Gender-Gesundheitsbericht Schweiz 2006 - Gender Campus
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Opferhilfeberatungsstellen. 74,5% der Opfer, die 2002 eine Beratungsstelle aufsuchen,<br />
waren weiblichen Geschlechts. Dies gilt insbesondere für die Verletzung der sexuellen<br />
Integrität. Im Zeitraum zwischen 1992 und 2002 ist die Zahl der polizeilich ermittelten<br />
Vergewaltigungen von 316 auf 484, also um 53% angestiegen (BFS, 2004). Inwieweit<br />
hierhinter eine Bereitschaft, eine Vergewaltigung zur Anzeige zu bringen, oder aber ein<br />
tatsächlicher Anstieg der Vergewaltigungen stehen, kann auf der Grundlage der polizeilichen<br />
Kriminalstatistik nicht beantwortet werden.<br />
3.7.4. Forschungs- und Handlungsbedarf<br />
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Unfälle und Gewalteinwirkungen eine zentrale<br />
Ursache von Morbidität und Mortalität darstellen, die besonders junge Männer bis<br />
ins mittlere Lebensalter hinein betreffen. Das in den Gesundheitszielen für die <strong>Schweiz</strong><br />
formulierte Ziel, Verletzungen, Behinderungen und Todesfälle als Folge von Unfällen und<br />
Gewalt zu reduzieren, wurde bislang nur teilweise erreicht: Während die Todesfälle im<br />
Strassenverkehr bei beiden Geschlechtern rückläufig sind, nehmen die Suizidraten in der<br />
weiblichen Bevölkerung zu (vgl. Kapitel 3.5). Rückläufig sind ebenfalls Berufsunfälle. Diese<br />
Trends verweisen darauf, dass zahlreiche Anstrengungen, z.B. zur Veränderung von<br />
gesundheitsriskanten Arbeitsplätzen oder zur Entschärfung von Unfallpunkten im Strassenverkehr,<br />
mittlerweile Erfolge verbuchen können. Dennoch besteht erheblicher Handlungsbedarf,<br />
der insbesondere die Gruppe mit dem höchsten Risiko, junge Männer, in<br />
den Blick nehmen sollte. Ein Beispiel für eine gelungene Intervention ist das Projekt «Voll<br />
im Griff», bei dem der Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Fahrvermögen auf<br />
eine männergerechte Art und Weise thematisiert wird, um die so genannten Disco-<br />
Unfälle (Unfälle an den Wochenenden unter Alkoholeinfluss) zu reduzieren (siehe ausführlicher<br />
Wüst, <strong>2006</strong>).<br />
Ähnliches gilt für das Thema «Ausserhäusliche Gewalterfahrung». Männer sind hiervon<br />
als Täter und als Opfer häufiger betroffen, aber es fehlt noch immer an geschlechtssensibel<br />
entwickelten Interventionsprogrammen. Zwar gibt es mittlerweile einige Interventionsprojekte<br />
im schulischen Kontext (z.B. Ausbildung von Schülern zu Streitschlichtern<br />
und Mediatoren), dennoch hat es den Anschein, als würde gewalttätiges Verhalten –<br />
gerade von männlichen Jugendlichen und jungen Männern – als «quasi-natürliche» Eigenschaft<br />
wahrgenommen, die zum Erwachsenwerden bei Männern dazugehört. Gewaltpräventionskonzepte<br />
thematisieren bislang nur selten den Zusammenhang zwischen<br />
männlichen Geschlechtsstereotypen und Gewalt und verpassen damit eine Chance zur<br />
Herstellung vertikaler gesundheitlicher Chancengleichheit.<br />
Für das Thema Gewalt gegen Frauen lässt sich festhalten, dass dieses inzwischen stärker<br />
Aufmerksamkeit geniesst als noch vor einigen Jahren. Ablesbar ist diese Entwicklung<br />
daran, dass zahlreiche Interventionsprojekte entwickelt wurden und dass einige gesetzliche<br />
Massnahmen sowohl auf Bundes- als auch auf kantonaler Ebene verankert wurden.<br />
Dennoch muss auch bei diesem Thema ein erheblicher Handlungsbedarf konstatiert<br />
werden. Hier bieten sich aus der Perspektive gesundheitlicher Versorgung z.B. niedergelassene<br />
Ärztinnen und Ärzte sowie Gesundheitsfachleute an, die darin geschult werden<br />
können, von Gewalt betroffene Frauen zu erkennen und ihnen gezielt und sensibel Hilfe<br />
anzubieten. So zeigt die Repräsentativbefragung von Patientinnen der Maternité Inselhof<br />
Triemli in Zürich (Gloor & Meier, 2004), dass das Spital für viele Frauen die erste Anlauf-<br />
Geschlechterblick auf die Gesundheitsziele für die <strong>Schweiz</strong> | 151