Gender-Gesundheitsbericht Schweiz 2006 - Gender Campus
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4.2.3. Biologische Faktoren<br />
Der Einfluss biologischer Faktoren zu Erklärung der Geschlechterunterschiede in Krankheit<br />
und Gesundheit wird zumeist überschätzt. So wird der Beitrag biologischer Erklärungen<br />
im Hinblick auf die unterschiedliche Lebenserwartung von Frauen und Männern mit<br />
höchstens ein bis zwei Jahren eingeschätzt (Luy 2002a, Luy 2002b). Biologische und<br />
damit anatomische Unterschiede sind allerdings entscheidend bei Erkrankungen, die mit<br />
den Reproduktionsorganen und sekundären Geschlechtsmerkmalen in Zusammenhang<br />
stehen. Hinzu kommen Krankheiten, bei denen die spezifischen Hormonlagen von Frauen<br />
und Männern eine Rolle spielen (z.B. die Bedeutung von Östrogenen bei Schilddrüsenerkrankungen<br />
und Migräne). Möglicherweise wirken sich auch bislang unerforschte<br />
biologische Unterschiede in Anatomie und Physiologie von Frauen und Männern darauf<br />
aus, ob und wie bestimmte Erkrankungen bei ihnen auftreten.<br />
4.2.4. Geschlechtsspezifische Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem<br />
Frauen und Männer zeigen nicht nur unterschiedliche gesundheitsbezogene Verhaltensweisen,<br />
sondern werden auch im Versorgungssystem unterschiedlich wahrgenommen.<br />
So können beispielsweise die gesellschaftlichen Geschlechterstereotype auch in der<br />
ärztlichen Praxis dazu führen, dass in die medizinische Diagnose von Patientinnen vermehrt<br />
psychosomatische und bei Patienten eher somatische Faktoren einfliessen. Dies<br />
kann zur Folge haben, dass bei Männern psychische und bei Frauen somatische Belange<br />
übersehen werden. Am Beispiel von Herzerkrankungen wurde aufgezeigt, dass Frauen<br />
hinsichtlich Diagnose- und Therapiemassnahmen lange unterversorgt waren bzw. noch<br />
sind (vgl. Kapitel 3.6, Exkurs koronare Herzkrankheit). Die Ursachen dafür liegen zum<br />
einen darin, dass eine Herzerkrankung in stereotyper Weise eher dem männlichen Geschlecht<br />
zugeordnet wird. Zum anderen wurde lange nicht erkannt, dass sich die Symptomatik<br />
bei Frauen und Männern unterscheidet und in erster Linie die «männliche»<br />
Symptomatik als Zeichen für eine Herzerkrankung ernst genommen wurde. Aus diesen<br />
Erkenntnissen wird deutlich, dass ein geschlechtersensibler Blick in der gesundheitlichen<br />
Versorgungspraxis zwar sehr wohl aufmerksam sein muss für geschlechtsspezifische<br />
Erkrankungen und Problemlagen, aber dennoch weder mit stereotypem noch mit einem<br />
das Geschlecht ignorierenden Fokus antreten darf.<br />
4.2.5. Methodische Probleme<br />
Bei den in den Gesundheitsdaten vorgefundenen Unterschieden oder auch Gemeinsamkeiten<br />
zwischen den Geschlechtern kann bislang noch nicht ausgeschlossen werden,<br />
dass sie zum Teil einer systematischen Verzerrung hinsichtlich Geschlecht unterliegen.<br />
Dieser so genannte «<strong>Gender</strong>-Bias» ist Ausdruck eines methodischen Problems, welches<br />
sich bei der Erhebung von Daten über Frauen und Männer stellen kann. Oftmals sind<br />
Erhebungs- und Befragungsinstrumente im Zusammenhang mit Krankheit und Gesundheit<br />
nicht ausdrücklich an und für beide Geschlechter getestet, weshalb deren Aussagen<br />
Diskussion und Schlussfolgerungen | 185