mit <strong>der</strong> Wirtschaftskrise trat dann noch die Konkurrenz um Arbeitsplätze h<strong>in</strong>zu. Die 1973–74<br />

e<strong>in</strong>setzende Rezession, die das 1967 nur kurz gestörte ‘Wirtschaftswun<strong>der</strong>’ def<strong>in</strong>itiv beendete,<br />

kehrte die Arbeitsmarktlage um: Die konjunkturelle Flaute ließ die Beschäftigung zurückgehen;<br />

darüberh<strong>in</strong>aus schufen Investitionsrückgang, Rationalisierungen und Produktionsverlagerungen<br />

<strong>in</strong> Billiglohnlän<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e strukturell bed<strong>in</strong>gte Arbeitslosigkeit.

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