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'Gastarbeit' in der Bundesrepublik Deutschland - von Cord ...

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22 3.1. 'Gastarbeits'-Politik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anwerbephase<br />

1951–52 wurden die genannten Verordnungen ohne Diskussion wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Kraft gesetzt und<br />

<strong>der</strong> staatliche E<strong>in</strong>fluß <strong>in</strong> <strong>der</strong> drittelparitätisch gelenkten Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und<br />

Arbeitslosenversicherung festgeschrieben. Interne Rundschreiben regelten mehr als nur Details<br />

26 .<br />

Wer aber vorhandene Regeln nur wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Kraft setzt, diskutiert selten ausführlich die<br />

grundsätzlichen Ziele und Bedenken. Über das beispielgebende Anwerbeabkommen mit Italien<br />

gab es ke<strong>in</strong>en Bundestagsbeschluß und nur e<strong>in</strong>e schwache öffentliche Debatte; über die folgenden<br />

Abkommen nicht e<strong>in</strong>mal dies 27 . Die steigenden Auslän<strong>der</strong>zahlen waren damals we<strong>der</strong><br />

beabsichtigt noch vorauszusehen 28 . In <strong>der</strong> Tat formulierte erstmals 1970 e<strong>in</strong>e Bundesregierung<br />

e<strong>in</strong> Konzept zur Auslän<strong>der</strong>politik 29 . Gleichwohl wurden seit 1955 Auslän<strong>der</strong>Innen angeworben,<br />

denn die deutsche Wirtschaft brauchte zusätzliche Arbeitskräfte.<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gung Arbeitskräftemangel<br />

Nur kurz möchte ich die weith<strong>in</strong> bekannten Ursachen des Arbeitskräftemangels aufführen. An<br />

erster Stelle steht dabei das enorme Wachstum <strong>der</strong> Wirtschaft, die immer mehr Arbeitskräfte<br />

benötigte 30 . Herbert weist daraufh<strong>in</strong>, daß schon die Vorgeschichte des Booms auf <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>beschäftigung<br />

beruhte: 1944 waren im nationalsozialistischen <strong>Deutschland</strong> über 7 Millionen<br />

ausländischer Fremd- bzw. ZwangsarbeiterInnen beschäftigt. Sie ermöglichten die enorme Ausweitung<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen Produktionskapazität während des Krieges, auf die nach 1948 ungeachtet<br />

<strong>der</strong> Bombenschäden das westdeutsche ‘Wirtschaftswun<strong>der</strong>’ aufbauen konnte 31 .<br />

Aus verschiedenen Gründen wuchs die Zahl <strong>der</strong> deutschen Erwerbspersonen nicht ausreichend<br />

und nahm ab 1962 sogar wie<strong>der</strong> ab 32 . Zunächst stellten die Vertriebenen und DDR-<br />

Flüchtl<strong>in</strong>ge noch mehr als genug Arbeitskräfte, doch war ihr Potential nach dem Mauerbau versiegt.<br />

In den fünfziger Jahren wan<strong>der</strong>ten an<strong>der</strong>erseits rund 800 000 Deutsche nach Übersee<br />

aus 33 . Seit 1.4.1957 wurde die Wehrpflicht e<strong>in</strong>geführt. In den sechziger Jahren traten die geburtenschwachen<br />

Kriegsjahrgänge <strong>in</strong>s Erwerbsleben, das durchschnittliche Rentenalter sank, die<br />

Ausbildungszeiten verlängerten sich und die Wochenarbeitszeit wurde verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Die Frauenerwerbstätigkeit<br />

stagnierte seit etwa 1958. Ihre weitere Erhöhung stieß ohneh<strong>in</strong> auf ‘familienpolitische’<br />

Bedenken.<br />

Die Unternehmen litten unter dem „Kampf um Arbeiter“ 34 ; schon bei e<strong>in</strong>em vorübergehenden<br />

Kräftemangel drohten Lohnsteigerungen. E<strong>in</strong>e stärkere technische Rationalisierung als Alternative,<br />

wie sie viele Volkswirte im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> für besser hielten, scheiterte vor allem am Kapitalmangel<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft. Die rasche Expansion zu verlangsamen, wi<strong>der</strong>sprach <strong>der</strong> Wachstumseuphorie<br />

<strong>der</strong> Zeit. Gegen e<strong>in</strong>e Verlängerung <strong>der</strong> wöchentlichen Arbeitszeit leisteten die Gewerkschaften<br />

Wi<strong>der</strong>stand. Nur mit Auslän<strong>der</strong>Innen waren zusätzliche, billige Arbeitskräfte zu<br />

gew<strong>in</strong>nen.<br />

Vorteile <strong>der</strong> ‘Gastarbeit’<br />

Bemerkenswert ist allerd<strong>in</strong>gs, daß schon 1955 angeworben wurde, bei e<strong>in</strong>er Arbeitslosigkeit<br />

<strong>von</strong> immerh<strong>in</strong> noch 5.1 %. In Baden-Württemberg lag sie allerd<strong>in</strong>gs nur bei 2.2 %, im September<br />

gar bei 1.0 %. Die regionalen und saisonalen Unterschiede waren kaum auszugleichen 35 .<br />

Die den deutschen Arbeitslosen abverlangte größere regionale Mobilität scheiterte nicht zuletzt<br />

am fehlenden Wohnraum. Für e<strong>in</strong>en „Rückgriff auf Italiener“ sprach auch, daß „die Gestellung<br />

<strong>von</strong> Baracken im allgeme<strong>in</strong>en ausreichen dürfte“ 36 .<br />

Überhaupt machte ihre größere regionale, aber auch zeitliche und branchenmäßige Beweglichkeit<br />

die Auslän<strong>der</strong>Innen auch dann attraktiv, wenn noch genügend deutsche Arbeitskräfte<br />

zur Verfügung standen.

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