Gender-Gesundheitsbericht Schweiz 2006 - Gender Campus
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Erst mit einer Verknüpfung gesundheitlicher und sozialer Daten können entsprechende<br />
Schlussfolgerungen gezogen werden. Mittlerweile werden im Zusammenhang mit Gesundheitsbefragungen<br />
zunehmend soziale Daten erfasst. Aber gibt es noch eine Reihe<br />
an systematischen methodischen Problemen, die zu einer Verzerrung der Ergebnisse<br />
führen können. Zur Abbildung der sozialen Schicht werden z.B. unter anderen ökonomische<br />
Faktoren einbezogen, die sich zumeist auf das verfügbare Haushaltseinkommen<br />
beziehen. Dabei wird nicht unterschieden, wer in einem Haushalt welchen Anteil beisteuert<br />
bzw. ob dies nur eine oder mehrere Personen tun. Die Aussagen über die soziale<br />
Schicht – hinsichtlich Haushaltseinkommen – erfolgen damit über den Haushalt und nicht<br />
personenbezogen. Damit wird impliziert, dass sich die wirtschaftliche Situation des<br />
Haushaltseinkommens auf alle Mitglieder gleichermassen auswirkt. Da in Familienhaushalten<br />
Männer überwiegend vollerwerbstätig und Frauen eher teilzeitbeschäftigt sind,<br />
kann es dagegen durchaus sein, dass Frauen für eigene Belange weniger ökonomische<br />
Ressourcen zur Verfügung stehen. Das methodische Problem zur angemessenen Operationalisierung<br />
der sozialen Situation von Frauen und Männern wird in der Gesundheitsforschung<br />
zunehmend diskutiert und bearbeitet (Babitsch, 2005; Mielck, 2002).<br />
<strong>Gender</strong> Mainstreaming in der <strong>Gesundheitsbericht</strong>erstattung bedeutet allerdings auch,<br />
nicht nur eigenständige <strong>Gender</strong>-<strong>Gesundheitsbericht</strong>e zu erstellen, die den geschlechtersensiblen<br />
Vergleich ins Zentrum stellen, sondern die Geschlechterperspektive in alle<br />
<strong>Gesundheitsbericht</strong>e einzubeziehen. Nur so kann deutlich werden, dass die Kategorie<br />
Geschlecht auch bei vermeintlich geschlechtsneutralen Gesundheitsthemen eine Rolle<br />
spielt.<br />
Eine geschlechtersensible <strong>Gesundheitsbericht</strong>erstattung kann sich nicht nur auf Routinedaten<br />
stützen, sondern muss auch auf Studien der Public-Health-Forschung zurückgreifen.<br />
Hier setzt sich ein zweiter Bereich einer notwendigen Sensibilisierung an, denn zahlreiche<br />
Forschungsprojekte und die daraus erarbeiteten Publikationen sind durch einen<br />
<strong>Gender</strong>-Bias, also durch geschlechterbezogene Verzerrungen, gekennzeichnet. Die kanadische<br />
Wissenschafterin Margit Eichler hat ein Instrument entwickelt, mit dem solche<br />
Verzerrungen identifiziert werden können, um einen Sensibilisierungsprozess in Gang zu<br />
setzen. Eichler (2002) unterscheidet drei – häufig gemeinsam auftretende – Hauptformen<br />
des <strong>Gender</strong>-Bias:<br />
− Geschlechterinsensibilität: Die Bedeutung des Geschlechts wird gänzlich ignoriert.<br />
− Androzentrismus: In der Studienkonzeption und den verwendeten Instrumenten wird<br />
von einem männlichen Normmodell ausgegangen.<br />
− Doppelter Bewertungsmassstab: Spezifische Fragestellungen (z.B. hinsichtlich der<br />
Vereinbarkeit von Familien- und Berufsarbeit, der Einfluss von Erwerbsarbeit auf die<br />
Gesundheit) werden nur bei dem Geschlecht (hier: Frauen) untersucht.<br />
Eine geschlechtergerechte bzw. geschlechterangemessene Forschung bezieht sich auf<br />
alle Phasen des Forschungsprozesses. Als Beispiel sei der Punkt «Datenerhebung» und<br />
hier die Verwendung von Fragebögen genannt, die für einen vorgeblich «geschlechtsneutralen»<br />
Einsatz konzipiert sind. Hierbei kann es zu einer Vernachlässigung von Faktoren<br />
kommen, die für eines der Geschlechter wichtig sind. So wird beispielsweise zum<br />
Thema Bewegung und Gesundheit oftmals die sportliche Aktivität in systematischer Art<br />
und Weise erfasst, nicht aber körperliche Aktivität, die im Zusammenhang mit Haus- und<br />
Familienarbeit stehen. Dies kann dazu führen, dass Bewegung als gesundheitliche Res-<br />
Diskussion und Schlussfolgerungen | 188