Gender-Gesundheitsbericht Schweiz 2006 - Gender Campus
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Abbildung 3.3-6: Körperliche Betätigung der 15- bis 18-jährigen Jugendlichen, in Prozent nach Geschlecht<br />
(<strong>Schweiz</strong>erische Gesundheitsbefragung, 2002, Sonderauswertung für <strong>Gender</strong>-<strong>Gesundheitsbericht</strong>)<br />
3.3.4. Erklärungsansätze für die Geschlechterunterschiede<br />
Geschlechterunterschiede in der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zeigen sich<br />
zwar auch bei chronischen und infektiösen Erkrankungen, weitgehend häufiger aber finden<br />
sie sich beim gesundheitsrelevanten Verhalten. Obwohl immer wieder deutlich wird,<br />
dass Jungen und Mädchen unterschiedliches gesundheitsrelevantes Verhalten zeigen,<br />
gibt es bisher nur wenige geschlechtsspezifische Erklärungsansätze. Einerseits werden<br />
diese Unterschiede auf die unterschiedlich verlaufenden Sozialisationsprozesse bei Jungen<br />
und Mädchen zurückgeführt (Hagemann-White, 1984). Andererseits wird häufig auf<br />
das entwicklungspsychologische Konzept der Entwicklungsaufgaben bzw. deren Bewältigung<br />
zurückgegriffen, wonach die Geschlechtsdifferenz im gesundheitsrelevanten Verhalten<br />
auf die unterschiedlich gefärbten Entwicklungsaufgaben von Jungen und Mädchen<br />
zurückgeführt werden (Franzkowiak, 1986; Holler-Nowitzki, 1994; Hurrelmann,<br />
2000; Kolip, 1997). Häufig werden daher die Unterschiede im gesundheitsrelevanten<br />
Verhalten erklärt, indem auf die unterschiedlich konstruierten Rollen von Frauen und<br />
Männern rekurriert wird. Entsprechend wird das Verhalten von Mädchen und Jungen<br />
daraufhin eingeordnet, ob es der jeweiligen Geschlechtstypik genügt oder nicht.<br />
Die Problematik solcher Erklärungsansätze liegt darin, dass sie die Gegebenheit zweier<br />
sich dual gegenübergestellten Geschlechter voraussetzen und folglich Mädchen und<br />
Jungen immer in Abgrenzung zueinander thematisieren. Einwände aus den 1990er-<br />
Jahren weisen darauf hin, dass die Geschlechterrollen an Eindeutigkeit und Verbindlichkeit<br />
verlieren und dass nunmehr eine Vielzahl von Weiblichkeits- und Männlichkeitsaspekten<br />
existieren (Connell, 2000; Meuser, 1998). Danach besteht die entsprechende<br />
Entwicklungsaufgabe vielmehr darin, sich in dieser Vielfalt zurechtzufinden als in einer<br />
Übernahme einer konstruiert vorgegebenen Rolle. Daher reicht die oben skizzierte Differenzhypothese<br />
nicht aus, um Geschlechtsunterschiede im Gesundheits- bzw. Risikoverhalten<br />
zu erfassen.<br />
Ein weit fruchtbarerer Ansatz zur Erklärung der Geschlechtsunterschiede resultiert aus<br />
der interaktionistischen Sichtweise von Geschlecht. So geht die Theorie des «doing gender»<br />
(West & Zimmermann, 1987) davon aus, dass Geschlecht nicht etwas ist, das wir<br />
Geschlechterblick auf die Gesundheitsziele für die <strong>Schweiz</strong> | 103