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Gender-Gesundheitsbericht Schweiz 2006 - Gender Campus

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nehmen haben, für welche Aufgaben sie Verantwortung tragen usw. Was dabei als «typisch<br />

weiblich» oder «typisch männlich» gilt, unterliegt gesellschaftlichen Definitionsprozessen<br />

und ist damit variabel. Um ein Beispiel zu nennen: Bis vor etwa zwei Jahrzehnten<br />

galt Rauchen als etwas typisch Männliches. Diesen Nimbus hat der Tabakkonsum verloren<br />

(mit Ausnahme des Zigarre- und Pfeiferauchens), heute rauchen in den jüngeren<br />

Bevölkerungsgruppen mehr Mädchen als Jungen, und das Rauchen von Zigaretten eignet<br />

sich nicht mehr zur Stilisierung von Männlichkeit.<br />

Darüber hinaus wirken biologisches und soziales Geschlecht auf die Gesundheit von<br />

Männern und Frauen nicht unabhängig voneinander, sondern die Auswirkungen von sex<br />

und gender können eng miteinander verwoben sein, wie Payne (2002) am Beispiel von<br />

Rauchen und Lungenkrebs aufgezeigt hat (vgl. Kasten 1.3-1).<br />

Kasten 1.3-1<br />

Die Interaktion des biologischen und sozialen Geschlechts am Beispiel Rauchen und<br />

Lungenkrebs<br />

Das biologische und das soziale Geschlecht sind eng miteinander verwoben, wie Sarah Payne in ihrem<br />

richtungweisenden Aufsatz «Smoke like a man, die like a man» (2002) aufgezeigt hat. Sie hat den Zusammenhang<br />

zwischen Rauchen und Lungenkrebs analysiert und die Frage gestellt, welchen Einfluss<br />

das biologische und das soziale Geschlecht haben.<br />

Ihr Ausgangspunkt sind drei Beobachtungen: 1.) In industrialisierten Ländern sinkt die Lungenkrebshäufigkeit<br />

bei den Männern, sie steigt aber bei den Frauen. 2.) Wird hinsichtlich der Menge gerauchter<br />

Zigaretten unterschieden, ist das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, in jeder Gruppe bei Frauen<br />

höher als bei Männern. Und 3.) erkranken Frauen und Männer an unterschiedlichen Formen des Lungenkrebses;<br />

so sind Frauen häufiger vom so genannten Adenokarzinom und von aggressiveren, kleinzelligen<br />

Krebsformen betroffen.<br />

Zur Erklärung dieser Unterschiede führt Sarah Payne sowohl biologische als auch soziale Faktoren an, in<br />

die jeweils sex und gender hineinspielen. So scheint das Lungengewebe von Frauen empfindlicher auf<br />

Rauch zu reagieren, ein biologischer Faktor. Aber Frauen und Männer unterscheiden sich auch in ihren<br />

Motiven, zu Zigaretten zu greifen: Frauen rauchen offenbar häufiger als Männer, um Stresssituationen<br />

abzumildern – ihnen fällt deshalb möglicherweise das Aufhören schwerer. Ein entscheidender Faktor<br />

scheint zudem der Teer- und Kondensatgehalt zu sein: steigen RaucherInnen auf «leichtere» Zigaretten<br />

um, was Frauen häufiger tun als Männer, gleichen sie den geringeren Schadstoffgehalt durch tiefere<br />

Züge aus. Diese tiefere Inhalation erhöht das Risiko für ein Adenokarzinom. In diesem Zusammenhang<br />

spielen auch die Rauchgewohnheiten eine Rolle. An vielen Arbeitsplätzen ist das Rauchen verboten,<br />

und Frauen arbeiten häufiger an diesen Plätzen. Eine Zigarette vor der Tür wird schneller geraucht, die<br />

Züge sind tiefer und erfolgen häufiger und das Risiko für Adenokarzinom steigt.<br />

Bezogen auf gesundheitliche Belange wird die biologische Unterscheidung zwischen<br />

Frauen und Männern in erster Linie bezüglich ihrer reproduktiven Gesundheit und anatomisch<br />

unterschiedlichen primären und sekundären Geschlechtsorgane vorgenommen. In<br />

der medizinischen Versorgung zeigt sich dies beispielsweise in der Spezialisierung der<br />

Gynäkologie (Frauenheilkunde) und dem sich zunehmend dazu etablierenden Pendant,<br />

der Andrologie (Männerheilkunde) bzw. Urologie für Männer. Darüber hinaus gibt es weitere<br />

physiologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die ihren Gesundheitsstatus<br />

entscheidend prägen können. So reagiert z.B. das Körpergewebe von Frauen und<br />

Männern unterschiedlich auf Suchtstoffe und Kanzerogene. Allerdings kann die unterschiedliche<br />

biologische «Grundausstattung» von Frauen und Männern nur zu einem geringen<br />

Anteil zur Erklärung der deutlichen Unterschiede in Morbidität und Mortalität beitragen.<br />

So wird beispielsweise der Beitrag biologischer Faktoren zur höheren Lebenserwartung<br />

der Frauen lediglich auf etwa ein bis zwei Jahre eingeschätzt (Luy, 2002a, Luy,<br />

Einleitung | 46

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